Verfahrensgang
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten sowie den Mitangeklagten G. jeweils wegen Beihilfe zum schweren Raub zu Freiheitsstrafen verurteilt und diese zur Bewährung ausgesetzt. Ein weiterer Mitangeklagter wurde wegen Begünstigung und Hehlerei zu einer Geldstrafe verurteilt.
Während das Urteil hinsichtlich des wegen Begünstigung und Hehlerei verurteilten Angeklagten rechtskräftig ist, hat die Staatsanwaltschaft das Urteil zum Nachteil der wegen Beihilfe zum schweren Raub verurteilten Angeklagten angefochten. Hinsichtlich des Angeklagten G. hat der Senat das Verfahren zu gesonderter Verhandlung und Entscheidung abgetrennt. Hinsichtlich der Angeklagten H., C. und Sch. hat das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel Erfolg.
I. Angeklagter H.
1. Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte war im Rahmen seiner Ausbildung als Praktikant an einer Bank tätig. Obwohl er sich schriftlich zur Verschwiegenheit verpflichtet hatte, prahlte er in einem Spielsalon gegenüber G. damit, er wisse, wie man leicht und kostenlos zu Geld kommen könne. Er verriet eine geheime Code-Zahl, deren Kenntnis die Öffnung einer Hintertür der Bank ermöglichte, und fertigte darüber hinaus eine Skizze an, die ergab, wie man nach Betreten der Bank in einen Registraturraum gelangte, wo insbesondere an den Montagmorgen nach den sog. "langen Samstagen" sehr große Bargeldbeträge - zunächst - gezählt und dann in einen Tresor verbracht wurden. Er verriet dabei auch, daß diese Tür von den mit dem Geldzählen betrauten Bankbediensteten während dieser Zeit entgegen bankinterner Anweisung nicht verschlossen gehalten wurde, so daß der Raum - wenn man erst einmal durch die Hintertür in das Bankinnere gelangt war - leicht betreten werden konnte.
Der Angeklagte wußte und wollte, daß G. sowie weitere, ihm namentlich nicht bekannte Mittäter auf der Grundlage dieser Informationen die Bank überfallen und berauben würden; es bestand Einvernehmen, daß der Angeklagte einen Anteil der Beute als Belohnung erhalten sollte.
Ehe die Tat - mit einer gewissen, nicht im Zusammenhang mit dem Angeklagten stehenden - zeitlichen Verzögerung entsprechend den Informationen des Angeklagten durchgeführt wurde, wobei die beiden Täter die Bankangestellten mit Messern bedrohten, fesselten und über 700.000 DM erbeuteten, hatte der Angeklagte, wie G. zur Überzeugung der Strafkammer glaubhaft bekundet hat, diesem erklärt, er wolle mit der Tat nichts mehr zu tun haben. Maßnahmen zur Verhinderung der Tat traf er nicht. Von der Beute erhielt der Angeklagte nichts.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann der Schuldspruch keinen Bestand haben, so daß es auf eine zugleich erhobene Aufklärungsrüge nicht ankommt.
a) Allerdings ist die Annahme der Strafkammer, H. sei nicht Mittäter, aus Rechtsgründen im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Dabei kommt es jedoch nicht darauf an, ob die von der Strafkammer nach allgemeinen Kriterien vorgenommene Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe rechtlicher Überprüfung standhalten könnte:
Mittäter eines Raubes kann nur sein, wer selbst Zueignungsabsicht hat. Daß die anderen Tatgenossen eines Angeklagten von dieser Absicht geleitet werden, genügt hierzu nicht (vgl. BGH StV 1990, 160; Eser in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 249 Rdn. 11; Cramer a.a.O. § 25 Rdn. 83 jew. m.w. Nachw.). Hat der Tatbeteiligte dagegen eine solche Absicht nicht, ist es bedeutungslos, ob der Tatbeitrag nach allgemeinen Abgrenzungskriterien als Mittäterschaft oder Beihilfe zu bewerten wäre (vgl. Cramer a.a.O.).
