Leitsatz (amtlich)
›Übernimmt ein Kraftfahrzeughändler den Auftrag, den Verkauf des Gebrauchtwagens eines Neuwagenkunden zu vermitteln und gibt er bei Abschluß des Vermittlungsvertrages zur Frage der Versicherung des Kraftwagens für Probefahrten keine Erklärung ab, so darf der Eigentümer des nicht Vollkasko versicherten Gebrauchtwagens die Annahme des Auftrages dahin verstehen, der Händler werde für eine Fahrzeugversicherung sorgen. Unterläßt der Händler dies, muß er den Eigentümer im Falle der Beschädigung des Fahrzeugs durch einen vom probefahrenden Kaufinteressenten verschuldeten Unfall wegen positiver Vertragsverletzung so stellen, als hätte er eine Vollkaskoversicherung für das in seine Obhut genommene Fahrzeug abgeschlossen.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war Eigentümer eines Pkw Opel Commodore. Im Herbst 1980 beabsichtigte er, bei der Beklagten zu 2 (nachfolgend: die Beklagte) einen neuen Pkw zu kaufen und dabei sein Fahrzeug in Zahlung zu geben. Da er für dieses 6.000 DM forderte, die Beklagte aber nur 5.000 DM auf den Kaufpreis für einen Neuwagen anrechnen wollte, kam ein Kaufvertrag nicht zustande. Kurz nach dem Abbruch der Verhandlungen teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe einen Interessenten für sein Kraftfahrzeug, der zur Zahlung von 6.000 DM bereit sei. Auf ihre Bitte hin brachte ihr der Kläger am 23. Oktober 1980 seinen Wagen zum Verkauf. Er überließ ihr die Fahrzeugschlüssel und den Kraftfahrzeugschein. Die Beklagte stellte ihm für die Zeit bis zum verkauf seines Fahrzeugs einen Vorführwagen zur unentgeltlichen Nutzung zur Verfügung.
Am 25. Oktober 1980 zeigte der bei der Beklagten beschäftigte Verkaufsberater Siegfried S. dem Beklagten zu 1 (nachfolgend: der Beklagte) das Fahrzeug des Klägers. S. führte gemeinsam mit dem Beklagten eine Probefahrt durch. Nachdem der BekLagte das Steuer übernommen hatte, kam es zu einem UnfalL. Der Beklagte fuhr auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug auf. S. und der Beklagte wurden schwer verletzt. Der Wagen des Klägers zerbrach in zwei Teile. Aufgrund des Vorfalles wurde der Beklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit der Klage hat der Kläger als Wiederbeschaffungswert für den Pkw 4.900 DM, als Zeitwert der Sonderausstattung seines Fahrzeuges 1.396,21 DM, für Gutachterkosten 181,26 DM, für Abchleppkosten 632,80 DM und für Unkosten 30 DM, insgesamt 7.140,27 DM verlangt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte hat die Verurteilung hingenommen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision, der Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht führt aus:
Die BekLagte habe den Verkauf des Fahrzeugs des Klägers nicht aus Gefälligkeit, sondern zur Vorbereitung des Verkaufs eines Neuwagens übernommen. Aufgrund des Vermittlungsauftrages des Klägers sei sie verpflichtet gewesen, seine Vermögensinteressen wahrzunehmen. Gegen die ihr demnach ohliegenden Pflichten habe der Verkäufer verstoßen, für den sie als ihren Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB einzustehen habe.
Zwar sei S. zu einer Probefahrt und dazu, bei dieser den Beklagten das Fahrzeug führen zu lassen, berechtigt gewesen. S. habe den Unfall auch nicht verhindern können. Zu dem Unfall sei es gekommen, weil der Beklagte der Aufforderung von S., wegen des herrschenden Nieselwetters langsamer zu fahren, nicht nachgekommen und mit überhöhter Geschwindigkeit weitergefahren sei. Tätliches Eingreifen hätte die Gefahr nur erhöht. Hierzu hätte auch die vorhandene Zeit nicht ausgereicht, weil sich der Unfall unmittelbar nach der Ermahnung ereignet habe.
