Leitsatz (amtlich)
Zwischen Raub und Diebstahl besteht auch dann Gesetzeskonkurrenz, wenn es sich um schweren Diebstahl oder Diebstahl im Rückfall handelt.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 25.08.1964) |
Tenor
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts in Darmstadt vom 25. August 1964 wird verworfen; jedoch entfallen im Urteilsspruch, und zwar auch bei dem Mitverurteilten Hechler die Wortes "in Tateinheit mit versuchtem schweren Diebstahl" und bei der Mitverurteilten G. die Worte: "in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten schweren Diebstahl".
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Die seit dem 26. August 1964 erlittene Untersuchungshaft wird, soweit sie drei Monate übersteigt, auf die Strafe angerechnet.
Gründe
Die Strafkammer hat die Angeklagte wegen schweren Diebstahls, wegen gemeinschaftlichen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem schweren Diebstahl und wegen Fahrens ohne Führerschein zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt, Außerdem hat sie die sichergestellte Strumpfmaske eingezogen.
Die Angeklagte erhebt die Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg,
I.
Die Verurteilung wegen schweren Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Nachteil des Pietro S. und wegen Fahrens ohne Führerschein ist rechtlich nicht zu beanstanden.
II.
Die Angeklagte, der frühere Mitangeklagte H. und der Jugendliche O. der inzwischen durch das Jugendgericht abgeurteilt worden ist, vereinbarten, nachts in die Wohnung der Eheleute K. in G. einzudringen, die Eheleute mit dem Messer zu bedrohen, bei Widerstand notfalls den Ehemann mit einem Ringschlüssel bewußtlos zu schlagen, um die Schlüssel zum Geldschrank zu erhalten und das darin befindliche Geld wegzunehmen. Entsprechend diesem Plane öffnete am 4. Mai 1964 in den Morgenstunden die Angeklagte mit einem Schlüssel, den sie aus ihrer früheren Tätigkeit als Hausgehilfin bei der Familie K. noch im Besitz hatte, die abgeschlossene Haustür und mit einem Nachschlüssel die Flurtüre, H. und O. betraten sodann, versehen mit Strumpfmasken, die sie von der in die Tat eingeweihten, früheren Mitangeklagten G. erhalten hatten, mit gezogenen Messern das Schlafzimmer. Frau K. wachte auf und lief schreiend aus dem Zimmer; der nun ebenfalls wachgewordene Ehemann überwältigte H. worauf O. das Zimmer verließ und mit der Angeklagten flüchtete.
1.)
Die Strafkammer nimmt an, die Angeklagte habe sich mit H. und O. eines gemeinsamen versuchten schweren Raubes nach § 250 Abs. Nr. 1 und 4 StGB schuldig gemacht. Hiergegen bestehen keine Bedenken, soweit der Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB bejaht wird; der des § 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB liegt jedoch nicht vor.
Die Strafkammer geht zutreffend davon aus, daß das Eindringen in ein Gebäude mit Hilfe von falschen Schlüsseln nach § 243 Abs. 1 Nr. 7 StGB schweren Raub im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht begründet. Soweit sie aber bereits in dem geräuschlosen Hineingehen in ein Haus oder eine Wohnung zur Nachtzeit ein Einschleichen sehen will, ist dem, wie der Senat bereits entschieden hat, nicht zuzustimmen (BGHSt 9 253; so auch Urteil 5 StR 430/64 vom 20. Oktober 1964). Hiervon ist auch der 1. Strafsenat in seiner Entscheidung BGHSt 10, 135 ausgegangen, hat aber dann das Merkmal des Einschleichens bereits darin gesehen, daß der Täter in eine verschlossene Wohnung unter bewußter Ausnutzung der Abwesenheit ihrer Inhaber und unter Verwendung von, an sich ordnungsgemäßen, ihm jedoch nicht zustehenden Schlüsseln, eingedrungen war. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem zu folgen ist, und ob der erkennende Senat an diese spätere Entscheidung gebunden wäre; insbesondere braucht nicht erörtert zu werden, ob der An- oder Abwesenheit der Bewohner eines Hauses Bedeutung für die Gesetzesauslegung zukommen kann; denn hier ist ein anderer Sachverhalt gegeben.
Die Verurteilung aus § 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB entfällt daher.
2.)
Der Senat kann der Strafkammer auch insoweit nicht folgen, als sie meint, die Angeklagte sei wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem schweren Diebstahl zu verurteilen. Es ist zwar richtig, daß die Angeklagte falsche Schlüssel zur Öffnung der Haus- und Flurtüre benutzt und damit den Tatbestand des schweren Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt hat (RGSt 11, 436; BGH NJW 1959, 948). Die Strafkammer verkennt jedoch das Verhältnis zwischen Raub und Diebstahl.
