Leitsatz (amtlich)
Ein "Mitwirken zum Absatz" kann auch dann gegeben sein, wenn der Absatz nicht gelungen ist.
Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 27.03.1954) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Aachen vom 27. März 1954 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit er und die früheren Angeklagten S. und B. wegen Hehlerei verurteilt sind, und im Gesamtstrafausspruch.
In diesem Umfange wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Hehlerei in zwei Fällen und wegen Betruges im Rückfall in zwei Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Die Revision rügt Verletzung verfahrens- und sachlichrechtlicher Vorschriften. Sie ist teilweise begründet.
I.
Hehlerei an einem Volkswagen.
1.
Verfahrensrügen sind nur zu diesem Teil des Urteils erhoben worden. Ihre Erörterung erübrigt sich, da die Sachrüge insoweit Erfolg hat.
2.
Die Urteilsgründe lassen es zweifelhaft erscheinen, ob das Gericht die volle Überzeugung gewonnen hat, dass der Angeklagte den Volkswagen nicht gestohlen, sondern sich der Hehlerei daran schuldig gemacht hat. Er war in diesem Verfahren zunächst selbst angeklagt, den Wagen gestohlen zu haben. Dies bestreitet er und behauptet, ein Mann, der sich "J." genannt habe, sei einen oder zwei Tage nach dem Diebstahl mit dem Volkswagen zu ihm gekommen, habe sich als dessen Eigentümer ausgegeben und ihm angeboten, sich gegen Gewinnbeteiligung an dem Verkauf der Waren zu beteiligen, die der Wagen enthalten habe. Nachdem sie dies in F. und E. durchgeführt hätten, habe "J." sich entschlossen, den schadhaft gewordenen Volkswagen zu verkaufen. Auch hierbei hätten er und der frühere Mitangeklagte S. ihm gegen Gewinnbeteiligung helfen sollen und auch geholfen. Nach den Feststellungen des Landgerichts konnte ihm diese Einlassung nicht mit Sicherheit widerlegt werden, obwohl der dringende Verdacht gegen ihn besteht, den Wagen gestohlen zu haben, und zweifelhaft ist, ob "J." überhaupt "existiert". Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Hehlerei nicht. Die Strafkammer hat den naheliegenden Verdacht, dass M. und S. selbst die Diebe sind, nicht überwunden, lässt ihn vielmehr offen. Darum kann sie nicht der sicheren Überzeugung sein, dass der Angeklagte in hehlerischem Vorsatz mitgewirkt hat, als ein Vortäter den Wagen bei Dritten abzusetzen versuchte. Unglaubhafte oder nur nicht widerlegte Angaben eines Angeklagten darf der Tatrichter seinem Schuldspruch nicht zugrundelegen. Ist nach Ausschöpfung aller Erkenntnismittel eine eindeutige Feststellung nicht möglich, hat das Gericht aber die Überzeugung gewonnen, der Angeklagte könne nur entweder die Sache gestohlen oder sich als Hehler mit ihr befasst haben, so ist eine Wahlfeststellung zulässig und geboten (RGSt 68, 257; OGHSt 2, 89; BGHSt 1, 127; 302; 5 StR 722/53 vom 23.2.1954). Da es insoweit an klaren Feststellungen fehlt, kann die Verurteilung in diesem Falle schon aus dem angegebenen Grunde nicht bestehen bleiben.
3.