S. habe aber die der Beklagten obliegende Aufklärungspflicht verletzt. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte zum Abschluß einer Kaskoversicherung für das Fahrzeug des Klägers verpflichtet gewesen sei. Jedenfalls sei S. gehalten gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß sie nicht beabsichtige, eine solche Versicherung abzuschließen. Dennoch habe die Beklagte für den Schaden des Klägers nicht einzustehen. Der Kläger habe nämlich keinen Schaden erLitten, der durch eine solche Hinweispflicht oder eine möglicherweise bestehende Versicherungspflicht verhindert werden solle. Er falle mit seiner Schadensersatzforderung gegen den Beklagten nicht aus, der rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilt sei. Zwar trage der Kläger das Risiko der Realisierung seines Schuldtitels gegen den Beklagten, was durch Abschluß einer Kaskoversicherung verhindert worden wäre. Die Aufklärungspflicht und eine eventuelle Verpflichtung zum Abschluß einer soLcher Versicherung beständen aber nicht im Hinblick darauf, daß Fahrzeuge wegen des erhöhten Unfallrisikos bei Probefahrten überhaupt Schäden erleiden könnten und daß es schwierig sein könne, von den Schädigern Ersatz zu erlangen. Dieses Risiko sei den Kunden bekannt ebenso wie die Möglichkeit, sich dagegen durch den Abschluß einer Kaskoversicherung zu schützen. Dazu bedürfe es keines Hinweises. Die Hinweispflicht des den Verkauf eines Kraftfahrzeugs vermitteltenden Automobilhändlers diene vielmehr dazu, den Eigentümer des Fahrzeugs vor den Risiken zu bewahren, die sich für den Fall ergäben, daß der zur Probefahrt berechtigte Kaufinteressent wegen der mit einer solchen Fahrt für ihn verbundenen Gefahren nur für eine vorsätzlich oder grob fahrlässig herheigeführte Beschädigung des Fahrzeugs hafte. Insoweit fehle es im vorliegenden Fall an dem ordentlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung der Aufklärungspflicht und dem tatsächlich eingetretenen Schaden.
2. Gegen das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis wendet sich die Revision mit Erfolg.
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei dem Kläger gegenüber befugt gewesen, den Beklagten eine Probefahrt durchführen zu lassen, ist nicht zu beanstanden. Die Revision hat auch weder hiergegen noch gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, den Verkaufsberater S. treffe kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls, Einwendungen erhoben.
b) Die Beklagte hat jedoch deswegen für den dem Kläger entstandenen Schaden einzustehen, weil sie verpflichtet gewesen wäre, das Fahrzeug des Klägers zu versichern. Der Kläger hätte dann Ersatz seines Schadens von der Kaskoversicherungsgesellschaft erlangen können.
aa) Der erkennende Senat hat es als gerechtfertigt angesehen, für die Probefahrt des Kaufinteressenten mit dem Vorführwagen eines Kraftfahrzeughändlers einen durch schlüssiges Verhalten vereinbarten Ausschluß der Haftung für eine Beschädigung des Fahrzeugs durch leichte Fahrlässigkeit jedenfalls für den Fall anzunehmen, daß die Schäden mit den einer Probefahrt eigentümlichen Gefahren zusammenhängen (Senatsurteil vom 7. Juni 1972 - VIII ZR 35/71 = NJW 1972, 1363). Einen solchen Haftungsausschluß hat der Senat auch für die Probefahrt mit einem nicht dem Händler, sondern einem Dritten gehörenden Fahrzeug angenommen, das dem Kraftfahrzeughändler zur Verkaufsvermittlung überlassen worden war (Senatsurteil vom 10. Januar 1979 - VIII ZR 264/76 = WM L979, 367).
bb) Der Senat hat in den genannten Entscheidungen die Haftungsbeschränkung auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadensverursachung im wesentlichen damit gerechtfertigt, daß dem Automobilhändler der Abschluß einer Kaskoversicherung zumutbar sei und der Kaufinteressent grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, für eine durch leichte Fahrlässigkeit verursachte Beschädigung des Fahrzeuges bei einer Probefahrt im Hinblick auf § 15 Abs. 2 AKB nicht zu haften. Die Frage, ob der Automobilverkäufer gegenüber dem Fahrzeugeigentümer gehalten ist, den ihm von diesem zur Verkaufsvermittlung überlassenen Kraftwagen Vollkasko zu versichern, hat der Senat bisher nicht entschieden. Sie ist jedenfalls für einen Fall wie hier zu bejahen.
