Leitsatz (amtlich)
Für den Wegfall der Sperrwirkung des § 91 a SoldVG ist nicht erforderlich, daß sich der Vorsatz des Schädigers auf Umfang und Folgen der Wehrdienstbeschädigung bezieht; vielmehr reicht es aus, daß die Folgen nach den Grundsätzen des adäquaten Kausalzusammenhangs der vorsätzlichen unerlaubter. Handlung zugerechnet werden können.
Normenkette
SoldatVG § 91a
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 06.11.1992) |
LG Kiel |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung der Anschlußrevision des Beklagten zu 1) das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 6. November 1992 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil des Klägers ergangen ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten – damals beide wie er selbst Soldaten – Schadensersatz aus einem Vorfall vom 15. Juni 1982. An diesem Tag wartete der Kläger gegen 21.00 Uhr vor einer außerhalb des Kantinengebäudes der Kaserne gelegenen Telefonzelle. Nach einem Wortgeplänkel mit dem hinzukommenden Zeugen K. kam es zu einem Streit zwischen den von diesem herbeigeholten Beklagten und dem Kläger, in dessen Verlauf der Kläger geschlagen wurde, mehrfach zu Boden ging und schließlich mit einer 2 × 2 cm großen Prellmarke am Hinterkopf liegenblieb. Die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig. Die Verletzung ist durch Bescheid des Versorgungsamtes K. vom 1. Oktober 1984 sowie durch die Urteile des Sozialgerichts K. vom 22. Oktober 1987 – S 10 V 248/87 – und des Landessozialgerichts S. vom 6. März 1989 – L 2 a V 4/88 – als Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden.
Der Kläger hat behauptet, selbst keinen Anlaß zum Streit gegeben zu haben, sondern von den Beklagten und dem Zeugen K. angepöbelt worden zu sein. Der Erstbeklagte habe ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, der ihn zu Boden geworfen habe. Nachdem er wieder aufgestanden sei, habe der Zweitbeklagte ihn zuerst durch einen Fußtritt und nach erneutem Aufrichten nochmals durch mehrere Karatehiebe ins Gesicht zu Fall gebracht, woraufhin er für mehrere Stunden bewußtlos gewesen sei. Durch die Gewalttätigkeiten habe er u.a. eine Gehirnverletzung (contusio cerebri) erlitten, aus welcher sich eine Epilepsie als Dauerzustand entwickelt habe. Er hat die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 5.000 DM sowie – vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs auf Sozialversicherungsträger – die Feststellung beantragt, daß die Beklagten ihm als Gesamtschuldner zum Ersatz aller weiteren Schäden aus der Körperverletzung vom 15. Juni 1982 verpflichtet seien.
Der Beklagte zu 1) hat geltend gemacht, der von ihm eingeräumte Schlag auf das Kinn des Klägers könne die von diesem behauptete Hirnverletzung nicht zur Folge gehabt haben, da der Kläger sofort wieder aufgestanden sei. Der Beklagte zu 2) hat behauptet, der Kläger sei nur einmal und zwar nach dem Faustschlag des Beklagten zu 1) zu Boden gegangen. Er selbst habe sich lediglich mit einem leichten Fußtritt gegen Angriffe des Klägers gewehrt.
Das Landgericht hat unter Klagabweisung im übrigen die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 3.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. April 1985 verurteilt. Die Berufung des Klägers blieb ebenso wie die Anschlußberufungen der Beklagten ohne Erfolg.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge auf Feststellung sowie auf Zahlung eines höheren Schmerzensgeldes weiter. Der Beklagte zu 1) erstrebt mit der Anschlußrevision Klagabweisung in vollem Umfang.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme davon aus, daß beiden Beklagten eine vorsätzliche Körperverletzung des Klägers zur Last falle, so daß dessen Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung nicht nach § 91 a des Soldatenversorgungsgesetzes (SoldVG) ausgeschlossen seien. Es meint, die Beklagten hafteten hierfür als Gesamtschuldner nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V. mit § 840 Abs. 1 BGB, weil sie beide an der Körperverletzung des Klägers beteiligt gewesen seien und sich – jedenfalls in dem Umfang, in dem körperliche Schäden und gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers bewiesen worden seien – nicht ermitteln lasse, welcher Beklagter sie verursacht habe. Eine Abgrenzung zwischen den Tatbeiträgen der beiden Beklagten sei nicht möglich, weil mit Sicherheit nur eine Gehirnerschütterung (commotio cerebri) sowie Nackenschmerzen durch Gewalteinwirkung gegen den Kopf des Klägers festgestellt werden könnten, diese Verletzungen jedoch durch jeden der Beklagten verursacht worden sein könnten.
