Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen eine im Berufungsurteil übersehene Revisionszulassung durch Berichtigungsbeschluß nachgeholt werden kann.
Normenkette
ZPO § 319
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 16.05.1978) |
LG Köln |
Tenor
I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Mai 1978 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Unterlassung verurteilt hat.
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des Landgerichts Köln vom 1. April 1977 abgeändert, soweit es den Unterlassungsanspruch abgewiesen hat:
- Die Beklagte wird ferner verurteilt, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten es zu unterlassen, das bei ihr erschienene Buch: „Das M.-S.” des Autors B. mit den Ausführungen über die Klägerin auf S. 95–105 1. Absatz des Kapitels „Dunkle Vergangenheit, dunkle Gegenwart” in weiteren Exemplaren aufzulegen und/oder die vorhandenen oder noch aufzulegenden Exemplare zu vertreiben und/oder feilzuhalten oder Dritten den Nachdruck zu gestatten, solange diese Ausführungen nicht durch einen Zusatz nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe 1 I 4 b klargestellt werden.
- Die weitergehende Unterlassungsklage bleibt abgewiesen.
II. Die Revision der Klägerin und die weitergehende Revision der Beklagten werden zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 8/9, die Beklagte 1/9.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, nimmt die beklagte Verlagsgesellschaft als Herausgeberin des bei dieser 1976 erschienenen Buchs von Kurt B. „Das M.-S.” auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen Äußerungen in dem Kapitel „Dunkle Vergangenheit, dunkle Gegenwart” (S. 95–110) über sie selbst, ihren früheren, 1942 verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafter Dr. Gerhard M. und den früheren Leiter ihres biologischen Instituts, Dr. Dr. K., in Anspruch, durch die sie ihr Ansehen verletzt sieht.
In diesem Kapitel beschäftigt sich der Autor kritisch mit Beiträgen aus Medizin und Pharmazie zu den nationalsozialistischen Euthanasie- und Sterilisierungsprogrammen und der nach seiner Meinung unzureichenden Sühne dieser „dunklen Vergangenheit” nach dem Krieg. Einleitend wirft er den „Ärzteführern” vor, sich „freudig in den Dienst der großen vaterländischen Aufgabe” gestellt und Hitler als Dank für ihren wirtschaftlichen Aufstieg geholfen zu haben, „die Reichsschatulle” von „‚lebensunwertem Leben’ zu entlasten”. Nach einem Exkurs über die ideologische Vorbereitung der Euthanasie durch geisteswissenschaftliche und literarische Beiträge von Ärzten und die Maßnahmen der politischen Machthaber zu deren Verwirklichung setzt er sich mit dem „technisch-perfektionistischen Denken in den Sterilisierungsvorschlägen” und der Forderung auseinander, sie billig, schnell und an praktisch unbegrenztem „Menschenmaterial” durchzuführen.
Es heißt sodann:
„Sogleich traten neue Auguren auf den Plan, die diese Forderungen mit Medikamenten zu verwirklichen suchten.
Wer sich die Mühe macht, die Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses aufmerksam durchzulesen, stößt im Hinblick auf den mit Kriegsverlauf immer ungehemmter hervortretenden Vernichtungswillen den unterworfenen Ostvölkern gegenüber immer wieder auf die dominanten Gesichtspunkte „billig”, „in kürzester Zeit”, „bei vielen Tausenden”. Niemand schien besser geeignet, auf diesem Sektor Schrittmacherdienste zu leisten, als die pharmazeutische Industrie.
Die wissenschaftlich geschulten Ärzte der SS-Führung horchten deshalb auf, als in einer deutschen Fachzeitschrift die Ergebnisse „Tierexperimenteller Studien zur Frage der medikamentösen Sterilisation” veröffentlicht wurden. Gleich von zwei Seiten war SS-Führer Heinrich Himmler auf diese aufsehenerregende Publikation aufmerksam gemacht worden. Dort hieß es u.a.: „Die künstliche Erzeugung einer Sterilität … ist aus naheliegenden Gründen (!) eine häufig diskutierte Frage, die zwar zu umfangreichen tierexperimentellen Untersuchungen geführt hat; die dabei erhaltenen wissenschaftlich sehr aufschlußreichen Versuchsergebnisse sind jedoch praktisch noch nicht zu einer Umwertung auf den Menschen gebracht worden …. Wenn wir nun im folgenden über eine Möglichkeit der künstlichen, d.h. der medikamentösen Sterilisierung berichten, so soll damit nicht leichtfertig ein entsprechendes Verfahren für den Menschen in Aussicht gestellt werden. Anlaß für unsere Untersuchungen war vielmehr die uns im allgemeinen bewegende Frage, inwieweit die in der volksmedizinischen Erfahrung verankerten Heilgebräuche (auch „Unheil-Gebräuchen) mit den Erkenntnissen und Gesetzen der Pharmakologie, Physiologie und experimentellen Therapie in Einklang gebracht werden können. Hieraus erhellt auch ohne weiteres der Zweck unseres Arbeitsplanes. Darüber hinaus kann in zweiter Linie die Frage geprüft werden, ob die erarbeiteten Ergebnisse für die Humanmedizin oder als Test für experimentell-therapeutische Zwecke nutzbar gemacht werden können. Speziell zur Frage der medikamentösen Sterilisierung haben wir bereits auf das im tropischen Südamerika beheimatete Caladium seguinum (Schweigrohr) hingewiesen. Der Einfluß von Caladium auf die Sexualorgane ist den dortigen Eingeborenen seit langem bekannt, die diese Pflanze ihren Feinden in größeren Mengen beibringen, um ein Erlöschen der Potenz zu erzielen ….”
Verfasser dieses 19 Seiten langen Artikels waren Dr. med. G. M. und Dr. phil. Dr. med. Fr. E. K. aus dem Biologischen Institut der Firma Dr. M. & Co. in R. bei D., die heute ihren Sitz in K. hat und zu den 15 umsatzgrößten Arzneimittelherstellern der Bundesrepublik gezählt wird.”
Sodann zitiert der Autor auf S. 101–104 aus Briefen, durch die Himmler auf die Bedeutung der „Studien” für die Sterilisationsvorhaben der SS hingewiesen wurde, und eine von Himmler gegebene Anweisung,
„mit Dr. M. Fühlung zu nehmen und ihm den Wunsch zu übermitteln, über diese Fragen der medikamentösen Sterilisierung keine Veröffentlichungen mehr stattfinden zu lassen, ihm aber anzubieten, daß er bei uns – in Zusammenarbeit mit dem Reichsarzt SS – die Möglichkeit zu Versuchen an verbrecherischen Personen, die an und für sich sterilisiert werden müßten, bekommt”,
Es heißt dann weiter:
„Ein Treibhaus zur Züchtung des Schweigrohrs wurde errichtet, da Freilandversuche der in Südamerika beheimateten Pflanze sich als schwierig erwiesen hatten. Himmler drängte darauf, daß „anhand der etwa vorhandenen Bestandteile dieser Pflanze allenfalls schon Sterilisierungsversuche in den Konzentrationslagern durchgeführt werden”. Nach Aussage des SS-Standartenführers Dr. Rudolf Brandt, persönlicher Referent des Reichsführers SS und Leiters des Ministerbüros im Reichsinnenministerium, wurden entsprechende Experimente auch tatsächlich ausgeführt, wobei jedoch bisher nicht bekannt wurde, in welchem Konzentrationslager die Menschenversuche stattfanden.
Weder Dr. M. selbst noch sein Institutsleiter, Direktor Dr. Dr. K. waren jedoch im Nürnberger Ärzteprozeß angeklagt. Dr. K. trat lediglich als Zeuge auf und erklärte u.a., daß sämtliche Experimente ergebnislos verlaufen seien.
Von Erfolg gekrönt war jedoch die Umsiedlung des Medikamentenwerkes (Firmenslogan: „Arzneimittel aus Naturstoffen”) nach Beendigung des II. Weltkrieges.
Die Firma bezog das rund 430.000 qm große Gelände eines ehemaligen Luftwaffenstützpunktes. Es kam dem Konzern sicher auch zugute, daß nicht unbedeutende Führungspersönlichkeiten der ehemaligen Hitlerstreitmacht in leitenden Stellungen des Hauses aufrückten und sich dort durch Heirat eng mit dem M.-Clan verbanden.
Die Firmenleitung liegt heute in den Händen der Söhne des Gründertrios Hans, Friedemund und Gerhard M..
Die politische Orientierung dieser „Vettern”-Wirtschaft kann man an Besuchen von CSU/CDU-Managern, insbesondere dem Strauß-Stellvertreter Heubl, feststellen. Daß es dabei vor allem um Finanzen geht, wird vom Hause M. nicht geleugnet. Mitglieder des M.-Clans bedauern zutiefst, daß der Versuch der CSU, in Nordrhein-Westfalen einen Brückenkopf zu schaffen, trotz beträchtlichen Engagements fehlgeschlagen ist.
Bekanntlich wundert sich nicht nur das Ausland, wie wenig Konsequenzen in Deutschland aus den Verbrechen der Nazizeit gezogen wurden. Persönlichkeiten, die während der Nazizeit in führenden Positionen tätig waren und eng in das nationalsozialistische Unrechtssystem verstrickt waren, sind heute wieder in führenden Positionen tätig. Dies anzuprangern ist nicht populär, gerät in die Nähe des Querulantentums. Die Vergangenheit wurde verdrängt, bevor sie bewältigt wurde.”
Die Klägerin hat zunächst eine einstweilige Verfügung erwirkt, durch die der Beklagten die Verbreitung des. Buchs untersagt worden ist, solange nicht folgende Textstellen unkenntlich gemacht sind (78 O 293/76 LG Köln):
S. 99 „Niemand schien besser geeignet, auf diesem Sektor Schrittmacherdienste zu leisten, als die pharmazeutische Industrie”;
S. 100 „… aus naheliegenden Gründen (!) …”
S. 105 „Weder Dr. M. selbst noch sein Institutsleiter, Direktor Dr. Dr. K., waren jedoch im Nürnberger Ärzteprozeß angeklagt. Dr. K. trat lediglich als Zeuge auf und erklärte u.a., daß sämtliche Experimente ergebnislos verlaufen seien”;
S. 105 „Es kam dem Konzern sicher auch zugute, daß nicht unbedeutende Führungspersönlichkeiten der ehemaligen Hitlerstreitmacht in leitenden Stellungen des Hauses aufrückten und sich dort durch Heirat eng mit dem M.-Clan verbanden”.
