Leitsatz (amtlich)
›a) Auch in einer Sachversicherung hat der Versicherungsnehmer nach Eintritt eines Schadensfalles keine vertraglichen Aufklärungspflichten mehr zu erfüllen, wenn der Versicherer eine Leistungsablehnung erklärt hat.
b) Die Inanspruchnahme von Leistungsfreiheit als Sanktion eines Versuches arglistiger Täuschung bei den Entschädigungsverhandlungen hat derjenige Versicherer verwirkt, der sich in einer diesem Tatbestand gleichwertigen oder gar schwererwiegender Art und Weise verhält.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte dem Kläger für Schäden, die anläßlich eines Brandes entstanden sind, der am 14. März 1978 auf dem Betriebsgelände des Klägers ausbrach, Leistungen aus einem zwischen ihnen abgeschlossenen Feuerversicherungs- und einem Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherungsvertrag zu gewähren hat. Der Feuerversicherung liegen u.a. die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB) und der Betriebsunterbrechungsversicherung die Allgemeinen Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherungsbedingungen (FBUB) zugrunde.
Von dem Vorwurf schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit einem Versicherungsbetrug ist der Kläger am 27. Mai 1981 rechtskräftig freigesprochen worden, weil er für die am 14. März 1978 in Betracht kommende Tatzeit ein Alibi habe und weil ihm eine Anstiftung nicht mit der zu einer Verurteilung erforderlichen Sicherheit habe nachgewiesen werden können. Da Verhandlungen der Parteien über die zu leistende Entschädigung, die bis Anfang Januar 1982 geführt wurden, keine Einigung brachten, reichte der Kläger am 23. März 1982 eine Klage ein, mit der er eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 1.113.522 DM fordert und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihm allen weiteren Schaden aus dem Brandereignis vom 14. März 1978 zu ersetzen habe. Die Beklagte, die vor Klageerhebung keine Leistungsablehnungserklärung abgegeben hatte, reichte am 25. Oktober 1982 ihren Klageabweisungsantrag ein. Sie bestreitet den Klageanspruch dem Grunde und der Höhe nach, bezichtigt den Kläger weiterhin der Brandstiftung, lastet ihm u.a. das Führen gefahrerhöhender Brandreden an und beruft sich auf Leistungsfreiheit auch deswegen, weil der Kläger durch Anstiftung des ihm bekannten Zeugen G zur Falschaussage versucht habe, sie bei den Entschädigungsverhandlungen arglistig zu täuschen.
Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben.
Mit seiner Revision verfolgt er sein Klageziel unverändert weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsurteil, in dem die Bestätigung des landgerichtlichen Urteils allein darauf gestützt wird, daß der Kläger eine Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 16 AFB, § 14 FBUB, § 6 Abs. 3 VVG begangen habe, hält den Revisionsangriffen nicht stand.
1.a) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung folgenden für erwiesen erachteten Sachverhalt zugrundegelegt:
Am 13. Januar 1982 überredete der Kläger gegen Zusage einer Belohnung den ihm bekannten Zeugen G, der damals vorübergehend aus der Strafhaft entwichen war, in einer Anzeige, die der Zeuge bei der Polizei gegen eine andere Person zu erstatten beabsichtigte, auch W Sch als den von ihm am 14. März 1978 auf dem Betriebsgelände des Klägers beobachteten Brandstifter zu bezichtigen. Dabei verabredeten der Kläger und der Zeuge, daß letzterer die Anzeige erst erstatten solle auf einen in allen Einzelheiten abgesprochenen, für Außenstehende verschlüsselten Abruf des Klägers. Nachdem dieser Abruf Ende Dezember 1982 zur Kenntnis des wieder inhaftierten Zeugen G gelangt war, erstattete dieser am 7. März 1983 die verabredete Anzeige. Im Zuge der deswegen durchgeführten Vernehmungen schilderte er, W Sch bei der Brandlegung auf dem Betriebsgelände des Klägers am 14. März 1978 beobachtet zu haben; er mußte jedoch schließlich einräumen, damit nicht die Wahrheit gesagt zu haben, zumal er sich am 14. März 1978 nachweislich in Haft befunden hatte.