Weitergehende Verletzungen, insbesondere eine Hirnschädigung (contusio cerebri) mit daraus entstandener Epilepsie habe der Kläger nicht zu beweisen vermocht. Zwar sei nach den vorliegenden Gutachten davon auszugehen, daß beim Kläger eine schwere Erkrankung vorliege. Indessen sei noch nicht zuverlässig festgestellt, daß diese jedenfalls erst im Jahr 1983 hervorgetretene schwere Erkrankung Erscheinungsform einer hirnorganischen Veränderung, nämlich einer Epilepsie, sei und daß diese auf einer Hirnverletzung beruhe. Ebensowenig sei sicher, daß der Kläger am 15. Juli 1982 tatsächlich eine Hirnverletzung und nicht nur eine Gehirnerschütterung erlitten habe. Die damals von den Ärzten gestellte Diagnose einer contusio cerebri habe ausschließlich auf der Bewertung klinischer Befunde beruht, die auch durch eine commotio cerebri erklärt werden könnten. Ebensowenig ergebe sich der direkte Nachweis eines Hirnschadens aus später erhobenen Befunden, insbesondere aus den Computertomogrammen. Wenn auch die im Sozialgerichtsverfahren eingeholten Gutachten auf ein hirnorganisches Anfallsleiden des Klägers hinwiesen, so sei die Meinungsbildung der dortigen Gutachter doch in weiten Bereichen auf Beschreibungen der Erscheinungsformen der Anfälle des Klägers durch medizinische Laien gestützt. Da es bisher an zuverlässigen ärztlichen Beobachtungen über die Art der Anfälle des Klägers fehle, sei – so die Auffassung der Sachverständigen im vorliegenden Rechtsstreit – eine sichere Beurteilung der Erkrankung des Klägers erst nach dessen stationärer Untersuchung möglich. Da der Kläger es abgelehnt habe, sich entsprechend dem ergänzenden Beweisbeschluß bei stationärer Aufnahme in eine Klinik durch den Sachverständigen Prof. Dr. Chr. untersuchen zu lassen, obwohl keine Anhaltspunkte für dessen Befangenheit vorgetragen worden seien, vermöge sich das Berufungsgericht nicht davon zu überzeugen, daß die schwere Gesundheitsschädigung des Klägers durch die Tätlichkeiten der Beklagten verursacht worden sei.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision wie auch der Anschlußrevision nicht durchweg stand.
A. Revision des Klägers:
1. Erfolglos bleibt allerdings die auf § 551 Nr. 7 ZPO gestützte Revisionsrüge, die angefochtene Entscheidung befasse sich zwar ausführlich mit der Frage, ob bei dem Kläger ein hirnorganisches Anfallsleiden vorliege, enthalte jedoch keine Begründung dafür, daß das Berufungsgericht auch eine psychopathologische Erkrankung nicht angenommen habe. Ein Begründungsmangel liegt insoweit jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht hat vielmehr dargelegt, weshalb es sich nicht davon überzeugen konnte, daß die Tätlichkeiten vom 15. Juni 1982 zu einer Hirnschädigung des Klägers geführt hätten, als deren Folge ein hirnorganisches Anfallsleiden (Epilepsie) oder eine andere physio- oder psychopathologische Erkrankung entstanden sei. Konnte jedoch das Berufungsgericht bereits seine Zweifel daran, ob der Kläger überhaupt eine Hirnschädigung erlitten habe, nicht überwinden, so bedurfte es entgegen der Auffassung der Revision keiner weiteren Ausführungen zu deren etwaigen Folgen.
