Leitsatz (amtlich)
Zur Reichweite eines auf die konkrete Verletzungsform beschränkten gericht-lichen Unterlassungsgebots hinsichtlich einer Bildveröffentlichung.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2; KunstUrhG §§ 22-23; ZPO § 890
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Bildnisses sowie Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger ist ein Sohn des bekannten Tennisspielers B. Die Beklagte veröffentlichte in der Zeitschrift "FREIZEIT REVUE" vom 13. November 2019 einen Artikel mit der Überschrift "B[…] B[…] - Als Betrüger entlarvt - Er bricht seiner kranken Mutter das Herz!" und der Zwischenüberschrift: "So sehr hatte sich E[…] B[…] gewünscht, dass ihr Sohn endlich einen Weg aus den Schulden findet. Doch er schafft es nicht. Zerbricht die alte Dame jetzt an dieser Enttäuschung?" Der Text des Artikels lautet:
"'Lieber Gott, das kann doch nicht wahr sein!' Mama E[…] B[…] blieb fast das Herz stehen, als sie die Schock-Nachricht in ihrer Heimat L[…] ereilte: Wieder manövriert sich Sohn B[…] von einer Katastrophe in die nächste - das Drama nimmt kein Ende.
Krise. Überraschend wurde das Insolvenzverfahren des Tennis-Stars vom Londoner Gericht verlängert. Nicht um ein Jahr, nicht um zwei - sage und schreibe zwölf weitere Jahre (bis 2031) halten die Richter für angemessen. Als Strafe. Weil B[…] sich offenbar mal wieder für schlauer hielt. Er legte nicht wie gefordert sein gesamtes Vermögen offen, um eine Lösung für die Millionen-Schulden zu finden. In seiner Liste fehlten mal eben 5,2 Mio. Euro. Sein Anwalt [...] nimmt ihn in Schutz: 'Herr B[…] hat alles im laufenden Verfahren angegeben, aber teilweise zu spät.'
Unfassbar! E[…] B[…] ist verzweifelt. Sie hat ihn doch nicht zum Betrüger erzogen! Das Traurige: Jetzt muss sie wieder dieses böse Getuschel ertragen, wenn sie sich überhaupt noch vor die Tür wagt. Und wird wieder mit der Frage konfrontiert: 'Verliere ich jetzt auch mein Haus?' Schließlich gab es schon einmal den Verdacht, dass B[…] es heimlich verpfändet hätte.
Sorge. Die […] hat so viel zu schultern: Seit Längerem kämpft sie auch mit schweren gesundheitlichen Problemen. […] Sie braucht einen Sohn, der sie in den Arm nimmt. Auf den sie stolz sein kann. So wie früher.
Angst. Stattdessen Sorgen, immer nur Sorgen. E[…] B[…] betet dafür, dass B[…] sein Leben, seine Finanzen endlich in den Griff bekommt. Wenn sie das noch erleben dürfte - es wäre ihr größtes Glück."
Rz. 3
Der Beitrag ist unter anderem mit dem streitgegenständlichen Bild illustriert, welches B. mit dem Kläger und seinen anderen Söhnen zeigt (Bildaufschrift: "Seine Söhne […]"). Dasselbe Bild wurde von der Beklagten gleichfalls am 13. November 2019 im Rahmen eines Berichts in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" veröffentlicht (Bildaufschrift: "Sicher fassungslos: Seine Kids [...]"), und zwar unter dem Titel "B[…] B[…] - Das Schulden-Urteil schockiert die Welt - Jetzt steht er als Betrüger da!" und der Zwischenüberschrift: "Eigentlich kann man nur den Kopf schütteln über so viel Unvernunft! Es war die letzte Chance für die Tennis-Legende, ihr Leben noch einmal in den Griff zu bekommen. B[…] hat sie vertan." Der Text dieses Artikels lautet:
"Mensch B[…], du hattest doch alles! Neun Jahre war B[…] B[…] mit seiner L[…] verheiratet, ist stolzer Papa von vier Kindern […] - und über Geldsorgen konnte der Ex-Tennis-Star einst nur lachen. Doch Letzteres ist lange her. Seit zwei Jahren kämpft er sich durch die Privatinsolvenz - und jetzt wird alles noch viel schlimmer!
Schock. Denn seine Insolvenzauflagen, die eigentlich bald abgeschlossen sein sollten, wurden jetzt verlängert - um unfassbare zwölf Jahre! Unglaublich: B[..] ist an der Misere selbst schuld. Der Grund: Er habe Vermögenswerte im Wert von 5,2 Millionen Euro nicht ordnungsgemäß gemeldet. Ist B[…] etwa ein Betrüger? Sein Anwalt […] beschwichtigt, gibt an, B[...] habe sie lediglich zu spät angegeben. Nicht zu fassen!