b) Das Berufungsgericht ist zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe mit der Bezichtigung des W Sch - als des Brandstifters erreichen wollen, daß im vorliegenden Rechtsstreit die Frage einer von ihm begangenen oder veranlaßten Brandstiftung erledigt wurde und die Beklagte nicht länger aus diesem Grund die Leistung verweigere. Das Handeln des Zeugen G sei ihm als eigene Täuschungshandlung zuzurechnen, denn dieser habe auf Veranlassung und im Einverständnis mit dem Kläger gehandelt, der bezweckt habe, daß die Anzeige bei der Polizei zur Kenntnis der Beklagten gelange. Der Plan des Klägers habe sich nicht mehr im Vorbereitungsstadium befunden, als der Zeuge G seine Aussage widerrufen habe; dem Kläger sei daher eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 16 AFB, § 14 FBUB (in der damals geltenden Fassung) anzulasten.
2. Gegen diese Ausführungen bestehen in mehrfacher Hinsicht Bedenken.
a) Die ihm mit § 16 AFB, § 14 FBUB aufgegebenen Obliegenheiten hat ein Versicherungsnehmer zu erfüllen, solange er es mit einem Versicherer zu tun hat, der noch prüfungs- und damit verhandlungsbereit ist. Mit der endgültigen Leistungsablehnung enden, solange der Versicherer an ihr festhält, die Verhandlungen über eine Entschädigungsleistung des Versicherers, während deren Verlauf der Versicherer auf Angaben eines redlichen Versicherungsnehmers angewiesen ist. Nur bis zu seiner Erklärung, eine Leistung abzulehnen, besteht die besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherers, der im Versicherungsrecht mit der dem übrigen Schuldrecht unbekannten Sanktion der Leistungsfreiheit für schuldhaft begangene Obliegenheitsverletzungen gemäß § 6 Abs. 3 VVG Rechnung getragen werden darf.
Für die verschiedenen Arten der Haftpflichtversicherung (KFZ-Haftpflichtversicherung, private Haftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherung) liegt eine inzwischen drei Jahrzehnte umfassende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dazu vor, daß der Versicherer nach Ablehnung seiner Deckung Leistungsfreiheit nicht mehr wegen schuldhafter Nichtbeobachtung von Obliegenheiten geltend machen kann, deren Erfüllung gerade dazu dienen soll, die Prüfung und gegebenenfalls die Erfüllung einer geschuldeten Leistung zu ermöglichen (vgl. Urteile vom 21. Mai 1959, II ZR 144/57, VersR 1959, 499 unter 3; vom 25. April 1960, II ZR 155/58, VersR 1960, 505 unter 1; vom 16. Mai 1966, II ZR 21/64, VersR 1966, 625 unter III; vom 7. November 1966, II ZR 12/65 VersR 1967, 27 unter III; vom 17. Dezember 1969, IV ZR 1007/68 - VersR 1970, 169, 170; vom 8. Januar 1981, IVa ZR 60/80 - VersR 1981, 321 unter IV).
Der Grundsatz, daß vertragliche Obliegenheiten, die nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sind, um dem Versicherer die Prüfung seiner Verpflichtung zur Leistung zu ermöglichen und/oder zu erleichtern, dem Versicherungsnehmer unter der Sanktion der Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 3 VVG nur von einem noch prüfungsbereiten Versicherer aufgegeben werden können, gilt nicht allein im Bereich der Haftpflichtversicherungen. Die Interessenlage ist die gleiche in Sachversicherungen, in denen der Versicherer ebenfalls für eine sachgerechte Regulierung auf die wahrheitsgemäßen Angaben eines redlichen Versicherungsnehmers angewiesen ist. Die auch hier bestehende Schutzbedürftigkeit des Versicherers rechtfertigt Versicherungsbestimmungen wie § 16 AFB und § 14 FBUB. Mit dem in diesen Versicherungsbestimmungen gewählten Wortlaut "bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung" haben die Versicherer - in ausgewogener Wahrung der berechtigten Belange beider Vertragsseiten - die zulässige zeitliche Reichweite der nach Eintritt eines Versicherungsfalles zu erfüllenden "Aufklärungs-"Obliegenheit abgesteckt, deren Nichtbeachtung zu Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann. Solange der Feuer- und Feuerbetriebsunterbrechungsversicherer, der es abgelehnt hat zu leisten, seinem Vertragspartner nicht unmißverständlich zu erkennen gibt, daß er wieder (etwa aufgrund nachträglich bekannt gewordener Umstände) in die Prüfung seiner Leistungspflicht eintreten und zu diesem Zweck die Verhandlungen über die Schadensregulierung erneut aufnehmen will, hat der Versicherungsnehmer ihm gegenüber keine Aufklärungsobliegenheiten bezüglich der zu leistenden Entschädigung zu erfüllen. Die Entscheidung des Versicherers ist gefallen und kann deshalb nicht länger vom Versicherungsnehmer beeinflußt werden. Soweit dieser in einem Prozeß oder außerprozessual mit unlauteren Mitteln eine Änderung der Entscheidung ohne Verhandlungen mit seinem Versicherer zu erreichen versucht, räumt das Gesetz dem Versicherer die gleichen Befugnisse und Möglichkeiten ein wie jedem anderen Beteiligten eines schuldrechtlichen Vertrages, aber auch nicht mehr.