2. Mit Recht sieht die Revision jedoch einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts darin, daß es entgegen § 287 ZPO nicht berücksichtigt hat, daß der Sachverständige Prof. Dr. G. – obwohl auch er eine hirnorganische Verletzung des Klägers bei dem Vorfall am 15. Juni 1982 nicht feststellen konnte – die psycho-pathologische Entwicklung des Klägers eindeutig als Folge der gegen ihn gerichteten Gewalteinwirkung bezeichnet und in diesem Zusammenhang vom Verdacht einer psychischen Grunderkrankung gesprochen hat. Diese gutachtliche Aussage hat der Sachverständige bei seiner Anhörung am 4. Dezember 1991 bekräftigt und zusätzlich erklärt, die sehr starke Depression, die beim Kläger festzustellen sei, stehe in einem Kausalzusammenhang mit der gesamten Entwicklung, die sich seither ergeben habe. Deshalb hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob die Leiden des Klägers ganz oder teilweise auf einer durch die Unfallverletzungen hervorgerufenen psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung beruhen, für deren Folgen die Beklagten unter bestimmten Voraussetzungen einzustehen hätten (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1990 – VI ZR 353/89 – VersR 1991, 432 f. m.w.N.). Auch psychisch bedingte Gesundheitsschäden, die Folge einer psychischen Fehlverarbeitung der Verletzungshandlung des Schädigers sind, fallen nämlich unter die Ersatzpflicht der §§ 823 Abs. 1, 847 BGB. Eine Grenze findet der Ersatzanspruch in diesen Fällen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur dort, wo sich in dem Versagenszustand letztlich das allgemeine Lebensrisiko des Verletzten aktualisiert hat, weil es dann am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der Neurose mit ihren Folgen fehlt (Senatsurteil a.a.O. m.w.N.). Insoweit ist mangels tatsächlicher Feststellungen für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daß keine unangemessene, den Ersatzanspruch ausschließende Erlebnisverarbeitung beim Kläger vorliegt. Da Prof. Dr. G. einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Wesensveränderung des Klägers bejaht hat, durfte das BG sich nicht mit der Erwägung begnügen, die depressive Entwicklung beim Kläger könne auch Folge einer unfallunabhängigen Erkrankung sein. Jedenfalls hätte es einer näheren Auseinandersetzung mit der Auffassung des Gutachters zur psychischen Seite bedurft, insbesondere auch im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen den Unfallverletzungen und der Veränderung der Persönlichkeitsstruktur des Klägers.
3. Konnte das Berufungsgericht mithin auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen die Kausalität der Verletzungen vom 15. Juli 1982 für den Gesundheitsschaden des Klägers nicht abschließend beurteilen, so kann schon aus diesem Grund auch die Abweisung des Feststellungsantrags keinen Bestand haben.
