Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugewinnausgleich
Leitsatz (amtlich)
Ein Erblasser, der im gesetzlichen Güterstand verheiratet war und einen geringeren Zugewinn hat als der andere Ehegatte, hinterläßt seinen Erben nur dann eine Zugewinnausgleichsforderung, wenn diese vor seinem Tode bereits entstanden war.
Die Ausgleichsforderung gelangt nicht zur Entstehung, wenn der Erblasser sie in einem Scheidungsrechtsstreit rechtshängig gemacht hat, aber vor Scheidung der Ehe verstorben ist.
Leitsatz (redaktionell)
Ein Erblasser, der im gesetzlichen Güterstand verheiratet war und einen geringeren Zugewinn hat als der andere Ehegatte, hinterlässt seinen Erben nur dann eine Zugewinnausgleichsforderung, wenn diese vor seinem Tode bereits entstanden war.
Normenkette
BGB § 1378 Abs. 3 S. 1, § 1384
Verfahrensgang
Saarländisches OLG (Urteil vom 03.02.1994) |
AG Saarbrücken |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats – Senat für Familiensachen I – des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 3. Februar 1994 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte war im Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit der am 23. Juni 1992 verstorbenen Erblasserin verheiratet. Diese hatte die Scheidung der Ehe beantragt; der Scheidungsantrag ist dem Beklagten am 9. Januar 1992 zugestellt worden. Durch ihren Tod hat sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt.
Erben sind die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder, darunter die Klägerin, die zur Testamentsvollstreckerin eingesetzt ist und dieses Amt angenommen hat.
Noch zu Lebzeiten hatte die Erblasserin Stufenklage erhoben mit den Anträgen,
1. den Beklagten zu verurteilen,
- ihr Auskunft über sein Endvermögen per 09.01.1992 durch Vorlage eines Verzeichnisses zu erteilen,
- hilfsweise: zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, daß er die Auskunft gemäß Schriftsatz vom 28.04.1992 nach bestem Wissen so vollständig erteilt habe, als er dazu imstande sei,
- an sie den ihr zustehenden Zugewinnausgleich zu zahlen, der nach Erteilung der Auskunft zu Ziffer a) näher beziffert werde,
2. festzustellen, daß dem Beklagten ihr gegenüber kein Anspruch auf Zugewinnausgleich zusteht.
Das Familiengericht behandelte den Rechtsstreit nicht im Verbund mit dem bereits anhängigen Scheidungsverfahren, sondern als isolierte Sache. Die Klägerin betrieb ihn nach dem Tod der Erblasserin als Testamentsvollstreckerin über deren Nachlaß weiter,
Das Familiengericht verurteilte den Beklagten durch Teilurteil zur Auskunft entsprechend dem Antrag zu 1 a). Auf die Berufung des Beklagten änderte das Oberlandesgericht das Teilurteil ab und wies die Auskunftsklage ab. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese ihr Auskunftsbegehren weiterverfolgt. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat die Auskunftsklage abgewiesen, weil der Klägerin und ihren Geschwistern als Erben ihrer Mutter kein Zugewinnausgleichsanspruch nach §§ 1371 ff BGB und damit auch nicht der geltend gemachte Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB gegenüber dem Beklagten als dem überlebenden Ehegatten der Mutter zustehe. Nach der im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden güterrechtlichen Lösung des § 1371 Abs. 2 BGB könne nur der überlebende Ehegatte Ausgleich des Zugewinns verlangen, nicht aber der Erbe des erstversterbenden Ehegatten. Nach § 1378 Abs. 3 Satz I BGB gehe ein Anspruch auf Zugewinnausgleich nämlich nur dann auf die Erben des verstorbenen Ehegatten über, wenn dieser ihn noch zu Lebzeiten erworben habe. Der Anspruch entstehe aber erst mit der Beendigung des Güterstandes. Diese trete erst mit der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs ein und nicht schon mit Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Daran ändere auch die nach BGHZ 99, 304, 306 ff gebotene entsprechende Anwendung des § 1384 BGB nichts, da diese Vorschrift nur den für die Berechnung des Zugewinns maßgeblichen Zeitpunkt auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages vorverlege, nicht aber den Zeitpunkt der Entstehung des Ausgleichsanspruchs nach § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung und den Angriffen der Revision stand.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die isolierte Verhandlung und Entscheidung über den Auskunftsanspruch ungeachtet der nach §§ 623 Abs. 1 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO gebotenen Einbeziehung in den Scheidungsverbund für zulässig erachtet (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1979 – IV ZR 160/78 – FamRZ 1979, 690 ff; Senatsurteil vom 4. November 1981 – IVb ZR 624/80 – FamRZ 1982, 151 f). Dies wird auch von der Revision nicht angegriffen.
