Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Teilungsabkommen
Leitsatz (amtlich)
- Das Bestehen eines "Regreßverzichtsabkommens", durch das die Berufsgenossenschaft gegenüber einem Haftpflichtversicherer gegen Zahlung einer Jahrespauschale auf die Geltendmachung von Regressen nach § 640 RVO im Abkommenszeitraum verzichtet hat, hindert diese nicht, gegen nicht in die Haftungsablösung der §§ 636 ff RVO einbezogene Mitschädiger in Höhe deren Verantwortungsanteils Rückgriff nach § 1542 RVO zu nehmen.
- Soweit der nach § 640 RVO in Anspruch genommene Regreßschuldner Einstandspflichten von Mitschädigern, die in die Haftungsablösung der §§ 636 ff RVO nicht einbezogen und deshalb dem SVT nach § 1542 RVO zum Regreß verpflichtet sind, durch seine Zahlung miterledigt, kann er von diesen nach Bereicherungsrecht Erstattung verlangen.
Normenkette
RVO §§ 640, 1542; BGB §§ 823, 831, 844; StVG §§ 17-18; PflVG § 3 Abs. 1
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. September 1978 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen den Beklagten zur Last.
Tatbestand
Am 17. August 1973 kam es zwischen einem der Erstbeklagten gehörenden, von dem Zweitbeklagten gesteuerten und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Kranwagen und einem auf einer Werksfahrt befindlichen Kleinbus zu einem Zusammenstoß, bei dem sieben Insassen des Kleinbusses getötet und der Busfahrer P. verletzt worden ist.
Die Klägerin, bei der die Verunglückten - sämtlich Arbeitnehmer der Baufirma W. - gesetzlich unfallversichert waren, hat den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt. Sie hat die Beklagten wegen ihrer Leistungen zunächst auf der Grundlage einer Mithaftungsquote von 40 % auf Rückgriff aus übergeleitetem Recht (§ 1542 RVO) in Anspruch genommen und von ihnen Zahlung von 42.792 DM sowie die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Ersatz von 40 % ihrer Aufwendungen im Zusammenhang mit der Tötung von B., G., Sp. und Sch. verlangt.
Die Beklagten haben ihre Haftung in Abrede gestellt. Sie haben sich u.a. darauf berufen, die Klägerin habe gegen den Fahrer des Kleinbusses P. wegen dessen grob fahrlässigen Verhaltens Ansprüche aus § 640 RVO erworben, wegen derer sie bereits durch ein mit der Vereinigten Haftpflichtversicherung (im folgenden: VHV), dem Haftpflichtversicherer des Kleinbusses, bestehendes Regreßverzichtsabkommen aufgrund Zahlung einer Pauschale abgefunden sei; dadurch seien auch die hier geltend gemachten Ersatzansprüche erledigt.
Das Landgericht hat sich diesem Standpunkt der Beklagten angeschlossen, daher die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihre Rückgriffsansprüche auf der Grundlage einer Mithaftungsquote von nur noch 20 v.H. neu berechnet. Sie hat Zahlung von 21.396 DM sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz von 20 % aller weiteren Übergangsfähigen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Tötung von B., G., Sp. und Sch. gefordert.
Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben.
Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Beklagten gemäß §§ 823, 831, 844 BGB, §§ 17, 18 StVG, § 3 Abs. 1 PflVG verpflichtet, der klagenden Tiefbau-Berufsgenossenschaft (TBG) wegen der von ihr als Sozialversicherer aus Anlaß des Unfalls zu erbringenden Versicherungsleistungen nach § 1542 RVO in Höhe von 20 % Ersatz zu leisten; freilich, so ist das Urteil zu verstehen, nur in dem Umfang, in dem ihre Aufwendungen durch kongruente Schadensersatzforderungen ihrer Versicherten bzw. deren Hinterbliebenen gedeckt sind.
Dabei geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagten für den Unfall in Höhe einer Mitverantwortungsquote von 20 % einzustehen haben, während P., der Fahrer des Kleinbusses, zu 80 v.H. an dem Zusammenstoß schuld gewesen sei. Dieser Ausgangspunkt ist unter den Parteien nicht mehr im Streit.
