Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. August 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist Transportversicherer einer von der Klägerin hergestellten Fertigungsstraße für Rolladenelemente von Garagentoren. Die Einzelteile dieser Anlage wurden – in zwei Containern verstaut – im September 1987 im kombinierten Lkw-Schiff-Eisenbahn-Verkehr vom deutschen Herstellerwerk der Klägerin an die Firma I. D. in B./W./USA geliefert. Dort stellte sich bei Öffnung beider Container heraus, daß deren Ladung sich unterwegs erheblich verschoben hatte und zahlreiche Maschinenteile stark beschädigt oder zerstört waren.
Die von der Klägerin beauftragte Speditionsfirma hatte den Transport bei der Beklagten zu den Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen (ADS), den Besonderen Bestimmungen für die Güterversicherung 1973 in der Fassung 1984 (ADS Güter 73/84) und den Zusatzbedingungen für die Transportversicherung von Maschinen und Apparaten (DTV-Maschinenklausel 1973) versichert. Vereinbart war eine Allgefahrendeckung; als Versicherter des Vertrages sollte der jeweilige Inhaber der Versicherungspolice gelten.
Die Klägerin fordert von der Beklagten Versicherungsleistungen für Sach- und Folgeschäden, die sie auf 360.288,75 DM (184.212,71 EUR) beziffert. Sie behauptet, die beiden Container seien unterwegs während Rangiervorgängen beim Eisenbahntransport von M./Kanada nach Mi./USA unzulässig hohen Stoßeinwirkungen ausgesetzt gewesen. Die Verpackung der Anlagenteile sei transportsicher, fachgerecht und handelsüblich erfolgt. Auf Verpackungsmängeln beruhten die Schäden daher nicht. Deren Schwere zeige vielmehr, daß die Container außergewöhnlichen Krafteinwirkungen ausgesetzt gewesen seien.
Die Beklagte hat – gestützt auf Ziffer 1.4.1.5 ADS Güter 73/84 und Ziffer 3.1 der DTV-Maschinenklausel 1973 – Versicherungsleistungen abgelehnt, weil eine mangelhafte Verladung und Verpackung des Transportgutes vorgelegen habe, insbesondere seien die Maschinenteile in den Containern fehlerhaft und nicht handelsüblich verstaut und nicht gegen Transportstöße gesichert gewesen. Das habe zu den Schäden geführt.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei nach Ziffer 1.4.1.5 der ADS Güter 73/84 nicht zu Versicherungsleistungen verpflichtet. Danach hafte der Versicherer nicht für Schäden, die durch das Fehlen oder Mängel handelsüblicher Verpackung verursacht seien. So liege der Fall hier. Maßgebend sei allein, ob die Verpackung der Maschinenteile den nach der Auffassung der beteiligten Kreise am Abladeort (und zur Abladezeit) nötigen Anforderungen entsprochen habe. Als Abladeort hat das Berufungsgericht Mi./USA angesehen und angenommen, daß die dortigen Standards für die Verpackung und Sicherung von Ladungen denen in Europa weitgehend glichen. Seine Überzeugung davon, daß die Ladung unzureichend gesichert gewesen sei, hat das Berufungsgericht aufgrund des von ihm eingeholten Gutachtens des Sachverständigen J. gewonnen. Dieser hatte – gestützt auf mehrere Lichtbilder der Container und ihrer Ladung – unter anderem ausgeführt, die Maschinenteile seien in den Containern weder durch eine Holzverblockung im Bodenbereich noch durch seitliche Verzurrungen ausreichend gegen ein Verrutschen gesichert gewesen.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Leistungsfreiheit der Beklagten schließlich auch nicht entgegen, daß der Sachverständige einen Teil des Schadensbildes (herausgerissene Teile im Inneren eines Schaltschrankes) durch ein überhartes Abladen erklärt habe. Denn es fehlten gesonderte Feststellungen dazu, daß Ursache dieser Schäden keine fehlerhafte Ladung und Verpackung gewesen sei.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht Stand, weil der Sachverständige – und ihm folgend das Berufungsgericht – sich für die Feststellung einer nicht ausreichenden Verpackung und Sicherung der Ladung auf eine unzureichende Tatsachengrundlage gestützt haben, die unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentlichen Akteninhalt außer Acht läßt und sich zum Teil in bloßen Vermutungen erschöpft.
