Leitsatz (amtlich)
Bei einer Auftragserteilung an einen Konzern, in dem mehrere rechtlich selbständige Unternehmen mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen zusammengefasst sind, entspricht es i.d.R. dem Interesse des Auftraggebers, dass der beabsichtigte Vertrag mit der Gesellschaft innerhalb des Konzerns zu Stande kommt, die mit der nachgefragten Tätigkeit tatsächlich betraut ist.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 12.12.2001; Aktenzeichen 18 U 236/00) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 14.09.2000; Aktenzeichen 31 O 58/00) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 12.12.2001 aufgehoben und das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf v. 14.9.2000 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, 40.903,35 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 2.11.1992 an die W. GmbH, N. str., H. zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein international tätiges Speditionsunternehmen, nimmt die Beklagte auf Freistellung von einer Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.
Die Beklagte beauftragte mit Schreiben v. 8.11.1990 die S. & Co GmbH in Düsseldorf (im Folgenden: S-GmbH) mit der speditionellen Abwicklung des Transports einer Industrieanlage nach Kanada (Saferco-Projekt). Ein Bestandteil dieser Anlage war ein etwa 82t schwerer Behälter, der vor der Verschiffung nach Halifax/Kanada vom Firmengelände der B. - AG in Berlin (im Folgenden: B-AG) nach Bremerhaven befördert werden musste. Hierüber verhält sich das von der Beklagten an die S-GmbH gerichtete, als "Speditionsauftrag" bezeichnete Schreiben v. 10.9.1991. Mit der Durchführung des Transports von Berlin nach Bremerhaven beauftragte die Klägerin die W. GmbH in Hilden (im Folgenden: W-GmbH).
Am 19.9.1991 belud die B-AG im Auftrag der Beklagten den von der W-GmbH bereitgestellten Tieflader mit dem Behälter. Sie benutzte hierbei ihren betriebseigenen 100-Tonnen-Kran. Während des Absenkens des Behälters auf die Ladefläche trat an dem Kran ein technischer Defekt ein, der dazu führte, dass der Behälter aus einer Höhe von etwa 2m im freien Fall auf die Ladefläche des Tiefladers stürzte, der dadurch erheblich beschädigt wurde.
Die W-GmbH nahm die Klägerin auf Ersatz des ihr am Tieflader entstandenen Schadens i.H.v. 812.270 DM in Anspruch. In diesem Rechtsstreit verkündete die Klägerin der Beklagten am 21.12.1994 den Streit. Das LG Düsseldorf verurteilte die Klägerin (Urt. v. 30.11.1998 - 37 O 28/94) wegen des in Rede stehenden Schadensfalls zur Zahlung von 80.000 DM nebst Zinsen an die W-GmbH. Insoweit ist das Urteil des LG Düsseldorf rechtskräftig.
Die Klägerin beansprucht von der Beklagten Freistellung von dem der W-GmbH zuerkannten Schadensersatzanspruch. Sie hat behauptet, sie habe mit der Beklagten mündlich einen Speditionsvertrag geschlossen. Diesen zuvor abgeschlossenen Vertrag habe die Beklagte mit ihrem Schreiben v. 10.9.1991 lediglich noch bestätigt. Das Bestätigungsschreiben habe die Beklagte nur versehentlich an die S-GmbH adressiert. Die dem Vertragsabschluss vorausgegangenen Verhandlungen mit der Beklagten seien ausschließlich von ihren, der Klägerin, Mitarbeitern geführt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die W-GmbH 80.000 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat behauptet, sie habe seit Sommer 1990 wegen des Transports des Behälters mit der S-GmbH Vertragsverhandlungen geführt und dieses Unternehmen schließlich mit der Beförderung beauftragt. Die S-GmbH habe sich ihr ggü. verpflichtet, den Erfolg der Beförderungsleistung herbeizuführen. Sie wisse nicht, warum nicht die S-GmbH, sondern die Klägerin die W-GmbH mit dem Transport beauftragt habe. Ferner hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen des Unfallereignisses v. 19.9.1991 zu. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerin habe keine vertraglichen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus einem zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Speditionsvertrag, da sie nicht nachgewiesen habe, dass sie selbst Vertragspartnerin der Beklagten geworden sei.
Nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin und dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne auch nicht festgestellt werden, dass zwischen der S-GmbH und der Beklagten ein Speditionsvertrag zu Stande gekommen sei. Demgemäß bestünden wegen des Verladeunfalls v. 19.9.1991 auch keine vertraglichen Schadensersatzansprüche der S-GmbH gegen die Beklagte, die im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen sein könnten.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht das Zustandekommen eines Speditionsvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten verneint.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht den ihr obliegenden Beweis geführt, dass sie selbst Vertragspartnerin der Beklagten geworden sei. Es sprächen vielmehr folgende Indizien für einen Vertragsschluss zwischen der S-GmbH und der Beklagten:
Der Transport des Behälters sei Bestandteil des Saferco-Projekts der Beklagten gewesen, in dessen Durchführung die S-GmbH auf Grund eines zwischen dieser und der Beklagten geschlossenen Rahmenvertrags seit September 1990 eingebunden gewesen sei. Wenn die Mitarbeiter der Beklagten dann unter Bezugnahme auf dieses Projekt ggü. den Mitarbeitern der S. -Gruppe, die 1990 auf Seiten der S-GmbH die Verhandlungen für den Rahmenvertrag geführt hätten, den hier in Rede stehenden Speditionsauftrag erteilten, sei nach den §§ 133, 157 BGB davon auszugehen, dass sich das Vertragsangebot an die S-GmbH gerichtet habe. In dem Speditionsauftrag v. 10.9.1991 sei die S-GmbH auch als Vertragspartnerin der Beklagten bezeichnet. Die Behauptungen der Klägerin, in Wahrheit habe die Beklagte ihr den Speditionsauftrag nach vorausgegangenen Vertragsverhandlungen erteilt, und die Beklagte habe ihr Schreiben v. 10.9.1991 nur versehentlich an die S-GmbH adressiert, hätten die vom Senat vernommenen Zeugen nicht bestätigt, so dass die Klägerin insoweit beweisfällig geblieben sei. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht zu Unrecht einen Vertragsschluss zwischen den Parteien des Rechtsstreits verneint hat.
Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass es im Falle der Auftragserteilung an einen Konzern, in dem mehrere rechtlich selbständige Unternehmen mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen zusammengefasst sind, i.d.R. dem Interesse des Auftraggebers entspricht, dass der beabsichtigte Vertrag mit der Gesellschaft innerhalb des Konzern zu Stande kommt, die mit der nachgefragten Tätigkeit tatsächlich betraut ist. Das war hier die Klägerin. Denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin hat die S-GmbH seit Mitte Juni/Juli 1991 nicht mehr am operativen speditionellen Geschäft teilgenommen. Für den früheren Tätigkeitsbereich der S-GmbH war ab diesem Zeitpunkt ausschließlich die Klägerin zuständig, die auch das Personal der nicht mehr operativ tätigen S-GmbH vollständig übernommen hatte. Unter diesen Umständen konnte nur durch eine Ausführung des Auftrags seitens der Klägerin den Interessen der Beklagten Rechnung getragen werden. Die S-GmbH war mangels eigenen Personals nicht mehr zur Erledigung des Auftrags der Beklagten in der Lage. Aus diesem Grunde ist es auch unerheblich, dass die Beklagte den Rahmenvertrag im November 1990 mit der S-GmbH geschlossen hatte. Ebenso ist es ohne Bedeutung, dass ggü. der Beklagten dieselben Personen handelten, die zuvor für die S-GmbH tätig waren. Denn ab Mitte 1991 war das Personal der S-GmbH von der Klägerin übernommen worden. Nach den Bekundungen des vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen L. wurden die mit der Beklagten bestehenden Aufträge und Projekte auch unter der Firma der Klägerin abgewickelt und abgerechnet. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte dagegen Einwände erhoben hat, was Indiz für ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ist.