Die Beklagte hat vor Erhebung der Klage erklärt, diese Auflagen als verbindlich anzuerkennen, und hat demgemäß die beanstandeten Textstellen in den noch bei ihr vorhandenen Exemplaren geschwärzt. In einer lizenzierten Ausgabe der „Büchergilde” sind diese Stellen weggelassen und ist das Kapitel um weitere Stellen bereinigt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
- es zu unterlassen, das Buch mit den Ausführungen auf S. 95–106 aufzulegen, zu verbreiten, feilzuhalten oder Dritten den Nachdruck zu gestatten, solange und soweit dort sie, Dr. Gerhard M. und Dr. Dr. K. sowie deren Arbeit „Tierexperimentelle Studien zur Frage der medikamentösen Sterilisierung” erwähnt werden;
- die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz allen durch Verbreitung des Buchs entstandenen und noch entstehenden Schadens festzustellen;
- Auskunft darüber zu geben, in welcher Stückzahl das Buch mit Schwärzungen und Beilagezetteln in Verkehr gebracht worden ist.
Das Landgericht hat der Beklagten die Weiterverbreitung des Buchs insoweit verboten, als darin die Textstellen enthalten sind:
S. 105/106: „Von Erfolg gekrönt war jedoch die Umsiedlung des Medikamentenwerkes (Firmenslogan: „Arzneimittel aus Naturstoffen”) nach Beendigung des II. Weltkrieges.
Die Firma bezog das rund 430.000 qm große Gelände eines ehemaligen Luftwaffenstützpunktes … Die Firmenleitung liegt heute in den Händen der Söhne des Gründertrios Hans, Friedemund und Gerhard M..
Die politische Orientierung dieser „Vettern”-Wirtschaft kann man an Besuchen von CSU/CDU-Managern, insbesondere dem Strauß-Stellvertreter Heubl, feststellen. Daß es dabei vor allem um Finanzen geht, wird vom Hause M. nicht geleugnet. Mitglieder des M.-Clans bedauern zutiefst, daß der Versuch der CSU, in Nordrhein-Westfalen einen Brückenkopf zu schaffen, trotz beträchtlichen Engagements fehlgeschlagen ist.”
Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.
Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin hat hilfsweise beantragt, der Beklagten folgende Behauptungen zu verbieten:
- Ein Treibhaus zur Züchtung des Schweigrohrs sei errichtet worden, da sich Freilandversuche der in Südamerika beheimateten Pflanze als schwierig erwiesen hätten; und/oder
- nach Aussage des SS-Standartenführers Dr. Rudolf Brandt seien entsprechende Experimente auch tatsächlich ausgeführt worden, wobei jedoch bisher nicht bekannt geworden sei, in welchem Konzentrationslager die Menschenversuche stattfanden; und/oder
- von Erfolg gekrönt sei jedoch die Umsiedlung des Medikamentenwerkes (Firmen-Slogan: „Arneimittel aus Naturstoffen”) nach Beendigung des II. Weltkrieges gewesen. Die Firma habe das rund 430.000 qm große Gelände eines ehemaligen Luftwaffenstützpunktes bezogen. Die Firmenleitung liege heute in den Händen der Söhne des Gründertrios Hans, Friedemund und Gerhard M.. Die politische Orientierung dieser „Vettern”-Wirtschaft könne man aus den Besuchen von CSU/CDU-Managern, insbesondere dem Strauß- Stellvertreter Heubl, feststellen. Daß es dabei vor allem um Finanzen gehe, werde vom Hause M. nicht geleugnet. Mitglieder des M.-Clans bedauerten zutiefst, daß der Versuch der CSU, in Nordrhein-Westfalen einen Brückenkopf zu schaffen, trotz beträchtlichem Engagements fehlgeschlagen sei; und/oder
- nicht nur das Ausland wundere sich, wie wenig Konsequenzen in Deutschland aus den Verbrechen der Nazizeit gezogen worden seien; und/oder
- die Arbeit „Tierexperimentelle Studien zur Frage der medikamentösen Sterilisierung” insbesondere deren einleitenden Satz (mit oder ohne die Worte: „aus naheliegenden Gründen”), in der Weise unvollständig zu zitieren, daß der Satzteil „besonders die temporäre Ruhigstellung des weiblichen Genitals bei tuberkulosen oder anderen schweren Allgemeinschädigungen” weggelassen wird.
Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin unter Abweisung ihrer weitergehenden Anträge der Beklagten verboten, das beanstandete Kapitel mit den Ausführungen auf S. 100–105 1. Absatz aufzulegen, zu vertreiben, feilzuhalten oder Dritten den Nachdruck zu gestatten, soweit dort die Klägerin erwähnt wird. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das vom Landgericht ausgesprochene Verbot der Textstelle auf S. 105 2. und folgender Absätze aufgehoben und die Unterlassungsklage auch insoweit abgewiesen.
Hiergegen haben beide Parteien Revisionen eingelegt. Während die Klägerin mit ihrer Revision ihre Klageanträge weiter verfolgt, soweit sie abgewiesen worden sind, erstrebt die Revision der Beklagten die volle Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
A
Die Revisionen beider Parteien sind zulässig.
1. Die Revision der Beklagten bedurfte der Zulassung durch das Oberlandesgericht, da die Beschwer der Beklagten 40.000 DM nicht erreicht. Die Zulassung hat das Berufungsgericht nicht schon in seinem Urteil, sondern erst durch Berichtigungsbeschluß nach § 319 ZPO ausgesprochen. Das steht der Wirksamkeit der Zulassung im Streitfall jedoch nicht entgegen
a) Es ist allgemein anerkannt, daß eine im Berufungsurteil übersehene Revisionszulassung dann, wenn die Voraussetzungen des § 319 ZPO erfüllt sind, durch Berichtigungsbeschluß nachgeholt werden kann (BGHZ 20, 188, 191; BGH Urteil vom 25. September 1958 – VII ZR 104/57 = NJW 1958, 1917; BAG MDR 1969, 877; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. § 546 Rdz. 13; § 511 a Rdz. 31; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 12. Aufl. § 143 S. 813; Baumbach/Albers, ZPO 38. Aufl. § 546 Anm. 2 C b). Allerdings ist solche Berichtigung nur zulässig, wenn die Tatsache, daß die Revisionszulassung beschlossen und nur versehentlich nicht im Urteil ausgesprochen worden war, aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlaß oder seiner Verkündung nach außen hervorgetreten ist. Ein nur gerichtsintern gebliebenes Versehen, das meist nicht ohne weitere Beweiserhebung überprüft werden könnte, ist keine „offenbare” Unrichtigkeit i.S. von § 319 ZPO. Da diese Vorschrift erlaubt, daß das Urteil durch einen Beschluß berichtigt werden kann, der von keinem der an jenem Urteil mitwirkenden Richtern gefaßt wird, wird deutlich, daß die Unrichtigkeit des Urteils für diese (anderen) Richter ohne weiteres erkennbar sein muß. Ist dies nicht der Fall, so hat ein auf § 319 ZPO gestützter Berichtigungsbeschluß keine bindende Wirkung (BGH = a.a.O.).
b) In vorliegendem Fall sind solche für den Außenstehenden „offenbaren” Umstände, aus denen sich das Versehen des Berufungsgerichts zweifelsfrei ergibt, zwar nicht aus dem Berufungsurteil selbst, aber aus den Vorgängen bei seinem Erlaß hervorgetreten.
Beim Berufungsgericht waren wegen desselben Sachverhalts fünf Verfahren anhängig, in denen sich neben der Klägerin der in dem beanstandeten Kapitel des von der Beklagten verlegten Buchs zusammen mit ihr genannte Leiter ihres biologischen Instituts Dr. Dr. K. (VI ZR 158/78 und VI ZR 159/78) und die Tochter ihres verstorbenen Gesellschafters Dr. G. M. (VI ZR 162/78) gegen die Beklagte und den Buchautor gleichförmig gegen die Wiederholung der Vorwürfe wehrten. Alle Verfahren hat das Berufungsgericht am selben Tag und in derselben Besetzung verhandelt und entschieden. In den von der Tochter des Dr. G. M. und den beiden von Dr. Dr. K. angestrengten Prozessen hat das Berufungsgericht die Revision wegen Rechtsgrundsätzlichkeit in der Formel seiner Urteile zugelassen. Daß es auch im vorliegenden Rechtsstreit wegen der Rechtsgrundsätzlichkeit der Frage um die Widerrechtlichkeit der Veröffentlichung die Revision eröffnen wollte, ist offenkundig; das ergibt sich nicht nur daraus, daß die Fragestellung im Streitfall mit der in den Verfahren, in denen die Revision deswegen zugelassen worden ist, übereinstimmt, sondern auch aus dem in jenen Verfahren hervorgetretenen Bestreben des Berufungsgerichts, durch Zulassung der Revision nicht nur in jenen drei, sondern in allen Sachen divergierende Entscheidungen zu vermeiden. Das wird eindeutig durch den Umstand belegt, daß das Übersehen des Zulassungsausspruchs im Streitfall ohne jede Intervention der Parteien vom Berufungsgericht selbst alsbald bemerkt und noch vor Herausgabe der Urteile berichtigt worden ist, so daß den Parteien das Urteil sogleich mit dem Berichtigungsbeschluß verbunden zugestellt worden ist.
Bei dieser Sachlage ist das Versehen des Berufungsgerichts aus den nach außen hervorgetretenen Umständen i.S. von § 319 ZPO offenbar; die im Berichtigungsbeschluß ausgesprochene Zulassung ist deshalb für die Revision der Beklagten bindend. Gegen die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels hat sich daher auch mit Grund die Klägerin nicht gewandt.
c) Infolgedessen kommt es nicht mehr darauf an, ob und in welchem Umfang das Rechtsmittel der Beklagten jedenfalls als Anschlußrevision zulässig sein würde.
2. Die Revision der Klägerin bedurfte einer Zulassung durch das Berufungsgericht nicht, da ihre Beschwer insgesamt 40.000 DM übersteigt und der Rechtsstreit nicht nur hinsichtlich der Schadensersatzpflicht und des diesem Begehren dienenden Auskunftsanspruchs, sondern auch soweit es um das Unterlassungsbegehren geht vermögensrechtlicher Natur ist. Daher war das Berufungsgericht nicht zuständig, über die Zulassung der Revision der Klägerin zu entscheiden, falls es dies auch für dieses Rechtsmittel hat aussprechen wollen; diese Entscheidung steht allein dem Bundesgerichtshof zu (BGH Beschl. v. 30. November 1979 – I ZR 30/79 = NJW 1980, 786).
Zwar betrifft eine Klage, mit der wie im Streitfall die Unterlassung einer Rufschädigung verlangt wird, nur dann einen vermögensrechtlichen Streitgegenstand, wenn das Rechtsschutzbegehren in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dient (st.Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 30. Mai 1974 – VI ZR 199/72 = NJW 1974, 1470 m.w.Nachw.). Die Voraussetzungen dafür liegen hier aber vor. Pur die Wahrung des Rufs der Klägerin als eines pharmazeutischen Unternehmens, das auf Gewinn ausgerichtet ist, stehen wie allgemein bei solchen Gesellschaften ungeachtet ihres personalen Charakters als Personengesellschaft wirtschaftliche Belange ganz im Vordergrund. Der Unterlassungsanspruch soll der Entstehung vornehmlich eines materiellen Schadens vorbeugen. Dem widerspricht es nicht, wenn die Klägerin daneben Feststellung der Ersatzpflicht für den aus der schon geschehenen Veröffentlichung entstandenen und noch entstehenden Schadens begehrt.
