Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.09.2003) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 29. September 2003
1. im Schuldspruch in dem Fall III. C. der Urteilsgründe dahin geändert, daß der Angeklagte der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig ist,
2. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Einzelstrafausspruch zu Fall III. C. der Urteilsgründe, im Gesamtstrafenausspruch und soweit von der Anordnung eines erweiterten Verfalls abgesehen wurde. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln (Fall III. C.) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung einer Schußwaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Außerdem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den Verfall von 48.860 EUR angeordnet. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision auf den Schuldspruch zu Fall III. C. der Urteilsgründe sowie den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sie erhebt eine Verfahrensrüge und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Zu Recht beanstandet die Revision die rechtliche Wertung der Tat im Fall III. C. der Urteilsgründe als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln.
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte mindestens 800 g Haschisch und Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 4,5 % THC. Davon verkaufte er mindestens 116 g gewinnbringend weiter, zweigte mindestens 150 g zum eigenen Konsum ab und überließ die restlichen 534 g der gesondert verfolgten … B..
Das Landgericht hat nicht bedacht, daß der Angeklagte, indem er 534 g an … B. überließ, den Verbrechenstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in der Form der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwirklicht hat. Soweit zugleich durch unerlaubten Besitz einer nicht geringen Menge eine weitere Handlungsform des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt ist, tritt diese hinter der Abgabe in nicht geringer Menge als subsidiär zurück (vgl. BGHSt 42, 162, 165 f.). Gleichermaßen wird der Tatbestand des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG von dem Verbrechenstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verdrängt (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5 m.w.N.). Das unerlaubte Handeltreiben mit der unter dem Grenzwert zur nicht geringen Menge liegenden Handelsmenge gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG steht jedoch mit § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Tateinheit (BGH aaO).
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen; der geständige Angeklagte hätte sich auch bei Erteilung des gebotenen rechtlichen Hinweises nicht erfolgreich gegen den geänderten Schuldvorwurf verteidigen können.
2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Einzelstrafausspruchs zu Fall III. C. und des Gesamtstrafenausspruchs. Die Strafkammer hat zwar bei der Festlegung der Einzelstrafe zu Fall III. C., ausgehend von dem Strafrahmen des § 29 Abs. 3 BtMG, das Mindestmaß der nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu verhängenden Freiheitsstrafe nicht unterschritten; der Senat vermag jedoch nicht auszuschließen, daß sie bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer höheren Einzelstrafe gelangt wäre.
3. Auch soweit sich die Revision gegen die unterbliebene Anordnung des erweiterten Verfalls bezüglich des sichergestellten Kraftfahrzeugs richtet, hat sie – mit der Sachrüge; eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es deshalb nicht – Erfolg.
Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte der Angeklagte kein Vermögen und keine Schulden. Seine Tätigkeit als Privatdetektiv lief zwar anfangs nicht schlecht, im Jahr 2002 hatte er jedoch nur noch zwei bis drei Aufträge. Er hatte keine legalen Einkünfte, die ihm das Ansparen eines größeren Geldbetrages erlaubt hätten. Bereits im Laufe des Sommers 2001 beschloß er, künftig seinen Lebensunterhalt überwiegend durch den Verkauf von Haschisch und Marihuana zu finanzieren. Am 12. Dezember 2001 kaufte er ein Kraftfahrzeug für 54.000 DM, das er – abgesehen von angerechneten 5.500 DM für sein altes Fahrzeug – bar bezahlte.
Bei dieser Sachlage reicht zur Verneinung einer Verfallsanordnung die Darlegung der Kammer nicht aus, die Voraussetzungen des Verfalls des Wertersatzes gemäß § 73a StGB lägen nicht vor, weil das Kaufgeld für das Kraftfahrzeug allenfalls zu einem geringen Teil aus den – ab Oktober 2001 begangenen – verfahrensgegenständlichen Taten stammen könne. Die Kammer hätte vielmehr unter dem Gesichtspunkt des erweiterten Verfalls gemäß §§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 73d StGB die Vermögensverhältnisse des Angeklagten näher erörtern müssen. Der erweiterte Verfall erstreckt sich gemäß §§ 73d Abs. 1 Satz 3, 73 Abs. 2 Satz 2 StGB auch auf Surrogate; ist Geld erlangt, sind Gegenstand des Verfalls auch die Gegenstände, die der Täter mit dem Geld erworben hat (vgl. BGHR StGB § 73d Gegenstände 4). Da nach den Feststellungen die Herkunft des Kaufgeldes aus legalen Einkommensquellen nicht ersichtlich war, insbesondere das Einkommen des Angeklagten den Betrag von 48.500 DM keinesfalls erklären konnte, drängte sich angesichts des bereits im Sommer 2001 gefaßten Entschlusses des Angeklagten, Rauschgiftgeschäfte zu tätigen, die Herkunft des Geldes aus solchen Geschäften auf. Zwar scheidet die Anordnung des erweiterten Verfalls aus, wenn bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit begründen, daß Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen; es dürfen allerdings an die Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BGHSt 40, 371, 373; vgl. auch Nack, GA 2003, 879, 885 m.w.N.). Das
Fehlen der gebotenen Erörterungen stellt einen Sachmangel dar, der zur Aufhebung des Urteils auch insoweit führt, als die Anordnung des erweiterten Verfalls unterblieben ist.
Unterschriften
Nack, Kolz, Hebenstreit, Elf, Graf
Fundstellen