3. Dem Senat ist eine abschließende Sachentscheidung möglich, da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind. Die Beklagte ist nach den für den Streitfall gem. Art. 229 § 5 EGBGB geltenden Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung verpflichtet, die Klägerin von ihrer Verbindlichkeit ggü. der W-GmbH freizustellen. Dieser Anspruch ist entgegen der Hilfserwägung des Berufungsgerichts nicht verjährt.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Rechte und Pflichten der Parteien sich nach den für den Speditionsvertrag geltenden Vorschriften der §§ 407 ff. HGB a.F. richten. Den Nachweis einer Fixkostenspedition hat die Beklagte unstreitig nicht erbracht.
b) Im Rahmen der Durchführung des Speditionsvertrags hat die Beklagte es als Auftraggeberin und Versenderin übernommen, den Steam-Super-Heater, der sich auf dem Gelände der B-AG in Berlin befand, auf den Tieflader der von der Klägerin beauftragten W-GmbH zu laden. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung bediente sich die Beklagte der B-AG. Deren Fehlverhalten hat zur Beschädigung des Tiefladers und zur rechtskräftig festgestellten Schadensersatzverpflichtung der Klägerin ggü. der W-GmbH geführt. Die Beklagte haftet für das Verhalten der B-AG gem. § 278 BGB. Sie hat deshalb die Klägerin von deren Verbindlichkeit ggü. der W-GmbH freizustellen (§ 249 BGB).
c) Der Anspruch der Klägerin aus positiver Forderungsverletzung gegen die Beklagte als Auftraggeberin des Speditionsvertrags (§§ 407 ff. HGB a.F.) unterlag nach altem Transportrecht der Verjährungsvorschrift des § 195 BGB (vgl. auch: BGH, Urt. v. 26.9.1980 - I ZR 119/78, MDR 1981, 377 = NJW 1981, 918 [919]). Es kann offen bleiben, ob mit der Neufassung der Vorschriften zum Transportrecht zum 1.7.1998 und der damit einhergehenden Vereinheitlichung der Verjährungsvorschriften (§§ 463, 439 HGB) auch die vor dem In-Kraft-Treten des Transportrechtsreformgesetzes begründeten Ansprüche - mangels einer anderweitigen Regelung, wie sie z.B. bei In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes getroffen wurde (Art. 229 § 6 EGBGB) - der ab dem Zeitpunkt der Geltung des Transportrechtsänderungsgesetzes laufenden kurzen, hier einjährigen Frist des § 439 Abs. 1 S. 1 HGB, entsprechend Art. 169 Abs. 2 EGBGB unterworfen wurden (Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 439 HGB Rz. 1, m.w.N.). Auch für diesen Fall wäre der Anspruch nicht mit Ablauf des 30.6.1999 verjährt.
Der Lauf der Verjährungsfrist war nämlich durch die von der Klägerin im Schadensersatzprozess der W-GmbH zur Schadloshaltung der Beklagten ggü. ausgesprochenen Streitverkündung gem. § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F. unterbrochen. Die Unterbrechung endete mit Rechtskraft der vom LG ausgesprochenen Verurteilung (§ 211 Abs. 1 BGB a.F.). Diese trat erst ein, als die Klägerin im Vorprozess keine Anschlussberufung mehr einlegen konnte. Maßgeblich hierfür ist der 4.11.1999 als Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem OLG. Eine ab diesem Zeitpunkt laufende einjährige Verjährungsfrist (§ 217 BGB a.F., Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB) wäre bis zur Klageerhebung (28.4.2000) noch nicht abgelaufen gewesen.
III. Der Klage ist danach stattzugeben. Die Beklagte trägt gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits.
Fundstellen
BGHR 2006, 346 |
NJW-RR 2006, 978 |
ZIP 2006, 137 |
MDR 2006, 436 |