Zum inneren Tatbestand hält die Strafkammer den Nachweis nicht mit Sicherheit für erbracht, dass der Angeklagte anfänglich nicht der Meinung gewesen sei, der Volkswagen gehöre dem "J.". Nach der dann folgenden Feststellung musste er aber "spätestens nach dem Verkauf der Waren den Umständen nach annehmen", dass der Volkswagen mittels einer strafbaren Handlung erlangt war. Die weiteren Ausführungen des Urteils erwecken Zweifel, ob dem Landgericht bewusst war, dass § 259 StGB in allen Fällen die Feststellung des Tatvorsatzes erfordert. Von diesem Erfordernis sieht auch der Teil dieser Vorschrift nicht ab, nach dem es genügt, dass der Täter den Umständen nach annehmen muss, die fragliche Sache sei mittels einer strafbaren Handlung erlangt. Diesen Gesetzeswortlaut hat das Reichsgericht seit dem Urteil vom 22. Dezember 1920 (RGSt 55, 204) in ständiger Rechtsprechung als eine Beweisregel aufgefasst, kraft deren es so angesehen werden soll, als ob dem Täter die Überzeugung von der strafbaren Herkunft tatsächlich nachgewiesen worden sei, wenn der Richter Umstände feststellt, die dem Täter diese Überzeugung aufdrängen mussten. Dieser Rechtsprechung hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen (BGHSt 2, 146). Jene Umstände müssen so auffällig auf die strafbare Herkunft der Sache hinweisen, dass ein verständiger und ehrlicher Mensch in der Lage des Angeklagten den Makel erkannt und nicht nur mit dessen Möglichkeit gerechnet haben würde. Liegt nur das Letztere vor, so handelt es sich um eine nach § 259 StGB nicht strafbare bewusste Fahrlässigkeit, sofern der Täter gehofft hat, sein Verdacht sei unbegründet und der Vortäter habe die Sache einwandfrei erworben; wird dagegen zusätzlich festgestellt, dass der Täter die Möglichkeit in Kauf nahm und billigte, er fördere durch sein Handeln den Absatz strafbar erworbenen Gutes, so muss er wegen Hehlerei mit bedingtem Vorsatz bestraft werden. Die hierzu getroffenen Feststellungen der Strafkammer erwecken den Eindruck, als hätten die festgestellten Umstände nach der Ansicht des Tatrichters nur ausgereicht, um dem Angeklagten die Möglichkeit eines strafbaren Vorerwerbs zum Bewusstsein zu bringen, nicht aber dazu, um ihm die Überzeugung von diesem Makel aufzudrängen. Nach Aufzählung der Tatsachen, die ihre Feststellung im einzelnen begründen sollen, fasst die Strafkammer das Ergebnis dahin zusammen, dass sich aus all diesen Umständen M. und S. der Verdacht habe aufdrängen müssen und sich ihnen nach der Überzeugung der Strafkammer auch aufgedrängt habe, dass "J." den Volkswagen mittels einer strafbaren Handlung erlangt habe. Die Feststellung eines blossen Verdachts des Angeklagten reicht nicht aus; denn sie sagt nur, dass er die Möglichkeit erkannt hat, durch seine Mitwirkung einem Diebe beim Absatz der Beute zu helfen. Sie lässt es aber offen, ob er diesen Erfolg gebilligt, also mit bedingtem Vorsatz gehandelt, oder ihn abgelehnt und ihn nur bewusst fahrlässig verursacht hat.
"Umstände" im Sinne des § 259 StGB können ferner nur solche Tatsachen sein, die von aussen her auf die Überzeugung des Täters einwirken können, nicht aber dessen eigene Handlungen (RGSt 64, 4; BGH NJW 1953, 552). Die Revision rügt mit Recht, dass das Landgericht als solche "Umstände" auch eigene Handlungen des Angeklagten verwertet hat, so die Eisenbahnfahrt M.s von E. nach F., das Anmieten eines Kraftwagens, das Abschleppen des Volkswagens von E. nach A., die Tatsache, dass er mit S. und "J." zusammen den Wagen dort nicht sofort in eine Werkstätte gefahren, sondern sich alsbald nach einer Absatzmöglichkeit erkundigt hat.
4.