Hoffnung. Doch anstatt Reue und Einsicht zu zeigen, nimmt B. [...] das Urteil gelassen. 'Es hat sich nichts geändert an der Tatsache, dass ich Hauptgläubiger komplett befriedigt habe und ich guter Dinge bin, die Schuld an die restlichen Gläubiger bis Weihnachten zu begleichen, erwidert er.
Spannung. Wie kann man in der Situation so aalglatt sein? Nun muss er wirklich in sechs Wochen offiziell rehabilitiert sein. Sonst ist sein Ruf endgültig dahin."
Rz. 4
Auf den Antrag des Klägers untersagte das Landgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung, das Foto, das den Antragsteller zeigt, erneut zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" vom 13. November 2019 (Verfahren 2-03 O 542/19). Die Beklagte hat diese Verfügung im Wege einer Abschlusserklärung als für sich verbindlich anerkannt und macht geltend, deshalb fehle für die streitgegenständliche Unterlassungsklage gegen die Veröffentlichung desselben Bildes in der "FREIZEIT REVUE" das Rechtsschutzbedürfnis.
Rz. 5
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, das streitgegenständliche Foto erneut zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT REVUE" vom 13. November 2019. Dem Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten hat es teilweise stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt, für die klageweise Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches hinsichtlich der Bildveröffentlichung in der "FREIZEIT REVUE" vom 13. November 2019 bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, weil dem Kläger nicht schon aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 18. Dezember 2019 i.V.m. der von der Beklagten abgegebenen Abschlusserklärung betreffend die Veröffentlichung in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" ein Titel zur Verfügung stehe, mit der der Beklagten auch die streitgegenständliche Berichterstattung untersagt worden sei. Aus demselben Grund könne auch die Wiederholungsgefahr nicht verneint werden. Die streitgegenständliche Veröffentlichung in der "FREIZEIT REVUE" gehe hinsichtlich Inhalt und Umfang des Berichtsgegenstandes über den Bericht in der "FREIZEIT SPASS" hinaus.
Rz. 7
Zwar sei ein Verstoß gegen ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot wegen eines Bildnisses nicht nur dann gegeben, wenn der Presseartikel, der als konkrete Verletzungsform im Unterlassungstitel bezeichnet sei, wortgleich wiederholt werde, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Berichterstattung unter Beifügung des beanstandeten Fotos seien, was aufgrund des Urteilstenors und der Gründe des Vollstreckungstitels zu ermitteln sei. Der Beklagten sei auch darin zuzustimmen, dass sich der Inhalt der Berichte teilweise decke bzw. eine "thematische Verklammerung" vorliege. Der Artikel des Parallelverfahrens in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" befasse sich im Schwerpunkt damit, dass die Insolvenzauflagen von B. um 12 Jahre verlängert worden seien, weil er Vermögenswerte im Wert von 5,2 Millionen Euro nicht ordnungsgemäß gemeldet habe. Es werde die Frage gestellt, ob B. ein Betrüger sei, und es gehe um seine Reaktion auf die Verlängerung der Insolvenzauflagen. Auch der streitgegenständliche Artikel in der "FREIZEIT REVUE" teile mit, dass das Insolvenzverfahren verlängert worden sei, weil nicht das gesamte Vermögen offengelegt worden sei, sondern 5,2 Millionen Euro gefehlt hätten. Auch werde B. als "entlarvter Betrüger" dargestellt. In beiden Berichten werde die Stellungnahme seines Anwalts dazu wiedergegeben. Insofern möge es zutreffen, dass die "Mitteilungen" in dem Bericht, auf den sich die Verfügung vom 18. Dezember 2019 als Verletzungsform beziehe, mindestens teilweise in dem Bericht in der "FREIZEIT REVUE" erneut Gegenstand der Berichterstattung unter Beifügung des Bildes gewesen seien.
Rz. 8
Gleichwohl erstrecke sich das Verbot jener auf die Veröffentlichung des Bildnisses in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" bezogenen einstweiligen Verfügung nicht auf die hiesige Veröffentlichung des Bildnisses in der "FREIZEIT REVUE". Zu den (teilweise) wiederholten Mitteilungen aus dem Bericht in der "FREIZEIT SPASS" trete in dem hiesigen Bericht in der "FREIZEIT REVUE" nämlich ein weiterer selbständiger Berichtsgegenstand in der Textberichterstattung hinzu. Während der Bericht des Parallelverfahrens allein von B. und davon handele, dass er jetzt als Betrüger dastehe und sein Ruf dahin sein könne, werde vorliegend auch über die Auswirkungen dieser Vorkommnisse auf die Mutter von B. sowie deren Sorgen und Ängste über den Werdegang ihres Sohnes berichtet. Eher sie und nicht B. stehe im Mittelpunkt der Berichterstattung, was sich auch im Titel ankündige.