2. Der Auskunftsanspruch war zwar nach § 1379 Abs. 2 BGB bereits zu Lebzeiten der Erblasserin, nämlich mit Beantragung der Scheidung, entstanden und konnte daher in den Nachlaß fallen, § 1922 Abs. 1 BGB.
Er ist jedoch lediglich ein Hilfsanspruch, der der Verwirklichung der Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB dient und dem der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegengehalten werden kann, wenn ausnahmsweise feststeht, daß dem Auskunft Begehrenden eine solche Ausgleichsforderung nicht zusteht (BGH, Urteile vom 22. Dezember 1971 – IV ZR 42/70 – FamRZ 1972, 128 und vom 16. Dezember 1982 – IX ZR 90/81 – FamRZ 1983, 157, 158; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht 2. Aufl. § 1379 BGB Rdn. 15 m.w.N.).
Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Die Klägerin kann den Beklagten für den Nachlaß nicht auf Auskunft in Anspruch nehmen, weil ihr und ihren Geschwistern als Erbinnen nach der verstorbenen Ehefrau des Beklagten kein Anspruch auf Ausgleich eines von diesem möglicherweise erzielten höheren Zugewinns zustehen kann.
3. a) Bei Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten gewähren § 1371 Abs. 1 und 2 BGB allein dem überlebenden Ehegatten einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns. Die Erben des vorverstorbenen Ehegatten können hingegen vom überlebenden Ehegatten auch dann keinen Ausgleich des Zugewinns fordern, wenn dieser den höheren Zugewinn erzielt hat (n.M., vgl. BGHZ 72, 85, 89; Senatsurteil vom 2. Dezember 1981 – IVb ZR 553/80 – FamRZ 1982, 249 250 zu d) cc); Staudinger/Thiele, BGB Vorbem. zu § 1371 Rdn, 14 und § 1378 Rdn. 13; Finke in RGRK-BGB, 12. Aufl. § 1371 Rdn. 22; MünchKomm/Gernhuber, BGB 3. Aufl. § 1371 Rdn. 36; Soergel/Lange, BGB 12. Aufl. Rdn. 9; Erman/Heckelmann, BGB 9. Aufl. § 1378 Rdn. 6; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts 2. Aufl. Teil VII Rdn. 149; kritisch Ulmer NJW 1958, 170, 171; a.A. – soweit ersichtlich – nur Barmann AcP 157, 169, 172 f).
Wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht, ist diese Begünstigung des überlebenden Ehegatten vom Gesetzgeber beabsichtigt (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gleichberechtigungsgesetz vom 29. Januar 1954, BT-Drucks. II/224 S. 46 f und die Ausführungen des Abgeordneten Seidl in dem hierzu vom Rechtsausschuß des Bundestages erstatteten Bericht, BT-Drucks. II/3409 S. 19 a.E.).
b) Auch die Revision stellt dies nicht grundsätzlich in Abrede. Sie meint jedoch, ein vererblicher Anspruch des vorversterbenden Ehegatten auf Ausgleich des Zugewinns müsse zumindest dann bejaht werden, wenn bei dessen Tod bereits ein sachlich gerechtfertigter Scheidungsantrag rechtshängig gewesen sei. Denn diesen Fall sehe auch das Gesetz als Ausnahme an, wie sich aus der Vorschrift des § 1933 BGB und dem daraus folgenden Ausschluß der erbrechtlichen Lösung des § 1371 Abs. 1 BGB ergebe.
Wenn der erkennende Senat in einem solchen Fall zugunsten des überlebenden Ehegatten in entsprechender Anwendung des § 1384 BGB den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages als maßgeblichen Zeitpunkt für die Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs nach § 1371 Abs. 2 BGB ansehe (BGHZ 99, 304, 306 ff), müsse dies konsequenterweise auch zu Lasten des überlebenden Ehegatten gelten. Andernfalls würde der Fall des Todes eines Ehegatten vor Abschluß des Scheidungsverfahrens willkürlich ungleich behandelt, je nachdem, welcher Ehegatte vorversterbe.
