Leitsatz (amtlich)
›Zur Frage, inwieweit Aufwendungen nach Kündigung eines Architektenvertrages gem. § 649 BGB als "nicht erspart" berücksichtigt werden können.‹
Verfahrensgang
LG Düsseldorf |
OLG Düsseldorf |
Tatbestand
Der beklagte Kreis schloß mit dem Kläger im September 1976 einen Ingenieurvertrag, durch den der Kläger mit der technischen und geschäftlichen Oberleitung (§ 19 Abs. 1 g GOA) sowie der Bauführung (§ 19 Abs. 4 GOA) des Neubaues des Kreiskrankenhauses Dormagen-Hackenbroich beauftragt wurde. Als Gegenleistung sollte der Kläger gemäß § 7 des Vertrages eine Vergütung nach den Vorschriften der GOA erhalten.
In § 15 des Vertrages vereinbarten die Parteien die Voraussetzungen und Folgen der Kündigung des Vertrages wie folgt:
"Kündigung des Vertrages
15.101 Auftraggeber und Ingenieur können den Vertrag nur aus wichtigen Gründen kündigen. Einer Kündigungsfrist bedarf es nicht.
15.102 Wird aus einem Grund gekündigt, den der Auftraggeber zu vertreten hat, erhält der Ingenieur die volle Vergütung, jedoch unter Abzug der ersparten Aufwendungen; diese werden mit 40 v.H. des Honorars für die vom Ingenieur noch nicht geleisteten Arbeiten vereinbart. Die ersparten Aufwendungen für die Leistungen nach § 7.104.2 werden mit 60 v.H. des Honorars für die vom Ingenieur noch nicht geleisteten Arbeiten vereinbart. "
Der Kläger fertigte mehrere Terminpläne und übte die örtliche Bauaufsicht durch zwei Angestellte aus. Im Juni 1978 kündigte der Beklagte den Ingenieurvertrag mit der Begründung, der Kläger habe die eingetretenen Terminverzögerungen zu verantworten. Der Kläger widersprach der Kündigung und verlangte von dem Beklagten die volle Vergütung für die technische und geschäftliche Oberleitung sowie für die Bauführung und Vorhaltekosten in Höhe von 226.415, 81 DM, die ihm durch die verlängerte Bauzeit entstanden seien.
Das Landgericht hat dem Kläger die Honorarforderung teilweise zuerkannt und ihm von den begehrten Vorhaltekosten 182.160,81 DM zugesprochen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht den Ausspruch des Landgerichts hinsichtlich des Honorars bestätigt und die Vorhaltekosten auf 143.212, 39 DM gekürzt. Dem Kläger hat das Oberlandesgericht die mit der Anschlußberufung verlangten Zinsen zuerkannt.
Mit seiner Revision hat der Beklagte sich zunächst dagegen gewandt, daß dem Kläger die Vorhaltekosten in Höhe von 143.212, 39 DM, die in der Honorarforderung enthaltene Mehrwertsteuer und die Zinsen entsprechend dem mit der Anschlußberufung verfolgten erweiterten Klagebegehren zuerkannt worden sind.
Der Senat hat das Rechtsmittel durch Beschluß vom 21. April 1988 nur im Kostenpunkt und insoweit angenommen, als der Beklagte die Klageabweisung hinsichtlich der Vorhaltekosten begehrt. In diesem Umfang verfolgt der Beklagte seinen Revisionsantrag weiter, der Kläger bittet, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. 1. Das Berufungsurteil hat dem Kläger die Vorhaltekosten mit im wesentlichen folgender Begründung zuerkannt:
Die Vorhaltekosten würden dem Kläger aufgrund des § 15 des Vertrages in der zugesprochenen Höhe zustehen. Diese vertragliche Vereinbarung hinsichtlich der Berechnung des Honorars für die nicht erbrachte örtliche Bauaufsicht, die einen Abzug von 60 % pauschalierten ersparten Aufwendungen vorsehe, lege die Höhe des Honorars nicht abschließend fest. Der Kläger habe als Architekt vielmehr die Möglichkeit darzulegen und zu beweisen, daß die ersparten Aufwendungen geringer seien. Gemäß § 15 des Vertrages sei von den vom Kläger behaupteten Aufwendungen
in Höhe von 595.579, 39 DM
der Pauschalsatz der ersparten
Aufwendungen von 60 % in Höhe von 452.367,-- DM abzusetzen. Die Differenz in Höhe von 143.212, 39 DM
stehe dem Kläger zu.
