Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 12. Juli 1999 in den die Angeklagten E. und B. betreffenden Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten H., B. und E. verurteilt, weil sie mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben und diese zum Teil auch aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführt haben. Dabei hat es gegen den Angeklagten H. – insoweit ist das Urteil insgesamt rechtskräftig – wegen fünf Fällen vier Jahre, gegen den Angeklagten B. wegen drei Fällen drei Jahre und gegen den Angeklagten E. wegen drei Fällen zwei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe verhängt, deren Vollstreckung hinsichtlich dieses Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Den Angeklagten E. und H. hat es zudem die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre verhängt; dagegen ist eine Entscheidung über die Fahrerlaubnis des Angeklagten B. nicht getroffen worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die hinsichtlich des Angeklagten E. auf den Rechtsfolgenausspruch und hinsichtlich des Angeklagten B. auf den Maßregelausspruch beschränkt ist. Mit der Sachrüge wird beanstandet, daß beim Angeklagten E. zumindest bei der zweiten und dritten durchgeführten Kurierfahrt kein minder schwerer Fall hätte angenommen werden dürfen und daß auch dem Angeklagten B. die Fahrerlaubnis hätte entzogen werden müssen.
1. Das den Angeklagten E. betreffende Rechtsmittel, das der Generalbundesanwalt nicht vertritt, hat zwar keinen Rechtsfehler zu seinem Vorteil ergeben; doch führt die nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils auch zugunsten des Angeklagten zur Aufhebung des ihn betreffenden Rechtsfolgenausspruchs.
a) Die Gesamtabwägung der Strafkammer zur Anwendung eines minder schweren Falles bei allen drei Taten enthält keinen Rechtsfehler, wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 14. Januar 2000 im einzelnen zutreffend dargelegt hat. Ergänzend weist der Senat lediglich darauf hin, daß der von der Strafkammer herangezogene Grundsatz, daß gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 46 II Zumessungsfehler 1, Wertung 4), nicht völlig außer acht gelassen und somit auch bei der Gesamtabwägung zur Prüfung eines minder schweren Falles herangezogen werden darf. Dabei durfte berücksichtigt werden, daß der Angeklagte E. nicht vorbestraft war und als Kurier nur einen verhältnismäßig geringen Lohn von durchschnittlich 175 DM für ein Kilogramm transportierten Rauschgiftes erzielte, während die Angeklagten H. und B. als eigentliche Händler mehrfach vorbestraft waren und einen Gewinn von etwa 1.000 DM je erworbenes Kilogramm Rauschgift erstrebten (UA S. 18).
b) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts enthalten jedoch einen gewichtigen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten E.. Auf UA S. 32 wird zu seinen Ungunsten bei der Prüfung eines minder schweren Falles ausdrücklich sein zu Ziff. III 1) dargestelltes Aussageverhalten in Bezug auf die Tatbeteiligung des Mitangeklagten B. gewertet. Unter Ziff. III 1) wird im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, daß die Strafkammer „Tendenzen” dafür erkannt habe, daß E. „zumindest geneigt” war, B. zu Unrecht zu belasten. Dies werde deutlich am Beispiel Fall 3, bei dem er B. der Beteiligung bezichtigt habe; diese Angaben seien jedoch „mit hoher Wahrscheinlichkeit” falsch, weil es „sehr wahrscheinlich” sei, daß sich B. im Fall 3 zur Tatzeit nicht am Tatort aufgehalten habe (UA S. 25). Bei der Strafzumessung im engeren Sinn hat die Strafkammer auf diese Erwägungen Bezug genommen (UA S. 37).
Die strafschärfende Berücksichtigung eines Verhaltens, das nicht prozeßordnungsgemäß zur Überzeugung des Gerichts festgestellt ist, sondern nur mit „hoher Wahrscheinlichkeit” gegeben (zu Fall 3) oder gar nur in „Tendenzen” erkennbar war (zu den übrigen Fällen), verstößt gegen den Grundsatz in dubio pro reo (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 17 a m.w.Nachw.). Dieser Fehler hat sich zwar bei der Strafrahmenfindung nicht ausgewirkt, da die Strafkammer ohnehin minder schwere Fälle angenommen hat, doch kann der Senat nicht ausschließen, daß er die Strafzumessung im engeren Sinn beeinflußt hat.
2. Das gegen den Angeklagten B. gerichtete Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt ebenfalls zur Aufhebung des ihn betreffenden gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Die Beschränkung der Revision auf den Maßregelausspruch, die Nichtentziehung der Fahrerlaubnis, ist hier unwirksam, vielmehr ergreift das Rechtsmittel den gesamten Rechtsfolgenausspruch.
Eine Rechtsmittelbeschränkung innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist möglich, wenn solche Beschwerdepunkte betroffen sind, die einer rechtlich und tatsächlich selbständigen Beurteilung, losgelöst vom nichtangegriffenen Teil der Entscheidung, zugänglich sind; dies gilt jedoch bei der Nachprüfung einer Maßregelanordnung nicht, wenn im Einzelfall eine untrennbare Wechselwirkung zum Strafausspruch besteht (BGHSt 38, 362 f.). Die Verteidigerin des Angeklagten B. hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Strafkammer bei den beiden Mitangeklagten E. und H. die Folgen der Entziehung der Fahrerlaubnis ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt hat (UA S. 34, 42). Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß sie gegen den Angeklagten B. eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte, wenn sie auch ihm die Fahrerlaubnis entzogen hätte.
In der Sache beanstandet die Staatsanwaltschaft zu Recht, daß die Strafkammer nicht erkennbar geprüft hat, ob die Fahrerlaubnis nicht auch dem Angeklagten B. hätte entzogen werden müssen. Es stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar, wenn sich der Tatrichter mit der Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Maßregelanordnung nicht auseinandersetzt, obwohl die Umstände des Falles dazu drängen (BGHR StGB § 64 Anordnung 1).
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zumal in größerer Menge, belegt regelmäßig eine erhebliche charakterliche Unzuverlässigkeit, die auch die Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahrzeugs ergibt, wenn er im Rahmen des Tatgeschehens ein Fahrzeug geführt hat (BGH NStZ 2000, 26 f.; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3). Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte B. sein Fahrzeug mehrfach, nämlich im Zusammenhang mit den Taten vom 27. November 1998 und vom 10. Dezember 1998, geführt, die den Handel mit insgesamt drei Kilogramm Haschisch zum Gegenstand hatten. Erschwerend kommt hinzu, daß dieser Angeklagte im Gegensatz zu den Mitangeklagten wegen Verkehrsdelikten (Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unbefugtes Benutzen von Kraftfahrzeugen) vorbestraft ist. Diese Umstände hätten der Strafkammer Veranlassung geben müssen, die Entziehung der Fahrerlaubnis auch bei dem Angeklagten B. zu prüfen, zumal sie eine solche Anordnung gegenüber den Mittätern H. und E. getroffen hatte, ohne die Gründe für die unterschiedliche Sachbehandlung darzulegen.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß die in der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft zur Begründung der Fahrerlaubnisentziehung herangezogene Erwägung, der Angeklagte habe „möglicherweise sogar ein drittes Mal (Tat vom 30. November 1998) mit seinem Fahrzeug erhebliche Drogenmengen transportiert”, unzulässig ist und gegen den Zweifelssatz verstößt.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, von Lienen
Fundstellen