Rz. 9
Enthalte in dieser Weise ein zweiter Bericht weitere selbständige Inhalte, so könnten diese die Veröffentlichung des Bildnisses möglicherweise nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG rechtfertigen. Zur Beurteilung der Bildveröffentlichung sei der Textbericht unter Berücksichtigung des zusätzlichen Inhalts als Einheit zu bewerten. Eine solche rechtliche Würdigung sei bislang jedoch - sei es in einem Vorprozess, sei es durch die Parteien bei außergerichtlicher Anerkennung - nicht erfolgt. Eine solche materiell-rechtliche Prüfung, ob die Veröffentlichung des Bildnisses unter Berücksichtigung der weitergehenden Mitteilungen im Textbericht als unzulässig anzusehen sei, könne nicht im Vollstreckungsverfahren erfolgen. Zwar sei für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Verfahren sei jedoch nicht als Erkenntnisverfahren ausgestaltet. Dem Vollstreckungsgericht obliege allein die Auslegung des Urteilstenors (auch anhand der Gründe) zur Feststellung, ob mit der weiteren Veröffentlichung des Bildnisses ein Verstoß gegen das ausgesprochene Verbot erfolgt sei. Ihm obliege nicht die erstmalige materiell-rechtliche Prüfung, ob die Veröffentlichung desselben Bildnisses in einem erweiterten Kontext ebenso zu untersagen wäre.
Rz. 10
Die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1, 2 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 22, 23 KUG seien vom Landgericht im Übrigen überzeugend begründet worden. Das Urteil werde insoweit von der Berufung auch nicht angegriffen.
II.
Rz. 11
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat der Klage auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses des Klägers, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT REVUE" vom 13. November 2019, zu Recht stattgegeben und die Beklagte entsprechend zur Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verurteilt. Es hat insbesondere - anders als die Revision meint - zutreffend angenommen, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage nicht aufgrund der von der Beklagten im Wege einer Abschlusserklärung als verbindlich anerkannten einstweiligen Verfügung vom 18. Dezember 2019 im Verfahren 2-03 O 542/19 entfallen ist.
Rz. 12
1. Erkennt der Unterlassungsschuldner durch eine Abschlusserklärung eine gegen ihn ergangene Unterlassungsverfügung als nach Bestandskraft und Wirkung einem entsprechenden Hauptsachetitel gleichwertig an, wird dadurch das Rechtsschutzinteresse für eine Hauptsacheklage beseitigt, weil sie einen dem Unterlassungstitel gleichwertigen Vollstreckungstitel entstehen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 19. Mai 2010 - I ZR 177/07, WRP 2010, 1035, 1037, juris Rn. 16; vom 2. Juli 2009 - I ZR 146/07, BGHZ 181, 373 Rn. 14; jeweils mwN).
Rz. 13
Diese Wirkung der Abschlusserklärung reicht so weit wie der Verbotsumfang der Unterlassungsverfügung, die der Schuldner als endgültige Regelung anerkannt hat (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 177/07, WRP 2010, 1035, 1037, juris Rn. 17). Ob ein beanstandetes Verhalten von einem gerichtlichen Unterlassungsgebot erfasst wird, ist durch Auslegung zu ermitteln, ausgehend vom Tenor der Entscheidung und erforderlichenfalls unter ergänzender Heranziehung der Entscheidungsgründe sowie der Antrags- oder Klagebegründung (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 2023 - VI ZB 79/21, AfP 2023, 513 Rn. 14 mwN; Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 232/08, AfP 2009, 406 Rn. 11; BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 177/07, WRP 2010, 1035, 1037, juris Rn. 17 mwN).
Rz. 14
2. Das Berufungsgericht hat den Inhalt der von der Beklagten im Wege der Abschlusserklärung anerkannten einstweiligen Verfügung vom 18. Dezember 2019 im Verfahren 2-03 O 542/19, nach deren Tenor der Beklagten die erneute Verbreitung des den Kläger zeigenden Fotos untersagt wird, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" vom 13. November 2019, richtig dahin ausgelegt, dass dieses Verbot nicht die im vorliegenden Verfahren beanstandete Veröffentlichung in der "FREIZEIT REVUE" vom 13. November 2019 erfasst.
