Leitsatz (amtlich)
1. Die Zulassung der Aktie einer größeren Aktiengesellschaft zum Handel an der ausländischen Börse oder die Erweiterung ihrer Präsenz an ausländischen Finanzmärkten, an denen die Aktie bereits zum Börsenhandel zugelassen ist, liegt grundsätzlich im sachlichen Interesse der Gesellschaft.
2. Eine derartige Maßnahme rechtfertigt den Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre, wenn mit ihr der Aktionärskreis durch Gewinnung privater und institutioneller Anleger im Ausland erweitert werden soll, eine breite Streuung der aus der Kapitalerhöhung hervorgegangenen Aktien vorgenommen und der Ausgabekurs an den aktuellen Börsenkurs angelehnt wird.
3. Das Volumen der für die Plazierung vorgesehenen Aktiennennbeträge richtet sich nach den auf realistischer Grundlage entwickelten geschäftspolitischen Zielvorgaben. Ist eine Plazierung an mehreren Börsenplätzen beabsichtigt, bedarf es keiner verbindlichen Festlegung ihrer Reihenfolge sowie der Höhe der an den einzelnen Plätzen unterzubringenden Aktiennennbeträge. Es genügt, daß die Zahl der in Aussicht genommenen Börsenplätze begrenzt wird und daß diese Börsenplätze die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Plazierung des genehmigten Kapitals erfüllen.
Tatbestand
Die Kläger, Kleinaktionäre der Beklagten, einer deutschen Großbank, haben den zu Tagesordnungspunkt 7 b gefaßten Beschluß der Hauptversammlung der Beklagten vom 23. Mai 1991 angefochten, mit dem der Vorstand unter Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre ermächtigt worden ist, das Grundkapital mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis zum 30. April 1996 durch Ausgabe neuer Aktien gegen Geldeinlagen einmalig oder mehrmals um bis zu insgesamt 75 Mio. DM zu erhöhen. Ermächtigungserfordernis und Bezugsrechtsausschluß sind auf folgende Gesichtspunkte gestützt worden: Da eine angemessene Ausstattung mit Eigenkapital die Grundlage der geschäftlichen Entwicklung der Beklagten sei, sei sie seit vielen Jahren bemüht, ihre Aktionärsbasis u.a. im Ausland zu verbreitern. Dazu diene vor allem die Börseneinführung ihrer Aktien an ausländischen Plätzen, wobei die damit verbundenen Ziele nur dann vollständig erreicht würden, wenn sie breite Anlegerkreise als neue Aktionäre gewinne. Diese mit der erfolgreichen Plazierung eines aus einem am 14. Mai 1987 beschlossenen genehmigten Kapital stammenden Betrags von nominell 60 Mio. DM Aktien anläßlich der Börseneinführung in Tokio eingeleitete Geschäftspolitik solle mit dem Betrag von 75 Mio. DM fortgesetzt werden. Es werde vor allem eine Plazierung in den Vereinigten Staaten von Amerika angestrebt, die auch der Vorbereitung der in Aussicht genommenen Einführung der Aktien an der New Yorker Börse dienen solle. Es liege aber auch im gemeinsamen Interesse der Beklagten und ihrer Aktionäre, neue Anleger durch ein wohl vorbereitetes und gezieltes Placement an europäischen Finanzzentren wie London und Paris, an denen ihre Aktie bereits eingeführt worden sei, oder in Madrid und Mailand, an denen sie noch eingeführt werden könnte, zu gewinnen. Die neuen Aktien sollten breit gestreut und nur mit bestimmten Höchstbeträgen je Einleger plaziert werden; ihr Ausgabekurs werde sich eng an den jeweils aktuellen Börsenkurs anlehnen.
Die Kläger sind der Ansicht, der Ausschluß des Bezugsrechts sei nicht gerechtfertigt. Die Erweiterung des Aktionärskreises durch Einführung der Aktie der Beklagten an der New Yorker Börse komme als Ausschlußgrund allenfalls dann in Betracht, wenn die Einführung anders nicht verwirklicht werden könne. Bei der Höhe des Betrages, mit dem Aktien der Beklagten täglich an der Börse umgesetzt würden, könne die Beklagte ihr Ziel auch ohne Bezugsrechtsausschluß erreichen. Das gelte um so mehr für die Gewinnung neuer Anlegerkreise in europäischen Finanzzentren, insbesondere denjenigen, an denen die Aktie der Beklagten bereits eingeführt sei.
Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Berufungsgericht (Urteil veröffentlicht in WM 1993, 373) hat den Hauptversammlungsbeschluß auf den von den Klägern gestellten Hilfsantrag hin insgesamt für nichtig erklärt, die Kosten des Rechtsstreits jedoch gegeneinander aufgehoben, weil es sich außer Stande gesehen hat, dem Hauptantrag der Kläger stattzugeben, lediglich den Beschlußteil über den Bezugsrechtsausschluß für nichtig zu erklären. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, die Kläger wenden sich gegen die sie belastende Kostenentscheidung des Berufungsurteils.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des klagabweisenden landgerichtlichen Urteils, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
1. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist das Bezugsrecht durch die Hauptversammlung in der Ermächtigung selbst ausgeschlossen worden (§ 202 Abs. 2 Satz 1 AktG). Insoweit findet § 186 Abs. 3 AktG sinngemäß Anwendung (§ 203 Abs. 1 AktG). Ob der Ausschluß des Bezugsrechtes materiell auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 243 Abs. 1 AktG), beurteilt sich daher nach den Grundsätzen, die für den Bezugsrechtsausschluß durch die Hauptversammlung entwickelt worden sind (BGHZ 71, 40; BGHZ 120, 141). Danach ist der Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre nur dann zulässig, wenn er aus einer auf den Zeitpunkt der Beschlußfassung bezogenen Beurteilung – unter gebührender Berücksichtigung der für die vom Bezug ausgeschlossenen Aktionäre eintretenden Folgen – durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist. Diese Prüfung schließt die Abwägung der Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck ein (BGHZ 71, 40, 46; BGHZ 120, 141, 145 f.).
a) Das Berufungsgericht bejaht ein wirtschaftliches Interesse der Beklagten daran, mit ihren Aktien an Börsenplätzen in Europa oder den Vereinigten Staaten von Amerika vertreten zu sein, an denen diese bislang noch nicht gehandelt werden. Dazu benötige sie ein ausreichendes Volumen an handelbaren Aktien, weil unzureichende Plazierungsmengen zu Taxkursen, Zufallsnotierungen und übermäßigen Kurssprüngen und damit zu ungünstigen Auswirkungen auf ihr Erscheinungsbild führen könnten. Unter diesen Gesichtspunkten könne es sich auch als erforderlich erweisen, die Präsenz an einer ausländischen Börse zu erhöhen. Dafür könnten auch Zukunftsperspektiven bedeutsam sein, wenn mit Rücksicht auf künftigen Kapitalbedarf zusätzlich ausländische Anlegerkreise erschlossen werden müßten. Diese Zwecke machten den Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechtes grundsätzlich erforderlich, weil nur auf diese Weise die neuen Aktien im Ausland erfolgreich plaziert werden könnten. Diesen Ausführungen ist im Ergebnis beizutreten.