b) Im zu entscheidenden Fall hat die Beklagte vor Klageerhebung eine Leistungsablehnung nicht erklärt, sondern erst mit ihrem (uneingeschränkten) Klageabweisungsantrag.
Wann dieser Schriftsatz zur Kenntnis des Klägers gelangt ist, ist nicht festgestellt; dieser Zeitpunkt ist indes auch nicht entscheidungserheblich. Die vertragliche Obliegenheitsgebundenheit des Versicherungsnehmers endet (unabhängig von der fortbestehenden Rechtspflicht, arglistige Täuschungen zu unterlassen) mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer seine Leistungsablehnungserklärung abgegeben hat. Hiermit ist seine Entscheidungsfindung nämlich abgeschlossen und seine Schutzbedürftigkeit entfallen. Verstöße des Versicherungsnehmers gegen das Wahrheitsgebot unterliegen von da an nicht mehr § 16 AFB, § 14 FBUB, sondern den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Strafrechts (vgl. auch Oberlandesgericht Hamm in VersR 1988, 1289).
Das hat für die Entscheidung deshalb Bedeutung, weil der Kläger nicht schon am 13. Januar 1982 bei seinem Gespräch mit dem Zeugen G eine Obliegenheitsverletzung im Sinne der genannten Bestimmungen begangen hat, sondern erst mit dem verabredeten, späteren Abruf. Solange hatte er es in der Hand, ob es zu einer Beschuldigung des WW Sch - und damit zu einem Täuschungsversuch überhaupt kam, denn der Zeuge G mußte sich nach dem Kläger richten, um Aussicht auf die versprochene Belohnung zu behalten. Eine Beschuldigung des W. Sch ohne den späteren Abruf des Klägers faßten der Kläger und der Zeuge G am 13. Januar 1982 überhaupt nicht ins Auge. Vielmehr sollte der Kläger bestimmen können, ob und wann es zu einer Anschuldigung des W Sch komme.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Zeuge G am 7. März 1983 erstmals seine Falschanschuldigung bezüglich des W Sch vor der Polizei erhoben. Er hat bei einer späteren Vernehmung angegeben, am 26. Dezember 1982 habe seine Mutter ihn in der Justizvollzugsanstalt G besucht und ihm auf Fragen berichtet, daß sie die Arbeitsstelle bei dem Kläger nicht erhalten habe. Dies sei das verabredete Zeichen für die Anzeigeerstattung gewesen (BU 9). In den Entscheidungsgründen erörtert das Berufungsgericht (BU 22) zwar, daß die Mutter des Zeugen G vor der Kriminalpolizei bestätigt habe, der Kläger sei bei der Zeugin K gewesen und habe ihr gesagt, er habe - keine Stelle für Frau G, da er sie nicht kenne und zu ihrem Sohn nur brieflichen Kontakt habe. Einen Zeitpunkt dieses Besuches, mit dem der Kläger plangerecht seinen Tatbeitrag geleistet hatte, hat das Berufungsgericht aber bislang nicht festgestellt. Es erscheint nicht fernliegend, daß der Besuch des Klägers nach dem 25. Oktober 1982 erfolgt ist. Von der zeitlichen Reihenfolge der Leistungsablehnung der Beklagten und der über das bloße Vorbereitungsstadium hinausgehenden Anstiftungshandlung des Klägers hängt es aber ab, ob der Tatbestand der Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit überhaupt in Betracht kommen kann.
