Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob

a) eine Bank grob fahrlässig handelt, wenn sie die materielle Berechtigung des Einreichers eines Inhaberverrechnungsschecks nicht überprüft, auf dem das für die Eintragung des Schecknehmers vorgesehene Feld mit einem Adreßaufkleber überklebt ist,

b) die bezogene Bank eine solche Überprüfung auch dann vorzunehmen hat, wenn ihr ein solcher Scheck von einer Inkasso-Bank vorgelegt wird.

 

Normenkette

ScheckG Art. 21; BGB §§ 990, 989

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 10.04.1987)

LG Mainz

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. April 1987 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Klägerin wurde zwecks Bezahlung zweier von ihr am 23. und 30. März 1981 ausgestellter Rechnungen von der Firma St. ein von dieser am 7. April 1981 handschriftlich ausgestellter, auf die Beklagte gezogener Inhaberverrechnungsscheck über 16.010,– DM übersandt, der die Klägerin in dem dafür vorgesehenen Feld als Zahlungsempfängerin auswies. Der bei der Klägerin seit dem 1. Januar 1981 tätige Buchhalter G., der nebenher einen Weinhandel betrieb, nahm den Scheck an sich und überklebte das mit der Klägerin als Zahlungsempfängerin beschriftete Feld mit einem selbstklebenden Adressaufkleber, der den von ihm in Schreibmaschinenschrift oder mittels Stempelaufdruck angebrachten Text „G. G. Weinvertrieb, …, W.” enthielt. Diesen Scheck reichte er zum Inkasso bei der Kreis Sparkasse A. ein, bei der er ein Girokonto unterhielt. Die Kreissparkasse gab den Scheck an die Beklagte weiter, die ihn einlöste. Sie belastete das Konto der Firma St. mit dem Scheckbetrag und überwies die Summe an die Kreissparkasse A. Diese schrieb den Betrag dem Konto des Buchhalters G. gut, der seinerseits über die Gutschrift verfügte. Der Buchhalter G. verfuhr bis September 1983 in gleicher Weise mit 46 weiteren Kundenschecks der Klägerin.

Die Klägerin, der die Firma St. sämtliche ihr gegen die Beklagte aus der Einlösung des Schecks und der Belastung ihres Kontos zustehenden Ansprüche abgetreten hat, nimmt die Beklagte auf Schadenersatz aus eigenem und abgetretenem Recht in Höhe des Scheckbetrages in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Zurückverweisung.

Entgegen der von dem Berufungsgericht vertretenen Ansicht steht der Klägerin gegenüber der Beklagten ein Schadenersatzanspruch zu.

1. Allerdings folgt diese Schadenersatzpflicht der Beklagten nicht aus positiver Vertragsverletzung in Verbindung mit Nr. 4 der Bedingungen für den Scheckverkehr (abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl, WechselG und ScheckG, 15. Aufl., S. 627 ff (Banken) und 654 ff (Sparkassen)). Zwar hat die Scheckausstellerin, die Firma St. die bei der Beklagten ein Girokonto unterhält, durch Erklärung vom 3. August 1984 sämtliche ihr gegen die Beklagte aus der Einlösung des Schecks vom 7. April 1981 und der darauf beruhenden Belastung ihres Girokontos zustehenden Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Ein solcher Anspruch unterläge jedoch im Rechtsverhältnis der Firma St. zur Beklagten der Kontokorrentabrede (vgl. Nr. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen, jeweils abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl a.a.O. S. 605 ff und 634 ff). Die einer Kontokorrentabrede unterstellte Forderung ist jedoch von vornherein nicht abtretbar (BGHZ 70, 86, 92; BGH, Urt. v. 21. Dezember 1970 – II ZR 52/68, WM 1971, 178; Urt. v. 10. November 1986 – II ZR 48/86, WM 1978, 677; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rdnr. 793).

Ansprüche aus abgetretenem Recht der Firma Stofft-Schönfeld stehen der Klägerin somit gegen die Beklagte nicht zu.