Der Senat hat keinen Grund gesehen, gemäß § 554 b ZPO die Annahme der Revision abzulehnen.
B
1. Der Unterlassungsanspruch
Nach Ansicht des Berufungsgerichts greift das beanstandete Kapitel – auch in seiner aufgrund der einstweiligen Verfügung „bereinigten” Fassung – rechtswidrig in das Ansehen der Klägerin ein. Sie könne daher gemäß §§ 823, 1004 BGB i.V. mit § 186 StGB von der Beklagten im Wege der Unterlassung verlangen, daß vor weiterer Inverkehrgabe des Buchs ihr Name auf den S. 100–105 (1. Absatz) entfernt werde. Damit sei allerdings ihrem Schutzanliegen ausreichend Rechnung getragen. Ein Anspruch auf weitere Streichungen, nämlich auch der Schilderungen über die Abhandlung „Tierexperimentelle Studien zur Frage der medikamentösen Sterilisation”, und ihres Namens auf den übrigen Seiten des Kapitels sowie des Namens von Dr. G. M. und Dr. Dr. K. und über ihre gegenwärtigen Verhältnisse stehe ihr nicht zu.
Während die Revision der Klägerin unbegründet ist, wehrt sich die Revision der Beklagten gegen das Veröffentlichungsverbot mit Erfolg.
I. Zur Revision der Beklagten
1. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß die klagende Kommanditgesellschaft als Personengesellschaft sich gegen Angriffe auf ihr Ansehen in der Öffentlichkeit mit der Unterlassungsklage schützen kann.
a) Nicht anders als Kapitalgesellschaften (Senatsurteile vom 18. Juni 1974 – VI ZR 16/73 = NJW 1974, 1762 und vom 3. Juni 1975 – VI ZR 123/74 = NJW 1975, 1882, 1883) genießen auch Personengesellschaften des Handelsrechts als solche zivilrechtlichen Ehrenschutz (RGZ 95, 339, 341; Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs im Privatrecht, 2. Aufl. S. 95; vgl. auch Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 2. Aufl. Rdz. 3.128 mit Nachw.), wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen wird. Daß sie keine juristischen Personen sind, ist hierfür nicht entscheidend (so schon für den nicht rechtsfähigen Verein Senatsurteil vom 18. Mai 1971 – VI ZR 220/69 = NJW 1971, 1655). Indem das (Zivil-)Recht ihnen die Befugnis zuerkennt, in ihrem sozialen Wirkungsbereich die in ihrer Organisation verbundenen Interessen ihrer Gesellschafter selbst zur Geltung zu bringen, gewährt es ihnen ebenfalls das Recht, für diesen Bereich auch ihre Gesellschafter vor solchen rufschädigenden Angriffen zu schützen, die sich gegen diese in ihrer gesellschaftlichen Verbundenheit richten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin diesen Schutz zur Verwirklichung ihres Gesellschaftszwecks benötigt, was das Berufungsgericht offen läßt; maßgebend ist, ob ihr Ansehen in der Öffentlichkeit durch rufschädigende Aussage über ihr Auftreten als Unternehmen der pharmazeutischen Industrie betroffen ist.
Allerdings kann auch eine Personengesellschaft aus eigenem Recht nicht umfassenden Ehrenschutz für ihre Gesellschafter oder Betriebsangehörige in Anspruch nehmen (vgl. auch Senatsurteile vom 18. Juni 1974 und vom 3. Juni 1975 = a.a.O.); für sie ist dieser beschränkt auf das Erscheinungs- und Wirkungsfeld des gesellschaftlichen Interessenverbunds. Nicht kann sie sich gegen ehrverletzende Kritik an einem Gesellschafter oder Betriebsangehörigen wehren, die keinen Bezug auf ihre Tätigkeit als Gesellschaft hat. Der Umstand allein, daß solche Kritik in aller Regel auch auf die Gesellschaft wegen deren personaler Prägung ausstrahlt, genügt für einen eigenen Unterlassungsanspruch der Personengesellschaft nicht; die Kritik muß vielmehr – wenn auch in der Person des kritisierten Gesellschafters oder Betriebsangehörigen – die Gesellschaft selbst (unmittelbar) treffen (vgl. auch OLG Stuttgart NJW 1976, 628, 630). Ob dies der Fall ist, weil durch einen rufschädigenden Angriff auf einen Gesellschafter oder Betriebsangehörigen die Gesellschaft selbst in der Öffentlichkeit herabgewürdigt wird, läßt sich nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anhand der Verkehrsanschauung feststellen. Solche Feststellung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Gesellschafter oder Betriebsangehörige in dieser Eigenschaft oder wegen Tätigkeiten angegriffen wird, mit denen die Verkehrsauffassung auch die Gesellschaft identifiziert.
b) Auf dieser Grundlage ist es entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten rechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht die Klägerin für ihren Unterlassungsanspruch als aktivlegitimiert ansieht, soweit sie in dem inkriminierten Kapitel des Buches selbst genannt oder mit den kritisierten Forschungen von Dr. G. M. und Dr. Dr. K. im „Dritten Reich” durch deren Hervorhebung als führende Wissenschaftler der Klägerin ausdrücklich in Verbindung gebracht wird. Bedenken erwecken allerdings die sehr knappen und insoweit mißverständlichen Ausführungen des Berufungsgerichts, in denen es das Betroffensein der Klägerin durch die Angriffe auf ihren früheren persönlich haftenden Gesellschafter Dr. G. M. und ihren Geschäftsführer Dr. Dr. K. damit begründet, sie müsse sich deren Verhalten „zurechnen” lassen (BU Bl. 11). Sollte es damit gemeint haben, jenes Verhalten von Gesellschafter und Organ habe sich die Klägerin aus Rechtsgründen „zurechnen” lassen müssen, dann könnte diese Begründung die Aktivlegitimation der Klägerin nicht schon stützen. Hierfür kommt es nicht auf eine etwaige rechtliche Einstandspflicht der Klägerin, sondern darauf an, daß die Öffentlichkeit sie mit der Kritik identifiziert. Das ist aber hier anzunehmen, weil das kritisierte Verhalten von Dr. G. M. und Dr. Dr. K. in den Jahren 1941 ff auch jetzt noch mit der Unternehmenstätigkeit der Klägerin in enger Verbindung steht, zudem der Autor den Leser auf diese Verbindung ausdrücklich hinweist. Für den Leser ist insoweit die Klägerin selbst Gegenstand der beanstandeten Kritik.
2. Im Ergebnis zu Recht würdigt das Berufungsgericht – wie schon das Landgericht in der von ihm erlassenen einstweiligen Verfügung – die Veröffentlichung in der „unbereinigten” Fassung als rufschädigenden Eingriff, dessen Wiederholung der Beklagten verboten werden konnte.
Das Berufungsgericht erwägt: In dem beanstandeten Kapitel – in seiner „unbereinigten” Fassung – werde zwar nicht ausdrücklich, wohl aber durch geschicktes Zusammenspiel von Auslassungen, mißverständlichen Formulierungen, Kombination falscher Sinnzusammenhänge und Kapitelüberschrift eine Gesamtaussage dahin gemacht, die Klägerin habe den rassepolitischen Vernichtungsplänen der NS-Machthaber Schrittmacherdienste geleistet und sich an Experimenten zur Durchführung dieser Pläne beteiligt. Beim Leser werde der Eindruck erzeugt, die pharmazeutische Industrie habe sich „freudig in den Dienst der großen vaterländischen Aufgabe als Diener der Volksgesundheit gestellt”, um die medikamentöse Sterilisation billig und praktikabel zu machen. Genau an dieser Stelle werde die Klägerin gemeinsam mit Dr. G. M. und Dr. Dr. K. als Verfasser der „Studien” genannt und durch weitere Manipulationen der Eindruck erweckt, die Verfasser hätten durch sie der NS-Sterilisationspolitik Schrittmacherdienste leisten wollen. An späterer Stelle werde dem Leser suggeriert, die Klägerin habe sich auch experimentell betätigt, um Sterilisationen „unliebsamer Personen” zu ermöglichen.
Da diese rufschädigenden Behauptungen unwahr seien, könne die Klägerin ihre Wiederholung verbieten.
Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht sich nicht auf eine Würdigung der „offen” aufgestellten Behauptungen des Autors beschränkt, sondern die Klägerin auch gegenüber solchen rufschädigenden Beschuldigungen als geschützt angesehen, die im Gesamtzusammenhang „offener” Einzelaussagen „versteckt”, „zwischen den Zeilen” stehen. Gerade gegenüber solchen „versteckten” Aussagen kann die betroffene Persönlichkeit besonders schutzwürdig sein, weil sie durch sie stärker belastet sein kann als durch „offene” Beschuldigungen. Vorwürfe, die der Betroffene selbst erst mittels Sinninterpretation eruieren muß, geben ihm eine weniger feste Grundlage an die Hand, von der aus er sich wehren kann, und zwingen ihn zudem häufig zu Offenbarungen aus seiner Persönlichkeitssphäre, deren fehlende Kenntnis den Angreifer gerade von einer „offenen” Beschuldigung abgehalten haben mag. Da die Ermittlung des Aussagegehalts den erkennbar angeregten Schlußfolgerungen des Lesers anheim gegeben ist, ist die Mißverständnisbreite erhöht; auch das kann den Betroffenen zusätzlich belasten.
Andererseits sind der Einbeziehung solcher aus dem Gesamtzusammenhang gewonnener Sinninterpretationen in die negatorische oder schadensrechtliche Betrachtung des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes durch Art. 5 Abs. 1 GG Schranken gesetzt, der die freie Äußerung von Kritik insbesondere in Angelegenheiten gewährleistet, die wie hier die Öffentlichkeit in besonderem Maß interessieren müssen. Unzulässig wäre eine im Interesse des Ehrenschutzes vielleicht erwünschte, indes mit Art. 5 GG nicht zu vereinbarende weite Sinninterpretation, die auf die bloße Möglichkeit abhebt, daß Leser Zusammenhänge für „versteckte” Behauptungen herstellen, die der beanstandete Text nicht mit hinreichender Klarheit liefert. Solches Verständnis würde einseitig auf den Ehrenschutz abheben und außer acht lassen, daß Ehrenschutz und Kritikfreiheit nach der Wertordnung der Verfassung als gleichrangig gegeneinander abzuwägen sind (BVerfGE 43, 130, 136 ff = NJW 1977, 799, 800; zum gleichen Rang der Schutzgüter vgl. zuletzt Senatsurteil vom 30. Mai 1978 – VI ZR 117/76 = LM Art. 5 GG Nr. 45 = NJW 1978, 1797).