Rz. 15
a) Der streitgegenständliche Beitrag fällt nicht schon deshalb unter das mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Verbot, weil beide Veröffentlichungen dasselbe Bildnis des Klägers enthalten. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Tenors der einstweiligen Verfügung, wonach das Verbot der erneuten Verbreitung des Fotos auf die konkrete Verletzungsform, nämlich wie in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" vom 13. November 2019 geschehen, beschränkt wird.
Rz. 16
Mit dieser Fassung des Tenors wird der Rechtsprechung des Senats Rechnung getragen, wonach im Bereich der Bildberichterstattung mit einer "vorbeugenden" Unterlassungsklage über die konkrete Verletzungsform hinaus weder eine ähnliche oder "kerngleiche" Bildberichterstattung für die Zukunft noch die erneute Verbreitung eines Bildnisses - sofern die Verbreitung nicht schon an sich unzulässig ist, etwa weil die Intimsphäre tangiert wird - generell verboten werden kann (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 314/08, AfP 2010, 60 Rn. 7; vom 23. Juni 2009 - VI ZR 232/08, AfP 2009, 406, Rn. 7; vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06, BGHZ 174, 262, Rn. 11 ff.; jeweils mwN).
Rz. 17
Der Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, dass es für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedarf. Eine solche Interessenabwägung kann jedoch weder in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offenbleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden, noch in Bezug auf bereits veröffentlichte Bilder, deren Veröffentlichung sich in einem anderen Kontext als der zu beanstandenden Berichterstattung als zulässig erweisen könnte. Für die Zulässigkeit der Verbreitung von Bildnissen kann die Wortberichterstattung, zu der sie veröffentlicht werden, eine bedeutende Rolle spielen. Soweit ein Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist sein Informationswert im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 314/08, AfP 2010, 60 Rn. 7; vom 23. Juni 2009 - VI ZR 232/08, AfP 2009, 406, Rn. 7; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 23; jeweils mwN).
Rz. 18
b) Bei der Beurteilung des Verbotsumfangs der auf die konkrete Verletzungsform bezogenen einstweiligen Verfügung ist daher die die Bildveröffentlichung begleitende Wortberichterstattung mit in den Blick zu nehmen. Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass sich die Äußerungen der Beklagten in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" in Bezug auf Inhalt und Kontext so erheblich von denen in der "FREIZEIT REVUE" unterscheiden, dass die Bildveröffentlichung in letzterer nicht unter die Verbotsverfügung fällt.
Rz. 19
aa) Der Inhalt der Berichte ist zwar teilweise deckungsgleich. So wird in beiden Artikeln mitgeteilt, dass die Insolvenzauflagen von B. um 12 Jahre verlängert worden seien, weil er Vermögenswerte im Wert von 5,2 Millionen Euro nicht ordnungsgemäß gemeldet habe, und der damit angeblich verbundene Anschein thematisiert, B. sei ein "Betrüger". Auch wird in beiden Berichten die Stellungnahme seines Anwalts dazu wiedergegeben. Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, tritt zu den (teilweise) inhaltsgleichen Mitteilungen aus dem Bericht in der "FREIZEIT SPASS" in dem streitgegenständlichen Bericht in der "FREIZEIT REVUE" jedoch ein weiterer selbständiger Berichtsgegenstand in der Textberichterstattung hinzu. Während der Bericht des Parallelverfahrens sich allein auf B. fokussiert und davon handelt, dass er jetzt als Betrüger dastehe und sein Ruf beschädigt sein könne, liegt der Schwerpunkt der Berichterstattung - wie schon aus dem Titel deutlich wird ("Er bricht seiner kranken Mutter das Herz") - vorliegend auch auf den Auswirkungen dieser Vorkommnisse auf die Mutter von B. sowie deren Sorgen und Ängsten über den Werdegang ihres Sohnes.
Rz. 20
bb) Dieser inhaltliche Unterschied führt dazu, dass die streitgegenständliche Veröffentlichung nicht von dem mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Unterlassungsgebot erfasst wird.
