Verfahrensgang
LG Coburg (Entscheidung vom 08.04.2022; Aktenzeichen 33 S 7/22) |
AG Coburg (Entscheidung vom 05.01.2022; Aktenzeichen 11 C 4020/21) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Coburg - 3. Zivilkammer - vom 8. April 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht auf Ersatz restlicher Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Rz. 2
Das Fahrzeug des Geschädigten wurde am 3. April 2018 bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Die volle Einstandspflicht der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers steht dem Grunde nach außer Streit. Der Geschädigte beauftragte am 11. April 2018 die Klägerin mit der Erstellung eines Gutachtens zur Schadenshöhe. Das Auftragsformular enthielt unter der Überschrift "Zahlungsanweisung und Abtretungserklärung" den nachfolgenden Text:
"Ich weise hiermit die Versicherungsgesellschaft meines Unfallgegners an, die Rechnung für das vorstehend in Auftrag gegebene Gutachten, zur Erfüllung meines Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Gutachtenkosten, an die T. GmbH [Klägerin] zu bezahlen. Weiter trete ich meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachtenkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft an die T. GmbH ab. Meine persönliche Haftung für die Gutachtenkosten bleibt trotz dieser Abtretung bestehen. Die Abtretung erfolgt nicht an Erfüllungs statt. Die Kosten für das Gutachten werden nach der derzeit geltenden Honorartabelle der T. GmbH berechnet. Im Übrigen gelten für diesen Auftrag die beigefügten Geschäftsbedingungen."
Rz. 3
Das von der Klägerin erstellte Gutachten wies notwendige Reparaturkosten in Höhe von netto 3.098,97 € aus; es enthielt eine Lichtbildanlage mit mindestens 18 Lichtbildern. Die Klägerin stellte hierfür insgesamt 767,37 € in Rechnung, die sich wie folgt zusammensetzten:
Grundhonorar |
497,00 € |
Schreibkosten/Kopien |
21,00 € |
Porto-/Telefonkosten |
15,00 € |
Lichtbilder zum Original |
36,00 € |
Lichtbilder zum Duplikat |
9,00 € |
Restwertbörse |
19,25 € |
Fahrtkostenersatz 68 km x 0,70 € |
47,60 € |
|
644,85 € |
Mehrwertsteuer 19,0 % |
122,52 € |
|
767,37 € |
Rz. 4
Die Beklagte zahlte darauf vorgerichtlich 614 € an die Klägerin, eine weitergehende Zahlung lehnte sie ab. Die Klägerin und der Geschädigte schlossen im Oktober 2020 die folgende weitere "Abtretungsvereinbarung":
"Der Auftraggeber/Zedent tritt hiermit seinen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber der Haftpflichtversicherung an die T. GmbH/Zessionarin [Klägerin] ab und ermächtigt die T. GmbH/Zessionarin diese Kosten gerichtlich geltend zu machen.
Im Zeitpunkt der Abtretung erlischt der Anspruch der T. GmbH auf Erfüllung ihres Werklohnanspruchs gegenüber dem Auftraggeber. Die Abtretung erfolgt somit ausdrücklich an Erfüllung statt."
Rz. 5
Die Klägerin setzte der Beklagten zuletzt eine Frist zur Zahlung zum 5. August 2021. Die Beklagte lehnte die Zahlung des noch offenen Betrages weiter ab. Dieser Restbetrag von 157,37 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist Gegenstand der Klage.
Rz. 6
Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation in Folge unwirksamer Abtretungen abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und der Klage bezüglich der Hauptforderung in Höhe von 139,33 € zuzüglich Zinsen stattgegeben; die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 7
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 139,33 €. Die Klägerin sei aktivlegitimiert, da der Geschädigte seine Forderung wirksam mit Erklärung vom 11. April 2018 an die Klägerin abgetreten habe. Die Klausel sei wirksam in den Vertrag einbezogen worden und halte auch der Inhaltskontrolle stand. Sie sei weder intransparent noch unangemessen benachteiligend oder überraschend. Die Formulierung, dass die Abtretung nicht an Erfüllungs statt erfolge, bedeute im konkreten Fall nichts anderes als eine Abtretung erfüllungshalber. Genau dies werde durch den vorhergehenden Satz, dass die persönliche Haftung bestehen bleibe, erklärt. Von der Gesetzeslage bei einer Abtretung erfüllungshalber werde nicht abgewichen. Auf die Rechte des Geschädigten bei Inanspruchnahme durch die Klägerin - Verpflichtung zur Zahlung an die Klägerin nur Zug um Zug gegen Rückabtretung des Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte - habe dieser nicht hingewiesen werden müssen.
Rz. 8
Obwohl es hierauf nicht mehr ankomme, sei auch die Abtretungserklärung von Oktober 2020 wirksam. Die in ihrer Gesamtheit zu betrachtende Klausel sei weder zu unbestimmt noch widersprüchlich.