Nach der Meinung des Berufungsgerichts wird die Einstandspflicht der Beklagten nicht durch das Abkommen zwischen der Klägerin und der VHV und dessen Rechtswirkungen auf Erstattungsansprüche der Klägerin gegenüber dem bei der VHV haftpflichtversicherten P. berührt.
Dieses Abkommen hatte folgenden Wortlaut:
"1)
Dieser Vertrag schließt sich an das Übereinkommen vom 22.6.1956/5.7.1956 an.
2)
Die VHV zahlt weiterhin der TBG zur Abgeltung aller laufenden und in Zukunft während der Dauer der Laufzeit des Übereinkommens entstehenden Ansprüche aus Rückgriffen nach § 640 RVO gegen Versicherungsnehmer der VHV jährlich einen einmaligen Abfindungsbetrag.
3)
Ausgehend von dem für das Jahr 1965 der TBG gezahlten Betrag erhöht oder ermäßigt sich der Betrag für die Jahre 1966 und folgende in demselben Verhältnis, wie sich die Entschädigungsleistung der TBG für das jeweilige Jahr erhöht oder ermäßigt.
Bei der Errechnung des Erhöhungs- bzw. Ermäßigungsbetrages sind die gesamten an Versicherte (einschließlich ihrer Angehörigen) und an Hinterbliebene gezahlten, sich aus dem Verwaltungsbericht der TBG ergebenden Entschädigungsleistungen des jeweiligen Abrechnungsjahres ins Verhältnis zu setzen zu den entsprechenden Entschädigungsleistungen des Vorjahres.
4)
Zusätzlich zu der unter Ziffer 3 getroffenen Regelung erhöht oder ermäßigt sich der von der VHV zu entrichtende Jahresbetrag in demselben Verhältnis, in dem sich die Anzahl der bei ihr jeweils am Jahresende betriebshaftpflichtversicherten Baubetriebe aus dem Bereich der TBG erhöht oder ermäßigt; eine Änderung von weniger als 10 % bleibt hierbei außer Betracht.
Die VHV wird die Anzahl der hiernach in Betracht kommenden Baubetriebe der TBG jeweils bei der Errechnung des Jahresbetrages bekanntgeben.
5.
Der Abfindungsbetrag ist bis zum 30. Juni eines jeden Jahres zahlbar.
6.
Das Übereinkommen gilt bis zum 31.12.1969. Es kann von jedem der Vertragspartner zu diesem Zeitpunkt mit Jahresfrist gekündigt werden. Wird es nicht gekündigt, verlängert es sich jeweils um 3 Jahre mit gleicher Kündigungsfrist.
Im Falle der Kündigung hat die VHV der TBG für das letzte Vertragsjahr den doppelten Jahresbetrag zu zahlen.
7)
Mit vorstehender Regelung entfallen alle Ansprüche der TBG auf Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen nach § 640 RVO aus Unfällen, die vor Ablauf des Abkommens eintreten bzw. eingetreten sind."
Das Berufungsgericht erwägt: Durch das Abkommen habe die Klägerin gegenüber der VHV darauf verzichtet, von dieser zu deckende Ansprüche aus § 640 RVO im Einzelfall nach der Rechtslage geltend zu machen. Soweit im Streitfall solche Ansprüche gegen den bei der VHV versicherten Fahrer des Kleinbusses P., der zu 80 % an dem Unfall mitverantwortlich sei, in Betracht kommen könnten, sei die Klägerin deswegen durch die mit der VHV vereinbarte Jahrespauschale abgefunden. Damit sei aber nicht zugleich die auf sie nach § 1542 RVO übergegangene Schadensersatzforderung gegen die Beklagte erloschen. Die Abkommenspartner hätten außenstehende Zweitschädiger und ihre Haftpflichtversicherer durch ihre Vereinbarung nicht begünstigen wollen. Die Klägerin sei so zu behandeln, als hätte sie 80 v.H. ihrer Aufwendungen von der VHV erstattet erhalten, die diese ihr ohne das Abkommen und unter den Voraussetzungen des § 640 RVO hätte erstatten müssen; die nicht erledigte Quote von 20 v.H. könne sie deshalb von den Beklagten fordern.
II.