B. Anschlußrevision des Beklagten zu 1):
1. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, soweit es die Auffassung des Berufungsgerichts in Zweifel zieht, eine Haftung des Beklagten zu 1) sei nicht durch § 91 a Abs. 1 Satz 2 SoldVG ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß für die Ansprüche des Klägers die Sperrwirkung des § 91 a SoldVG in Betracht kommt, weil es sich bei der Verletzung vom 15. Juni 1982 um eine Wehrdienstbeschädigung handelt. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 9. Februar 1993 – VI ZR 23/92 – VersR 1993, 591 ff. näher dargelegt hat, liegt eine Wehrdienstbeschädigung vor, wenn der Unfall auf Lebensbedingungen beruht, die eng mit den besonderen Begebenheiten des Dienstes verknüpft sind, dessen typische Merkmale aufweisen und sich außerdem deutlich von den entsprechenden Verhältnissen des Zivillebens unterscheiden. Das ist bei dem hier in Rede stehenden Vorfall – Streit zwischen teilweise angetrunkenen kasernierten Soldaten auf dem Kasernengelände vor der Telefonzelle – zu bejahen. Auch das Versorgungsamt und die Sozialgerichte haben den Vorfall als Wehrdienstbeschädigung beurteilt (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 1993 – a.a.O.). Mithin kann der Kläger gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 SoldVG Ansprüche nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, die weitergehende Leistungen als nach dem Soldatenversorgungsgesetz begründen, gegen im Dienst des Bundes stehende Personen – nämlich die Beklagten als Soldaten – nur dann geltend machen, wenn die Wehrdienstbeschädigung durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung dieser Personen verursacht worden ist oder wenn sich der Vorfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignet hat.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger sei in der Geltendmachung seiner Ansprüche gegen die Beklagten nicht beschränkt, weil sie vorsätzlich gehandelt hätten, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Anschlußrevision rügt insoweit einen Begründungsmangel gemäß § 551 Nr. 7 ZPO, weil das Berufungsgericht sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung lediglich auf seinen Beschluß vom 17. November 1989 betreffend den Prozeßkostenhilfeantrag des Beklagten zu 2) bezogen habe, die dortige Begründung jedoch nicht erkennen lasse, weshalb das Berufungsgericht auf § 91 a SoldVG nicht die vom erkennenden Senat zu §§ 636 ff. RVO entwickelten Grundsätze (BGHZ 75, 328, 330 f.) entsprechend anwende. Entgegen der Auffassung der Anschlußrevision liegt ein Begründungsmangel jedoch nicht vor, weil das Berufungsgericht sich in dem zulässigerweise in Bezug genommenen Beschluß hinreichend mit der angesprochenen Rechtsfrage befaßt hat.
b) Auch in der Sache bleibt die Anschlußrevision insoweit ohne Erfolg. Sie stellt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß eine Haftung des Beklagten zu 1) nach § 91 a Abs. 1 Satz 2 SoldVG nicht ausgeschlossen sei, unter Hinweis auf die abweichende Meinung von Deutsch, Haftungsrecht, § 17 III/2 zur Überprüfung. Danach (a.a.O. S. 258) soll die Haftung des Soldaten nicht schon bei vorsätzlicher Verletzung eines Rechtsguts, sondern erst bei vorsätzlicher Schadenszufügung eintreten, so daß sich der Vorsatz auch auf die Zufügung des Schadens beziehen müsse, wie der Senat das für die Regelung von Schadensersatzansprüchen nach einem Arbeitsunfall gemäß §§ 636, 637, 640 RVO entschieden hat (BGHZ 75, 328, 330 f.). Das Berufungsgericht hat eine derartige Einschränkung der Haftung nach § 91 a SoldVG verneint, weil sich diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut und Sinn von § 636 RVO unterscheide. Sie hebe nämlich auf eine „vorsätzliche unerlaubte Handlung” ab und nicht etwa auf die vorsätzliche Herbeiführung einer Wehrdienstbeschädigung, während nach § 636 RVO das Haftungsprivileg nur dann nicht eingreife, wenn der Versicherte „den Arbeitsunfall”, d.h. den Schaden vorsätzlich herbeigeführt habe. Auch nach Sinn und Zweck des Soldatenversorgungsgesetzes verbiete es sich, die vom erkennenden Senat zu den §§ 636, 637, 640 RVO entwickelten Grundsätze auf § 91 a SoldVG zu übertragen.