Bei Probefahrten besteht im allgemeinen ein erhöhtes Unfallrisiko. Das hat der Senat in den Urteilen vom 7. Juni 1972 und 10. Januar 1979 im einzelnen begründet. Hierauf wird verwiesen. Der Fahrzeugeigentümer kann nicht überblicken, wem der Automobilhändler das Fahrzeug zur Probefahrt anvertraut. Auch wenn er den Händler zu sorgfältiger Auswahl verpflichtet, kann er nicht verhindern, daß sein Wagen Personen überlassen wird, die - etwa wegen zu geringer Fahrpraxis - nicht oder nur bedingt für Probefahrten geeignet sind. Ein Auswahlverschulden des Fahrzeughändlers ist oft schwer zu beweisen. Der Eigentümer des Fahrzeugs ist außerdem daran interessiert, daß er nicht nur davor bewahrt wird, den bei einer Probefahrt verursachten Schaden im Falle des bei leichter Fahrlässigkeit des Kaufinteressenten anzunehmenden Haftungsausschlusses selbst tragen zu müssen (vgl. die Ausführungen zu 2 b aa), sondern auch davor, daß er keinen Schadensersatz von dem Kaufinteressenten zu erlangen vermag, der zwar wegen grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalles schadensersatzpflichtig, aber nicht in der Lage ist, für den Schaden aufzukommen. Vor all diesen Risiken kann der Eigentümer des Wagens durch eine Fahrzeugversicherung geschützt werden. Daran, daß eine solche Versicherung bei der Probefahrt besteht, ist auch der Automobilhändler interessiert, weil ihm daran gelegen ist, den Fahrzeugeigentümer nicht als Kunden zu verlieren. Diesem ist es, wie der Senat bereits in dem Urteil vom 10. Januar 1979 angenommen hat, nicht zuzumuten, lediglich mit Rücksicht auf den beabsichtigten Verkauf seines Wagens eine Fahrzeugversicherung abzuschließen, während für den Fahrzeughändler für Fahrzeuge, die sich in seiner Obhut befinden, der Abschluß einer Vollkaskoversicherung nach Nr. 1 oder 4 der Sonderbedingung zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk (BAnz Nr. 20 vom 28. Oktober 1970) ohne weiteres möglich und deshalb auch zumutbar ist. Nimmt der Händler - wie hier - das Angebot auf Vermittlung des Verkaufs eines Kraftwagens an, ohne eine Erklärung zur Versicherung des Fahrzeugs für den Fall einer Probefahrt abzugeben, ist er aufgrund der Fürsorgepflicht, die er durch die Annahme des Vermittlungsauftrags übernommen hat, dem Fahrzeugeigentümer gegenüber gehalten, dessen Kraftwagen zu versichern. Das gilt jedenfalls für den hier gegebenen Fall, daß der Automobilhändler an der Verkaufsvermittlung selbst wirtschaftlich interessiert ist, weil dann der Eigentümer des Fahrzeugs erwarten darf, der Händler werde seine Interessen umfassend wahrnehmen. Es ist allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß Erklärungen, die ein Verhandlungspartner im Rahmen von Vertragsverhandlungen abgibt, so zu beurteilen sind, wie sie der andere Verhandlungspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verstehen darf. Dies gilt auch für Erklärungen, welche durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Übernimmt daher ein Kraftfahrzeughändler den Auftrag, den Verkauf des Gebrauchtwagens eines Interessenten für ein neues Kraftfahrzeug zu vermitteln und gibt er hierbei zur Frage der Versicherung des Kraftwagens für Probefahrten keine Erklärung ab, so darf der Eigentümer die Annahme des Auftrages dahin verstehen, der Händler werde für eine Fahrzeugversicherung sorgen. Unterläßt er dies, muß er den Eigentümer im Falle einer Beschädigung des Fahrzeugs wegen positiver Vertragsverletzung so stellen, als hätte er eine Vollkaskoversicherung für das in seine Obhut genommene Fahrzeug abgeschlossen. Darauf, ob es, wie die Beklagte vorgetragen hat, unüblich ist, Gebrauchtwagen bei Probefahrten mit roten Kennzeichen zu versehen und so der Vollkaskoversicherung des Automobilhändlers zu unterwerfen, kommt es nicht an, weil allein entscheidend ist, welche Verpflichtungen sich aus dem Vermittlungsauftrag ergeben. Nach § 276 BGB haftet der Schuldner für die Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Wer einem der Verpflichtung entgegenstehenden allgemeinen Brauch folgt, wird dadurch nicht entlastet (BGHZ 23, 288, 290).