2. Dagegen wehrt sich die Revision zu Recht.
a) Als Anspruchsgrundlage für die Vorhaltekosten kommen § 10 Abs. 5 Satz 2 GOA und möglicherweise § 642 BGB in Betracht und nicht § 15 des Vertrages i.V.m. § 649 Satz 2 BGB. Das Berufungsgericht hat den Normbereich dieser beiden Vorschriften verkannt und die verlangten Vorhaltekosten rechtsfehlerhaft als nicht "ersparte Aufwendungen" i.S.d. § 15 des Vertrages i.V.m. § 649 Satz 2 BGB angesehen. § 15 des Vertrages und § 649 BGB regeln ausschließlich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sowie in welcher Hohe Aufwendungen zu berücksichtigen sind, die der Architekt infolge der Kündigung erspart (Soergel in MünchKomm. , § 649 BGB, Rdn. 12; Glanzmann in BGB-RGRK, 12. Aufl. , § 649, Rdn. 14; Ingenstau-Korbion, VOB, 10. Aufl., B § 8, Rdn. 9; Heiermann/Riedl/Rusam/Schwaab, VOB, 4. Aufl., B § 8 Rdn. 5). Ersparte Aufwendungen i.S.d. § 15 des Vertrages bzw. des § 649 BGB sind ausschließlich Aufwendungen des Architekten, wie beispielsweise Arbeitslöhne, die der Architekt nach der Kündigung des Architektenvertrages nicht mehr hat erbringen müssen. Ersparte Aufwendungen können deshalb auch nur von dem Teil der Vergütung abgezogen werden, der sich auf den noch nicht vollendeten Teil der Leistung bezieht, nicht hingegen von dem Teil der Vergütung, den der Architekt für die bereits erbrachten Leistungen verlangt (Senatsurteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 45/87 - BauR 1988, 82, 85 = ZfBR 1988, 38, 39 m.w.N.). Ebensowenig können dann aber Aufwendungen, die er während der Geltungsdauer des Vertrages erbracht hat und die - wie hier - allein der Erfüllung seiner bis zur Aufhebung des Vertrages bestehenden Pflichten gedient haben, im Rahmen des § 649 BGB als "nicht erspart" berücksichtigt werden.
Da der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als Vorhaltekosten seine gesamten Lohnzahlungen verlangt, die er über den Vertrags- und Leistungszeitraum bis zur Kündigung habe aufbringen müssen, ist der Anspruch des Klägers aufgrund der vertraglichen Vereinbarung des § 2 nur insoweit gerechtfertigt, als die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Satz 2 GOA und möglicherweise des § 642 BGB vorliegen.
Nach § 2 des Ingenieurvertrages gelten die Vorschriften der GOA, soweit der Vertrag keine Regelung enthält, die Bestimmungen des Werkvertragsrechts (§§ 611 ff BGB) gelten lediglich subsidiär. Der Vertrag enthält keine Regelung für den Fall, daß dem Architekten durch eine Verzögerung des Bauvorhabens erhöhte Kosten für die von ihm erbrachten Aufwendungen erwachsen. § 7 des Vertrages regelt diesen Fall nicht, er sieht lediglich eine ergänzende Vereinbarung der Parteien über die Vergütung vor, wenn sich das Bauprogramm nach Zeit und Umfang wesentlich ändert.
b) Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 GOA kann der Architekt nach der Rechtsprechung des Senats Aufwendungen von dem Bauherren erstattet verlangen, die ihm, ohne daß er es zu vertreten hat, bei der örtlichen Bauaufsicht erwachsen sind, unabhängig davon, ob die Mehrkosten auf eine verlängerte Bauzeit zurückzuführen sind, soweit diese Aufwendungen das Honorar für die erbrachte örtliche Bauaufsicht übersteigen (Senatsurteil vom 19. Juni 1975 - VII ZR 70/73 = Schäfer/Finnern, Z 3. 014, Blatt 3, 5). Zu diesen Aufwendungen zählen u.a. die Vergütung für Hilfskräfte, die für die örtliche Bauaufsicht eingesetzt worden sind (BGHZ 87, 43, 49). Bemessungsgrundlage dafür, ob und ggf. in welcher Höhe der Kläger diese Aufwendungen ersetzt verlangen kann, ist entgegen der Ansicht der Revision nicht das dem Kläger gezahlte Gesamthonorar, sondern die Gebühr i.S.d. § 10 Abs. 5 Satz 1 GOA, die ihm für die erbrachten Leistungen im Rahmen der örtlichen Bauaufsicht zusteht.
c) Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, um die vom Berufungsgericht zuerkannten Vorhaltekosten auf die Anspruchsgrundlage des § 10 Abs. 5 Satz 2 GOA zu stützen, weil der Kläger die Aufwendungen für die örtliche Bauaufsicht aus seinen Gesamtkosten nicht ausgegliedert hat. Das Berufungsgericht hat die Aufstellung des Klägers über seine gesamten Aufwendungen, die eine Zuordnung der einzelnen Aufwendungen zu den vereinbarten Leistungen des Architekten nicht enthält, rechtsfehlerhaft insgesamt als Aufwendungen für die örtliche Bauaufsicht gewertet, obwohl die Aufstellung des Klägers für diese rechtliche Zuordnung keine tragfähigen Anhaltspunkte bietet.
Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welcher Höhe der Kläger die beanspruchten Vorhaltekosten gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 GOA von dem Beklagten verlangen kann, wird erst möglich sein, wenn feststeht, welche Aufwendungen den von dem Kläger im Rahmen der örtlichen Bauaufsicht er brachten Leistungen zugrunde liegen.
Sollten die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu den Aufwendungen des Klägers erbringen, daß ein Teil dieser Aufwendungen nicht der örtlichen Bauaufsicht zuzuordnen ist, kommt für diesen und den nach § 10 Abs. 5 Satz 2 GOA nicht erstattungsfähigen Teil der Aufwendungen § 642 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Die Vorschrift des § 642 BGB, die dem Architekten unter den genannten besonderen Voraussetzungen einen Entschädigungsanspruch für die Kosten einräumt, die ihm durch das Bereithalten von Arbeitskräften und Kapital entstanden sind (vgl. etwa Jochem, BauR 1976, 392; Soergel in MünchKomm., § 642 BGB, Rdn. 7 m.w.N.), ist nach einhelliger Meinung im Rahmen eines Architektenvertrages, der der GOA unterliegt, anwendbar (Glanzmann, aaO., § 642 Rdn. 19; Brandt, NJW 1967, 94, 96 u. BauR 73, 13, 16).
II. Nach alledem kann das angefochtene Urteil im Umfang des angenommenen Teils der Revision nicht bestehen bleiben, es ist insoweit und im Kostenpunkt aufzuheben. Da das Berufungsgericht zu den Aufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 5 Satz 2 GOA keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, ist der Senat nicht in der Lage, gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden. Die Sache ist daher in dem genannten Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992948 |
DB 1988, 2455 |
BGHR BGB § 642 Entschädigung 1 |
BGHR BGB § 649 Satz 2 Aufwendungen 1 |
BGHR GOA § 10 Abs. 5 Satz 2 Aufwendungen 1 |
BauR 1988, 739 |
NJW-RR 1988, 1295 |
WM 1988, 1572 |
MDR 1989, 56 |
ZfBR 1988, 269 |
ZfBR 1995, 252 |
ZfBR 1996, 91 |
Warn 1988, 210 |