Die Gefahren, die sich für die Meinungsfreiheit aus einer einseitig auf den Schutz des Kritisierten ausgerichteten Interpretation eines kritischen Beitrags ergeben, müssen deshalb hier den Tatrichter besonders zur Zurückhaltung veranlassen. Er muß sich an den Text und die durch ihn festgelegte Gedankenführung halten und muß die sich unmittelbar aus ihm ergebenden Maßstäbe zur Grundlage nehmen. Grundsätzlich kann der Kritiker erwarten, daß der Leser seine „offenen” Einzelaussagen zunächst als solche nimmt, ihren Aussagegehalt übrigens auch an den Eigengesetzlichkeiten und Grenzen von Medium und Stoffdarstellung mißt; er muß nicht durch klärende Zusätze der Gefahr, daß Leser in den Text eine „Gesamtaussage” hineininterpretieren, vorbeugen, wo sich der „Sinn” der Folge von Einzelaussagen aus solchen Sachzwängen von Medium, Konzept und sprachlichem Duktus hinreichend deutlich ergibt (BVerfGE = a.a.O.).
So darf der Richter nicht schon den allgemeinen negativen Eindruck, der sich aus den mehreren nachteiligen Einzelaussagen ergibt, für eine zusätzliche Aussage mit eigenständigem Tatsacheninhalt nehmen. Solche zusätzliche Aussage aus einem überformenden Sinngehalt ist gewiß nicht ausgeschlossen, muß aber durch das Zusammenspiel der Einzelaussagen im Text selbst deutlich angelegt sein. Beschränkungen sind dem Richter durch die Gewährleistung von Art. 5 Abs. 1 GG vor allem auferlegt, soweit er, was er nicht nur darf, sondern tun muß, den Zusammenhang, in dem „offene” Einzelaussagen stehen, auf „verdeckte” Aussagen hin überprüft. Rechtlich ist es ein Unterschied, ob der Autor dem Leser überläßt, aus dem Bezugszusammenhang „offener” Einzelaussagen Schlüsse in Richtung auf einen Sachverhalt selbst zu ziehen, oder ob er solche Schlußfolgerungen – „verdeckt” – als eigene dem Leser unterbreitet. Im Ehrenschutzprozeß kann nur im zweiten Fall die „verdeckte” Aussage als eine solche des Autors der „offenen” Behauptung gleichgestellt sein. Demgegenüber kann sich der Betroffene grundsätzlich nicht dagegen wehren, daß der Leser aus den ihm „offen” mitgeteilten Fakten selbst Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den zwar die „offenen” Aussagen Anhaltspunkte liefern, den der Autor aber weder „offen” noch „verdeckt” in seinen Einzelaussagen behauptet. Auch insoweit kann dieser verlangen, an seinem Text gemessen zu werden.
Der Autor etwa eines Sachbuchs darf grundsätzlich dem Leser Fakten zur Auseinandersetzung mit ihnen anheimgeben; er kann nicht dazu angehalten werden, hierdurch gesetzte Anstöße für ein Weiterdenken in Richtung auf einen Sachverhalt zu unterbinden, der von ihm nicht behauptet worden ist, etwa weil er sich so nicht zugetragen hat oder nicht verifiziert werden kann. Solche Reglementierung von Autor und Leser würde in vielen Fällen Information und Kommunikation unmöglich machen. Die hieraus für den Ruf des Betroffenen erwachsenden Belastungen sind mit der Gewährleistung in Art. 5 Abs. 1 GG zwangsläufig verbunden und vom Grundgesetz bewußt inkaufgenommen worden.
Anderes gilt freilich, wenn der Autor dem Leser diesen zusätzlichen Sachverhalt – „verdeckt” – selbst mitunterbreitet. Solche eigenen Aussagen können sich durchaus aus dem Sinnzusammenhang seiner „offenen” Einzelaussagen ergeben; sie sind aber – wie dargelegt – nicht schon anzunehmen, wenn die mitgeteilten Fakten als solche dem Leser eine ausreichende Grundlage für ein Weiterdenken in Richtung auf solchen (zusätzlichen) Sachverhalt vermitteln, sondern erfordern zureichend deutliche Hinweise für eine eigene Stellungnahme des Autors, mit der er dem Leser eine derartige Schlußfolgerung abnimmt.
b) Gemessen an diesen Grundsätzen, die aus der nicht nur für den strafrechtlichen, sondern auch für den zivilrechtlichen Ehrenschutz verbindlichen (vgl. Faller in: Festschrift für Löffler, 1980, 43 ff) Wertentscheidung von Art. 5 Abs. 1 GG folgen und deren Beachtung durch den Tatrichter deshalb vom Revisionsgericht nachzuprüfen ist, sind die Ausführungen des Berufungsgerichts zwar in Einzelpunkten bedenklich. Im Ergebnis ist ihm jedoch darin zu folgen, daß die „unbereinigte” Fassung des Kapitels Aussagen über eine aktive Beteiligung der Klägerin an den NS-Sterilisationsvorhaben suggeriert. Daß sie nicht eine so umfassende Gesamtaussage stützen, wie sie das Berufungsgericht zugrundelegt, berührt ihren ehrverletzenden Charakter nicht.
aa) Was zunächst die Behauptung angeht, die Klägerin habe der NS-Sterilisationspolitik zielgerichtet „Schrittmacherdienste” geleistet, so ist es allerdings rechtlich verfehlt, wenn das Berufungsgericht hierfür die Titelüberschrift: „Dunkle Vergangenheit, dunkle Gegenwart” sowie folgende Textstellen ins Feld führt
S. 95/96: „Freudig stellten sich die „Ärzteführer” in den Dienst der großen vaterländischen Aufgabe als „Diener der Volksgesundheit” und wurden zu linientreuen Anhängern des Nationalsozialismus” … „Konsequenter noch handelten Ärzte in Irrenhäusern und Konzentrationslagern. Hitler hatte ihnen den wirtschaftlichen Aufstieg beschert, zum Dank dafür halfen sie dem „Führer”, die Reichsschatulle von „lebensunwertem Leben” zu entlasten. Unter diesen Helfern befanden sich auch solche Medizinmänner, die es heute wieder zu Ruhm, Macht und Geld gebracht haben.”,
die für den Leser nach Inhalt und Stoßrichtung klar auf die Ärzte und nicht auf den pharmazeutischen Tätigkeitsbereich bezogen waren, in dem die Klägerin angeblich einen Beitrag zu den Verbrechen der Nationalsozialisten geleistet haben soll. Durch ihre Nennung in diesem Kapitel und im Anschluß an die genannten Passagen mag sich der negative Eindruck, den der Leser durch die Ausführungen über ihre Aktivitäten erhält, dadurch verstärken, daß ihm jene „dunkle Vergangenheit” vor Augen geführt wird. Am Inhalt der Aussagen über die Ärzteschaft nimmt die Klägerin damit aber nicht schon teil, auch nicht durch den Hinweis auf den akademischen Titel ihrer Mitarbeiter (S. 100: „Dr. med.”). Insofern ist die Klägerin im Kontext des Kapitels von jenen Textstellen („Ärzteführer”; „Ärzte in Irrenhäusern und Konzentrationslagern”) klar abgesetzt. Der Autor wendet sich hierin von den praktisch tätigen Ärzten (S. 95/96) zunächst den geisteswissenschaftlichen Wegbereitern der Euthanasie (S. 96–99) und dann erst der pharmazeutischen Industrie zu (S. 99 ff); erst an dieser Stelle kommt er auf die Mitarbeiter der Klägerin als Verfasser jener pharmazeutischen Forschungsstudie und als Angehörige eines pharmazeutischen Unternehmens zu sprechen (S. 100). Diese Textgliederung des Autors, der allein, wie schon gesagt, nach Art. 5 GG die Maßstäbe für eine Sinninterpretation entnommen werden dürfen, vernachlässigt das Berufungsgericht, wenn es inhaltliche Bezüge durch Übertragung von Aussagen über die Ärzteschaft auf die die Klägerin betreffenden Schilderungen herzustellen sucht.
bb) Doch hält sich die Würdigung des Berufungsgerichts, der Autor habe die Mitarbeiter der Klägerin als Verfasser jener Studie und damit sie selbst „zielgerichteter”, „vorsätzlich-finaler” Schrittmacherdienste für die NS-Sterilisationspolitik beschuldigt, im Rahmen eines objektiven Verständnisses der Textstellen, die sich mit den experimentellen Tätigkeiten ihres biologischen Instituts während des Krieges befassen. Dieses Verständnis wird gestützt durch Verfremdung von Zitaten aus jenen „Studien” mittels Auslassungen und Hinzufügungen, die in dem Zusammenhang, in dem jene Ausführungen stehen, bei dem Leser den Eindruck erwecken mußten, die Verfasser hätten den Beitrag im Bewußtsein seiner Bedeutung für die NS-Sterilisationspläne an die Öffentlichkeit gebracht (S. 99/100). Unterstützt wird dieses Verständnis durch das besondere Gewicht, das die Ausführungen über den Beitrag der Verfasser der „Studien” als einziges Beispiel der „Schrittmacherdienste” der pharmazeutischen Industrie (S. 99) in dieser Beziehung zuteil werden lassen, und das durch die Ausführungen auf S. 105 nahegelegte Fazit des Autors, Dr. G. M. und Dr. Dr. K. hätten im Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47 nicht lediglich als Zeuge gehört, sondern angeklagt werden sollen. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, daß eine Anprangerung der Klägerin eine ausreichende Grundlage allein schon in der (objektiven) Tatsache finden kann, daß ihre Mitarbeiter an der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen über Methoden medikamentöser Sterilisation ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu welchem Fachkreisen das Interesse der NS-Politik an solchen Möglichkeiten kaum verborgen sein konnte, mitgewirkt haben, ohne daß damit schon notwendig der Vorwurf auch eines (subjektiv) zielgerichteten Vorgehens verbunden sein mußte. Die Beklagte muß sich aber daran festhalten lassen, daß der Autor dem unkritischen Leser vor allem durch die Art der Zitierung des Einleitungssatzes der „Studien”
„Die künstliche Erzeugung einer Sterilität … ist aus naheliegenden Gründen (!) eine häufig diskutierte Frage, die zwar zu umfangreichen tierexperimentellen Untersuchungen geführt hat; die dabei erhaltenen, wissenschaftlich sehr aufschlußreichen Versuchsergebnisse sind jedoch praktisch noch nicht zu einer Umwertung auf den Menschen gebracht worden”
von solchem eingeschränkten Verständnis ablenkt.
cc) Rechtlich nicht zu beanstanden ist im Ergebnis auch die Würdigung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei bezichtigt worden, sich experimentell für die verbrecherischen Sterilisierungspläne betätigt, unter anderem ein Treibhaus zur Züchtung des Schweigrohrs errichtet zu haben.