2. Der Beklagten steht aber ein Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht zu.

Das Berufungsgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, daß eine Bank dem Eigentümer eines Inhaberverrechnungsschecks nach §§ 990, 989 BGB i.V.m. Art. 21 ScheckG auf Schadenersatz haftet, wenn ihr bei dem Erwerb des Schecks infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, daß sie zum Besitz des Schecks nicht berechtigt war und wenn sie ihn nicht mehr herausgeben kann. Es hat jedoch ein grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten und damit ihre Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz zu Unrecht verneint.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben nicht, ob dem der Kreissparkasse A. erteilten Inkassoauftrag ein Sicherungstreuhandverhältnis oder eine Legitimationszession zugrunde gelegen hat (zu den Unterschieden vgl. BGHZ 5, 293; 69, 27; BGH, Urt. v. 11. November 1976 – II ZR 2/75, WM 1977, 49). Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kann das indessen dahinstehen.

a) Hat dem der Kreissparkasse A. erteilten Inkassoauftrag ein Sicherungstreuhandverhältnis zugrunde gelegen, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Inkassobeauftragte berechtigte Inhaberin des Schecks geworden ist. Denn in diesem Falle hätte sie die materielle Berechtigung des Scheckeinreichers G. grob fahrlässig verkannt. Das Berufungsgericht hat diese Fragen zwar nicht erörtert; der Senat ist jedoch in der Lage, diese Prüfung selbst vorzunehmen, da die dafür maßgebenden Umstände unstreitig feststehen.