Der Sachverständige hat seine Schlüsse auf den Zustand der Verpackung der Maschinenteile im Ergebnis allein aus zwölf Lichtbildern (Nr. 5 bis 16) eines von der Beklagten zur Akte gereichten Anlagenkonvoluts gezogen. Dieses Bildmaterial bestand zwar aus insgesamt 22 Lichtbildern, doch geht das Berufungsgericht davon aus, daß sechs Bilder (Nr. 17 bis 22) nicht den Zustand der Ladung unmittelbar nach Öffnen der Container wiedergeben, sondern erst etwa zwei Wochen nach Entladung der Container von dem Ingenieur W., den die Klägerin zur Schadensdokumentation in die USA entsandt hatte, gefertigt worden sind. Vier Lichtbilder (Nr. 1 bis 4) zeigen die Container lediglich von außen, die Verstauung der Ladung ist auf ihnen nicht zu sehen.
a) Weil auf den genannten zwölf Lichtbildern weder ausreichende Holzverblockungen zur Verhinderung einer Ladungsverschiebung noch Verzurrungsmateriel noch Schloßschrauben zur Befestigung der Ladung im Bodenbereich zu sehen sind, hat der Sachverständige angenommen, daß solche Ladungssicherungen beim Transport zu keiner Zeit vorhanden gewesen seien. Anderslautenden Zeugenaussagen, dem Stauplan und der von der Klägerin vorgelegten Holzrechnung für den angeblichen Ankauf von Verpackungshölzern in größerem Umfang hat er angesichts der Lichtbilder keine Bedeutung beigemessen.
b) Dem durfte sich das Berufungsgericht schon deshalb nicht anschließen, weil die Aussagekraft der Lichtbilder in Frage steht.
Die Beklagte hat nicht angeben können, zu welchem Zeitpunkt und von wem die von ihr vorgelegten Lichtbilder Nr. 5 bis 16 gefertigt worden sind. Ob sie den Zustand der Ladung unmittelbar nach Öffnung der Container durch die Empfängerfirma wiedergeben, ist aber entscheidend dafür, ob diese Fotos überhaupt hinreichenden Aufschluß über die ursprüngliche Verblockung und Verzurrung der Ladung geben können. Denn wären die Container zur Zeit der Aufnahmen schon teilweise entladen, wäre insbesondere Verpackungsmaterial zuvor entfernt worden, so könnte nicht – wie es der Sachverständige getan hat – aus dessen Fehlen gefolgert werden, es sei nie vorhanden gewesen.
Das Berufungsgericht hat diese Frage nicht rechtsfehlerfrei geklärt. Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Anhörung dazu ausgeführt, seiner Erfahrung nach sei Entladepersonal generell mit Fotoapparaten ausgerüstet, er gehe (allein) deshalb davon aus, daß das auch hier nicht anders gewesen sei und die Fotos unmittelbar nach Öffnen der Container aufgenommen worden seien. Daß das Berufungsgericht in dieser bloßen Mutmaßung eine „einleuchtende Feststellung” gesehen hat, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft, weil es sich in diesem Zusammenhang nicht mit der schriftlichen Äußerung des Ingenieurs H. der Empfänger-Firma (Anlage K 43) auseinandergesetzt hat, wonach in den Containern „reichlich Stützmaterial” gewesen sei, um die Ladung für den internationalen Transit handelsüblich zu sichern. Hinzu kommt, daß der in erster Instanz vom Landgericht beauftragte Sachverständige Dr. L. in seinen schriftlichen Stellungnahmen mehrfach von umfangreichen (wenngleich teilweise nicht sachgerechten) Verblockungen und Verzurrungen berichtet hat. Auch damit setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander. Es hat das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vielmehr vollständig unberücksichtigt gelassen. Ebensowenig ist die Aussage des Zeugen He. über Verzurrungen der Ladung bei der Beweiswürdigung herangezogen worden.