Im Ergebnis wehrt die Revision sich gegen diese Ausführungen ohne Erfolg.
1.
Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß das Regreßverzichtsabkommen zwischen Klägerin und VHV die Schadensersatzansprüche, die der Klägerin aufgrund des Unfalls gemäß § 1542 RVO gegen die Beklagten zustehen, unberührt gelassen hat. Das ergibt sich aus Inhalt und Gegenstand des Abkommens; diese Vereinbarung kann das Revisionsgericht frei auslegen, denn es handelt sich um eine typische, in dieser Art auch sonst zwischen Versicherungsträgern getroffene Abmachung, die die VHV im übrigen unstreitig auch mit anderen Berufsgenossenschaften eingegangen ist (vgl. BGHZ 40, 108, 110; Senatsurteil vom 13. Juni 1978 - VI ZR 166/76 = VersR 1978, 843, 844 m.w.Nachw. betr. Teilungsabkommen).
Die Klägerin hat durch ihre Vereinbarung mit der VHV weder Regreßansprüche aus § 1542 RVO abbedungen, noch auf Ansprüche gegen Schädiger verzichtet, die wie die Beklagten keinen Deckungsschutz aus der Haftpflichtversicherung der VHV beanspruchen können.
a)
Mit der von der VHV übernommenen Verpflichtung zur Zahlung einer (jährlichen) Abfindungs-Pauschale sollten während der Laufzeit des Abkommens "alle Ansprüche (der Klägerin) auf Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen nach § 640 RVO" gegen die VHV entfallen (Ziff. 7 aaO). Die Abkommenspartner wollten dadurch die zwischen ihnen aus der Eintrittspflicht der Klägerin als dem für Arbeitsunfälle zuständigen Sozialversicherungsträger und der VHV als der Haftpflichtversicherung von Mitgliedern der Klägerin und ihrer Arbeitnehmer sich ergebenden Regulierungsbeziehungen aus der Einzelregulierung "nach Maßgabe der Rechtslage" herausnehmen und durch eine sich am Gesamtaufwand orientierende, abkommensmäßige Pauschalregulierung ablösen. Damit sollten Prozeßrisiken ausgeschaltet und der Verwaltungsaufwand verringert werden. Insoweit bezweckte das Abkommen ähnliches wie die sog. Schadenteilungsabkommen, nach deren Maßgabe Sozialversicherungsträger und Haftpflichtversicherer den Schadensfall durch Zahlung einer generell festgelegten Schadensquote ohne Rücksicht auf die Sach- und Rechtslage abfinden. Es unterscheidet sich von diesen im wesentlichen nur hinsichtlich der die gesetzliche Regreßlage ablösenden Leistung: Diese hat keinen unmittelbaren Bezug zu der Zahl der im Abkommenszeitraum eintretenden Versicherungsfälle und die Höhe des durch sie begründeten Regulierungsaufwands. Vielmehr geht die von der VHV zu zahlende Jahrespauschale auf eine 1953 festgesetzte Gesamtpauschale zurück, die sich von Jahr zu Jahr automatisch näher bezeichneten Veränderungen im Leistungsvolumen der klagenden Berufsgenossenschaft und im Deckungsvolumen der VHV anpaßt (1973: 416.254 DM; 1976 steigend auf 558.940 DM).
Es kann dahingestellt bleiben, wie die Ablösung der Regreßansprüche nach § 640 RVO durch diese Pauschalregulierung dogmatisch einzuordnen ist (durch Schuldumschaffung, durch Annahme der Jahrespauschale "an Erfüllungs Statt"; vgl. allgemein hierzu Clasen, Teilungs- und Regreßverzichtsabkommen mit Haftpflichtversicherern, Heft 14 der Veröffentlichungen des Seminars für Versicherungswissenschaft der Universität Hamburg 1958). Jedenfalls sind in sie nur Ansprüche einbezogen, deren Regulierung Aufgabe der VHV ist; nicht dagegen Ersatzansprüche, die wie die gegen die Beklagten gerichteten in die Deckungszuständigkeit eines anderen Haftpflichtversicherers (hier: der Drittbeklagten) fallen. Denn das Abkommen soll nur das Regulierungsverhältnis zwischen den Abkommenspartnern entlasten. Insoweit gilt auch für dieses Regreßverzichtsabkommen nicht anders als für Schadenteilungsabkommen nach Gegenstand und Inhalt der Abmachung der Grundsatz, daß die Ablösung der Regulierung "nach der Rechtslage" durch eine solche nach dem Abkommen prinzipiell nur zwischen den Abkommenspartnern wirkt (für Teilungsabkommen: vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 1978 - VI ZR 166/76 = a.a.O. m.w.Nachw.; vgl. Wussow, Teilungsabkommen 4. Aufl. VIII 1 S. 117 ff; a.A. für Regreßverzichtsabkommen: H.J. Wussow, VersR 1977, 605, 607).