Unter "Mitwirkung zum Absatz" im Sinne des § 259 StGB ist eine dem Vortäter mit seinem Einverständnis bei seiner Absatztätigkeit geleistete Förderung zu verstehen; die blosse Vermutung seines Einverständnisses genügt nicht (LK III C). Das Landgericht stellt hierzu fest, dass sich "J.". M. und S. nach Ankunft in A. zunächst gemeinsam auf die Suche nach einem Käufer für den Volkswagen begaben; während aber M. und S. zusammenblieben und mit einem in F. gemieteten Personenkraftwagen innerhalb A.s umherfuhren, um einen Käufer ausfindig zu machen, trennte sich "J." von ihnen, um allein eine Absatzmöglichkeit auszukundschaften. Entgegen seinem Versprechen, wieder mit den anderen zusammenzutreffen, liess er sich aber von da ab nicht mehr sehen. Danach besteht tatsächlich eine Unklarheit über den Zeitpunkt, bis zu dem der Angeklagte noch für Rechnung des "J." einen Käufer suchte und von dem ab er im eigenen Interesse handelte. In der neuen Verhandlung wird versucht werden müssen, hier zu genaueren Feststellungen zu kommen.
5.
Entgegen der Ansicht der Revision setzt § 259 StGB nicht voraus, dass der Absatz der mit dem Makel behafteten Sache tatsächlich gelungen ist. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGSt 5, 241; 56, 191). Sie ergibt sich aus dem Wortlaut und der Entwicklungsgeschichte der Vorschrift. An ihr ist auch festzuhalten, nachdem die Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943 auch den Versuch der Hehlerei für strafbar erklärt, den Wortlaut des Abs. 1 aber nicht geändert hat.
6.
Zu Unrecht vermisst die Revision endlich eine ausreichende tatsächliche Feststellung dafür, dass der Angeklagte seines Vorteils wegen gehandelt hat. Sie ergibt sich ohne weiteres daraus, dass M. im allseitigen Einverständnis am Verkaufserlös beteiligt werden sollte (UA 3, oben).
II.
Hehlerei an einem Motorrad Marke "Viktoria".
Den äusseren Tatbestand des § 259 StGB sieht die Strafkammer zutreffend darin, dass M. das der Firma B. & Sohn in Br. gehörige Motorrad von dem Zeitungsverkäufer F., der es nur gemietet und durch das Verkaufsangebot unterschlagen hatte, gekauft und in Besitz genommen hat. Auch hier spricht das Urteil nur von dem Verdacht des strafbaren Erwerbs, der sich dem Angeklagten aufdrängen musste. Wie im Falle I stellt die Strafkammer auch zur Begründung dieses Verdachts u.a. ein Verhalten M.s selbst fest, das nicht als "Umstand" im Sinne des § 259 StGB verwertet werden kann: Der Angeklagte hat es geflissentlich vermieden, die Kraftfahrzeugpapiere einzusehen, sich mit einer eidesstattlichen Versicherung des F. als des angeblichen Eigentümers begnügt und nach dem Empfang des Motorrads den - unrichtig auf den Namen Bo. ausgestellten - Kaufvertrag vernichtet. Daraus ergeben sich die gleichen Bedenken gegen die Feststellung des Hehlervorsatzes, wie zum Falle I. Ausserdem fehlt es an einer genauen Feststellung, welcher der mehreren Tatbestände, die § 259 StGB unter Strafe stellt, die einzelnen Beteiligten verwirklicht haben. Das Urteil sagt dazu nur (S 12), dass M., S. und Bo. ihres Vorteils wegen ein Motorrad, von dem sie den Umständen nach annehmen mussten, dass es mittels einer strafbaren Handlung erlangt war, angekauft oder sonst an sich gebracht oder zu dessen Absatz bei anderen mitgewirkt haben. Das genügt nicht.
III.
Betrug zum Nachteil des G. und Urkundenfälschung.
