Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorteilsannahme
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 1. Juli 1998 wird verworfen.
1. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorteilsannahme in drei Fällen (Einzelstrafen: neun Monate und zweimal sieben Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die der Generalbundesanwalt vertritt.
I.
1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte, zuletzt im Range eines Ersten Polizeihauptkommissars im Bundesgrenzschutz, im Bundesinnenministerium als Sachbearbeiter tätig. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte unter anderem die Erarbeitung und Bearbeitung technischer, logistischer, organisatorischer und taktischer Konzeptionen sowie die Planung und Entwicklung kompletter Schiffseinheiten für den Bundesgrenzschutz und ausländische Polizeibehörden, ferner die Beratung ausländischer Küstenwachen. Im Jahre 1987 erhielten die B. & V. AG H. und die Firma M. dank der Unterstützung des Bundesinnenministeriums vom Königreich Saudi-Arabien einen Auftrag zur Lieferung von vier Patrouillenbooten (Gesamtvolumen des Auftrages: ca. 143.000.000 DM), für dessen Zustandekommen sich der Angeklagte persönlich sehr engagiert hatte. Bei einem Zusammentreffen im Sommer 1987 fragte der damalige Vorstandsvorsitzende der B. & V. AG den Angeklagten unvermittelt, was er denn „Gutes für ihn tun könne; ob er nicht einen Mercedes der S – Klasse fahren wolle”. Als er ablehnte, erklärte der Vorstandsvorsitzende sinngemäß: „Gut, dann erhalten sie ein Prozent; 0,5 % während der Bauphase; den Rest, wenn der Auftrag abgewickelt ist”. Der Angeklagte solle in der Schweiz ein Nummernkonto anlegen. Dies tat dieser und teilte dem Vorstandsvorsitzenden die Kontonummer mit. Zwischen März 1988 und Mai 1990 gingen auf diesem Konto 446.700 DM ein. Auch der Geschäftsführer der Firma M., die die Motoren für die Boote liefern sollte, sprach den Angeklagten in ähnlicher Weise an und kündigte die Überweisung eines Betrages von 250.000 DM an. Als dieser im Jahre 1991 auf dem Nummernkonto keine Zahlungen der Firma M. feststellen konnte, sprach er den Nachfolger des früheren Geschäftsführers deswegen an. Im Juli 1991 gingen dann 200.000 DM, nach Anmahnung des Restbetrages nochmals 200.000 DM, insgesamt also 400.000 DM von der Firma M. auf dem Konto ein. Darüber hinaus erhielt der Angeklagte 230.000 DM in bar von der Firma H., die mit seiner Hilfe einen Auftrag über die Lieferung von drei Booten erhalten hatte, sowie 40.000 DM von der Firma W., die mit der Umrüstung eines Bootes beauftragt worden war. Insgesamt flossen dem Angeklagten in der Zeit von März 1988 bis Ende des Jahres 1993 1.116.000 DM zu. Das Geld verwandte er zur Verbesserung seines Lebensstandards, unter anderem für mehrere Kraftfahrzeuge, verschiedene aufwendige technische Geräte, Reisen mit der Familie sowie für die Ausbildung seiner Kinder. Einen Betrag von 581.653,91 DM zahlte er im Jahre 1994 an das Finanzamt zur Begleichung seiner auf den zugeflossenen Beträgen beruhenden Steuerschuld.
2. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung zugunsten des geständigen Angeklagten vor allem gewertet, daß er umfassend zur Aufklärung beigetragen, die Hälfte der ihm zugeflossenen Beträge als Steuer zurückgeführt hat, die Taten längere Zeit zurückliegen und er seit seiner Suspendierung vom Dienst im Jahre 1994 auf die Hauptverhandlung habe warten müssen. Desweiteren spreche auch für ihn, daß „die Geldversprechen und -zahlungen aus seiner Sicht eine gewisse Kompensierung seiner ständigen Arbeitsüberlastung darstellten und von ihm als gerechter Ausgleich für den Mehrwert seiner Arbeit empfunden wurden”.
3. Die Staatsanwaltschaft hält die Strafzumessungsgründe für unvollständig und rechtsfehlerhaft, Einzelstrafen und Gesamtfreiheitsstrafe auch für unvertretbar milde.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Weder die Bemessung der Einzelstrafen noch die der Gesamtstrafe weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muß das Revisionsgericht die Bewertung des Tatrichters hinnehmen, auch wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar nahegelegen hätte (BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 1).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Strafzumessung nicht zu beanstanden.
