Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. März 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte ist Verwalter in dem auf Antrag vom 4. März 2005 am 19. Mai 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des U. H., der ein Transportunternehmen betrieb (fortan: Schuldner). Zuvor war der Beklagte mitbestimmender vorläufiger Insolvenzverwalter. Der Schuldner erstellte für die bei ihm im Dezember 2004 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen Beitragsnachweis über insgesamt 9 505,73 EUR, den er der Klägerin als Einzugsstelle übermittelte. Dieser hatte er eine Einziehungsermächtigung erteilt. Die Klägerin zog den Betrag am 15. Februar 2005 über das Geschäftskonto des Schuldners bei der Kreissparkasse M. (fortan nur Sparkasse) ein. Mit Schreiben vom 23. März 2005 forderte der Beklagte die Sparkasse auf, alle die Konten des Schuldners betreffenden Lastschriften – soweit möglich – zurückzubuchen. Die Erklärung ging vor Ablauf von sechs Wochen nach Mitteilung des Rechnungsabschlusses, der die Abbuchung zugunsten der Klägerin enthielt, bei der Sparkasse ein. Diese buchte den Betrag vor dem 19. Mai 2005 zurück. Zu Lasten des Kontos der Klägerin berechnete die Sparkasse noch Rückbuchungskosten in Höhe von 3 EUR. Nach Verfahrenseröffnung begehrte die Klägerin von dem Beklagten Zahlung in Höhe der errechneten Sozialabgaben sowie der Rückbuchungskosten „aus der Insolvenzmasse”.
Rz. 2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht meint: Der Klägerin stehe gegen den Beklagten der geltend gemachte Zahlungsanspruch weder persönlich noch in der Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners zu.
Rz. 5
Für einen Anspruch aus § 826 BGB habe die Klägerin nicht dargelegt, worin der durch den Beklagten verursachte Schaden läge. Falls der Beklagte zum Widerruf nicht berechtigt gewesen sei, stände der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen die Sparkasse zu. Überdies fehle es an einem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten. Der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter dürfe die Genehmigung unabhängig davon verweigern, ob dem Schuldner eine sachliche Einwendung gegen den Anspruch zustehe oder der Schuldner die Genehmigung verweigern wolle. Dies folge aus der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Genehmigungstheorie. Vor der Genehmigung der Buchung durch den Schuldner gegenüber der Bank sei noch nichts aus dessen Vermögen abgeflossen. Die Gutschrift auf dem Gläubigerkonto könne dem Schuldner mangels Befugnis des Gläubigers, über das Konto des Schuldners zu verfügen, nicht als Leistung zugerechnet werden. Allerdings gestatte es die Vertragsfreiheit den Beteiligten, im Valutaverhältnis zu vereinbaren, Erfüllung solle schon vor der Genehmigung durch den Schuldner eintreten. Überdies seien an eine konkludente Genehmigung des Schuldners im Deckungsverhältnis – gerade bei wiederkehrenden Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen – keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Aus der Lastschriftabrede allein folge sie allerdings nicht. Im Streitfall könne weder aus dem Gegenstand der geschuldeten Geldleistung noch dem vor der Abbuchung übermittelten Beitragsnachweis auf eine konkludente Genehmigung geschlossen werden. Aus der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung einmal entrichteter Beiträge folge dies ebenfalls nicht. Mangels einer Genehmigung habe der ursprüngliche Erfüllungsanspruch der Klägerin nach der Abbuchung als Anspruch auf Genehmigung der Belastung fortbestanden, der sich mit der Verfahrenseröffnung zu einer Insolvenzforderung (§ 38 InsO) umgewandelt habe. Damit sei der Beklagte im Eröffnungsverfahren als vorläufiger Insolvenzverwalter gehalten gewesen, eine Vorzugsstellung der Klägerin gegenüber ranggleichen Forderungen anderer Gläubiger zu verhindern. Der Beklagte wäre seiner Sicherungsaufgabe als mitbestimmender vorläufiger Insolvenzverwalter nicht gerecht geworden, wenn er der Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung zur Wirksamkeit verholfen hätte. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter handle auch nicht sittenwidrig, wenn er die Rückgabe der Lastschriften verlange, bevor er übersehen könne, ob hierfür der (künftigen) Insolvenzmasse ein Vorteil erwachsen werde.
Rz. 6
Eine rechtsgrundlose Bereicherung der Insolvenzmasse im Sinne des § 812 BGB sei durch das rechtzeitig gestellte Rückbuchungsverlangen auch nicht bewirkt worden.
II.
Rz. 7
Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
Rz. 8
1. Gegenstand der Klage und auch des Revisionsverfahrens ist ein gegen die Masse erhobener Zahlungsanspruch, den die Klägerin aus der Rückbelastung ihres Kontos mit den im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens eingezogenen Sozialbeiträgen herleitet. Dies ergibt sich aus dem in dem Berufungsurteil wiedergegebenen Sachantrag der Klägerin (§§ 314, 525 Satz 1, §§ 528, 555 Abs. 1, § 559 Abs. 1 ZPO), mit dem sie ausdrücklich „Zahlung aus der Insolvenzmasse” begehrt. Diesen Antrag hat die Klägerin im Übrigen in dieser Form bereits in der Klageschrift angekündigt und in beiden Vorinstanzen aus den vorbereitenden Schriftsätzen gestellt. Entgegen den – allerdings in diesem Punkt missverständlichen – Ausführungen des Berufungsgerichts ist ein gegen den Beklagten in Person zu richtender Schadensersatzanspruch aus § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 60 InsO oder aus § 826 BGB nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die in der schriftlichen Revisionsbegründung vertretene abweichende Auffassung, die Klägerin nehme den Beklagten persönlich auf Zahlung in Anspruch, widerspricht dem Vortrag in den Tatsacheninstanzen.