Das erweist sich als zutreffend. Wie der Senat a.a.O. S. 331 ausgeführt hat, handelt es sich bei der Regelung von Schadensersatzansprüchen nach einem Arbeitsunfall gemäß §§ 636 ff. RVO einschließlich der Regreßansprüche nach § 640 RVO um ein in sich geschlossenes System der Schadensbereinigung, das die deliktische Individualhaftung des Schädigers durch die Leistungen der Versichertengemeinschaften umfassend ablöst und nur ausnahmsweise – nämlich bei Vorsatz bzw. im Fall des Rückgriffs nach § 640 RVO auch bei grober Fahrlässigkeit des Schädigers – zu Lasten des Schädigers durchbrochen wird. Dieser Ausnahmecharakter rechtfertigt es, innerhalb des Bereichs der gesetzlichen Unfallversicherung den Versicherungsschutz des Schädigers nur dann entfallen zu lassen, wenn sein Vorsatz sich nicht nur auf das Schadensereignis, sondern – mindestens bedingt – auch auf die Schadensfolgen erstreckt hat. Der Senat hat a.a.O. insoweit auch auf die vergleichbare Regelung im Bereich der privaten Versicherung hingewiesen (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 AHB bzw. § 152 VVG), wonach Ansprüche von Personen, die den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben, von der Versicherung ausgeschlossen bleiben.
Diese Grundsätze sind indessen nur für das abgeschlossene Haftungssystem der §§ 636 ff. RVO entwickelt worden und können deshalb, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht ohne weiteres auf die Regelung des § 91 a SoldVG übertragen werden, der ein vergleichbares Haftungssystem nicht zugrunde liegt. Diese Vorschrift entspricht vielmehr nach Wortlaut und Systematik den beamtenrechtlichen Vorschriften (zur früheren Rechtslage vgl. BGHZ 34, 375, 377), die jetzt durch § 46 BeamtVG vereinheitlicht sind. Nach § 46 Abs. 1 BeamtVG richten sich die – beschränkten – Ansprüche des Verletzten und seiner Hinterbliebenen aus Anlaß eines Dienstunfalls grundsätzlich nur gegen den öffentlich-rechtlichen Dienstherrn; weitergehende Ansprüche aufgrund allgemeiner gesetzlicher Vorschriften können von ihnen nach Abs. 2 gegen einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder gegen die in seinem Dienst stehenden Personen nur dann geltend gemacht werden, wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzlich unerlaubte Handlung einer solchen Person oder – was hier ausscheidet – bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr verursacht worden ist. Der Bundesgerichtshof hat dies in der bereits erwähnten Entscheidung BGHZ 34, 375, 381 für die seinerzeit maßgebende, gleichlautende Regelung in § 122 Abs. 2 des Hessischen Beamtengesetzes dahin erläutert, daß diese Vorschrift ebenso wie die anderen (damaligen) beamtenrechtlichen Bestimmungen das Verschuldensmerkmal „vorsätzlich” in Bezug zu der unerlaubten Handlung setze, nicht jedoch zu der Verursachung des Dienstunfalls, so daß nur eine vorsätzliche unerlaubte Handlung, nicht aber eine vorsätzliche Verursachung des Dienstunfalls vorausgesetzt werde. Eine Erstreckung des Vorsatzes auf die Schadensfolgen, insbesondere auf diejenigen der sogenannten haftungsausfüllenden Kausalität, ist deshalb nicht gefordert worden. Ebenso entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß sich der Vorsatz für die Haftung des Schädigers nach §§ 823 ff. BGB – abgesehen von § 826 BGB – nicht auf die gesamten Schadensfolgen erstrecken muß. Für die Haftung des Beamten nach § 839 BGB genügt sogar, daß sich der Vorsatz nur auf die Verletzung der Amtspflicht bezieht; nicht ist erforderlich, daß der Beamte einen Schaden vorausgesehen hat oder