Rz. 21
(1) Allerdings hat der Senat im Hinblick auf die Reichweite des Verbots einer Bildberichterstattung angenommen, ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot greife nicht nur dann, wenn der Presseartikel wortgleich wiederholt werde, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Berichterstattung unter Beifügung des zu beanstandenden Fotos seien (Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 232/08, AfP 2009, 406 Rn. 11). Hierauf beruft sich die Beklagte. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich das Unterlassungsgebot nicht auf die Wortberichterstattung, sondern auf die Bildveröffentlichung bezieht, deren Zulässigkeit allerdings regelmäßig im Kontext mit der - gesamten - Wortberichterstattung zu ermitteln ist. Maßgeblich für die Beurteilung der Reichweite des Unterlassungsgebots ist daher nicht die Tatsache der - teilweisen - Wiederholung der Wortberichterstattung an sich, sondern deren Bedeutung für die Beurteilung der Zulässigkeit der Bildberichterstattung. Eine erneute Veröffentlichung des beanstandeten Bildes unter - auch sinngemäßer und/oder teilweiser - Wiederholung der Wortberichterstattung ist, sofern die Bildveröffentlichung nicht schon an sich unzulässig ist, nur dann von dem Unterlassungsgebot erfasst, wenn dabei der Aussagegehalt der Wortberichterstattung insgesamt in einer Weise unverändert bleibt, dass für die Beurteilung der Zulässigkeit der Bildveröffentlichung im Kontext mit der Wortberichterstattung keine erneute materiell-rechtliche Prüfung erforderlich ist. Denn die materiell-rechtliche Prüfung ist dem Erkenntnisverfahren vorbehalten und darf nicht im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens nach § 890 ZPO erfolgen, das der Betroffene zur Durchsetzung seiner Rechte anstelle einer Unterlassungsklage anstrengen müsste, wenn die erneute Veröffentlichung unter das bereits bestehende Unterlassungsgebot fiele (vgl. für die Wortberichterstattung Senatsbeschluss vom 26. September 2023 - VI ZB 79/21, AfP 2023, 513 Rn. 27).
Rz. 22
(2) Das mit der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 18. Dezember 2019 im Verfahren 2-03 O 542/19 ausgesprochene Verbot, das den Kläger zeigende Foto erneut zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" vom 13. November 2019, beruhte - wie sich aus den Gründen der Entscheidung in Verbindung mit der dort in Bezug genommenen Antragsschrift ergibt - nicht auf der Unzulässigkeit der Darstellung des Klägers an sich, sondern darauf, dass mangels hinreichendem inhaltlichen Bezug des Fotos zur begleitenden Wortberichterstattung kein die Veröffentlichung des Bildes gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG rechtfertigendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Hierauf beruft sich der Kläger zwar auch zur Begründung seiner Unterlassungsklage im Streitfall. Da die streitgegenständliche Veröffentlichung des Bildnisses in der "FREIZEIT REVUE" jedoch nicht lediglich unter einer - sinngemäßen - Wiederholung von Teilen der Wortberichterstattung aus dem Artikel in der "FREIZEIT SPASS" erfolgte, sondern sich der Aussagegehalt der Wortberichterstattung insgesamt durch die Hinzufügung eines weiteren Berichtsgegenstandes nicht nur unwesentlich geändert hat, bedarf es einer erneuten materiell-rechtlichen Beurteilung, ob es sich bei dem in der "FREIZEIT REVUE" veröffentlichten Foto um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt. Auch wenn die dabei vorzunehmende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum selben Ergebnis - nämlich zur Unzulässigkeit der Bildveröffentlichung - führen sollte, hat sie im Erkenntnis- und nicht im Vollstreckungsverfahren zu erfolgen. Das Rechtsschutzbedürfnis für die vom Kläger erhobene Unterlassungsklage ist daher gegeben.
Rz. 23
3. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die Instanzgerichte haben zutreffend angenommen, dass die Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers in der Zeitschrift "FREIZEIT REVUE" vom 13. November 2019 weder durch eine für den Kläger wirkende Einwilligung (§ 22 KUG) gedeckt noch nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gerechtfertigt ist. Konkrete Einwände hiergegen werden von der Revision auch nicht vorgebracht. Die für die Bejahung des Unterlassungsanspruchs erforderliche und durch die rechtswidrige Veröffentlichung indizierte Wiederholungsgefahr entfällt nicht aufgrund der mit der einstweiligen Verfügung vom 18. Dezember 2019 im Verfahren 2-03 O 542/19 verbundenen Sanktionsdrohung, weil das dort ausgesprochene Unterlassungsgebot - wie ausgeführt - die streitgegenständliche Veröffentlichung nicht erfasst.
Rz. 24
4. Nachdem dem Unterlassungsanspruch zu Recht stattgegeben wurde, bestehen auch keine Bedenken gegen die erfolgte Verurteilung der Beklagten zur teilweisen Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.
Seiters |
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Oehler |
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Müller |
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Böhm |
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Linder |
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Fundstellen
NJW 2024, 2317 |
GRUR 2024, 1237 |
ZAP 2024, 710 |
JZ 2014, 396 |
JZ 2014, 398 |
JZ 2014, 401 |
WRP 2024, 1279 |
GRUR-Prax 2024, 580 |
K&R 2024, 588 |