3. Die Revision rügt mit Recht, auch im Falle einer rechtsfehlerfreien Bejahung einer schuldhaft im Sinne von § 16 AFB, § 14 FBUB begangenen Obliegenheitsverletzung des Klägers werde die Klageabweisung nicht getragen von der Abwägung, auf die das Berufungsgericht seine Ansicht gründe, die Berufung der Beklagten auf Leistungsfreiheit stelle trotz der Besonderheiten des Falles keine unzulässige Rechtsausübung dar.
Der Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht das Versicherungsverhältnis stärker als viele andere Vertragsverhältnisse (BGHZ 40, 387, 388; Senatsurteil vom 2. Oktober 1985 - IVa ZR 18/84 - VersR 1986, 77, 78 unter III 1.). Vertrauen, auf dem ein intaktes Versicherungsverhältnis aufbaut, kann nur aus der Redlichkeit beider Vertragspartner erwachsen. Nur der Bruch eines andernfalls intakt gebliebenen Vertrauensverhältnisses allein durch unredliches Verhalten des Versicherungsnehmers im Sinne von § 6 Abs. 3 VVG rechtfertigt die dem allgemeinen Vertragsrecht unbekannte Sanktion völliger Leistungsfreiheit des Versicherers.
a) Das Berufungsgericht meint, die Tatsache, daß die Beklagte mehreren Zeugen nicht unerhebliche Geldbeträge versprochen und zum Teil auch gezahlt habe, um durch deren Aussagen den Kläger im Strafverfahren der Brandstiftung zu überführen, rechtfertige es im Streitfall nicht, der Beklagten die Berufung auf Leistungsfreiheit zu verwehren. Sie habe den Kläger nicht treuwidrig zu einem arglistigen Vorgehen herausgefordert. Es möge dahinstehen, ob die Beeinflussung von Zeugen mittels "Schmiergeldes " schon an sich in jedem Fall treuwidrig sei. Nachdem der Kläger vor seinem Täuschungsversuch bereits rechtskräftig freigesprochen gewesen sei und sich damit herausgestellt gehabt habe, daß selbst die Zuwendung von Schmiergeldern an Zeugen nicht vermocht hatte, ihn zu überführen, habe kein dringender Anlaß mehr bestanden, gerade wegen dieser Zeugenbeeinflussung nunmehr die Beklagte arglistig zu täuschen.
b) Bei diesen Überlegungen hat das Berufungsgericht den von seinem Standpunkt aus (vgl. aber unten) ins Gewicht fallenden Umstand nicht berücksichtigt, daß die Beklagte keineswegs vorbehaltlos von den Zeugen abgerückt ist, die sie - nach der Unterstellung des Berufungsgerichts - zuvor mit erheblichen Geldbeträgen bestochen oder zu bestechen versucht hat, sondern daß sie mehrere von ihnen im anhängigen Verfahren als Zeugen benannt hat (vgl. Bl. 45, 63 GA). Der Kläger mochte sich demnach durchaus weiterhin "herausgefordert" fühlen.
c) Der Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts kann dar- über hinaus schon im Ansatzpunkt nicht gebilligt werden. Selbst in besonders gelagerten Fällen muß es für einen Versicherer selbstverständlich sein, sich korrekt zu verhalten. Von dieser Richtschnur entfernt sich ein Versicherer nicht, wenn er eine Belohnung für Hinweise aussetzt, die zur weiteren Aufklärung führen. Die Beklagte sucht zwar geltend zu machen, sie habe nichts anderes getan, als Belohnungen auszuloben, wie dies in vielen Fällen auch seitens der offiziellen Strafverfolgungsbehörden geschehe.
Nach den Unterstellungen des Berufungsgerichts hat sie sich indessen folgendermaßen verhalten:
Die Zeugin D ist, nachdem sie eine den Kläger entlastende Aussage vor der Polizei gemacht hatte, von dem. Versicherungsagenten M aufgesucht worden mit dem Angebot von 50.000 DM für einen Widerruf ihrer Aussage.