Es kann dahinstehen, ob dem Berufungsgericht darin gefolgt werden könnte, daß sich dieser Schluß beim Lesen geradezu notwendig aufdrängt (BU Bl. 12). Jedenfalls liegt solches Verständnis angesichts der mehrdeutigen Fassung der betreffenden Textstelle (S. 105) sehr nahe. Hier berichtet der Autor über die Anweisung Himmlers, Dr. M. u.a. „Möglichkeiten zu Versuchen an verbrecherischen Personen, die an und für sich sterilisiert werden müßten”, anzubieten. Er fährt dann fort:
„Ein Treibhaus zur Züchtung des Schweigrohrs wurde errichtet, da Freilandversuche der in Südamerika beheimateten Pflanze sich als schwierig erwiesen hätten. Himmler drängte darauf, daß „anhand der etwa vorhandenen Bestandteile dieser Pflanze allenfalls schon Sterilisierungsversuche in den Konzentrationslagern durchgeführt werden.” Nach Aussage des (persönlichen Referenten) des Reichsführers SS … wurden entsprechende Experimente auch tatsächlich ausgeführt, wobei jedoch bisher nicht bekannt wurde, in welchen Konzentrationslagern die Menschenversuche stattfanden.
Weder Dr. M. selbst noch sein Institutsleiter Dr. Dr. K. waren jedoch im Nürnberger Ärzteprozeß angeklagt. Dr. K. trat lediglich als Zeuge auf und erklärte u.a., daß sämtliche Experimente ergebnislos verlaufen seien.
Von Erfolg gekrönt war jedoch die Umsiedlung des Medikamentenwerks (Firmenslogan: „Arzneimittel aus Naturstoffen”) nach Beendigung des II. Weltkriegs.”
Es folgen Schilderungen über die Verhältnisse und politische Orientierung der Klägerin nach dem Krieg.
Auf dieser textlichen Grundlage ist es auch bei Berücksichtigung der Sachzwänge, unter denen ein um gedrängte Darstellung bemühter Autor steht, nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht im Zusammenhang mit den Aussagen über die Errichtung des Treibhauses und die Sterilisierungsversuche in Konzentrationslagern den Namen der Klägerin „verdeckt” erwähnt sieht. Pur den Leser liegt nahe, der beanstandeten Textstelle zu entnehmen, daß der frühere persönlich haftende Gesellschafter der Klägerin Dr. G. M. das „Angebot” Himmlers zu Sterilisierungsversuchen am Menschen auch wahrgenommen hat; hierin bestärkt ihn der Autor vor allem durch das in gedanklichem Zusammenhang hiermit von ihm gezogene Fazit, Dr. M. und sein Institutsleiter Dr. Dr. K. hätten auf die Anklagebank im Nürnberger Ärzteprozeß gehört. Durch diese Darstellung bringt er für den Leser auch die Klägerin in diesen Zusammenhang. Zwar präzisiert er seine Aussage dahin, daß die Versuche „bei” der SS (Himmler: „bei uns – in Zusammenarbeit mit dem Reichsarzt SS”) stattfinden sollten. Der Leser wird jedoch über die angebliche Beteiligung von Dr. M. als dem Repräsentanten der Klägerin und Dr. Dr. K. als deren Institutsleiter, die nach Meinung des Autors im Nürnberger Ärzteprozeß deswegen hätten angeklagt werden müssen, auf sie und ihren wissenschaftlichen und technischen Apparat hingeführt. Sollte der Autor durch solches Verständnis seiner Ausführungen wirklich falsch verstanden worden sein, so beruht dies auf seinen mißverständlichen Formulierungen, die zu seinen Lasten gehen.
Zu Recht hat deshalb das Berufungsgericht der „unbereinigten” Fassung des beanstandeten Kapitels die „verdeckte” Aussage entnommen, die Klägerin habe – über ihre Wissenschaftler – durch Veröffentlichung der „Studien” und durch Mitwirkung an Menschenversuchen die Sterilisationspolitik der NS-Machthaber bewußt unterstützt.
c) Diese (sinngemäßen) Äußerungen würdigt das Berufungsgericht als Tatsachenbehauptung, die unbestritten unwahr sind. Das läßt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen; auch die Revision der Beklagten erhebt insoweit keine Beanstandungen.
Daß der darin enthaltene Vorwurf der Beteiligung an den verbrecherischen Plänen des NS-Regimes das Ansehen der Klägerin schwer verletzt, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen kann sich die Beklagte nicht berufen; an der Aufstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen besteht nie ein geschütztes Interesse. Soweit für die Behauptung „innerer” Tatsachen Grundsätze heranzuziehen sind, die für Werturteile und Meinungen entwickelt worden sind (Senatsurteil vom 1. Februar 1977 – VI ZR 204/74 = LM Art. 5 GG Nr. 40 = GRUR 1977, 801 – Halsabschneider), können sie im Streitfall eine andere Sicht nicht rechtfertigen. Denn auch vom Standpunkt der Beklagten aus ist solcher Vorwurf, den der Autor nach ihrem Vorbringen gar nicht hat aufstellen wollen, völlig unbegründet.
3. Die Beklagte hat nun allerdings die ihr in der einstweiligen Verfügung gemachten Auflagen als für sie verbindlich auch für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit erklärt und schon vor Klageerhebung die dort beanstandeten Textstellen bereinigt. Nichts spricht dafür, daß sie in Zukunft eine andere als die „bereinigte” Fassung des Buchs in den Verkehr bringen oder zum Nachdruck freigeben wird. Zu Recht hat deshalb das Berufungsgericht im Umfang der schon angeordneten Streichungen ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für eine Unterlassungsklage verneint; insoweit fehlt es an der Wiederholungsgefahr.
Für seine Ansicht, daß auch die „bereinigte” Fassung den Ruf der Klägerin immer noch verletze, hat das Berufungsgericht erwogen: Durch die in der einstweiligen Verfügung angeordneten Streichungen sei dem Ehrenschutz der Klägerin nicht genügt. Auch noch in dieser Fassung werde sie unter einer diskriminierenden Kapitelüberschrift in einen Zusammenhang mit Verbrechen und Verbrechern aus der NS-Vergangenheit eingebettet ohne die Klarstellung, daß die wissenschaftliche Arbeit ihrer leitenden Wissenschaftler von den NS-Machthabern nur ausgenutzt worden sei. Auch noch diese Fassung müsse bei dem Leser den Eindruck erwecken, die Klägerin habe bewußt und gewollt ihre Laboratorien für die NS-Verbrechenspläne zur Verfügung gestellt und sei einer jener „Auguren” gewesen, die den NS-Machthabern bei ihrer Sterilisationspolitik hätten helfen wollen. Da die Klägerin klarstellende Zusätze nicht erreichen könne, bleibe nur die Löschung ihres Namens aus dem inkriminierten Artikel.
Diese Begründung des angefochtenen Urteils hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allem stand. Wohl ist dem Berufungsgericht im Ergebnis darin zu folgen, daß die Streichungen in der „bereinigten” Fassung das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für ihre Unterlassungsklage nicht völlig beseitigt haben. Entgegen seiner Auffassung findet sich allerdings in dieser Fassung, solange sie nur für sich genommen, also die Ausstrahlung der ursprünglichen, „unbereinigten” Fassung unberücksichtigt gelassen wird, nicht mehr ein Angriff auf den Ruf der Klägerin, der unzulässig wäre, wie sogleich unter a) dargetan wird. Doch muß der Umstand, daß die ursprüngliche Fassung in den Verkehr gelangt ist, so daß sie für den Leser der „bereinigten” Fassung Orientierungs punkte für sein Verständnis vorgegeben hat, bei der Würdigung des Aussagegehalts der geänderten Fassung berücksichtigt werden. Bei der hier gegebenen Fallgestaltung ist die Gefahr nicht beseitigt, daß der Leser die in der ursprünglichen Fassung enthaltenen unzulässigen „verdeckten” Aussagen auch noch der textlichen Gestaltung der neuen Fassung entnimmt, wie dies anschließend unter b) belegt wird.
a) Wäre die „bereinigte” Fassung nur für sich zu nehmen, dann wäre durch sie die Klägerin nicht in unzulässiger Weise belastet.
aa) Die Behauptung, die Klägerin habe durch Veröffentlichung der „Studien” ihrer Mitarbeiter der NS-Sterilisationspolitik „Schrittmacherdienste” geleistet, ist der „bereinigten” Fassung nicht mehr zu entnehmen. Das „Zitat” des Einleitungssatzes aus den „Studien”, das in erster Linie dieses Verständnis stützte, ist nunmehr so neutral gefaßt, daß es dem Leser nicht mehr den Eindruck vermitteln muß, die „Studien” seien gerade im Blick auf die NS-Sterilisationspläne angefertigt und veröffentlicht worden; den Satzteil: „… aus naheliegenden Gründen (!) …” enthält das „Zitat” nicht mehr. Die nach wie vor ausgelassenen Stellen des Originaltextes hätten zwar die Zielrichtung der „Studien” deutlicher hervorgehoben („Die künstliche Erzeugung einer Sterilität – besonders die temporäre Ruhigstellung des weiblichen Genitals bei Tuberkulose oder anderen schweren Allgemeinschädigungen – ist aus naheliegenden Gründen eine häufig diskutierte Frage …”). Trotz dieser Auslassung weist aber das „Zitat” selbst den Leser nicht in eine die Klägerin zusätzlich belastende, falsche Richtung; auch eine vollständige Zitierung hätte den negativen Eindruck nicht verhindern können, daß in jenem Zeitpunkt eine solche Arbeit veröffentlicht worden ist, die sich mit billigen Möglichkeiten zur Sterilisierung von Menschen beschäftigte. Auch das in der „unbereinigten” Fassung nahegelegte Fazit des Autors, die Mitarbeiter der Klägerin hätten im Nürnberger Ärzteprozeß angeklagt werden sollen (S. 105), enthält die „bereinigte” Fassung nicht mehr, so daß auch von hier aus Rückschlüsse auf die Zielrichtung der „Studien” nicht mehr drohen.
Das Berufungsgericht begründet seine Auffassung damit, der Autor „taste” sich von der Kapitelüberschrift: „Dunkle Vergangenheit, dunkle Gegenwart” und den Textstellen über die Bereitschaft von Ärzten zur Mitwirkung am NS-Euthanasie- und Sterilisationsprogramm her „an die Klägerin heran, indem er der Passage über die von ihren Mitarbeitern verfaßten „Studien” Bemerkungen über „Auguren”, die die Forderung nach billigen und schnellen Sterilisationsverfahren „mit Medikamenten zu verwirklichen suchten”, vorausschicke. Indes ist diese Herausarbeitung einer „Dramaturgie” des Autors, die die Klägerin ins Licht eines wissentlichen Helfers an den NS-Verbrechen rückt, rechtsfehlerhaft. Denn sie setzt sich nicht zunächst vor Eintritt in eine Würdigung mit den Aussagen des Autors nach Inhalt, Aufbau und Gliederung vollständig auseinander, sondern beschränkt sich darauf, die Gesamtdarstellung auf Textstellen abzusuchen, die in Richtung auf die von der Klägerin behauptete belastende Aussage deuten können. Zwar ist es Aufgabe tatrichterlicher Würdigung, Bezugszusammenhänge einer Veröffentlichung und die in ihnen erkennbaren „dramaturgischen” Absichten des Autors zu ermitteln. Der Tatrichter muß dabei aber die Darstellung insgesamt und die in ihr angelegten Maßstäbe zugrundelegen und darf sie nicht allein unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes betrachten.
