Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 10.09.2003) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 10. September 2003 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten, der als Sachbearbeiter beim Arbeitsamt durch fingierte „Rückzahlungen an Arbeitgeber” entsprechende Überweisungen der Bundesanstalt mit einem Gesamtbetrag von 540.249 EUR auf sein eigenes Konto bewirkt hatte, wegen Betrugs in 81 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, auch der Strafausspruch hält entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts einer rechtlichen Prüfung stand.
1. Insbesondere gefährdet es den Bestand des Urteils nicht, daß das Landgericht jeweils den wegen der Spielsucht des Angeklagten nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt hat, ohne ausdrücklich zu erörtern, ob im Hinblick auf die allgemeinen Milderungsgründe und den vertypten Strafmilderungsgrund des § 21 StGB eine Verneinung der Regelwirkung und damit die Anwendung des Strafrahmens des Grundtatbestandes nach § 263 Abs. 1 StGB geboten gewesen wäre. Der Fall wird nicht nur dadurch geprägt, daß der Angeklagte zwei Regelbeispiele des § 263 Abs. 3 StGB, nämlich gewerbsmäßiges Handeln nach Nr. 1 und Mißbrauch der Befugnisse eines Amtsträgers nach Nr. 4, verwirklicht hat. Maßgeblich kommt hinzu, daß seine Straftaten in eine umfangreiche, langandauernde Serie eingebettet waren und einen hohen Gesamtschaden verursacht hatten. Angesichts dieser Umstände lag die Verneinung der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 StGB in einem solchen Maße fern, daß das Fehlen einer ausdrücklichen Erörterung keinen Rechtsfehler darstellt.
2. Es stellt letztlich auch keinen zur Aufhebung des Strafausspruchs führenden Rechtsfehler dar, daß das Landgericht in 80 Fällen Einzelstrafen zwischen drei und fünf Monaten Freiheitsstrafe verhängt hat, ohne – wie in § 267 Abs. 3 Satz 2 StPO vorgeschrieben – ausdrücklich zu erörtern, ob die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB gegeben sind. Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe hat regelmäßig nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird (BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 6). Die Voraussetzungen des § 47 StGB ergeben sich hier jedoch auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (vgl. BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 7). Bei der eng zusammenhängenden umfangreichen Serie von Vermögensdelikten, die ein Bedürfnis nach Einwirkung auf den Täter deutlich zutage treten läßt (vgl. BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 8), drängt sich die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB in einem solchen Maße auf, daß ein Beruhen des Urteils auf der fehlenden ausdrücklichen Erörterung ausgeschlossen werden kann.
3. Schließlich mußte das Landgericht nicht strafmildernd berücksichtigen, daß sich die beim Arbeitsamt vorhandenen Kontrollmechanismen aufgrund des unter den Mitarbeitern herrschenden Vertrauensverhältnisses nicht ausgewirkt hatten und durch den Wegfall von Kontrollmaßnahmen ab dem Jahr 2000 die Taten noch leichter hatten begangen werden können. Dabei hat die Strafkammer zu Recht darauf hingewiesen, daß eine gewisse Taterleichterung durch den erschwerend zu berücksichtigenden Vertrauensmißbrauch gegenüber den Arbeitskollegen kompensiert wird (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 297, 298). Bei dieser Sachlage kommt es auf die weitere Frage, ob der durch wirtschaftliche Erwägungen gebotene Personalabbau und die damit verbundene Reduzierung der Kontrollmöglichkeiten überhaupt als „Mitverschulden” bewertet werden können, nicht mehr an.
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, von Lienen, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2557974 |
NStZ 2004, 554 |
wistra 2004, 263 |