aa) Daß die Zulassung der Aktie einer größeren Aktiengesellschaft zum Handel an der ausländischen Börse in deren sachlichen Interesse liegt, ist, soweit diese Frage im Schrifttum erörtert wird, allgemein anerkannt (Hüffer, AktG, 1993, § 186 Rdn. 31; Lutter in KK z. AktG, 2. Aufl. § 186 Rdn. 72; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 203 Rdn. 20; Heinsius in: FS Kellermann, 1991, S. 115, 128; Martens, FS Steindorff, 1990, S. 151, 161; ders. ZIP 1992, 1667, 1693 f.; Liener, FS Semmler, 1993, S. 721, 726 f.; Kübler, WuB II A. § 203 AktG 1.93, S. 571 f.; Kübler/Mendelson/Mundheim, AG 1990, 461, 463 f.). Die sachlichen Vorteile einer Auslandsnotierung sind vielfältig: In finanzieller Hinsicht ist das Unternehmen in der Lage, Eigenkapital in der Währung aufzunehmen, in der es zu Investitionszwecken benötigt wird. Die Beschaffung von Fremdmitteln kann sich leichter, Finanzierungskonditionen können sich günstiger gestalten. Die Möglichkeit, den Kreis der Aktionäre sowohl bei den institutionellen Investoren als auch den Privatanlegern zu erweitern, trägt nicht nur dazu bei, die Volatilität der Aktie zu vermindern, sondern ist für das Unternehmen und seine Ausweitung dann besonders bedeutsam, wenn der heimische Markt die Aktien nicht in ausreichendem Maße aufnehmen kann. Die internationalen Kapitalmärkte können besser erschlossen werden, sei es dadurch, daß Kleinaktionären der Aktienerwerb erleichtert, sei es dadurch, daß institutionellen Anlegern, denen kraft Gesetzes nur der Erwerb der an einer lokalen Börse gehandelten Aktien erlaubt ist, der Zugang zu den Aktien eröffnet wird. Vertriebsvorteile können sich dadurch einstellen, daß der internationale Bekanntheitsgrad des Unternehmens erhöht und sein Image gefördert werden. Die Aktiennotierung erhöht zudem in der Regel die Bereitschaft insbesondere qualifizierter ausländischer Arbeitnehmer, bei diesem Unternehmen eine Tätigkeit aufzunehmen (vgl. dazu im einzelnen Liener, FS Semmler aaO, S. 726 f.).
Die genannten Gesichtspunkte treffen weitgehend auch auf eine Erweiterung der Präsenz an ausländischen Finanzmärkten zu, an denen die Aktie eines Unternehmens zum Börsenhandel bereits zugelassen ist. Für die Erschließung zusätzlicher ausländischer Anlegerkreise an diesen Börsenplätzen wird häufig vor allem eine Expansion der Wirtschaftstätigkeit des Unternehmens in diesem Lande maßgebend sein (vgl. Kübler aaO, S. 571; auch Martens, ZIP 1992 aaO, S. 1684).
bb) Die Beklagte als deutsche Großbank, die bekanntermaßen im Ausland über Repräsentanzen, Niederlassungen, Tochter- und Beteiligungsgesellschaften verfügt und mit ihren Geschäften international tätig ist, profitiert von den meisten der genannten Vorteile. Das ist sowohl für die von ihr in Aussicht genommene Plazierung der Aktien in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch im europäischen Ausland der Fall. Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß sich derartige Vorteile für die Beklagte auch dann einstellen oder, soweit bereits vorhanden, vergrößern können, wenn sie die Präsenz ihrer Aktie an ausländischen Finanzzentren erhöht, wie sie das für London und Paris in Aussicht genommen hat. Die angestrebte Erstplazierung ihrer Aktie oder die Ausweitung ihrer Präsenz durch eine Zweitplazierung an ausländischen Finanzzentren liegt daher in ihrem sachlichen unternehmerischen Interesse.
b) Die Beantwortung der Frage, ob das festgestellte sachliche unternehmerische Interesse den Ausschluß des Bezugsrechtes der Aktionäre rechtfertigt, erfordert weiterhin eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck (BGHZ 71, 40, 46). Diese Verhältnismäßigkeit ist nach der Rechtsprechung des Senates dann als gegeben anzusehen, wenn die Hauptversammlung der Überzeugung sein durfte, der Bezugsrechtsausschluß sei das angemessene und am besten geeignete Mittel zur Verfolgung überwiegender Gesellschaftsinteressen (BGHZ 83, 319, 321). Ob man darunter das „schonendste” Mittel zu verstehen hat (so unter dem Begriff der „Erforderlichkeit” Zöllner in KK z. AktG, 1985, § 243 Rdn. 201; ders. in: Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsvollmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 351 f.), ob man davon ausgehen muß, daß der Bezugsrechtsausschluß nicht nur überhaupt zur Verwirklichung der Interessen der Aktiengesellschaft geeignet sein muß, sondern auch, daß es kein ebenso gutes oder besser geeignetes Mittel gibt, mit dem der Zweck auf andere Weise erreicht werden kann (so unter dem Begriff der „Erforderlichkeit” Lutter in KK. z. AktG, 2. Aufl., § 186 Rdn. 62 und Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 186 Rdn. 113 und § 203 Rdn. 21, jeweils m.w.N.; zur Kritik vgl. Nirk/Brezing/Bächle, Hdb. der AG, 2. Aufl., Rdn. I, 194) oder ob – bei Vorliegen von Entscheidungsalternativen – darauf abzustellen ist, daß der Bezugsrechtsausschluß unter mehreren Möglichkeiten den Zweck am besten zu fördern vermag (so Hüffer, AktG, 1993, § 186 Rdn. 27; auf eine Interessenabwägung im Einzelfall abstellend Wiedemann in: GroßKomm. z. AktG, 3. Aufl., § 186 Rdn. 12 b), braucht hier nicht weiter vertieft zu werden. Die Relation von Mittel und Zweck ist nach allen hier aufgeführten Ansichten gewahrt.