Dem entgegen würdigt das Berufungsgericht nicht, daß der Autor in dem beanstandeten Kapitel schon in seinen Einzelaussagen zwischen Vorgängen aus der Medizin, der Pharmazie, der Geisteswissenschaften und der Politik hin und her wandert. Dies sowie die polemischen Züge, die das Kapitel deutlich aufweist, erschweren dem Leser den Nachvollzug einer so einfachen Linie, wie sie nach Auffassung des Berufungsgerichts die Schilderungen über die Klägerin mit den voranstehenden Textstellen in einem inhaltlichen Sinngehalt verbindet. Dann aber ist für den Tatrichter besondere Zurückhaltung geboten, wenn er den „roten Faden” für eine konkrete inhaltliche Aussage feststellen will; insbesondere darf er nicht, wie bereits dargelegt, schon die allgemein negative Einstimmung des Lesers für solches inhaltliche Substrat nehmen. Daß deshalb weder die Kapitelüberschrift noch die Textstellen über die Bereitschaft von Ärzten zur Mitwirkung an den NS-Euthanasie- und Sterilisationsvorhaben als Bezugspunkte für die dem Autor und damit der Beklagten zur Last gelegten inhaltlichen Aussage dienen können, weil sie allenfalls dazu beitragen, einen allgemeinen negativen Eindruck über die Klägerin zu verstärken, ist schon dargelegt worden.
Auch in den Bemerkungen über „Auguren”, die die Forderung nach billigen und schnellen Sterilisationsverfahren „mit Medikamenten zu verwirklichen suchten”, verdichtet sich dieser negative Eindruck bei rechtlich gebotener Würdigung an der Gesamtdarstellung nicht schon zu der inhaltlichen Aussage Über die Klägerin im Sinne des Berufungsgerichts. Dieses vernachlässigt hier, daß der Autor, bevor er sich ihr zuwendet, die das Kapitel einleitende Angriffslinie gegenüber einer das damalige Regime bejahenden politischen Haltung in der Ärzteschaft verläßt und auf die „Ideologie und Nomenklatur der technischen Welt, dem Rausch der großen Zahl, die lückenlose Organisation, die Perfektion der Apparatur, die Berechnung des Nutzens”, das „technisch-perfektionistische Denken” in den Sterilisierungsmaßnahmen zu sprechen kommt. Damit wird der Leser auf den Beitrag technischen Nützlichkeitsdenkens der Naturwissenschaften an den NS-Verbrechen hingelenkt. Von diesem Standort aus wird die Herausstellung der „Studien” auch dann verständlich, wenn ihr die vom Berufungsgericht unterlegten verbrecherischen Absichten der Verfasser nicht beigemessen werden. Denn auch dann paßt es in das Konzept einer Kritik an einem nur auf die technische Perfektion sehenden Verhalten, auf die Tatsache hinzuweisen, daß ausgerechnet in einem Zeitpunkt, in dem das NS-Sterilisierungsprogramm in die Ausführungsphase eintrat, „Studien” über ein billiges Sterilisationsverfahren am Menschen veröffentlicht wurden, zumal die SS-Führung, wie unstreitig ist, ihnen erhebliche Aufmerksamkeit gewidmet hat. Solcher Verurteilung einer die moralische Verantwortlichkeit für die Folgen vernachlässigenden Ausrichtung an der technischen Aufgabe ist es im Prinzip gleichgültig, ob die Verfasser der „Studien” diese zur Unterstützung der NS-Sterilisierungspolitik oder allein aus wissenschaftlichem Interesse zu jenem Zeitpunkt in die Öffentlichkeit gebracht haben; für sie zählt schon die Tatsache der Veröffentlichung. Für dieses Verständnis hat auch das Gewicht der Erwähnung der „Studien” als im wesentlichen einziges konkretes Beispiel für das angeprangerte technische Nützlichkeitsdenken keinen unangemessenen Stellenwert. In der „bereinigten” Fassung bewegt sich zudem die Schilderung über die Veröffentlichung der „Studien” in größerer Distanz zu den NS-Machthabern. Jetzt wird nur noch berichtet, daß diese von dritter Seite, nicht von den Verfassern, auf die „Studien” aufmerksam gemacht worden sind, und daß die SS erst nach Erscheinen der Veröffentlichung mit den Verfassern Kontakt aufnahmen, um deren Forschungsergebnisse für ihre Zwecke nutzbar zu machen. Allein der Arzt, der Himmler auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht hatte, war im Nürnberger Ärzteprozeß deshalb angeklagt; die Verfasser der „Studien” werden in der „bereinigten” Fassung mit dem Prozeß nicht mehr in Verbindung gebracht.
bb) Dem Berufungsgericht kann auch insoweit aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden, als es in den Ausführungen des Autors auf S. 105 des beanstandeten Kapitels zu den Experimenten mit dem Medikament einen weiteren Bezugspunkt für den von ihm bejahten „verdeckten” Vorwurf gegen die Klägerin sieht.
Zwar mögen Leser die Textstelle auch in ihrer „bereinigten” Fassung zum Anlaß nehmen, die Klägerin mit der dort erwähnten Errichtung eines Treibhauses zur Züchtung des Schweigrohrs in Verbindung zu bringen. Solche Schlußfolgerungen wären aber nicht durch den Text als Behauptungen des Autors ausgewiesen, wie dies nach dem oben Gesagten für die Feststellung einer „verdeckten” Aussage aus dem Bezugszusammenhang von „offen” mitgeteilten Fakten erforderlich ist, sondern müßten als eigene Schlußfolgerungen des Lesers von der Klägerin hingenommen werden.
Auch für die Würdigung der insoweit in Betracht kommenden Textstelle sind nämlich zunächst die „offenen” Aussagen des Autors nach Inhalt, Form und Standort in der Gesamtdarstellung zugrundezulegen. Diese schließen an längere Passagen über die Resonanz an, die die „Studien” von Dr. G. M. und Dr. Dr. K. bei der SS-Führung gefunden hatten (S. 101–104). Gedanklich läßt der Autor den Leser im Aktionsbereich der SS, wenn er über die Anweisung Himmlers an die SS-Obergruppenführer B. und Dr. G. berichtet, „mit Dr. M. Fühlung aufzunehmen” und ihm „den Wunsch zu übermitteln, über diese Fragen der medikamentösen Sterilisierung keine Veröffentlichung mehr stattfinden zu lassen, ihm aber anzubieten, daß er bei uns – in Zusammenarbeit mit dem Reichsarzt SS – die Möglichkeit zu Versuchen an verbrecherischen Personen, die an und für sich sterilisiert werden müßten, bekommt”. Dieser Bezug auf Aktivitäten der SS-Führung wird auch in den folgenden Sätzen nicht aufgegeben, sondern durch weitere Hinweise auf die SS unterstützt: „Himmler drängte darauf, daß anhand der etwa vorhandenen Bestandteile dieser Pflanze allenfalls schon Sterilisierungsversuche in den Konzentrationslagern durchgeführt werden” und „nach Aussage des SS-Standartenführers Dr. B., persönlicher Referent des Reichsführers SS und Leiter des Ministerbüros im Reichsinnenministerium, wurden entsprechende Experimente auch tatsächlich ausgeführt, wobei jedoch bisher nicht bekannt wurde, in welchem Konzentrationslager die Menschenversuche stattfanden”. Zwar mögen Leser trotz solcher betonten Ausrichtung auf die Regie der SS bei jenen Experimenten den Satz über die Errichtung des Treibhauses dahin ergänzen, die Klägerin sei Bauherrin des Treibhauses gewesen, da sie die „Studien” mitgetragen habe. Aber auch das wäre eine Weiterführung der von dem Autor mitgeteilten Fakten zu einem Sachverhalt, den er weder „offen” noch „verdeckt” behauptet hat. Er kann sich darauf zurückziehen, daß er eine Aussage über den Bauherrn unterlassen, insbesondere die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, sondern den Leser auf die Regie der SS hingewiesen hat. Bei solcher Sachlage kann bei richtiger Wertung des Spannungsverhältnisses zwischen Meinungsfreiheit und Ehrenschutz ein klarstellender Zusatz über den Bauherrn des Treibhauses vom Autor nicht verlangt werden.
Ebenso fehlt es an einem zureichend deutlichen Bezugspunkt für eine – wenn auch „versteckte” – Aussage des Autors, Dr. G. M. habe Menschenversuche in Konzentrations lagern durchgeführt. Dazu reicht nicht aus, daß die Ausführungen über das „Angebot” Himmlers an ihn und die Aussagen des persönlichen Referenten Himmlers zusammenstehen. Die Verbindung beider Mitteilungen in jener Textstelle ist im Kontext der Gesamtdarstellung sachlich ausreichend erklärt, auch ohne daß solches weiterführende Verständnis zugrundegelegt werden müßte. Dann aber muß es dem Autor rechtlich möglich sein, sachlich zusammengehörende Fakten als solche zusammenzubringen, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, daß Leser diese Fakten möglicherweise als Grundlage für weitergehende eigene Schlußfolgerungen benutzen. Anderes ergab sich freilich für die „unbereinigte” Fassung aus der anschließenden Äußerung des Autors, Dr. G. M. habe im Nürnberger Ärzteprozeß angeklagt werden müssen. Diese Stelle ist jedoch in der „bereinigten” Fassung nicht mehr enthalten.
Schließlich können ausreichend deutliche Bezugspunkte für eine solche „verdeckte” Aussage des Autors seinen Ausführungen über die Verhältnisse und politische Einstellung der Klägerin nach dem Krieg entnommen werden. Insoweit ist schon die zeitliche Trennung von „Vergangenheit” und „Gegenwart” im Kontext der Gesamtdarstellung eine so deutliche Zäsur, daß diese Ausführungen bei Beachtung der oben dargestellten Grenzen für die Feststellung einer „verdeckten” Aussage als Bezugspunkt für eine Aussage des Autors über die Beteiligung der Klägerin an den NS-Sterilisierungsversuchen auszuscheiden haben.
b) Jedoch kann entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten nicht außer Betracht bleiben, daß das Verständnis der Leserschaft beeinflußt sein kann durch die (wie oben zu I 1 näher dargetan) in der „unbereinigten” Fassung „verdeckt” enthaltenen unzulässigen Aussagen über die Klägerin. Der Umstand, daß der Autor diese Aussagen in dem „unbereinigten” Kapitel gemacht hat, wird durch die „bereinigte” Fassung nicht gänzlich aus der Welt geschafft. Selbst wenn der Leser nicht – wie im Streitfall – durch Schwärzung der beanstandeten Textstellen auf eine „unbereinigte” Fassung aufmerksam gemacht werden würde, müßte die Klägerin bei einer derartigen Fallgestaltung doch befürchten, daß der zunächst in die Öffentlichkeit gelangte Aussagegehalt dieser Fassung auch für das Verständnis der „bereinigten” Fassung, wenn auch in begrenztem Umfang, fortwirkt.