3. Auch die Revisionsrüge, das Berufungsgericht habe bei der Frage nach der Kausalität der unzureichenden Verpackung für die eingetretenen Schäden die Beweislast verkannt, greift durch.
Die „Verpackungsklausel” in Ziffer 1.4.1.5 der ADS Güter 73/84 enthält einen verschuldensunabhängigen Risikoausschluß, dessen tatsächliche Voraussetzungen der Versicherer beweisen muß (dazu Enge, Transportversicherung, 3. Aufl., S. 125; ders., Erläuterungen zu den ADS Güterversicherung 1973 und dazugehörigen DTV-Klauseln, 1973, S. 37 f. zu Ziff. 1.4.1.5; Koller VersR 1993, 519, 524; vgl. auch Römer in Römer/Langheid, VVG, zu § 131 Rdn. 2; Voit in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl. § 131 Rdn. 7; BGH, Urteil vom 26. Februar 1996 – II ZR 21/95 – VersR 1996, 1260 unter 3).
Dazu gehört auch, daß die mangelhafte Verpackung des Transportguts für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist (vgl. dazu BGH aaO; Voit aaO, Rdn. 27 zu Ziff. 1 ADS 73/84). Da für Transportschäden regelmäßig mehrere adäquate Ursachen nebeneinander in Betracht kommen, ist auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksamste, in ihrer Ursächlichkeit erheblichste Ursache (causa proxima, vgl. dazu Voit aaO und § 131 VVG Rdn. 8; OLG Bremen, Urteil vom 7. Januar 1988 – 2 U 152/86 – VersR 1988, 716, jeweils m.w.N.) abzustellen. Der Versicherer kann den ihm obliegenden Beweis mithin nur führen, wenn er zugleich darlegt und im Streitfall unter Beweis stellt, daß kein anderes Ereignis für den Schadenseintritt wirksamer geworden ist.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu möglichen Beschädigungen von Teilen des Ladeguts durch überhartes Abladen lassen besorgen, daß es diese Beweislastverteilung – insbesondere zur Ursächlichkeit des Verpackungsmangels – verkannt hat. Denn wenn es nach Auffassung des Sachverständigen zu Schäden im Schaltschrank auch durch einen solchen Vorgang – und unbeschadet einer handelsüblichen Verpackung – gekommen sein kann, war es Sache der Beklagten zu beweisen, daß diese Schadensursache nicht in Betracht kommt. Das Berufungsgericht durfte sich demgemäß nicht mit der Erwägung begnügen, es fehlten gesicherte Feststellungen, daß Schadensursache nicht eine fehlerhafte Ladung und Verpackung gewesen sei. Im übrigen lassen auch die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Kausalität des nach seiner Auffassung vorliegenden Verpackungsmangels jede Auseinandersetzung mit den Einschätzungen des Sachverständigen Dr. L. hierzu vermissen, die noch für das Landgericht von entscheidender Bedeutung waren.
4. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, daß der Abladeort, auf dessen Standards es für die Bestimmung der Handelsüblichkeit einer Verpackung ankommt, der Ort ist, an dem das Transportgut auf ein Schiff übergeben wird (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. Februar 1996 – II ZR 21/95 – VersR 1996, 1260 unter 3 b). Das ist hier der Hafen von A..
Unterschriften
Terno, Dr. Schlichting, Seiffert, Dr. Kessal-Wulf, Felsch
Fundstellen
Haufe-Index 744968 |
NJW-RR 2002, 1102 |
NVersZ 2002, 381 |
VersR 2002, 845 |
TranspR 2003, 74 |