Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer Vertragsstrafenvereinbarung bei Einzel- und Gesamtfristen.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. |
OLG Karlsruhe |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe, 9. Zivilsenat in Freiburg, vom 12. November 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Klage in Höhe von 78.924,78 DM und Zinsen (wegen Aufrechnung mit einem Vertragsstrafeanspruch) abgewiesen hat.
Der Beklagte wird – unter entsprechender Zurückweisung seiner Berufung gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 27. März 1998, das damit teilweise abändernd neu gefaßt wird – verurteilt, an die Klägerin 189.811,91 DM und Zinsen in Höhe von 1% über dem Lombardsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 12. November 1996 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin 3 %, der Beklagte 97 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land (künftig: der Beklagte) Restwerklohn für die Verlegung einer Druckrohrleitung aus Stahlbeton (Pumpwerk Mummelsee, VOB-Vertrag). Es waren zwei Fertigstellungszeitpunkte vereinbart, einmal für die Fertigstellung der Druckrohrleitung und ferner für den Schnittstellenbereich (31. Dezember 1995). In der Revision geht es nach Teilannahme allein um die Frage, ob die Aufrechnung des Beklagten mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe Erfolg hat.
Die Besonderen Vertragsbedingungen (W-BVB) enthalten in Ziff. 3 zwei leere Zeilen für die mögliche Vereinbarung von Vertragsstrafen bei Fristüberschreitung. Danach können Vertragsstrafen für die Überschreitung einer „Gesamtfrist” und/oder einer „Einzelfrist” vereinbart werden. Zu Einzelfristen findet sich kein Eintrag. Zur Überschreitung der Gesamtfrist ist maschinenschriftlich „Siehe Pkt. 6.5” hinzugefügt. Dort heißt es:
„Überschreitet der Auftragnehmer vereinbarte Termine aus Gründen, die er zu vertreten hat, so ist der Auftraggeber berechtigt, eine Vertragsstrafe von 0,2 v.H. je Werktag, höchstens jedoch 10 v.H. des Endbetrages der Schlußrechnung (Bruttosumme) als Vertragsstrafe einzubehalten oder zu fordern, ohne daß es einer Verzugssetzung oder eines Schadensnachweises bedarf. Die Geltendmachung weiterer nachweislich durch Terminüberschreitung entstandener Kosten bleibt vorbehalten.”
Die Klägerin verlegte die Leitung bis zum 27. November 1995. Ihre Arbeiten zur Schnittstelle führte sie im Dezember 1995 durch.
Die Klägerin hat mit der Klage Restwerklohn in Höhe von 195.918,18 DM und Zinsen geltend gemacht. Der Beklagte hat mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe wegen Überschreitung eines behaupteten Fertigstellungstermins 4. November 1995 (Leitung ohne Schnittstelle) aufgerechnet. Das Landgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Das Berufungsgericht hat von dem Werklohn unter anderem eine Vertragsstrafe in Höhe von 78.924,78 DM abgezogen. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Vertragsstrafe sei wirksam vereinbart. Die Parteien hätten den Fertigstellungszeitpunkt für die Druckrohrverlegung ohne Schnittstelle durch die Klägerin verbindlich auf den 4. November 1995 festgelegt.
Die Klägerin sei mit der Fertigstellung in Verzug geraten. Sie habe ihre Arbeiten ohne Schnittstelle erst am 27. November 1995 fertiggestellt. Eine Fristüberschreitung von 13 Werktagen beruhe auf einem Verschulden der Klägerin.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die geltend gemachte Vertragsstrafe ist nicht vereinbart.
Die Auslegung der Vertragsstrafenregelung führt zu dem Ergebnis, daß sich die vereinbarte Vertragsstrafe nicht auf die Fertigstellung der Druckrohrleitung ohne Schnittstelle bezieht, sondern auf die gesamte Werkleistung, zu welcher die Herstellung der Schnittstelle gehört.
Das Berufungsgericht nimmt ohne nähere Begründung an, daß die Vertragsstrafenregelung in Ziff. 6.5 W-BVB jedenfalls auch den Termin zur Fertigstellung der Leitung mit Ausnahme der Schnittstelle umfasse. Es hat Ziff. 3 W-BVB und deren Zusammenhang mit Ziff. 6.5 W-BVB nicht gewürdigt. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen.
Nach den Vereinbarungen der Parteien sollte die Klägerin die Schnittstelle bis zum 31. Dezember 1995 ausführen. Diese Schlußarbeiten bildeten einen wesentlichen Bestandteil der von der Klägerin geschuldeten Werkleistung. Wie sich aus den Punkten 4.1 und 4.11 der Baubeschreibung ergibt, war die Schnittstelle der Anschluß an das Anschlußstück zwischen dem Rohrkrümmer und dem Stahlrohr aus dem Pumpenhaus. Das Übergangsstück sollte von der Klägerin nicht geliefert, aber montiert werden. Die Leistungen für die Schnittstelle waren somit für die vertraglich vorausgesetzte Funktion der gesamten Leitung unerläßlich. Die Werkleistung der Klägerin ist deshalb erst mit der Herstellung der Schnittstelle vollständig erbracht worden.
Da sich in dem Abschnitt zu den Einzelfristen in Ziff. 3 W-BVB kein Eintrag findet, ist eine Vertragsstrafe nur für die Überschreitung der genannten „Gesamtfrist” (31. Dezember 1995) vereinbart. Die allein für die Rohrverlegung bestimmte Frist, aus deren Überschreitung der Beklagte Ansprüche herleiten will, ist als „Einzelfrist” anzusehen, für deren Überschreitung eine Vertragsstrafe nicht vorgesehen ist.
III.
Damit ist auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landgerichts in Höhe von 189.811,91 DM und Zinsen wiederherzustellen. Im Umfang der Nichtannahme verbleibt es bei der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Klageabweisung.
Unterschriften
Ullmann, Hausmann, Wiebel, Kuffer, Wendt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.02.2001 durch Weschenfelder, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 564884 |
NJW 2001, 1346 |
BGHR 2001, 322 |
BauR 2001, 945 |
IBR 2001, 252 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 826 |
MDR 2001, 805 |
ZfBR 2001, 219 |
NZBau 2001, 257 |