Hier hatte der Autor nach den insoweit nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts seinen Text bewußt auf diese „verdeckten” Aussagen hin konzipiert; seine Äußerungen über die Aktivität der Klägerin und ihre Mitarbeiter haben – wenn auch erst im Licht der jetzt geschwärzten Textstellen – die „verdeckten” Aussagen mitgetragen. Damit wird freilich nicht der ursprüngliche Aussagegehalt in die „bereinigte” Fassung übernommen. Aber sie gerät durch die Verwandtschaft mit der „unbereinigten” Fassung, die auf das durch sie geprägte Vorverständnis der Öffentlichkeit trifft, selbst in den Einfluß dieses vorgeprägten Verständnisses. Infolge dieser suggestiven Bezüge zwischen beiden Fassungen kann durch die „bereinigte” Fassung das Verständnis der „unbereinigten” Fassung bei Lesern aktiviert und damit jener „verdeckte” Vorwurf wieder hervorgeholt werden. Jedenfalls bei einer Buchveröffentlichung, für deren Wirkungen auf den Leser der Suggestion des textlichen Konzepts besondere Bedeutung zukommt, sind Autor und Herausgeber, wenn sie den inkriminierten Text zwar „bereinigt”, aber unter Beibehaltung der Struktur und des „Gesichts” der ursprünglichen Veröffentlichung erneut an die Öffentlichkeit bringen wollen, zu größerer Zurückhaltung verpflichtet, als von ihnen nach Art. 5 GG dann verlangt werden dürfte, wenn sie nicht das Vorverständnis in der Leserschaft durch eine vorausgegangene „unbereinigte” Veröffentlichung belastet hätten. Dann müssen sie zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um den unvermeidlichen Reminiszenzen an die frühere Fassung mit ihren „verdeckten” Unrichtigkeiten im Rahmen des Zumutbaren die belastende Wirkung für den Betroffenen zu nehmen.
Dazu reichen nach Auffassung des Senats die in der „bereinigten” Fassung vorgenommenen Streichungen nicht aus. Sie haben nur die „verdeckten” Vorwürfe, der Kläger habe durch Veröffentlichung der „Studien” und in Erfüllung der daraufhin ergangenen „Anweisungen” Himmlers experimentell die NS-Sterilisationspolitik bewußt und gewollt unterstützt, aus der „bereinigten” Fassung entfernt, nicht aber wirken sie ausreichend der Gefahr entgegen, daß diese Vorwürfe, die in dem ursprünglichen Konzept enthalten waren, durch die „bereinigte” Fassung neu bewußt gemacht werden. Dazu lehnt sich diese Fassung zu en an Textstruktur und Formulierungen, die diese Vorwürfe ursprünglich getragen haben, an. Bei Verwendung einer derartigen textlichen Gestaltung, die die Leser auf Bezugszusammenhänge zu der Ursprungsfassung des beanstandeten Kapitels hinweisen kann, bedarf es eines klarstellenden Zusatzes, um solche belastende Wirkungen, die immer noch auch von der „bereinigten” Fassung ausgehen, für die Klägerin zu neutralisieren.
4. Infolgedessen ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für ein Veröffentlichungsverbot durch die Unterwerfung der Beklagten unter die Auflagen der einstweiligen Verfügung nicht völlig beseitigt. Zu weit geht aber die Auffassung des Berufungsgerichts, das schutzwürdige Interesse der Klägerin erfordere, der Beklagten die Veröffentlichung auch der „bereinigten” Fassung des beanstandeten Kapitels zu verbieten, solange in ihm der Name der Klägerin erwähnt werde.
a) Ein derartiges Veröffentlichungsverbot würde nicht genügend berücksichtigen, daß bei richtigem Verständnis der Gleichrangigkeit von Ehrenschutz und Kritikerfreiheit dem Autor nicht untersagt werden kann, im Rahmen einer Auseinandersetzung mit der Haltung von Medizin und Pharmazie gegenüber der NS-Sterilisationspolitik in der textlichen Gestaltung der „bereinigten” Passung nicht nur die „Studien” und die durch sie ausgelösten Aktivitäten der SS, sondern in diesem Zusammenhang auch die hierin verstrikte Klägerin mit Namen zu erwähnen. Verbieten kann diese nur die Wiederholung der in der ursprünglichen Fassung versteckten Vorwürfe. Sie sind aber, wie dargelegt, in der „bereinigten” Fassung nicht mehr enthalten. Schutzwürdige Interessen gegenüber dieser Fassung hat die Klägerin nur noch insoweit, als diese Lesern nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen einen Bezugszusammenhang mit der „unbereinigten” Fassung vermitteln kann.
b) Diesem Interesse kann, was das Berufungsgericht zu Unrecht für nicht möglich hält, die Beklagte schon durch einen Zusatz genügen, der dem durch die ursprüngliche Fassung geschaffenen Vorverständnis entgegenwirkt, die Klägerin habe durch die „Studien” und Mitwirkung an Experimenten die NS-Sterilisierungsvorhaben unterstützen wollen. Dazu reicht aus, wenn in der „bereinigten” Fassung die Aussage von Dr. Dr. K. im Nürnberger Ärzteprozeß, wie sie in der „unbereinigten” Fassung mitgeteilt worden war, in der Weise, wie dies jetzt in der Lizenzausgabe der „Büchergilde” geschehen ist, durch den Satz vervollständigt wird, der durch die vom Autor selbst genannte Quelle (Mitscherlich, Medizin ohne Menschlichkeit 1960 S. 239) belegt wird: „… Wir vermuteten, daß die SS oder Pohl Absichten haben könnten, mit denen wir nicht einig gehen. Darum sind die Versuche sofort in dieser Weise angefaßt, geplant und durchgeführt worden”.
Eine andere Möglichkeit wäre, (etwa in einer Fußnote) klar auszusprechen, daß den Mitarbeiternder Klägerin solche Absichten nicht unterstellt werden können. Ohnehin steht der Beklagten frei, im Benehmen mit dem Autor jeden zur Vermeidung des falschen Eindrucks geeigneten Zusatz zu wählen.
Ein Zusatz dieser Art nimmt den verzerrenden Akzenten der „unbereinigten” Fassung, mit denen, wie ausgeführt, auch die „bereinigte” Fassung belastet ist, ihr Gewicht; er rückt das durch die „unbereinigte” Fassung verzeichnete Bild über die subjektive Einstellung der Mitarbeiter der Klägerin gegenüber den Sterilisationsvorhaben sowohl für die Veröffentlichung der „Studien” als auch für die hieran anschließende Mitwirkung an Versuchen wieder zurecht (vgl. BGHZ 31, 308, 319). Solche Klarstellung genügt dem Interesse der Klägerin; sie belastet andererseits Autor und Herausgeber in weit geringerem Maß als ihr Verlangen, den Namen der Klägerin ganz in der Darstellung zu tilgen. Solches Verbot könnte wohl erwogen werden, wenn sich die Sinninterpretation, die das Berufungsgericht den „offenen” Aussagen über die Klägerin gibt, auch in der „bereinigten” Fassung, würde sie für sich genommen, aufdrängen muß. Das ist aber, wie mehrfach hervorgehoben, nicht der Fall.
c) Eine derartige Auflage für eine Neuveröffentlichung des beanstandeten Kapitels greift auch nicht in unzulässiger Weise in die Gestaltungsfreiheit des Autors ein, wie das Berufungsgericht offenbar meint. Zwar ist ihm darin zuzustimmen, daß dem Richter durch Art. 5 GG auch für die nähere Ausgestaltung eines Veröffentlichungsverbots aufgrund eines Unterlassungsanspruchs Grenzen gezogen sind, die sich an Wesen und Bedeutung der freien Meinungsäußerung ausrichten (vgl. BGHZ 57, 325, 331 und Senatsurteil vom 3. Juni 1975 – VI ZR 123/74 – NJW 1975, 1882, 1885). Diese Grenzen werden durch die Beschränkung, die der Beklagten für eine Wiederveröffentlichung des beanstandeten Kapitels aufgegeben wird, nicht überschritten. Weder legt sie den Autor auf eine andere Konzeption seiner Veröffentlichung fest, noch nötigt sie ihm die Auseinandersetzung mit Sachverhalten ab, auf die er sich nicht einlassen will. Sie fordert dem Autor auch keine Relativierung des schutzwürdigen Anliegens seiner Kritik ab, sondern nur eine vollständigere Sachaussage, die belegt ist, daher ihm in ihrer Fassung nicht vom Gericht vorgeschrieben wird (vgl. dazu das „Mephisto”-Urteil des BGH vom 20. März 1968 – I ZR 44/66 – NJW 1968, 1773, 1778 [insoweit nicht in BGHZ 50, 133]), und auch dies nicht, um der Klägerin in der Darstellung der „bereinigten” Fassung eine faire Behandlung durch ihren Kritiker zu verschaffen, was nicht zulässig wäre, sondern allein um deswillen, weil ohne solchen Zusatz das durch die „unbereinigte” Fassung verzerrte Bild über die Klägerin durch eine erneute Veröffentlichung wiederbelebt zu werden droht. Jedenfalls für ein Sachbuch wie dem vorliegenden, in dem das künstlerische Anliegen des Autors vor der erstrebten Information des Lesers in den Hintergrund tritt, bedeutet es keine unzulässige Zensur, wenn ihm aufgegeben wird, auf diese Weise dem Schutz der Persönlichkeit Rechnung zu tragen. Dadurch wird der Autor in weit geringerem Maß in seiner Kritikerfreiheit begrenzt, als wenn ihm der Verzicht auf Namensnennung oder gar auf „offene” Einzelaussagen, die als solche nicht zu beanstanden sind, aufgegeben wird.
d) Dem schutzwürdigen Interesse der Klägerin an einem so eingeschränkten Veröffentlichungsverbot würde auch nicht entgegenstehen, wenn dieser Zusatz, mit der schon die Lizenzausgabe der „Büchergilde” veröffentlicht worden ist, von der Beklagten veranlaßt worden sein sollte. Wenn sie insoweit freiwillig dem Interesse der Klägerin Rechnung getragen haben sollte, so gibt das dieser allein noch keine sichere Gewähr dafür, daß die Beklagte sich auch in Zukunft daran halten wird. Die durch die unzulässige „unbereinigte” Veröffentlichung geschaffene Wiederholungsgefahr ist durch die Fassung der Lizenzausgabe nicht weggefallen.
II. Zur Revision der Klägerin
1. Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, daß die Klägerin mit ihrer Revision insoweit erfolglos bleiben muß, als sie sich dagegen wehrt, daß das Berufungsgericht ihr die Entfernung der Namen von Dr. M. und Dr. Dr. K. und des Titels der „Studien” aus den beanstandeten Ausführungen über die Rolle ihrer Wissenschaftler im „Dritten Reich” versagt hat.