Nicht einmal sind sämtliche Regulierungsbeziehungen, die in dem Abkommenszeitraum zwischen der Klägerin und der VHV anfallen können, in das Regreßverzichtsabkommen einbezogen, sondern nur die aus dem Deckungsschutz der VHV für Regresse aus § 640 RVO sich ergebenden Beziehungen. Soweit die VHV der Klägerin nach § 1542 RVO zustehende Ersatzansprüche zu decken hat, sind diese in das Abkommen schon dem ausdrücklichen Wortlaut nach (Ziff. 2 und 7 aaO), nicht einbezogen.
b)
Auf dieser Grundlage ist kein Raum für die Annahme, die Klägerin habe in ihren Regreßverzicht auch die Beklagten einbeziehen wollen, für deren Regreßverpflichtungen aus anderem Rechtsgrund Deckungsschutz bei einer anderen Haftpflichtversicherung besteht (so aber H.J. Wussow = aaO).
Anlaß für eine Einbeziehung von Regreßverpflichtungen "außenstehender" Schädiger in solche Regulierungsvereinbarung besteht grundsätzlich nur insoweit, als deren Inanspruchnahme sich letztlich zu Lasten des Abkommenspartners und damit als Verfehlung des Abkommenszwecks auswirkt, weil der Abkommenspartner von dem außenstehenden Schädiger in Regreß genommen werden kann (Senatsurteil vom 13. Juni 1978 - VI ZR 166/76 = aaO; BGH Urteil vom 14. Juli 1976 - IV ZR 239/74 = VersR 1976, 923, 924 m.w.Nachw.; RGRK-BGB 12. Aufl., § 423 Rdn. 11). Solcher Belastung ist der nach § 640 RVO verpflichtete Regreßschuldner durch einen Regreß des Sozialversicherungsträgers nach § 1542 RVO bei anderen Schädigern nie ausgesetzt. Denn für deren Einstandspflicht ist nach gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen bereits in der "Außenbeziehung" zum Geschädigten bzw. SVT berücksichtigt, daß der nach § 640 RVO Verpflichtete zwar einen originären Regreßanspruch des SVT zu erfüllen hat, durch die Haftungsfreistellung aus §§ 636, 637 RVO, an die § 640 RVO anknüpft, aber aus dem deliktischen Haftungsverband herausgelöst ist und deshalb dem für den Schaden Mitverantwortlichen für eine Lastenverteilung im "Innenverhältnis" nicht zur Verfügung steht. Deshalb haften sie bereits im Außenverhältnis dem Geschädigten bzw. seinem SVT nicht über den Anteil hinaus, der sie im Verhältnis zu dem aus § 640 RVO Verpflichteten auch dann belasten müßte, wenn dieser gesamtschuldnerisch mit ihnen für den Schaden haften würde (BGHZ 61, 51, 54; 61, 101, 111).