In dieser Frage hat die Rechtsprechung des Reichsgerichts geschwankt. Bereits in seiner Entscheidung RGSt 6, 243 hatte der III. Strafsenat ausgesprochen, daß zwischen Raub und Diebstahl Gesetzeskonkurrenz bestehe, folglich auch der schwere Rückfalldiebstahl im Raubtatbestande aufgehe. Abweichend hiervon hat zwar der I. Strafsenat in RGSt 60, 380 die Ansicht vertreten, § 252 StGB sei keine Sonderstraftat, sondern enthalte, wie auch die §§ 243, 244 StGB, nur einen straferhöhenden Umstand. Er hat diese Ansicht aber später aufgegeben und sich der früheren, von den beiden anderen Strafsenaten vertretenen Auffassung angeschlossen (RGSt 66, 353). Schließlich wird in dem Urteil RGSt 70, 58 unter Hinweis auf RGSt 60, 380 wieder offengelassen, ob zwischen Diebstahl und Raub Gesetzeseinheit oder Tateinheit bestehe.
Das Schrifttum ist nicht Billig, (vgl. Schönke-Schröder 12. Aufl. § 249 Anm. 13, § 252 Anm, 14; Jagusch in LK 8, Aufl. § 243 VII 4; § 250 Anm. 8; Maurach BT 2. Aufl. S. 217 ff, 231; Schwarz-Dreher 27. Aufl. § 243 Anm. 9, § 250 Anm. 1, § 252 Anm. 1 A, a). Der Bundesgerichtshof hat, soweit ersichtlich, noch nicht Stellung genommen. Die Entscheidung in BGHSt 3, 76 befaßt sich mit der Frage, ob auch eine Übertretung nach § 370 Abs. 1 Nr. 5 StGB als "Diebstahl" im Sinne des § 252 StGB anzusehen ist.
Nach Ansicht des Senats sprechen überwiegende Gründe für die in RGSt 6, 243 vertretene Auffassung. Das Reichsgericht hat dort unter Heranziehung der Motive zum Strafgesetzbuch ausführlich dargelegt, daß der Raub nach den §§ 249 ff StGB zwar als ein selbständiger Straftatbestand anzusehen ist, sachlich aber die Merkmale des Diebstahls einschließt. Es folgert hieraus, daß für den Tatbestand des Raubes der Diebstahl,. und zwar auch in den formen des schweren Diebstahls und des Diebstahls im Rückfall, keine selbständige strafrechtliche Bedeutung mehr besitzt, vielmehr als Element des Raubes in diesem aufgeht. Hierfür spricht vor allem die systematische Einordnung des § 252 StGB, wonach als Räuber (auch) zu bestrafen ist, wer Gewalt anwendet, um sich das bereits Entwendete zu erhalten; hier zeigt sich der Wille des Gesetzgebers, daß der Diebstahl keine selbständige Bedeutung mehr haben soll.
Gegen diese Auffassung waren vor allem deshalb Bedenken erhoben worden, weil für schweren Diebstahl im Rückfall eine höhere Mindeststrafe vorgesehen ist als für einfachen Raub, dies aber im Falle der Gesetzeskonkurrenz nicht berücksichtigt werden konnte. Diese Bedenken sind inzwischen hinfällig geworden; denn nach der jetzigen Rechtsprechung müssen, falls eine Handlung mehrere Strafgesetze verletzt, der Täter aber nur aus dem strengeren schuldig gesprochen wird, das Mindeststrafmaß und die Strafart des verdrängten milderen Gesetzes eingehalten werden, obwohl nach dem strengeren Gesetz eine geringere Strafe oder eine leichtere Strafart zulässig wäre (RGSt 73, 148; BGHSt 1, 152).
Eine Stellungnahme zu den widersprechenden Entscheidungen des Reichsgerichts über das Verhältnis zwischen vollendetem schweren Diebstahl und versuchtem schweren Raub (RG DJ 1938, 831 und JW 1932, 2433) ist nach der Sachlage nicht veranlaßt.
Die Angeklagte war somit nur wegen versuchten schweren Raubes zu verurteilen. Die Wortes "in Tateinheit mit versuchtem schweren Diebstahl" entfallen, und zwar gemäß § 357 StPO auch bei dem früheren Mitangeklagten H.; bei der früheren Mitangeklagten G. entfallen die Wortes "in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten schweren Diebstahl". Nach der Sachlage ist es jedoch auszuschließen, daß der Strafausspruch gegen die Angeklagte und die früheren Mitangeklagten H. und G. durch die angeführten Fehler beeinflußt worden ist. Die Annahme, die Angeklagten hätten sich in das Haus eingeschlichen, hatte nach dem Urteil für die Strafzumessung keine Bedeutung. Daß sie unter Verwendung von falschen Schlüsseln eingedrungen sind, durfte strafschärfend verwertet werden, auch wenn damit kein selbständiger Tatbestand erfüllt war.
Fundstellen
Haufe-Index 3018610 |
BGHSt 20, 235 - 238 |
BGHSt, 235 |
NJW 1965, 1922 |
NJW 1965, 1922-1923 (Volltext mit amtl. LS) |
JZ 1965, 728-729 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.) |
MDR 1965, 925 (Volltext mit amtl. LS) |