Der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit erfordert, daß die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 5. Oktober 1974, II ZR 98/73, WM 1974, 1000). Im Rahmen eines Auftrags zum Inkasso eines Inhaberverrechnungsschecks begründet der bloße Besitz an dem Scheck eine widerlegbare Vermutung dafür, daß der Scheckeinreicher auch materiell berechtigt ist. Die Bank trifft daher grundsätzlich keine Verpflichtung, die materielle Berechtigung des Scheckeinreichers zu überprüfen. Eine solche Prüfungspflicht ergibt sich nur dann, wenn besondere Umstände nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Verdacht nahelegen, der Scheck könne seinem Eigentümer abhanden gekommen und vom Einreicher auf unredliche Weise erlangt worden sein (vgl. zuletzt Sen. Urt. v. 12. Januar 1987, II ZR 187/86, WM 1987, 337, 338). Derartige besondere Verdachtsgründe können sich einmal aus der Person des Scheckeinreichers sowie der Ungewöhnlichkeit des von ihm mit der Bank vereinbarten Geschäfts einschließlich seiner Begleitumstände, zum anderen aber auch aus der Scheckurkunde selbst, insbesondere ihrem äußeren Erscheinungsbild ergeben (vgl. die zusammenfassenden Darstellungen u.a. von Bundschuh, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Wechsel und Scheckrecht, 1987, 123 ff.; Liesecke, Die Haftung der Banken bei der Einziehung von Verrechnungsschecks nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WM 1965, 1146 ff.; Staudinger/Gursky a.a.O. § 990 Rdnrn. 43–50; Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 21 Rdnrn. 8–19; Canaris a.a.O. Rdnrn. 801–809). Bringt ein Scheckeinreicher, wie das im vorliegenden Falle geschehen ist, auf dem Scheck in dem Feld, das für die Einsetzung von Namen und Anschrift des Zahlungsempfängers vorgesehen ist, einen mit seinem Namen und seiner Anschrift versehenen Adreßaufkleber an, begründet dieser Umstand grundsätzlich erhebliche Verdachtsmomente gegen seine materielle Berechtigung. Denn das Aufbringen eines derart beschrifteten Aufklebers auf einer Scheckurkunde, für die das Gesetz die Einhaltung bestimmter förmlicher Voraussetzungen vorschreibt und das die Einfügung nicht vorgedruckter Merkmale nur durch Ausfüllen der Urkunde, nicht aber durch Aufkleben eines bedruckten oder beschrifteten Papierstückes vorsieht, wäre geeignet, die Sicherheit des Rechtsverkehrs im Scheckwesen in erheblicher Weise zu beeinträchtigen und dieses vom Gesetz mit der Wahrung einer gewissen Formstrenge verfolgte Ziel zu untergraben. Das gilt auch dann, wenn der Aufkleber – wie vorliegend – dazu verwendet wird, einen Scheckbestandteil abzuändern, dessen Eintragung in den Scheck vom Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben wird, an dessen Fehlen es aber gewisse Rechtsfolgen knüpft (Art. 5 Abs. 3 ScheckG), wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde Zweifel daran bestehen, ob die Abänderung dieses Merkmals mit Einwilligung des Berechtigten vorgenommen worden und wenn die Änderung geeignet ist, zu seinen Lasten rechtliche Nachteile mit sich zu bringen. Das Überkleben des im Scheckformular enthaltenen Feldes, in das der Zahlungsempfänger eingetragen werden kann, läßt primär den Verdacht aufkommen, daß die an dieser Stelle vorzunehmende und auch tatsächlich vorgenommene Eintragung verdeckt werden soll. Denn ist keine Eintragung erfolgt, besteht für ein Überkleben des Feldes kein Anlaß, da der Inhaber die Rechte aus dem Inhaberverrechnungsscheck geltend machen kann, ohne seine materielle Berechtigung nachweisen zu müssen. Dieses Recht steht dem Scheckinhaber auch dann zu, wenn der Zahlungsempfänger in dem vorgesehenen Feld eingetragen ist. Wird auch unter diesen Umständen ein Aufkleber angebracht und der in dem Feld vermerkte Zahlungsempfänger verdeckt, ergibt sich der Verdacht, daß der den Scheck Vorlegende befürchtet, ohne Verdeckung des ausgewiesenen Zahlungsempfängers den Scheck nicht einlösen zu können. Diesen Verdachtsumständen hat die Bank, welcher der Scheck vorgelegt wird, nachzugehen. Dem steht der Umstand, daß sich in der heutigen Zeit das Scheckgeschäft zu einem Massengeschäft entwickelt hat, nicht entgegen. Denn der den Scheck annehmende Bankangestellte, auf dessen Wissen in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB abzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 10. Dezember 1973, II ZR 138/72, WM 1974, 154; Urt. v. 11. Juli 1974 – II ZR 98/73, WM 1974, 1000, 1001; Canaris a.a.O. Rdnr. 797), hat auf jeden Fall die Vorderseite des Schecks in Augenschein zu nehmen und zu überprüfen, ob eine wirksame Scheckurkunde vorliegt. Da die Anbringung des Adreßaufklebers ohne weiteres erkennbar ist, muß ihm diese Unregelmäßigkeit auffallen. Er hat sodann die Entscheidung zu treffen, ob die Annahme des Schecks abgelehnt wird oder die Hintergründe der Anbringung des Adreßaufklebers und damit die Frage der materiellen Berechtigung des Scheckeinreichers überprüft und aufgeklärt werden. Werden diese Konsequenzen nicht gezogen, wird der Scheck vielmehr trotz der vorhandenen Auffälligkeit zum Inkasso angenommen, verletzt die Inkassobeauftragte die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten grob fahrlässig und haftet dem Geschädigten auf Leistung von Schadenersatz.