Das Senatsurteil vom 10. Januar 1979 steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Dort ist ausgeführt, es sei möglich, daß der Eigentümer des Gebrauchtwagens, der den die Verkaufsvermittlung übernehmenden Kraftfahrzeughändler nicht zum Abschluß einer Vollkaskoversicherung verpflichte, sich im Falle eines Schadenseintritts bei einer Probefahrt so behandeln lassen müsse als bestünde Versicherungsschutz nach Maßgabe der Sonderbedingungen zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk. Diese Ausführungen beziehen sich anders als hier auf das Verhältnis des Fahrzeugeigentümers zu dem probefahrenden Kaufinteressenten und betrafen die besondere, hier gleichfalls nicht gegebene Sachlage, daß der Eigentümer des Gebrauchtwagens sich bei Abschluß des Vermittlungsvertrages auf die ausdrückliche Vereinbarung einläßt, der Kraftfahrzeughändler sei nicht zur Versicherung des Fahrzeugs verpflichtet.
cc) Unstreitig hat der Verkaufsberater S. das im Betrieb der Beklagten vorhandene rote Nummernschild für die Probefahrt des Beklagten nicht verwendet und damit fahrlässig gegen die Verpftichtung der Beklagten zur Versicherung des Fahrzeugs des Klägers verstoßen. Für sein Verschulden haftet die Beklagte, weil er als ihr Erfüllungsgehilfe (278 BGB) anzusehen ist.
dd) Zwischen dem Unterlassen des Abschlusses einer Fahrzeugversicherung und dem eingetretenen Schaden besteht auch der erforderliche Kausalzusammenhang. Wäre der Wagen des Klägers versichert gewesen, hätte der Kläger von der Kaskoversicherungsgesellschaft Ersatz für den Schaden, der im Rahmen der Kaskoversicherung erstattet wird, erhalten. Auch der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zurechenbarkeit des Schadens erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang (vgl. dazu BGHZ 57, 137, 142 m.w.N.) ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichts gegeben. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, dient die Verpftichtung des Kraftfahrzeughändlers zur Versicherung des Fahrzeugs nicht nur dem Schutz des Kaufinteressenten, sondern genauso auch dem Schutz des Fahrzeugeigentümers, und zwar vor alten Risiken, die durch eine Fahrzeugversicherung abgedeckt werden. Der Umstand, daß auch der Beklagte nach dem Urteil des Landgerichts für die Unfallfolgen einstehen muß, ist auf die Haftung der Beklagten ohne Einfluß.
3. Dem Grunde nach steht daher die Ersatzpflicht der Beklagten fest. Der Senat ist jedoch nicht in der Lage, festzustellen, in welcher Höhe der Klageanspruch gerechtfertigt ist. Die Beklagte muß den Kläger so stellen wie er bei Abschluß einer Fahrzeugversicherung gestanden hätte. Ob der geltend gemachte Schaden in vollem Umfang von einer Kaskoversicherung gedeckt worden wäre, hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt. Das muß nachgeholt werden.
Das angefochtene Urteil war daher im Kostenausspruch aufzuheben und im übrigen zu ändern, soweit die Klage gegen die Beklagte abgewiesen worden ist. Es war zu erkennen, daß der Klageanspruch gegen die Beklagte dem Grunde nach gerechtfertige ist (§ 304 ZPO). Im Umfang der Aufhebung und zur Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs gegen die Beklagte war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverwe-iösen. Diesem war auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen, weil sie vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt.
Fundstellen
Haufe-Index 2992828 |
NJW 1986, 1099 |
DAR 1986, 143 |
MDR 1986, 577 |
VRS 70, 411 |
VersR 1986, 492 |
ZfS 1986, 196 |