auch nur voraussehen konnte (BGH, Urteil vom 8. April 1988 – V ZR 34/87 – BGHR-BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 „Vorsatz 2” – insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 104, 139 ff; Urteile vom 28. März 1985 – III ZR 36/84 – VersR 1985, 738 und vom 21. Mai 1987 – III ZR 25/86 – VersR 1987, 1112, 1113 f. jeweils m.w.N.). Auch für den Rückgriffsanspruch des Dienstherrn gegen den schädigenden Beamten nach Art. 34 Satz 2 GG muß sich der Vorsatz nicht auf den Schaden beziehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1980 – III ZR 101/78 – VersR 1980, 924, 925 m.w.N.; vgl. auch Geigel/Kunschert, Der Haftpflichtprozeß, 21. Aufl., 20. Kapitel Rdn. 134). Da die insoweit für den Vorsatzbegriff entwickelten Grundsätze angesichts der Übereinstimmung in Wortlaut und Zielsetzung auf die nunmehr geltende Regelung des § 46 Abs. 2 BeamtVG ebenso anwendbar sind wie auf die entsprechende Vorschrift des § 91 a SoldVG, liegt auf der Hand, daß sich der für die Aufhebung der Sperrwirkung nach dieser Vorschrift erforderliche Vorsatz für Schadensersatzansprüche gegen den schädigenden Soldaten nach § 823 Abs. 1 BGB, wie sie vorliegend zu beurteilen sind, lediglich auf die Rechtsgutsverletzung, nicht aber auf die Schadenszufügung beziehen muß (so auch Rieker, VersR 1989, 782).
Soweit die Anschlußrevision abweichende Folgerungen aus der Regelung der §§ 636 ff. RVO und der hierzu entwickelten, oben dargestellten Rechtsprechung des erkennenden Senats ziehen will, ist schon in der Entscheidung BGHZ 34, 375, 381 für die damals geltende Vorschrift des § 898 RVO, die ebenso wie § 636 RVO auf die vorsätzliche Herbeiführung eines Unfalls abhob, die Auffassung vertreten worden, daß die Unterschiede zwischen der hoheitlichen Betätigung der öffentlichen Hand und der wirtschaftenden Tätigkeit des Unternehmers einerseits sowie dem Dienstverhältnis des Beamten und dem Arbeitsverhältnis des Sozialversicherten andererseits derart deutlich seien, daß es nicht gerechtfertigt erscheine, entgegen dem Wortlaut der beamtenrechtlichen Vorschriften den Vorsatzbegriff des § 898 RVO entsprechend zu übernehmen. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für das Verhältnis zwischen § 636 RVO und § 91 a SoldVG an. Die Vorschriften gehören zu jeweils unterschiedlichen Regulierungssystemen. Das ergibt sich schon daraus, daß durch §§ 636 ff. RVO die Individualhaftung des Schädigers durch den Eintritt der Gemeinschaft der Versicherten umfassend abgelöst wird, während durch § 91 a SoldVG nur die Schadensersatzansprüche des verletzten Soldaten gesperrt werden, die nicht auf den Versorgungsträger übergehen (vgl. BGHZ 6, 3 ff.; ständ. Rspr.). Eine vergleichbare Ersetzung der Individualhaftung durch ein Kollektiv findet hier also gerade nicht statt. Das rechtfertigt es, ebenso wie für den Rückgriff des Dienstherrn bei dem schädigenden Soldaten auch für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Verletzten selbst eine eigenständige, von den §§ 636 ff. RVO abweichende Regelung zugrundezulegen.
Danach reicht es für den Wegfall der Sperrwirkung nach § 91 a SoldVG aus, daß die Wehrdienstbeschädigung mit ihren Folgen nach den Grundsätzen des adäquaten Kausalzusammenhangs der vorsätzlichen Körperverletzung zugerechnet werden kann. Das wird von der Anschlußrevision nicht in Frage gestellt und ist nach den Umständen des Streitfalles auch nicht zweifelhaft.
2. Die Anschlußrevision bleibt auch insoweit ohne Erfolg, als sie sich gegen die Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB richtet.