Der Ausgleichsanspruch sei daher in dem nach § 1384 BGB maßgeblichen Zeitpunkt bereits entstanden, wenn auch noch nicht fällig, und gehe nach allgemeinem Erbrecht auf die Erben des vorversterbenden Ehegatten über, § 1922 Abs. 1 BGB.
c) Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Nach der ausdrücklichen Regelung des § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB entsteht die Ausgleichsforderung mit der Beendigung des Güterstandes, die hier durch den Tod der Ehefrau eingetreten ist, und ist erst von diesem Zeitpunkt an vererblich und übertragbar.
§ 1384 BGB hat demgegenüber nur Bedeutung für die Berechnung des Zugewinns; der Zeitpunkt der Entstehung der Ausgleichsforderung wird dadurch nicht berührt (n.M., vgl. BGHZ 44, 163, 166; Staudinger/Thiele a.a.O. § 1384 Rdn. 12; Finke in RGRK-BGB a.a.O. § 1378 Rdn. 14 und § 1384 Rdn. 5; MünchKomm/Gernhuber a.a.O. § 1378 Rdn. 12; Soergel/Lange a.a.O. § 1378 Rdn. 9; Erman/Heckelmann a.a.O. § 13 84 Rdn. 2; Palandt/Diederichsen, BGB 54. Aufl. § 1384 Rdn. 2; Johannsen/Henrich/Jaeger a.a.O. § 1378 BGB Rdn. 8 und § 1384 BGB Rdn. 1 a.E.; Massfeller/Böhmer, Familienrecht § 1384 Anm. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts 4. Aufl. § 36 VII 5; Bergerfurth, Der Ehescheidungsprozeß 9. Aufl. Rdn. 191 a; Dieckmann ZZP 92 (1979) 392, 394; a.A. Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts 2. Aufl. VII Rdn. 144 f, der die Ausgleichsforderung bereits mit Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages als aufschiebend bedingten Anspruch entstehen lassen will, für dessen Vererblichkeit aber ebenfalls auf den Wortlaut des § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB abstellt [a.a.O. Rdn. 145]).
Entgegen der Annahme der Revision ist darin auch keine willkürliche Ungleichbehandlung der Ehegatten zu sehen. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, daß die Differenzierung zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten sachlich gerechtfertigt ist, weil der Anspruch auf Teilhabe am Zugewinn dem Ehegatten persönlich zugewiesen ist und dieser die Beendigung der Zugewinngemeinschaft erlebt haben muß, um einen Ausgleichsanspruch erwerben und vererben zu können (BGHZ 72, 85, 91 f).
Dies beruht auf der Erwägung, daß die Zugewinngemeinschaft während ihres Bestehens dem Rechtszustand der Gütertrennung gleicht; erst im Zeitpunkt ihrer Beendigung soll mit Rücksicht auf die eheliche Gemeinschaft und den Umstand, daß beide Ehegatten in der Regel zum Zugewinn des jeweils anderen Ehegatten beigetragen haben, ein Ausgleich unter ihnen stattfinden. Dies nötigt aber nicht dazu, auch die Erben am Zugewinn des überlebenden Ehegatten zu beteiligen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gleichberechtigungsgesetz vom 29. Januar 1954 a.a.O. S. 46 zu 4.).
d) Entgegen der Auffassung der Revision hat sich daran auch durch den mit der Eherechtsreform eingeführten Entscheidungsverbund materiell-rechtlich nichts geändert (vgl. Erman/Heckelmann a.a.O. § 1384 Rdn. 2,. Die Möglichkeit, den Zugewinnausgleich im Rahmen des Scheidungsverfahrens schon vor der Beendigung des Güterstandes durch rechtskräftige Scheidung geltend zu machen (§§ 621 Abs. 1 Nr. 8, 623 ZPO), nötigt nicht dazu, einen schon vor der Scheidung bestehenden Ausgleichsanspruch anzuerkennen. Die gleichzeitige Entscheidung über die Ausgleichsforderung und über die Auflösung der Ehe dient dem verfahrensrechtlichen Ziel, über alle mit der Ehescheidung zusammenhängenden Ansprüche möglichst in einem einzigen Urteil zu entscheiden. Sie setzt keine Abkehr von dem in § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB festgelegten Zeitpunkt der Entstehung des Ausgleichsanspruchs voraus, weil die Regelung des § 629 d ZPO sicherstellt, daß die Entscheidung über die (künftige) Ausgleichsforderung als Entscheidung in einer Folgesache nicht vor der Rechts kraft des Scheidungsausspruchs wirksam werden kann (vgl. Dieckmann a.a.O. S. 395).
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Nonnenkamp, Gerber, Sprick
Fundstellen
Haufe-Index 1122708 |
NJW 1995, 1832 |
Nachschlagewerk BGH |