Rz. 9
Die Sachverständigenkosten stellten in Höhe von 139,33 € einen erstattungsfähigen Schaden dar. Da im Streitfall eine konkrete Honorarvereinbarung entsprechend der Honorartabelle der Klägerin getroffen worden sei, der Geschädigte die Rechnung aber noch nicht beglichen habe, könne der Geschädigte Ersatz der vereinbarten Preise nur verlangen, wenn diese für ihn bei seiner Plausibilitätskontrolle bei Abschluss der Vereinbarung nicht erkennbar deutlich überhöht gewesen seien. Bei der Frage, wann von erkennbar überhöhten Preisen auszugehen sei, sei keine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, sondern auf die vom Sachverständigen veranschlagten jeweiligen Einzelpositionen (Grundhonorar und Nebenkosten) abzustellen.
Rz. 10
Das abgerechnete Grundhonorar sei erstattungsfähig. Die Berufungskammer orientiere sich bei der Überprüfung der Angemessenheit/Überhöhung der Abrechnung im Rahmen ihres Schätzungsermessens an den BVSK-Honorarbefragungen der Jahre 2015 und 2018. Danach liege das in Rechnung gestellte Grundhonorar unter dem arithmetischen Mittelwert nach der BVSK-Befragung 2018 und unter dem Höchstwert nach der BVSK-Befragung 2015, sei folglich nicht erkennbar überhöht.
Rz. 11
An der Erstattungsfähigkeit habe sich auch durch die Abtretung an die Klägerin nichts geändert. Der Zessionar erwerbe die Forderung in der Form, wie sie in der Person des Zedenten bestanden habe. Die Beklagte könne der Klägerin im konkreten Fall auch nicht im Rahmen des dolo-agit-Einwands eine überhöhte Abrechnung mit der Folge der Reduzierung des Anspruchs entgegenhalten. Denn ein solcher Einwand setze eine deutliche Überhöhung des vereinbarten Honorars voraus, die im Streitfall nicht gegeben sei.
Rz. 12
Auch die hinsichtlich der Nebenkosten getroffene Preisabsprache halte der Prüfung stand, wobei sich die Berufungskammer erneut an den BVSK-Honorarbefragungen 2015 und 2018 sowie ergänzend an den Sätzen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) orientiere. Danach seien die abgerechneten Pauschalen für Schreib- und Kopierkosten sowie für Porto- und Telefonkosten angemessen und ebenso erstattungsfähig wie die geltend gemachten Kosten für die Inanspruchnahme der Restwertbörse. Die Fotokosten seien allerdings nur in Höhe von 36 € zu erstatten, da ein Duplikat angesichts der vereinbarten Versendung per Email nicht geschuldet gewesen sei. Die Fahrtkosten seien geringfügig zu kürzen, weil eine geringere Entfernung anzusetzen sei.
Rz. 13
Die Klägerin könne auch die berechnete Mehrwertsteuer verlangen. Die in der vereinbarten Honorartabelle ausgewiesenen (Netto)Preise seien ersichtlich nicht als Endpreise zu verstehen gewesen. Zwar möge die Klägerin gegen § 1 der Preisangabenverordnung (PAngV) verstoßen haben, nach der sie gesetzlich verpflichtet gewesen sei, einen Endpreis (Bruttopreis) anzugeben. Doch führe eine mögliche Ordnungswidrigkeit nicht zur Unwirksamkeit der vereinbarten Vergütung.
II.
Rz. 14
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die ausführlichen Entscheidungsgründe seines in einem Parallelverfahren zwischen den Parteien ergangenen Urteils vom 7. Februar 2023 (VI ZR 137/22, zVb) und beschränkt sich nachfolgend auf die Punkte, in denen sich Abweichungen zu dem Parallelverfahren ergeben.
Rz. 15
1. Soweit die Revision hinsichtlich der Nebenkosten den von der Klägerin konkret getätigten Aufwand in Frage stellt, übersieht sie hinsichtlich der Fotokosten, dass es nach der Honorarvereinbarung insoweit lediglich auf die Anzahl der für das Gutachten gefertigten Bilder ankommt und dass das Berufungsgericht der Klägerin Kostenersatz für das Duplikat im Streitfall gerade nicht zugesprochen hat. Hinsichtlich der Fahrtkosten hat das Berufungsgericht tatrichterliche Feststellungen zu den zu Grunde zu legenden Entfernungen getroffen, die von der Revision nicht in Frage gestellt werden, und auf dieser Grundlage einen Teil der geltend gemachten Kosten zugesprochen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Bezüglich der geltend gemachten Kosten für die Inanspruchnahme der Restwertbörse hat das Berufungsgericht - von der Revision unangegriffen - festgestellt, dass die Klägerin mindestens drei Restwertangebote eingeholt hat. Es obliegt grundsätzlich der unternehmerischen Entscheidung des Sachverständigen, ob er diese Kosten in sein Grundhonorar einpreist oder gesondert geltend macht.
Rz. 16
2. Soweit sich die Revision gegen den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verwahrt, geht sie ins Leere. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Streitfall verneint und die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen.
Seiters |
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von Pentz |
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Oehler |
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Klein |
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Böhm |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15642069 |