Das bedeutet andererseits, daß ihre Inanspruchnahme nie zu einer Belastung führt, wegen derer sie ihrerseits von dem nach § 640 RVO verpflichteten, aber von der deliktischen Haftung freigestellten Mitschädiger im Wege des Rückgriffs Freistellung beanspruchen könnten. Nicht nur scheidet hierfür, wie schon gesagt, mangels Vorliegens eines (echten) Gesamtschuldverhältnisses mit dem nach § 640 RVO Verpflichteten ein Innenausgleich nach § 426 BGB aus (vgl. auch BGHZ 19, 114, 124; Senatsurteil vom 16. Juni 1959 - VI ZR 141/58 = VersR 1959, 698, 699; vom 16. Februar 1971 - VI ZR 125/69 = VersR 1971, 476, 477). Auch ein Rückgriff aus anderem Rechtsgrund, insbesondere nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften (vgl. BGH Urt.v. 5. Mai 1969 - VII ZR 176/66 = VersR 1969, 641), ist ausgeschlossen. Denn als Folge der angeführten Beschränkung belastet den Deliktsschuldner die Einstandspflicht im Verhältnis zu dem von der Deliktshaftung befreiten Regreßschuldner von vornherein nur in einem Umfang, der ihm in diesem Verhältnis wirtschaftlich endgültig verbleiben muß, weil er seinen Verantwortungsanteil an dem Schaden richtig wiedergibt. Auch unter diesem Gesichtspunkt war daher die Klägerin durch den Zweck des Abkommens hinsichtlich einer Inanspruchnahme der Beklagten auf ihren Anteil von 20 % im Wege des Regresses nach § 1542 RVO nicht beschränkt.
2.
Entgegen der Auffassung der Revision können sich die Beklagten auch nicht darauf berufen, daß ihre Ersatzschuld, wenn auch nicht durch die Vereinbarung der Abkommenspartner, so doch als Folge der Schadlosstellung der Klägerin durch die von der VHV gezahlte Jahrespauschale erledigt ist.
a)
Es entspricht zwar der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß der SVT, wenn ihm für seinen Regreß sowohl der Weg über § 640 RVO als auch der über § 1542 RVO zur Verfügung steht, diese Möglichkeiten nicht dazu einsetzen kann, sich von seinen Schuldnern insgesamt mehr zurückzuholen, als er für den Arbeitsunfall aufgewendet hat. Insoweit wirkt sich der Umstand, daß Regreßansprüche aus § 1542 RVO mit denen aus § 640 RVO zwar kein Gesamtschuldverhältnis begründen, so daß eine unmittelbare Anwendung des § 422 BGB ausscheidet; daß sie aber denselben wirtschaftlichen Zweck verfolgen, nämlich den SVT von Aufwendungen aus Anlaß des Unfalls zu entlasten, bei Leistungen aus dem einen Rechtsgrund auch für den Anspruch aus dem anderen Rechtsgrund aus: wegen der durch Zahlung bereits ausgeglichenen Aufwendungen kann der SVT aus anderem Anspruchsgrund nicht noch einmal Rückgriff nehmen. Insoweit werden durch die Regreßleistung aus dem einen Rechtsgrund die Regreßansprüche aus dem anderen Rechtsgrund mit erfüllt (BGHZ 19, 114, 124; st. Rspr.; vgl. auch W. Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 12. Aufl. TZ 1568, 1569).
b)
Es kann jedoch nicht festgestellt werden, daß die von der VHV an die Klägerin gemäß dem Regreßverzichtsabkommen gezahlte Jahrespauschale deren Ersatzansprüche gegen die Beklagten miterledigt hat. Das muß zu Lasten der Beklagten gehen; denn sie haben nach allgemeinen Grundsätzen die Erfüllung ihrer Verpflichtungen nachzuweisen.
aa)
Es ist in dem System der Ablösung der (Einzel-)Regulierung "nach der Rechtslage" durch die abkommensmäßige Pauschal-Regulierung begründet, daß die Abkommenspauschale von der VHV nicht auf den konkreten Schadensfall bezahlt worden ist. Das Abkommen sollte gerade die Regulierung des Einzelfalls entbehrlich machen; es bezweckt also noch weit mehr als die üblichen Teilungsabkommen die Einsparung von Verwaltungsaufwand. Einer Aufteilung der Pauschale auf die durch sie abgedeckten Regreßansprüche steht ferner entgegen, daß die Pauschale nach dem Sinn des Abkommens nicht nur die im Einzelfall begründeten Regreßansprüche der Klägerin nach § 640 RVO erledigen, sondern als Abfindung auch für solche Fälle einer Haftungsfreistellung nach §§ 636, 637 RVO gezahlt werden sollte, in denen die Regreßlage streitig gewesen wäre und durch einen von dem Abkommen vermiedenen Prozeß hätte geklärt werden müssen. Zudem wird die Loslösung der Abkommenspauschale von den im Einzelfall begründeten Regreßansprüchen zusätzlich durch die im Abkommen näher geregelte Methode ihrer Festsetzung unterstrichen. Auch sie bietet keine sichere Gewähr dafür, daß die Pauschale im Abrechnungszeitraum den Aufwand abdeckt, den die VHV der Klägerin ohne das Regreßverzichtsabkommen nach § 640 RVO hätte ausgleichen müssen.