aa) Das von der Beklagten verfolgte wirtschaftsstrategische Konzept, den Kreis ihrer Aktionäre durch Gewinnung von Privatanlegern oder institutionellen Investoren über die Einführung ihrer Aktie an im Ausland (Vereinigte Staaten von Amerika, Europa) gelegenen Börsenplätzen zu erweitern, hat zur Voraussetzung, daß sie zusätzlich Aktien schafft und diese in Verkehr bringt. Die Gewährung eines Bezugsrechtes an in- und ausländische Aktionäre scheidet dafür aus. Das gilt auch, soweit sie dieses Ziel durch Erhöhung ihrer Präsenz an Finanzplätzen zu erreichen sucht, an denen ihre Aktie bereits gehandelt wird. Abgesehen davon, daß eine Bevorzugung bestimmter ausländischer Aktionärskreise insbesondere im Hinblick auf die internationale Verflechtung der Börsen nicht durchführbar und darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 53 a AktG) Bedenken ausgesetzt wäre, würde eine solche Handhabung dem von der Beklagten verfolgten Konzept nicht gerecht werden. Dieses Konzept der Aktionärserweiterung setzt voraus, daß die Aktien breit gestreut werden (Lutter in KK z. AktG aaO, § 186 Rdn. 72; Heinsius, FS Kellermann aaO, S. 128). Derartige Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hat in der Begründung zu dem der Beschlußfassung zugrundeliegenden Tagesordnungspunkt ausgeführt, daß die Aktien breit gestreut und nur mit bestimmten Höchstbeträgen je einzelnem Anleger plaziert werden.
bb) Soweit sich die Kläger darauf berufen, die Beklagte verfüge – in dem gesetzlich zulässigen Umfang (§ 71 Abs. 2 AktG) – über eigene, im Inland erworbene Aktien, die sie an ausländischen Börsen plazieren könne, kann dem nicht gefolgt werden. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, eine solche Transaktion könne bewirken, daß Angebot und Nachfrage an den in- und ausländischen Börsen nicht mehr ausgewogen wären und zu unterschiedlichen Kursentwicklungen im In- und Ausland führten. Da die Voraussetzungen eines Aktienerwerbs nach § 71 Abs. 1 Nr. 4 Altern. 1 sowie Nr. 5 und 6 ersichtlich nicht vorliegen und Aktien, die im Rahmen von Einkaufskommissionen oder zu den in § 71 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG aufgeführten Zwecken erworben worden sind, nicht berücksichtigt werden können, kämen nach dem Gesetz nur Aktien in Betracht, die von der Gesellschaft aus den in § 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG normierten Gründen erworben worden sind. Diese werden bei Marktstörungen in der Regel jedoch dort benötigt, wo in das Marktgeschehen eingegriffen worden ist.
Das von der Beklagten angestrebte Ziel der Auslandsplazierung rechtfertigt somit den Bezugsrechtsausschluß. Es ist darüber hinaus nach dem Vortrag der Parteien auch nicht erkennbar, daß dieses Ziel außer Verhältnis zu der Beeinträchtigung stünde, welche die Aktionäre durch den Bezugsrechtsausschluß bei Anlehnung des Ausgabekurses an den aktuellen Börsenkurs erleiden.