Das Berufungsgericht hat diese Haftung darauf gestützt, daß beide Beklagte an der Körperverletzung des Klägers beteiligt gewesen seien und sich – jedenfalls in dem Umfang, in dem körperliche Schädigungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers bewiesen worden seien – nicht ermitteln lasse, welcher der Beklagten sie verursacht habe. Dabei geht das Berufungsgericht davon aus, daß verläßlich lediglich Gewalteinwirkungen auf den Kopf des Klägers mit der Folge einer Gehirnerschütterung sowie von Nackenbeschwerden festgestellt werden könnten. Auf dieser tatsächlichen Grundlage bestehen gegen die Anwendung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB keine durchgreifenden Bedenken. Insbesondere ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Handlungen der Beklagten in Bezug auf die vom Kläger erlittenen Verletzungen als einheitlichen Lebensvorgang und damit als Beteiligung im Sinn des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB gewürdigt hat (vgl. hierzu BGHZ 101, 106, 112 m.w.N.). Insoweit erhebt auch die Anschlußrevision keine Bedenken.
Ihre Rüge, daß das Berufungsgericht fehlerhaft eine Abgrenzung der Verursachungsanteile der Beklagten unterlassen habe, geht zwar von einem zutreffenden rechtlichen Ansatz aus, erweist sich aber im Rahmen der bisherigen Tatsachenfeststellungen als unbegründet. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dann nicht anwendbar, wenn die Verursachungsanteile der einzelnen Beteiligten, notfalls unter Zuhilfenahme von § 287 ZPO, voneinander abgrenzbar sind. Denn die Vorschrift setzt voraus, daß nicht feststellbar ist, wer von den Beteiligten den konkreten Schaden ganz oder teilweise verursacht hat (Senatsurteil BGHZ 72, 355, 358 sowie das bereits genannte Urteil BGHZ 101, 106, 113, jeweils m.w.N.). Wie der erkennende Senat in dem in BGHZ 72, 355, 358 abgedruckten Urteil näher dargelegt hat, kommt dieser Bedingung für eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht die Bedeutung einer bloßen Beweisregel zu, sondern ausnahmsweise diejenige eines sachlichen Tatbestandsmerkmals. Das Berufungsgericht hat indessen von seinem Standpunkt aus ohne Rechtsfehler eine solche Abgrenzbarkeit mit der Erwägung verneint, die Handlungen beider Beklagten seien zur Herbeiführung der Verletzung geeignet gewesen, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G. auch ein einziger Faustschlag der dargestellten Art geeignet gewesen sei, zumindest eine Gehirnerschütterung zu bestätigen. Bei dieser Sachlage wird die Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten von der bisherigen Tatsachenfeststellung bezüglich der Verurteilung zu einem Schmerzensgeld von 3.000 DM wegen dieser Gehirnerschütterung getragen.
III.
Da das angefochtene Urteil jedoch aus den oben dargelegten Gründen der Aufhebung unterliegt, soweit das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen über weitergehende gesundheitliche Schäden des Klägers aus dem Vorfall vom 15. Juni 1982 getroffen hat (oben II A 2), wird bei erneuter Behandlung der Sache auch zu prüfen sein, ob – wenn sich das Vorbringen des Klägers hierzu bestätigen sollte – insoweit eine Abgrenzung der Verursachungsbeiträge der Beklagten nach den oben zu § 830 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgezeigten Grundsätzen möglich ist. Ferner geben die bisherigen Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, ob die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsschäden eine Folge des Vorfalls vom 15. Juni 1982 sind, Anlaß zu dem Hinweis, daß es sich dabei um den Kausalzusammenhang zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden (sog. haftungsausfüllende Kausalität) handelt, bei welcher der Tatrichter nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt ist als beim Nachweis des Haftungsgrundes, der den strengen Anforderungen des § 286 ZPO unterliegt (st.Rspr. des Senats, vgl. Senatsurteile BGHZ 60, 177, 184; Urteil vom 22. September 1992 – VI ZR 293/91 – VersR 1993, 55, 56 m.w.N.).
Bei der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 BGB Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Lepa, Dr. Müller, Dr. Dressler
Fundstellen
Haufe-Index 1683287 |
NVwZ-RR 1994, 400 |
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