Der Zeugin Sch wurde von dem Agenten M eine Belohnung für den Fall in Aussicht gestellt, daß sie eine der Beklagten günstige Aussage machen könne.
Die zwei Zeugen G, die eidlich sogenannte Brandreden des Klägers bezeugt haben, waren im Ermittlungsverfahren nicht bereit, vor der zuständigen Polizeibehörde oder den Amtsgerichten D oder A (letzteres war ihr Wohnsitzgericht) auszusagen. Sie flogen vielmehr mit dem Agenten M, der sich dazu die Ermittlungsakten verschafft hatte, nach M.. Nachdem sie in der Direktion der Beklagten ihre Belohnung ausgehandelt hatten, machten sie Angaben vor dem Amtsgericht M und erhielten dafür 40.000 DM ausbezahlt. Weitere 30.000 DM sollten sie im "Erfolgsfall", d.h. nach einer Verurteilung des Klägers erhalten.
Ein Zeuge G hat im Strafverfahren eingeräumt, ein Falschaussage zu Lasten des Klägers gemacht zu haben. Er habe testen wollen, ob die Beklagte bereit sei, für belastende Aussagen zu zahlen. Tatsächlich erhielt er zur Überzeugung des Strafrichters 10.000 DM ausbezahlt und weitere 10.000 DM für den Fall versprochen, daß die Beklagte nicht leisten müsse.
Der Kläger hatte darüber hinaus in seiner Berufungsbegründung (Bl. 279 ff. GA) geltend gemacht, aus Band I, Blatt 164 e, Band II, Blatt 367 bis 370 und Band VI, Blatt 1188 seiner Strafakten ergebe sich auch, daß die Beklagte einer Frau v V 150.000 DM für eine Aussage gegen ihn geboten habe und ausweislich Band VI, Blatt 1192 dieser Beiakten einer Frau F L Geld im Falle seiner Verurteilung für eine Zeugenaussage in Aussicht gestellt habe.
Für das Revisionsverfahren ist von der Berechtigung der Vorwurfe des Klägers auszugehen. Einem Versicherer, der sich in dieser Art und Weise im Stadium der strafrechtlichen Ermittlungen gegen seinen Versicherungsnehmer vergangen hat, ist im Rahmen von Entschädigungsverhandlungen die Berufung auf Leistungsfreiheit gemäß § 16 AFB, 14 FBUB abgeschnitten. Dabei spielt es weder, wie das Berufungsgericht meint, eine Rolle, daß es im Strafverfahren nicht zu einer Verurteilung des Versicherungsnehmers gekommen ist, noch ist es von Bedeutung, ob der Versicherer "angefangen" hat und daß er für einen vorsätzlich herbeigeführten Versicherungsfall die Beweislast trägt. Die besondere Waffe voller Leistungsfreiheit als Sanktion eines Versuches arglistiger Täuschung bei den Entschädigungsverhandlungen kann derjenige Versicherer nicht mehr führen, der sich in einer diesem Tatbestand gleichwertigen oder gar schwererwiegenden Art und Weise verhält. Hier bedarf es eines - zusätzlichen - Herausforderns des Versicherungsnehmers durch unverändertes Beharren auf dem einmal eingeschlagenen Weg oder eines zusätzlichen treuwidrigen Herausforderns falscher Angaben des Versicherungsnehmers nicht mehr. Auch wenn der Versicherer ausdrücklich von seinem bisherigen Vorgehen abrückt, ändert das nichts daran, daß (auch) er das vom Gesetzgeber und in den Versicherungsbedingungen vorausgesetzte gegenseitige Vertrauensverhältnis grundlegend und in ausgesprochen vorwerfbarer Weise zerstört und damit die Inanspruchnahme der Sanktion seiner Leistungsfreiheit verwirkt hat. Zu welchem Zeitpunkt (vor oder nach einer Obliegenheitsverletzung seines Vertragspartners) er dies getan hat, ist nicht ausschlaggebend.
Fundstellen
Haufe-Index 2992990 |
BGHZ 107, 368 |
BGHZ, 368 |
NJW 1989, 2472 |
DRsp II(227)143b-e |
MDR 1989, 892 |
VersR 1989, 842 |