Das von F. gekaufte Motorrad verpfändete der Angeklagte dem Kaufmann G. für ein Darlehen von 400 DM, wobei er sich als Eigentümer ausgab und Rückzahlung des Geldes bis 2200 Uhr desselben Tages versprach. Um G. Bedenken zu zerstreuen, stellte der Angeklagte eine von ihm mit dem Namen Hans K. unterschriebene Bescheinigung aus, in der er u.a. erklärte, dass das Kraftrad sein Eigentum sei. Das Gleiche bestätigte der frühere Mitangeklagte R. dem G. mündlich. Darnach und nach der Übergabe des Kraftrades, der Bescheinigung, des Kraftfahrscheins und der Steuerkarte zahlte G. dem Angeklagten die 400 DM. Diese hat M. nicht zurückgezahlt. G. hat das Motorrad der Firma B. & Sohn herausgegeben, nachdem er von ihr erfahren hatte, dass sie das Motorrad nur vermietet hatte. Das Landgericht sieht die Beschädigung, mindestens aber die Gefährdung des Vermögens des G. darin, dass er 400 DM gezahlt hat, ohne dafür die vereinbarte Sicherheit zu erhalten. Es hält das Pfandrecht für nicht entstanden, weil G. grob fahrlässig verkannt habe, dass M. nicht der Eigentümer sei (§ § 1207, 932 Abs. 2 BGB). Dagegen führt die Revision aus, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb das Verhalten des Kaufmanns G. nicht zu seiner Überführung wegen Hehlerei ausreichen sollte, wenn die Strafkammer es schon als grob fahrlässig bezeichne. Soweit damit die Beweiswürdigung der Strafkammer angegriffen werden soll, ist dies unzulässig. Rechtsirrig ist aber die Auffassung, dass schon ein grob fahrlässiges Verhalten zur Bestrafung wegen Hehlerei führen könne.
Zum inneren Tatbestand stellt die Strafkammer entgegen der Einlassung des Angeklagten fest, dass er von vornherein nicht die Absicht hatte, das Geld zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Das hält die Revision für unvereinbar mit der vom Landgericht als wahr unterstellten Behauptung des Angeklagten, der Bruder des früheren Mitangeklagten R. habe diesem und M. fest zugesagt, er werde das Motorrad kaufen und den Kaufpreis von 400 DM noch am gleichen Abend beschaffen. Diesem Kaufliebhaber hatte M. das Kraftrad kurz vor den Verhandlungen mit G. angeboten. Dieser war zwar kaufwillig, konnte aber die geforderten 400 DM nicht sofort zahlen. M. wollte aber nur gegen bar verkaufen, weil er und S. dringend Geld benötigten. Er sah daher von dem sofortigen Verkauf des Motorrads an jenen ab und entschloss sich, das Rad anderweitig abzusetzen, wobei er an eine Verpfändung der Maschine dachte, um - wie das Landgericht weiter feststellt - "auf diese Weise die Möglichkeit eines späteres Erwerbs durch den Bruder des Angeklagten R. offenzuhalten". Dieser Sachverhalt ist durchaus vereinbar mit der vorher erwähnten Feststellung des Landgerichts zum inneren Tatbestand des Betruges. Denn danach wollte der Angeklagte nicht etwa sich selbst die Möglichkeit offenhalten, das Motorrad später wieder zu erwerben.
IV.
Im übrigen lässt das Urteil Rechtsmängel zu Ungunsten des Angeklagten nicht erkennen. Die Aufhebung des Urteils wegen der Hehlereifälle macht es aber notwendig, das Urteil auch im Gesamtstrafausspruch aufzuheben.
V.
Da auch die Verurteilung des früheren Angeklagten S. in beiden Hehlereifällen und des früheren Angeklagten Bo. wegen des zweiten Hehlereifalles auf den festgestellten rechtlichen Mängeln des Urteils beruht, war insoweit gemäss § 357 StPO das Urteil des Landgerichts auch zu ihren Gunsten aufzuheben, auch hier ferner im Gesamtstrafausspruch.
Fundstellen
Haufe-Index 3018519 |
NJW 1955, 350 |
NJW 1955, 350-351 (Volltext mit amtl. LS) |