2. Das Berufungsgericht hält jedoch den Bezugsrechtsausschluß deswegen für unzulässig, weil nicht erkennbar sei, in welchem konkreten Umfang die Beklagte beabsichtigt habe, auf ausländischen Märkten präsent zu sein und welches Handelsvolumen sie an den verschiedenen Börsenplätzen benötige, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Der Bezugsrechtsausschluß sei nur in der Höhe erforderlich und sachlich gerechtfertigt, in der das genehmigte Kapital für die von der Beklagten verfolgten Zwecke jeweils an den von ihr angegebenen Plätzen benötigt werde. Das setze entsprechende konkrete Angaben voraus. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Werden solche detaillierten, ins einzelne gehenden, prognostisch kaum ergründbaren Angaben für die sachliche Rechtfertigung einer Ermächtigung unter Ausschluß des Bezugsrechts verlangt, beschränkt man das unternehmerische Ermessen in einem Umfange, der die sachgemäße Planung und Durchführung einer Maßnahme, wie sie von der Beklagten in Aussicht genommen worden ist, unter angemessener Berücksichtigung der Gegebenheiten und Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt und im Börsenhandel praktisch nicht mehr möglich macht.
a) Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß nach der Begründung des Vorstandes offenbleibt, an welchen Börsenplätzen die mit dem genehmigten Kapital geschaffenen Aktien plaziert werden sollen. Es ist aber nicht zu verkennen, daß im Hinblick auf Gewicht und Bedeutung der Plazierungen in erster Linie ein Placement in den Vereinigten Staaten von Amerika unter Einführung der Aktie an der Börse in New York angestrebt wird, jedoch im europäischen Ausland eine Erweiterung des Aktionärskreises an Plätzen, an denen die Aktie der Beklagten bereits eingeführt ist – wie in London und Paris – oder eine Einführung der Aktie – wie in Madrid oder Mailand – ebenfalls im Interesse der Beklagten und ihrer Aktionäre liegt. Soweit es in dem Bericht heißt, auch im Hinblick auf europäische Finanzzentren, an denen die Aktie bereits eingeführt ist oder noch eingeführt werden könnte (z.B. Madrid oder Mailand), liege es im gemeinsamen Interesse der Beklagten und ihrer Aktionäre, neue Anlegerkreise durch ein wohl vorbereitetes und gezieltes Placement von Aktien zu gewinnen, deutet das entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keineswegs nur auf die theoretische Möglichkeit einer Plazierung hin. Vielmehr wird unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß auch an diesen Plätzen aus unternehmerischer Sicht die Voraussetzungen für die Gewinnung neuer Anlegerkreise gegeben sind, diese Möglichkeit aber erst nach einer Börseneinführung in New York und einer Erweiterung des Aktionärskreises in Großbritannien und Frankreich in Erwägung gezogen wird.
In welcher Höhe der Betrag des genehmigten Kapitals an den verschiedenen Börsenplätzen untergebracht werden soll, wird – das ist dem Berufungsgericht ebenfalls einzuräumen – ebenfalls nicht konkret festgelegt. Zwar hat die Beklagte vorgetragen, mit Rücksicht darauf, daß von dem im Jahre 1987 beschlossenen genehmigten Kapital an der Börse in Tokio ein Betrag von nominell 60 Mio. DM Aktien der Beklagten eingeführt worden seien, sei man davon ausgegangen, daß der für die Einführung an der Börse in New York zu verwendende Betrag keinesfalls höher veranschlagt werden könne. Daraus folge, daß nur 15 Mio. DM für europäische Finanzzentren hätten eingesetzt werden sollen. Das mag für Bank- und Börsenfachleute, die über eine hinreichende Kenntnis der Branchengewohnheiten verfügen, ohne weiteres erkennbar sein. Bei dem normalen Aktionär kann diese Kenntnis aber nicht vorausgesetzt werden. Für ihn stellt sich die Situation nach dem Berichtsinhalt so dar, daß die Verwendung des Betrages von 75 Mio. DM im pflichtgemäßen Ermessen von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten steht.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedurfte es jedoch keiner konkreteren Angaben zur – vorherigen – Bestimmung der Börsenplätze und der Höhe des jeweils an ihnen einzusetzenden Aktiennennkapitals:
aa) Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die ausländischen Börsenplätze, an denen sie das gesamte genehmigte Kapital oder Teilbeträge davon plazieren will, unabänderlich festzulegen oder unter mehreren in Betracht gezogenen Orten eine feste Reihenfolge anzugeben, in der das Placement in dem nach dem Beschluß ihrer Hauptversammlung vorgesehenen Zeitraum vorgenommen wird und vorgenommen werden muß. Eine Plazierung, mit der eine Ausweitung der Präsenz an der ausländischen Börse angestrebt wird und mit der in der Regel eine Ausweitung der wirtschaftlichen und unternehmerischen Aktivitäten beabsichtigt sein mag und einhergeht, kann, wie die Beklagte zu Recht dargelegt hat, nur dann erfolgreich sein, wenn den Gegebenheiten und Entwicklungen an der Börse des entsprechenden Landes, seiner Konjunktur, Wirtschaft, Wirtschaftspolitik und auch seiner allgemeinen politischen Lage hinreichend Rechnung getragen werden kann. Das setzt voraus, daß Vorstand und Aufsichtsrat in einem gewissen Rahmen die Freiheit verbleibt, die es beiden Organen ermöglicht, diese Einzelheiten bei der Entscheidung zu berücksichtigen und bei der Umsetzung des genehmigten Kapitals jeweils angemessen und flexibel im Interesse und zum Wohle der Gesellschaft reagieren zu können. Würde man diese Entscheidungsbefugnis generell und zwingend einschränken, liefe man Gefahr, unter Beschneidung der dem Vorstand übertragenen Geschäftsführungsverantwortung (§§ 76 Abs. 1, 204 Abs. 1 Satz 1 AktG) und des dem Aufsichtsrat obliegenden Überwachungsrechtes (§§ 111 Abs. 1, 204 Abs. 1 Satz 2 AktG) Kapitalmaßnahmen, die zum Besten der Gesellschaft und ihrer Aktionäre durchgeführt werden sollen, mangels Flexibilität der zuständigen Organe zum Nachteil des Unternehmens in unangemessener Weise zu erschweren oder gar zu verhindern. Die individuellen gesellschafterlichen Interessen und Belange der Aktionäre werden – vorbehaltlich anderweitiger einschränkender Bestimmungen durch die Hauptversammlung (vgl. § 204 Abs. 1 Satz 1 AktG) – dadurch hinreichend gewahrt, daß bestimmte, auf realistischer Grundlage bestehende Rahmenbedingungen vorgegeben werden, innerhalb deren das Vorhaben im Interesse der Gesellschaft durchgeführt werden kann und – bei positiven Marktvoraussetzungen – auch durchgeführt werden muß. Daß eine Plazierung der Aktien in dem bewilligten Umfang an den angegebenen ausländischen Börsenplätzen für die Beklagte und ihre Geschäftsentwicklung vorteilhaft ist, hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des unstreitigen Vortrages der Parteien festgestellt. Das trifft, wie den Ausführungen des Vorstandes dazu entnommen werden kann, nicht in gleicher Intensität für alle genannten Plätze zu. Für welche Börsen er die Vorteile hoch und für welche er sie weniger hoch einschätzt, jedoch auf jeden Fall als gegeben ansieht, hat er dadurch zum Ausdruck gebracht, daß er die zu berücksichtigenden Finanzzentren in einer bestimmten, nach Wertigkeit der Auslandspräsenz der Aktie der Beklagten abgestuften Reihenfolge aufgeführt hat. Er hat sie beschränkt auf die Vereinigten Staaten von Amerika und Europa, und innerhalb Europas wiederum auf Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sich hier eine weitere Einschränkung als erforderlich erweisen sollte. Insbesondere muß Vorstand und Aufsichtsrat die Möglichkeit erhalten bleiben, die im Bericht in Aussicht genommene Reihenfolge der ausgewählten Finanzzentren und Länder abzuändern, soweit sich dafür die Notwendigkeit im Interesse des Unternehmens aufgrund bestimmter Entwicklungen der oben genannten Art ergeben sollte. So erscheint es wenig sinnvoll, von der Plazierung der Aktien, wenn die Zulassung an der Börse in New York scheitert und die Voraussetzungen für ein mit gutem Erfolg durchführbares Placement an einem der anderen ausgewählten Börsenplätze – oder mehreren von ihnen – vorliegen, nur deswegen absehen zu müssen, weil Vorstand und Aufsichtsrat für eine solche Entscheidung kein Ermessensspielraum eingeräumt worden ist. Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu den Grundsätzen der Entscheidung BGHZ 83, 319. Denn die konkrete Zielvorstellung der Ausbreitung von Präsenz und geschäftlichen Aktivitäten in den verschiedenen Ländern Europas und in den Vereinigten Staaten von Amerika ist gegeben. Die Grenzen, innerhalb deren diese Zielvorstellung verwirklicht werden soll, sind ebenfalls gezogen.