Hier hat der Angeklagte, wie die Strafkammer aus der von ihr als glaubwürdig angesehenen Aussage G.s geschlossen hat, vor Tatvollendung erklärt, er wolle mit der Tat nichts mehr zu tun haben. Damit ist die Zueignungsabsicht entfallen. Zwar kann grundsätzlich dann, wenn ein Mittäter nach der Erbringung seines Tatbeitrages eine Willensänderung vornimmt, dies eine Mittäterschaft nicht mehr beseitigen (BGHSt 28, 346, 348). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn durch die Willensänderung ein notwendiges Tatbestandsmerkmal (hier: die Zueignungsabsicht) entfällt. Bei einer solchen Fallgestaltung führt der Wegfall der subjektiven Voraussetzungen der Täterschaft dazu, daß ein fortwirkender Tatbeitrag selbst dann nur noch als Beihilfe zu bewerten ist, wenn das Verhalten vor der Willensänderung als Mittäterschaft zu bewerten gewesen wäre (vgl. Eser a.a.O. § 24 Rdn. 77).
b) Die Strafkammer hat den festgestellten Sachverhalt aber nicht erschöpfend gewürdigt.
Sie hätte prüfen müssen, ob der Angeklagte wegen Anstiftung zum schweren Raub zu bestrafen ist. Die Feststellungen legen die Möglichkeit nahe, daß der Angeklagte in G. den Tatentschluß geweckt hat. Der Täter ist i.S.d. § 26 StGB bestimmt, wenn der Entschluß zur Tat in ihm hervorgerufen wird; nicht erforderlich ist, daß die Willensbeeinflussung die einzige Ursache gewesen ist (Cramer a.a.O. § 26 Rdn. 4; Dreher/Tröndle, StGB 46. Aufl. § 26 Rdn. 3 jew. m.w.Nachw.). Der Annahme von Anstiftung stünde auch nicht im Wege, wenn - was nach den Urteilsfeststellungen nahezuliegen scheint - G. allgemein zu derartigen Taten bereit war, da er durch den Angeklagten zu der Teilnahme an der konkreten Tat veranlaßt wurde (Cramer a.a.O. Rdn. 5 m.w. Nachw.). Daß auch G. die Tat nicht selbst durchgeführt hat, ist ebenfalls unschädlich; eine - mittelbare - Anstiftung ist auch dann möglich, wenn es dem Angestifteten überlassen bleibt, den Haupttäter auszuwählen, oder wenn der Anstifter die Zahl der Zwischenglieder zwischen ihm und dem Haupttäter nicht kennt (Cramer a.a.O. Rdn. 15 m.w. Nachw.).
c) Für eine Verurteilung wegen Anstiftung käme es nicht darauf an, ob das Verhalten des Angeklagten ursprünglich als Mittäterschaft oder als Beihilfe zu bewerten gewesen wäre:
Treffen mehrere Beteiligungsformen (einschließlich der Mittäterschaft) einer Person an derselben Tat zusammen, so geht die weniger schwere in der schwereren auf. Dabei ist Mittäterschaft als Täterschaft gegenüber der Anstiftung die schwerere Form der Beteiligung (Cramer a.a.O. vor §§ 25 ff. Rdn. 49 m.w.Nachw.). Wäre also das Verhalten des Angeklagten ursprünglich als Mittäterschaft zu bewerten gewesen, so hätte eine gleichzeitig vorliegende Anstiftung daneben keine eigenständige Bedeutung gehabt. Der Wegfall der Mittäterschaft durch Wegfall der Zueignungsabsicht führt dann aber dazu, daß die Anstiftung wieder eigene rechtliche Bedeutung erhält. Die Anstiftung war abgeschlossen. Die Frage einer Zueignungsabsicht des Anstifters hat für eine Anstiftung keine Bedeutung.
Wäre demgegenüber davon auszugehen, daß das Verhalten des Angeklagten von vornherein nur als Beihilfe zu bewerten war, so wäre, falls Anstiftung vorliegt, diese die schwerere und damit maßgebliche Form der Tatbeteiligung.
3. Die unterbliebene Prüfung von Anstiftung führt zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich des Angeklagten H., ohne daß es auf das weitere Revisionsvorbringen ankäme.