Ob dem Berufungsgericht allerdings darin zu folgen ist, daß die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis daran habe, die Namen von Dr. M. und Dr. Dr. K. aus dem Kapitel zu beseitigen, weil die Betroffenen insoweit eigene Unterlassungsansprüche durchsetzen könnten, kann dahinstehen. Jedenfalls ist es entgegen der Auffassung der Revision kein unzulässiger Eingriff in das Ansehen der Klägerin, wenn in der „bereinigten” Fassung über Dr. M. und Dr. Dr. K. sowie die „Studien” berichtet und dabei auf sie hingewiesen wird. Die Kritik, die bei richtigem Verständnis des Kapitels am Verhalten ihrer Wissenschaftler im „Dritten Reich” gemacht wird, muß auch sie sich gefallen lassen.
2. Ebenso unbegründet sind die Angriffe der Revision der Klägerin insoweit, als sie sich gegen die Abweisung ihrer Unterlassungsklage gegen die Ausführungen auf S. 105/106 des beanstandeten Kapitels über ihre heutigen Verhältnisse und ihre heutige politische Einstellung richten.
Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entsprechen diese Ausführungen in der „bereinigten” Fassung den Tatsachen. Die Revision der Klägerin sieht diese in ihrem Ansehen allein durch den Zusammenhang betroffen, in dem über ihre gegenwärtigen Aktivitäten zusammen mit ihrer Rolle im „Dritten Reich” berichtet wird.
Das Berufungsgericht hat zwar, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, hierzu nicht erschöpfend Stellung genommen, da es einen Anspruch der Klägerin auf Tilgung ihres Namens bejaht hat. Doch kann der erkennende Senat aufgrund des feststehenden Sachverhalts diese Würdigung selbst vornehmen. Sie ergibt, daß die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt keinen Unterlassunganspruch hat.
Auch insoweit kann der Autor für seine „Kritik” an der heutigen politischen Einstellung der Klägerin im Rahmen einer die Öffentlichkeit interessierenden Auseinandersetzung über die Verhältnisse in Medizin und Pharmazie Art. 5 Abs. 1 GG in Anspruch nehmen; die für eine Schmähkritik gezogenen Grenzen sind trotz der möglicherweise nicht durchweg sachlichen Polemik des Autors nicht überschritten, wovon auch die Revision der Klägerin ersichtlich ausgehen will. Eine Aussage über die Rolle der Klägerin im „Dritten Reich” enthalten die beanstandeten Ausführungen nicht; insbesondere stellen sie die Klägerin nicht als Befürworterin des damaligen Regimes dar. Zwar befaßt sich das beanstandete Kapitel einleitend mit einer solchen politischen Einstellung in der Ärzteschaft. Daß aber an diesen Ausführungen über die Ärzte die Textstellen, die die Klägerin betreffen, nicht teilnehmen, ist schon früher gesagt worden. Ebensowenig strahlen die Ausführungen über die derzeitige politische Einstellung der Klägerin für den Leser mit einer derartigen inhaltlichen Substanz auf ihre Nennung im Zusammenhang mit den „Studien” ihrer Wissenschaftler zurück; solcher Aussagegehalt kann dem Hinweis auf die Orientierung der Klägerin zur CSU schon wegen der nicht vergleichbaren politischen Inhalte nicht entnommen werden. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, daß aus der Sicht des Autors der Hinweis abwertend gemeint ist; das allein reicht jedoch nicht aus, ihn als zureichenden Bezugspunkt für eine „verdeckte” inhaltliche Aussage über die politische Haltung der Klägerin im „Dritten Reich” heranzuziehen.
3. Aus den obigen Ausführungen zur Revision der Beklagten ergibt sich, daß die Revision der Klägerin auch nicht mit ihren Rügen über die Nichtberücksichtigung ihrer Hilfsanträge durchdringen kann. Denn die in der „bereinigten” Fassung gemachten offenen Einzelaussagen, die die Klägerin mit ihren Hilfsanträgen der Beklagten verbieten lassen will, verletzen diese in ihrem Ruf nicht.
2. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz wegen der beanstandeten Veröffentlichung schon mangels Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) nicht verlangen; denn sie habe die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht dargetan. Obwohl ein etwaiger Umsatzrückgang sofort nach Verbreitung des Buchs im September 1976 habe eintreten und registriert werden müssen, habe sie einen Umsatzrückgang nicht darzulegen vermocht.
II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis den Angriffen der Revision der Klägerin stand.
1. Soweit materielle Zukunftsschäden der Klägerin in Frage stehen, ist ihrer Revision freilich zuzugeben, daß ihr Feststellungsinteresse zwar die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts voraussetzt, daß aber an sie nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen, um dem Betroffenen nicht vorschnell die Möglichkeiten zum Ersatz eines später wirklich entstehenden Schadens abzuschneiden (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 1969 – VI ZR 45/67 = VersR 1969, 942, 944 und BGH Urteil vom 10. Mai 1974 – – I ZR 80/73 = LM § 16 UWG Nr. 69 m.w.Nachw.). Insbesondere kann die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts auf Erfahrungssätze gestützt werden, wenn solche bestehen (BGH a.a.O.).
Erfahrungssätze, die im Streitfall für eine ausreichende Schadenswahrscheinlichkeit sprechen könnten, sind jedoch weder von der Revision der Klägerin aufgezeigt worden, noch sonst ersichtlich. Auch wenn davon ausgegangen wird, daß die Vorwürfe in der „unbereinigten” Fassung das Ansehen der Klägerin schwer belasten, so sind doch die Erkenntnisse darüber, welchen Einfluß solche Vorwürfe moralischer Mitverantwortlichkeit eines pharmazeutischen Unternehmens für die NS-Verbrechen heute auf seinen Umsatz haben können, nicht ausreichend gesichert, um einen solchen Erfahrungssatz zu stützen. Entscheidend kommt hinzu, daß die Klägerin trotz Aufforderung des Berufungsgerichts für ihren angeblichen Umsatzrückgang nichts dargetan hat, so daß das Berufungsgericht davon ausgehen konnte, daß bis zur letzten mündlichen Verhandlung (April 1978) Verluste nicht eingetreten sind. Dann aber durfte es auch annehmen, daß die Klägerin mehr als eine nur theoretische Schadenswahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht werde nachweisen können. Denn der in solchen Fällen ohnehin trotz § 287 ZPO schwer zu führende Kausalitätsnachweis wird im Blick nicht zuletzt auf die verhältnismäßig kurze Zeitspanne, in der der Verkehr allgemein sich von solchen Eröffnungen beeindrucken läßt, bevor er sich anderen Tagesereignissen zuwendet, für die Klägerin um so schwieriger, je weiter der Zeitpunkt des Erscheinens der „unbereinigten” Fassung zurückliegt. Hat sich zwei Jahre nach deren Veröffentlichung bei der Klägerin noch kein konkreter Ansatz für einen materiellen Schaden gezeigt, dann überschritt das Berufungsgericht nicht die Grenze tatrichterlichen Ermessens, wenn es die Möglichkeiten für einen Nachweis der auf die Veröffentlichung zurückgehenden Umsatzrückgang auch für die Zukunft nur als theoretisch ansah. Das aber genügt nicht den Anforderungen des § 256 ZPO.
2. Nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat sich das Berufungsgericht mit dem Interesse der Klägerin an der Feststellung einer Ersatzpflicht für immaterielle Nachteile, auf die sie ihre Feststellungsklage erstreckt hat. Auch insoweit bleibt ihrer Revision der Erfolg versagt.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage insoweit nicht schon deshalb fehlt, weil allenfalls durch die Veröffentlichung bereits eingetretene gegenwärtige immaterielle Nachteile in Betracht kommen, die die Klägerin von Anfang an mit der Leistungsklage hätte verfolgen können. Jedenfalls steht ihr als Personengesellschaft eine Geldentschädigung zum Ausgleich immaterieller Nachteile nicht zu.
Ob dies schon daraus folgt, daß der soziale Geltungsanspruch, den Personengesellschaften nach dem oben Gesagten aus eigenem Recht gegen rufschädigende Angriffe durchsetzen können, sich auf ihren Funktionsbereich beschränkt und dieser zumindest ganz überwiegend durch materielle Interessen geprägt ist, kann offen bleiben. Selbst wenn immaterielle Nachteile der Klägerin nicht schon aus diesem Grund auszuschließen wären, steht ihr ein eigener Anspruch auf Geldentschädigung wegen solcher Nachteile nicht zu. Denn dem stehen die Gesichtspunkte, aus denen die Rechtsprechung nur ausnahmsweise solche Ansprüche zum Schutz der Persönlichkeit zuerkennt, entgegen. Dies folgt bereits aus der Funktion dieser billigen Entschädigung, die in erster Linie der verletzten Persönlichkeit Genugtuung verschaffen soll (vgl. BGHZ 35, 363, 367; 39, 124, 133; Senatsurteil vom 4. Juni 1974 – VI ZR 68/73 = VersR 1974, 1080, 1082). Genugtuung kann solche Entschädigung aber nicht der Klägerin selbst als gesellschaftlichem Interessenverbund, sondern nur den in ihr verbundenen Personen verschaffen. Nur aus einem Genugtuungsbedürfnis der Person, nicht aus den Verhältnissen der Klägerin ließe sich ein schutzwürdiges Interesse an solcher Entschädigung herleiten. Die Entschädigung erfüllt ihre Aufgabe, eine mit anderen Rechtsbehelfen nicht überbrückbare Lücke im Schutz der Persönlichkeit zu schließen, in hinreichendem Maß und vor allem zutreffender in der Hand der betroffenen Person, soweit sie wie im Streitfall durch rufschädigende Angriffe auf die Personengesellschaft verletzt ist. Daran, den Entschädigungsanspruch des persönlich Betroffenen durch eigene Ansprüche der Gesellschaft zu verstärken oder gar auszuweiten, besteht kein unabweisbares Interesse, das nach gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen für eine Entschädigung aus Rufbeeinträchtigungen zu fordern ist (Senatsurteil vom 26. Januar 1971 – VI ZR 95/70 = NJW 1971, 698 mit Nachw.).
3. Der Anspruch auf Auskunft
Kann die Klägerin somit Schadensersatzansprüche nicht durchsetzen, so hat ihr schon deshalb das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht auch einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft versagt, wie dies die Klägerin zur Verfolgung von Ersatzansprüchen begehrt.
4. Schlußergebnis
Daraus ergibt sich, daß die Revision der Klägerin zurückzuweisen ist, während das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten einzuschränken ist, soweit das Berufungsgericht sie zur Unterlassung verurteilt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, daß die Klägerin mit ihrem Unterlassungsanspruch zu 1/3 obsiegt.
Unterschriften
Dr. Weber, Dunz, Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Deinhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1237713 |
BGHZ, 22 |
BGHZ, nur zu A der Entscheidungsgründe |
NJW 1980, 2813 |
GRUR 1981, 80 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1980, 924 |
JZ 1980, 816 |