Rz. 9
Im Revisionsverfahren kann die Klägerin die Klage nicht mehr auf den Beklagten persönlich erstrecken, weil hierin eine Klageerweiterung läge, die im Revisionsverfahren ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 28, 131, 136f; BGH, Urt.v. 2. April 2009 – IX ZR 141/07, z.V.b.; Musielak/Ball, ZPO 6. Aufl. § 559 Rn. 3; Hk-ZPO/Saenger, 2. Aufl. § 263 Rn. 12).
Rz. 10
2. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Insolvenzmasse, der sich nur aus § 55 InsO ergeben kann, ist nicht erkennbar.
Rz. 11
a) Nach den von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Sparkasse die Lastschrift auf das Schreiben des Beklagten, das dieser in seiner Funktion als mitbestimmender vorläufiger Insolvenzverwalter unter dem 23. März 2005 an sie gerichtet hat, zurückgegeben. Das Insolvenzverfahren ist hingegen erst fast zwei Monate später, nämlich am 19. Mai 2005 eröffnet worden. Aus diesem zeitlichen Ablauf folgt, dass ein Anspruch aus Massebereicherung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO von vornherein ausscheidet.
Rz. 12
Nach dieser Vorschrift muss die Masse einen Vermögensgegenstand ohne rechtlichen Grund (§§ 812 ff BGB) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt haben (BGHZ 23, 307, 317f; 155, 199, 205; BGH, Urt.v. 20. September 2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279f; HK-InsO/Lohmann, 5. Aufl. § 55 Rn. 26). Ist die Bereicherung bereits vor der Eröffnung zur Masse gelangt, greift § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch dann nicht ein, wenn der Rechtsgrund erst mit oder nach der Eröffnung weggefallen ist (HK-InsO/Lohmann, aaO; Jaeger/Henckel, InsO § 55 Rn. 79). Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19. Mai 2005 war die Erfüllung im Wege des Lastschrifteinzugs bereits fehlgeschlagen. Der Klägerin standen deshalb gegen den Schuldner die ursprünglichen Zahlungsansprüche aus SGB IV zuzüglich etwaiger Nebenansprüche aus Verzug zu. Die Vermögenslage entsprach somit wieder derjenigen vor dem auf die Lastschriftabrede gestützten Forderungseinzug. Zu einer Vermögensverschiebung zugunsten der Masse ist es nach der Verfahrenseröffnung nicht gekommen.
Rz. 13
b) Allerdings stellt § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO bestimmte Verbindlichkeiten, die vor Verfahrenseröffnung von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, den Masseverbindlichkeiten gleich. Aus dieser Vorschrift kann die Klägerin jedoch nichts für sich herleiten. Die Norm betrifft ausschließlich Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1, § 22 Abs. 1 InsO). Sie gilt nicht für den vorläufigen Verwalter ohne Verfügungsbefugnis, dem durch das Insolvenzgericht auch nicht die Ermächtigung erteilt worden ist, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen (vgl. BGHZ 151, 353, 358 ff; BGH, Urt.v. 20. September 2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279, 2280). Außerhalb einer – hier nicht gegebenen – Einzelermächtigung kann auch der mitbestimmende vorläufige Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2, § 22 Abs. 2 InsO) keine Masseverbindlichkeiten begründen (BGHZ 174, 84, 94); die Vorschrift des § 55 Abs. 2 InsO ist auch nicht entsprechend anwendbar (BGH, Urt.v. 20. September 2007 – IX ZR 91/06, aaO S. 2280; v. 24. Januar 2008 – IX ZR 211/06, ZIP 2008, 608; HK-InsO/Lohmann, aaO Rn. 29). Aus dem Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der von ihm begehrten Beseitigung der belastenden Buchposition auf dem Konto des Schuldners kann sich deshalb selbst dann kein Schadensersatzanspruch gegen die Masse ergeben, wenn dem Verwalter – wie die Klägerin meint – eine Pflichtverletzung vorzuwerfen wäre (vgl. BGH, Urt.v. 24. Januar 2008 – IX ZR 201/06, aaO S. 608). Eine solche ist allerdings nicht gegeben, weil der Beklagte berechtigt war, die Rückgabe der Lastschrift und die damit verbundene Beseitigung der Buchung unabhängig davon zu verlangen, ob dem Schuldner sachliche Einwendungen gegen den Anspruch der Klägerin zustanden und ob dieser die Genehmigung verweigern wollte (vgl. BGHZ 161, 49 ff; 174, 84, 87f; BGH, Urt.v. 21. September 2006 – IX ZR 173/02, WM 2006, 2092, 2093).
Rz. 14
Auf Weiteres kommt es nicht an.
Fundstellen