Es ist jedoch zu bemerken, daß die im Rahmen der Strafzumessung angestellte Erwägung, daß "nur das sorgenlose und leichtsinnige Verhalten des Bankpersonals die Straftat überhaupt ermöglicht hat", zu Bedenken Anlaß gibt. Die Täter konnten nur deshalb in das Innere der Bank gelangen, weil sie vom Angeklagten die geheime Code-Zahl erfahren hatten. Darüber hinaus ist, zumal angesichts der Feststellungen zur Person des Angeklagten - er stand zur Tatzeit kurz vor der Ablegung des Wirtschaftsabiturs -, bisher auch nicht verdeutlicht, warum sein Alter von 24 Jahren geeignet ist, Unreife in einem Maß zu belegen, das mit dazu beitragen könnte, die Tat als minder schweren Fall zu bewerten.
II. Angeklagte C. und Sch.
1. Insoweit hat das Landgericht die Tatbeiträge wie folgt festgestellt und bewertet:
a) Angeklagter C.:
"Der Tatbeitrag des Angeklagten C. bestand darin, daß er in Canosa die Verbindung zwischen I. und A. S. und Gio. hergestellt und dabei sowie am 30.1.1992 bei der Abholung am Flughafen und am 1.2.1992 bei der entscheidenden Tatplanung Dolmetscherdienste geleistet und dafür DM 50.000 erhalten hat. Seine Tätigkeit erstreckte sich somit nur auf Vorbereitungshandlungen. Eine Tatherrschaft war für ihn objektiv nicht möglich. Seine Einlassung, er habe kein eigenes Interesse am Taterfolg gehabt, sondern habe nur die von anderen begangene Tat (Überfall) fördern wollen, kann nicht widerlegt werden. Die Kammer ist davon überzeugt, daß sein Tatbeitrag nur als Beihilfe zu werten ist."
b) Angeklagter Sch.:
"Der Tatbeitrag des Angeklagten Sch. bestand darin, daß er die beiden italienischen Täter am 30.1.1992 am Flughafen München abgeholt und ihnen in der Folgezeit bis zum 3.2.1992 Unterkunft gewährt hat, seine Wohnung für die eigentliche Tatplanung am 1.2.1992 zur Verfügung gestellt und dieser Planung beigewohnt hat, zumindest ein Tatwerkzeug in Gestalt des Klebebandes zur Verfügung gestellt hat, Täter und Beute am 3.2.1992 von Ra. bis nach St. G. transportiert und einen Teil der Beute bis zur Aushändigung an I. am 4.2.1992 aufbewahrt hat. Wenn auch der objektive Umfang seiner Tatbeteiligung nahe an den Bereich der Haupttat herangereicht hat, so lassen doch die fehlende Tatherrschaft und seine Einlassung, er habe nur fremdes Tun fördern wollen, seinen Tatbeitrag als Beihilfe erscheinen."
2. Diese Bewertungen halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Mittäter eines Raubes kann nur sein, wer selber Zueignungsabsicht hat. Die Strafkammer gebraucht den Begriff der Zueignungsabsicht in ihren Erwägungen nicht, sondern spricht nur allgemein vom Interesse am Taterfolg. Wäre ihre Annahme, daß die Angeklagten kein Interesse am Taterfolg gehabt hätten, in rechtlich bedenkenfreier Weise festgestellt, hätte dies - wie dargelegt - zwingend zur Folge, daß Mittäterschaft ausscheiden würde.
b) Dies ist jedoch nicht der Fall:
Die Strafkammer stützt ihre Auffassung darauf, daß keinem der Angeklagten seine Behauptung, er habe kein Interesse am Taterfolg gehabt, zu widerlegen sei. Es ist zu besorgen, daß die Strafkammer hierbei von einem falschen Maßstab ausgegangen ist:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind entlastende Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise gibt, nicht ohne weiteres den Urteilsfeststellungen als unwiderlegbar zugrundezulegen. Vielmehr muß der Tatrichter auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHR StGB § 35 Abs. 1 Gefahr, gegenwärtige 1; w.N. bei Hürxthal in KK 3. Aufl. § 261 Rdn. 28).