bb)
Aber selbst dann, wenn gleichwohl eine Aufteilung der Abkommenspauschale auf den konkreten Regreßfall möglich wäre, kann der von "außenstehenden" Mitschädigern nach Maßgabe von § 1542 RVO geschuldete Anteil an den durch den Unfall ausgelösten Aufwendungen nicht als durch die Abfindungspauschale gedeckt angesehen werden.
Zwar werden Regreßansprüche des SVT gegen den ihm aus § 640 RVO verpflichteten Schädiger weder dem Grund noch dem Betrag nach berührt, wenn der SVT wegen seiner Aufwendungen auch gegen einen anderen Schädiger aufgrund von § 1542 RVO Rückgriff nehmen kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1971 - VI ZR 91/70 - VersR 1972, 171). Nicht ist der Anspruch aus § 640 RVO gegen den einen Schädiger im Verhältnis zu dem durch § 1542 RVO eröffneten Regreß gegen den anderen Schädiger subsidiär, so daß der SVT von dem ihm nach § 640 RVO Verpflichteten nur dessen um die Ersatzansprüche gegen den anderen nach Maßgabe von § 1542 RVO Verpflichteten geminderten "Anteil" fordern könnte. So gesehen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin habe konkret, d.h. ohne das Regreßverzichtsabkommen, gegenüber der VHV angesichts des Verantwortungsanteils ihres Versicherten P. im Verhältnis zu den Beklagten von 80: 20 eine Ausgleichsforderung in Höhe von nur 80 v.H. ihres Versicherungsaufwands "zugestanden", nicht richtig. Vielmehr hätte sie unter den Voraussetzungen des § 640 RVO P. bzw. dessen Haftpflichtversicherer zu 100 v.H. ihrer Aufwendungen in Anspruch nehmen können - vorbehaltlich lediglich der Grenzen, die insoweit ihrem Ermessen nach § 640 Abs. 2 RVO gezogen waren (vgl. dazu W. Wussow WI 1975, 97, 98).
Das bedeutet aber nicht, daß für die Aushandelung der Abfindungspauschale die Möglichkeiten des SVT zum Rückgriff nach § 1542 RVO gegenüber "außenstehenden" Dritten keine Rolle spielen. Vielmehr hat der Abkommensschuldner (VHV) ein schutzwürdiges Interesse daran, bei der Festsetzung der Pauschale dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der nach § 640 RVO Verpflichtete wenn auch nicht gegenüber dem SVT, so doch im Verhältnis zu den von der Haftung durch §§ 636, 637 RVO nicht freigestellten Mitschädigern im wirtschaftlichen Ergebnis nicht auch mit deren Mitverantwortungsanteil sich belasten lassen muß. Erfüllt er nämlich bei Zahlung seiner Regreßverpflichtung "nach der Rechtslage" diese für ihn "fremden" Ersatzpflichten mit, so kann er zwar mangels eines (echten) Gesamtschuldverhältnisses nicht auf dem Weg über den Innenausgleich nach § 426 BGB, jedenfalls aber nach Bereicherungsrecht von den Mitschädigern Befreiung von den "fremden" wirtschaftlichen Belastungen suchen, deren endgültige Verteilung zwischen den Schädigern auch insoweit durch den Maßstab ihrer Verantwortungsanteile gerechtfertigt wird (vgl. auch Senatsurteil vom 13.6.1978 - VI ZR 166/76 = aaO; RGRK-BGB a.a.O. § 421 Rdnr. 30 und § 812 Rdnr. 8, 34; weitere Nachweise bei Sieg SGb 1972, 341, 345; zum Ausgleich aus anderem Rechtsgrund vgl. Sieg aaO; Mayer VersR 1975, 408; W. Wussow WI 1975, 97 ff; Möring VersR 1959, 685). Denn soweit der nach § 640 RVO Verpflichtete mehr auf den Schaden zahlt, als er ohne die Haftungsablösung nach Maßgabe seiner Mitverantwortungsquote im Verhältnis zu Mitschädigern, die in die Haftungsablösung der §§ 636 ff RVO nicht einbezogen sind, hätte leisten müssen, sind diese durch die damit bewirkte Erfüllung ihrer Ersatzpflichten auf seine Kosten ohne Rechtsgrund bereichert. Nur diese Auffassung steht mit dem Grundsatz in Einklang, daß die Haftungsablösung der §§ 636 ff RVO "außenstehende" Mitschädiger nicht belasten, aber auch nicht begünstigen soll.