Die Kreissparkasse A. hat den von dem Buchhalter G. zum Inkasso eingereichten Inhaberverrechnungsscheck trotz der aus der Urkunde ersichtlichen Auffälligkeiten nicht beanstandet. Sie hat daher den Scheck auch nicht als Inkasso-Treuhänderin zu Eigentum erworben. Die Beklagte kann somit auch nicht einwenden, den Scheck gegenüber der Berechtigten eingelöst zu haben.

b) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen; die Kreissparkasse A. für die berechtigte treuhänderische Scheckinhaberin gehalten und daher gutgläubig an sie gezahlt zu haben. Auch wenn die Beklagte den der Kreissparkasse A. erteilten Inkassoauftrag als Sicherungstreuhandverhältnis angesehen hat, hat sie die gesamten Umstände verkannt, die auch die Inkassobeauftragte bei der Entgegennahme des Schecks nicht geprüft hat. Das Berufungsgericht hat zwar die Berechtigung der Beklagten zur Einlösung des Schecks mit der Begründung bejaht, allein der Umstand, daß ein mit dem Namen und der Anschrift des Scheckeinreichers versehener Adreßaufkleber auf einem Inhaberverrechnungsscheck unter Verdeckung des Zahlungsempfängers angebracht werde, ergebe keinen besonderen Verdachtsmomente gegen die materielle Berechtigung des Einreichers. Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß das Berufungsgericht zu diesem Ergebnis nur deswegen gelangt ist, weil es die für die Beurteilung dieser Frage maßgebenden Umstände nicht erschöpfend berücksichtigt hat (§ 286 ZPO). Wie die Ausführungen unter a) ergeben haben, führt die umfassende Würdigung zu dem Ergebnis, daß das Anbringen des Adreßaufklebers auf der Scheckurkunde in dem für die Eintragung des Zahlungsempfängers vorgesehenen Feld erhebliche Verdachtsmomente gegen die materielle Berechtigung des Scheckeinreichers ergeben.

Die Revisionserwiderung meint zwar, ein bösgläubiges Handeln der Beklagten komme deswegen nicht in Betracht, weil sich für sie im Verhältnis zur Kreissparkasse A. als der Inkassobank keine Verdachtsmomente gegen deren Berechtigung aufgedrängt hätten. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Revisionserwiderung könnte allenfalls dann gefolgt werden, wenn die den Verdacht begründenden Umstände in der Person des Scheckeinreichers gelegen hätten und nur der Inkassobeauftragten bekannt gewesen wären. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Umstände sind jedoch aus dem äußeren Erscheinungsbild der Scheckurkunde ersichtlich. Sie waren auch für die Beklagte ohne weiteres erkennbar. Dabei kann dahinstehen, ob nach der Vorstellung der Beklagten der auf dem Adreßaufkleber aufgeführte Zahlungsempfänger den Scheck eingereicht hat oder ein anderer Scheckinhaber. Denn es konnte sich stets nur um eine Person handeln, die entweder den Aufkleber selbst angebracht oder den Scheck nach Anbringung des Aufklebers erworben hatte. Ein gutgläubiger Erwerb des Schecks durch diese Personen war daher ausgeschlossen. Die Beklagte konnte unter diesen Umständen auf eine derart erworbene Berechtigung – auch der Inkassobeauftragten – nicht vertrauen.

c) Auch wenn, was mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts denkbar ist, eine Inkassoberechtigung der Kreissparkasse A. nur in Form der Legitimationszession vorgelegen hat und die Beklagte bei der Einlösung des Schecks von einer solchen ausgegangen ist, ändert das an der vorstehenden Beurteilung nichts. Auch in diesem Falle kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, den Scheckeinreicher für den materiell Berechtigten gehalten und den Scheck somit in gutem Glauben an ihre Einlösungsberechtigung bezahlt zu haben. Denn auch hier hat sie die sich nach dem äußeren Erscheinungsbild der Scheckurkunde aufdrängende fehlende Berechtigung des Scheckeinreichers grob fahrlässig verkannt.

3. Die Beklagte hat der Klägerin ein mitwirkendes Verschulden vorgeworfen (§ 254 BGB). Die hierzu erforderlichen Feststellungen müssen noch getroffen werden. Mit Rücksicht darauf war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Dr. Kellermann, Dr. Bauer, Dr. Hesselberger, Röhricht, Dr. Henze

 

Fundstellen

Haufe-Index 1134333

BGHZ

BGHZ, 316

NJW 1988, 911

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1988, 156

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