Dieser Grundsatz gilt hier in besonderem Maße: Die Angeklagten haben nicht eine entlastende (konkrete) Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern einen für sie günstigen inneren Vorgang behauptet, ohne daß objektivierbare Tatsachen, in denen die angebliche innere Einstellung einen erkennbaren Niederschlag gefunden hätte, auch nur genannt wären.
Insoweit unterscheidet sich die Beweiswürdigung von der hinsichtlich des Angeklagten H.: Dessen Angabe, er habe zuletzt kein Interesse mehr an der Tat gehabt, wird durch die glaubhafte Angabe G. s bestätigt (vgl. oben I 2a).
c) In diesem Zusammenhang hätte die Strafkammer auch erkennbar den für eine Zueignungsabsicht und damit ein mögliches Eigeninteresse an der Tat wesentlichen Gesichtspunkt des mit der Tat verbundenen finanziellen Gewinns der Angeklagten in ihre Erwägungen einbeziehen müssen:Dem Angeklagten C. wurde vor der Tat von I. eine Belohnung versprochen und er erhielt nach der Tat 50.000 DM aus der Beute.
Auch dem Angeklagten Sch. wurde vor der Tat eine Belohnung zugesagt. Er erhielt dann 20.000 DM aus der Beute.
Ohne nähere Darlegung ist daher die Annahme fehlenden Eigeninteresses an der Tat nicht verständlich.
d) Wie dargelegt, ist bei der Prüfung, ob hinsichtlich eines Raubes Täterschaft oder Beihilfe vorliegt, ein Eigeninteresse an der Tat noch nicht zwingender Beleg für eine Täterschaft, sondern erst Voraussetzung dafür, daß Täterschaft überhaupt in Betracht kommt. Bei der gebotenen "wertenden Betrachtung" kann aber ein Eigeninteresse und dessen Ausmaß, das sich nicht zuletzt in der Höhe des erhaltenen Beuteanteils widerspiegelt, nicht außer Betracht bleiben.
Der Senat kann nach alledem nicht ausschließen, daß die Strafkammer dann, wenn sie erkannt hätte, daß die Angaben der Angeklagten über ihr fehlendes Eigeninteresse an der Tat nicht ohne weiteres als unwiderlegbar der Entscheidung zugrundezulegen sind, eine andere Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten vorgenommen hätte, zumal wenn sie dabei auch die tatsächliche Beteiligung am Erfolg der Tat berücksichtigt hätte.
3. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils auch hinsichtlich dieser Angeklagten, ohne daß es auf das übrige Revisionsvorbringen noch ankäme.
4. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer erneut zum Ergebnis kommen, daß (nur) Beihilfe vorliegt, wird auch Hehlerei (§ 259 StGB) zu prüfen sein. Beihilfe zur Vortat steht einer Verurteilung wegen Hehlerei nicht entgegen (st. Rspr., vgl. d.N.b. Ruß in LK 10. Aufl. § 259 Rdn. 42).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige der Hehlerei schuldig, der aus einer Straftat gegen fremdes Vermögen stammendes Bargeld als Darlehen entgegennimmt (BGH NJW 1958, 1244 f.). Für denjenigen, der sich solches Bargeld schenken läßt, kann nichts anderes gelten.
b) Hinsichtlich der Bewertung des Mitverschuldens der Bankangestellten im Rahmen der Strafzumessung gilt nichts anderes als beim Angeklagten H. (vgl. oben I 3).
Darüber hinaus war der Angeklagte Sch. zur Tatzeit 25 Jahre alt. Er hat einen Beruf erlernt und war als selbständiger Regalbauer tätig. Wieso unter diesen Umständen sein Alter und seine Tatbeiträge (vgl. oben II 1b) eine Unreife belegen, die für die Annahme eines minder schweren Falles sprechen könnte, wird aus den Urteilsgründen bisher nicht verständlich.
Fundstellen
Haufe-Index 2993222 |
BGHR StGB § 242 Abs. 1 - Zueignungsabsicht 9 |
BGHR StGB § 25 Abs. 2 - Mittäter 15 |
NStZ 1994, 29 |
MDR 1994, 128 |
StV 1994, 16 |