Das Regulierungsabkommen nimmt nun dem Abkommensschuldner nicht nur die Möglichkeit, im Einzelfall darauf hinzuwirken, von dem SVT nur unter Abzug von "fremden" Verantwortungsanteilen in Anspruch genommen zu werden, sondern auch den bereicherungsrechtlichen Ausgleich gegenüber "außenstehenden" Mitschädigern. Denn ebensowenig wie diese kann der Abkommensschuldner dartun, daß und in welchem Umfang die Abkommenspauschale deren Regreßverpflichtungen miterledigt hat. Er muß deshalb daran interessiert sein, die Beschränkung seiner Belastung auf den eigenen Verantwortungsanteil schon in der Pauschale ausgedrückt zu sehen.
Soweit daher Überhaupt eine Aufteilung der Pauschale auf den konkreten Einzelfall möglich ist, entspricht es dieser Sach- und Interessenlage, beim Zusammentreffen von Ansprüchen aus § 640 RVO mit solchen aus § 1542 RVO durch die Zahlung der Pauschale nur denjenigen Anteil der Regreßaufwendungen als erfüllt anzusehen, der den aus § 640 RVO Verpflichteten im Verhältnis zu den "außenstehenden" Mitschädigern endgültig belastet. Sofern die Pauschale höher sein sollte als der tatsächliche Gesamtaufwand, den sie bei dieser Berechnung abzudecken hat, dient sie nicht der Erfüllung der im konkreten Einzelfall bestehenden Ansprüche, sondern ist der Preis des Abkommensschuldners (VHV) für die Vorteile, die die Ersetzung der Einzelregulierung durch die abkommensmäßige Pauschalregulierung für ihn darstellt.
cc)
Davon abgesehen besteht kein Anlaß, die Beklagten im Streitfall von dem Nachweis zu entlasten, daß ihre Ersatzpflichten gegenüber dem SVT durch die Zahlungen der VHV miterfüllt worden sind, und statt dessen die Klägerin nachweisen zu lassen, daß sie im wirtschaftlichen Gesamtergebnis bei Inanspruchnahme der Beklagten nicht mehr erhält, als sie auf den Schadensfall aufgewendet hat. Durch eine Bereicherung des SVT würden allenfalls schutzwürdige Interessen des Abkommensschuldners (VHV) betroffen, der diesen jedoch bei der Aushandelung der Abfindungspauschale ausreichend Rechnung tragen kann. Die Beklagten werden durch den Regreß der Klägerin, der von vornherein auf ihre Mitverantwortungsquote im Verhältnis zu P. beschränkt ist, nur auf diejenigen wirtschaftlichen Lasten des Schadensfalls in Anspruch genommen, mit denen sie nach dem Maß der Verantwortung endgültig zu belasten sind. Sie stehen im Ergebnis nicht schlechter da, als wenn die Klägerin mit der VHV das Regreßverzichtsabkommen nicht geschlossen haben würde. Denn auch dann wären sie im Umfang ihres Mitverantwortungsanteils - sei es der Klägerin, sei es, wie ausgeführt, der VHV nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten - zur Übernahme der Schadenslasten verpflichtet. Es fehlt jeder sachliche Grund dafür, sie von dieser Einstandspflicht deshalb freizustellen, weil die Klägerin mit der VHV ein Regreßverzichtsabkommen geschlossen hat.
Unterschriften
Dr. Weber
Scheffen
Dr. Steffen
Dr. Ankermann
Boujong
Fundstellen