Das Landgericht hat insoweit die bestimmenden und das Strafverfahren zu Lasten des Angeklagten prägenden Strafzumessungsgesichtspunkte erörtert. Die Strafzumessungsgründe belegen nachvollziehbar aber auch gewichtige, den Angeklagten entlastende, seine Verstrickung erklärende Gesichtspunkte. Sein Vorgehen beim Erhalt der Gelder und deren Verwendung durch ihn ist berücksichtigt, wenn auch – rechtsfehlerfrei – nicht in der von der Beschwerdeführerin gewünschten Art und Weise. Es kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden, daß die Strafkammer die „Motivation” des Angeklagten („Kompensation für seinen über das Normale hinausgehenden Einsatz”) strafmildernd gewertet hat.
Zu Unrecht beanstandet die Revision, das Landgericht habe die wegen § 48 BBG drohenden beamtenrechtlichen Folgen nicht erwähnt, obwohl diese die Strafzumessung offensichtlich bestimmt hätten. Die Strafkammer hat indessen ausgeführt, daß der Angeklagte seit 1994 in der Ungewißheit lebe, ob er im Rahmen eines Dienststrafverfahrens endgültig aus dem Dienst entfernt würde (UA S. 78). Welche beamtenrechtlichen Folgen bei welcher Strafe zu erwarten waren, erörtert das Urteil zwar nicht, jedoch ist der Angeklagte hierdurch nicht begünstigt. Beamtenrechtliche Folgen einer Verurteilung können Anlaß zur Strafmilderung sein, wenn die an sich verwirkte Strafe in Verbindung mit den beamtenrechtlichen Sanktionen ein nicht mehr angemessenes Gesamtübel darstellen würde (BGHSt 35, 148; BGHR StGB § 46 Abs.1 Schuldausgleich 2 und 18). Es ist nicht ersichtlich, daß das Landgericht diesen Grundsatz nicht beachtet hätte.
Die Einzelstrafen selbst sind unter Berücksichtigung des dem Landgericht zur Verfügung stehenden Strafrahmens (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe: § 331 StGB in der bis 13. August 1997 geltenden Fassung) nicht unvertretbar milde. Dies gilt auch für die Gesamtfreiheitsstrafe.
Eine Strafe darf sich zwar auch nach unten nicht von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich lösen, sie muß in einem angemessenen Verhältnis zum Maß der persönlichen Schuld, zum Unrechtsgehalt und zur Gefährlichkeit der Tat stehen und muß sich auch im Rahmen des für vergleichbare Fälle Üblichen halten (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 9, 10 und 12 jeweils m.w.N.).
Die Gesamtfreiheitsstrafe ist zwar sehr milde, unter Berücksichtigung der vom Landgericht zugunsten des Angeklagten genannten Gesichtspunkte aber nicht unvertretbar. Zwar könnte die Höhe der vereinnahmten Gelder die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe als unvertretbar milde erscheinen lassen. Die vom Landgericht festgestellten zahlreichen zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Gründe wiegen jedoch die aus dem Rahmen fallende Höhe des erlangten Vermögensvorteils jedenfalls in einem solchen Maße auf, daß die verhängte Strafe noch schuldangemessen ist. Das Landgericht hat dargelegt, daß die Tat – abgesehen von der Höhe der erhaltenen Gelder – geprägt wird von der Person des Angeklagten, der sich mit großem persönlichen Einsatz über die von ihm geforderte Pflichterfüllung hinaus für die Belange des von ihm betreuten Aufgabengebietes eingesetzt hat. Zu seinem Fehlverhalten kam es, weil er in Kontakt zu Kreisen der Industrie kam, bei denen solches besondere Engagement üblicherweise mit Geld ausgeglichen wird und es für den Angeklagten schwer war, der Versuchung zu widerstehen, ein wenig an diesem Reichtum, den er zur Kenntnis nehmen mußte, teilzuhaben. Dazu kommt, daß er selbst sein Fehlverhalten geoffenbart und an den Folgen seiner Tat, die zeitlich lange zurückliegen, schwer zu tragen hat.
Die außerordentliche Höhe der vereinnahmten Gelder wird somit durch die Besonderheiten des Falles in einem solchen Maße relativiert, daß die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe vom Revisionsgericht nicht als rechtsfehlerhaft angesehen werden kann.
Unterschriften
Jähnke, Theune, Detter, Bode, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 540429 |
wistra 1999, 417 |