bb) Die vorstehende Beurteilung greift auch Platz, soweit das Berufungsgericht verlangt, daß die Höhe des für jeden Börsenplatz verfügbar zu haltenden Nominalbetrages angegeben, begrenzt und jeweils dargelegt wird, ob das für jeden Platz vorgesehene Volumen ausreichend, aber auch notwendig für das verfolgte Ziel der Ausweitung der Börsenpräsenz und Geschäftsentwicklung ist. Ausreichende Bemessung des Volumens und Notwendigkeit der Ausweitung hängen von den geschäftspolitischen Zielvorgaben ab. Diese sind in Höhe des Betrages von 75 Mio. DM für den Einsatz an den ausgewählten Finanzzentren von der Verwaltung insgesamt bejaht worden, sei es, daß der Nominalbetrag an einem Ort (wie New York) oder aufgeteilt und an mehreren Orten eingesetzt wird. Da der Erfolg derartiger Einsätze nicht sicher prognostiziert werden kann, sondern von einer Reihe zeitbedingter Faktoren und Entwicklungen, wie bereits dargestellt, abhängig ist, müssen Vorstand und Aufsichtsrat in der Lage sein, auf diese Umstände und Entwicklungen zu reagieren und die Höhe der an jedem Ort einsetzbaren Beträge zu verändern.
Die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage nach der Erforderlichkeit des Gesamtvolumens des genehmigten Kapitals (vgl. dazu auch Lutter in KK z. AktG aaO, § 186 Rdn. 72; ihm folgend Heinsius in: FS Kellermann aaO, S. 128) beantwortet sich daraus, in welchem Umfang nach den geschäftspolitischen Vorgaben der Beklagten der Aktionärskreis an dem jeweils in Betracht gezogenen ausländischen Börsenplatz erweitert werden soll. Maßgebend dafür, daß das geschäftspolitische Ziel realistisch ist und erreicht werden kann, ist auch das Verhältnis des Betrages aus dem genehmigten Kapital zu dem Grundkapital der Beklagten. Der Betrag von 75 Mio. DM macht 3,4 % des Grundkapitals der Beklagten aus, das etwa 2,22 Mrd. DM beträgt. Schon dieses Verhältnis zeigt, daß die Beklagte das Erhöhungsvolumen gering bemessen hat und ihre diesbezügliche Geschäftspolitik vorsichtig und zurückhaltend ist. Zieht man aus der Höhe des Grundkapitals Rückschlüsse auf den – im übrigen allgemein bekannten – Umfang der Geschäftstätigkeit der Beklagten, bestätigt sich, daß die Maßnahme von Zurückhaltung, Vorsicht und Augenmaß geprägt ist.
3. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß der von der Hauptversammlung gefaßte Beschluß über das genehmigte Kapital einschließlich des Bezugsrechtsausschlusses als sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann. Die gegen diesen Beschluß gerichtete Anfechtungsklage der Kläger ist somit unbegründet.
II. Aus den Gründen zu I. folgt weiter, daß die Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Ihr mit der Revision verfolgter Antrag, die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen, war daher abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 649149 |
BGHZ, 239 |
BB 1994, 955 |
NJW 1994, 1410 |
ZIP 1994, 529 |
DNotZ 1994, 631 |
JZ 1994, 911 |
ZBB 1994, 182 |