Leitsatz (amtlich)
Das Vorhaben einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung, Abrechnungs-Software für Zahnärzte eines bestimmten Herstellers an ihre Mitglieder ohne gesonderte Berechnung abzugeben und zu warten, beeinträchtigt in erheblichem Maße den Wettbewerb privater Anbieter und steht außer Verhältnis zu den Maßnahmen, welche zur Erfüllung der Aufgaben einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung als öffentlich-rechtlicher Körperschaft erforderlich sind.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 11.04.1991) |
LG Freiburg i. Br. |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. April 1991 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist die Kassenzahnärztliche Vereinigung für den Regierungsbezirk F. Zu ihren Mitgliedern zählen rund 1.100 Zahnärzte aus ihrem Bezirk. Zu den Aufgaben der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, gehört es, die Leistungsabrechnungen der Kassenzahnärzte entgegenzunehmen, sie zu überprüfen und an die Krankenkassen zur Auszahlung der Vergütungen weiterzuleiten. Diese Arbeiten werden bislang manuell-visuell durchgeführt. Die Beklagte möchte das Verfahren rationalisieren. Sie hat – in Zusammenarbeit mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung des Regierungsbezirks Tübingen – einen Software-Hersteller mit der Erstellung eines für die Zwecke der Kassenabrechnung geeigneten EDV-Programms beauftragt. Mit Rundschreiben vom 22. Juni 1988 unterrichtete sie ihre Mitglieder von diesem Projekt wie folgt:
„EDV in der Zahnarztpraxis
Nachdem die grundsätzliche Zustimmung des aufsichtsführenden Ministeriums für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung Baden-Württemberg vorlag, hat die Vertreterversammlung am 11. Juni 1988 das gemeinsam mit der KZV Tübingen entwickelte EDV-Projekt „Abrechnungs-Software für die Zahnarztpraxis (Elektronischer Bema)” genehmigt.
Damit ist der Weg frei für den Einsatz, die Weiterentwicklung und Pflege der Abrechnungs-Software für alle Leistungsbereiche. Die Versammlung hat weiter beschlossen, einen qualifizierten EDV-Fachmann für den Einsatz von Personal-Computern einzustellen und das Projekt über die bereits vorhandene Rücklage für den Kauf einer neuen EDV-Konzeption zu finanzieren.
Da inzwischen bereits die Abrechnungs-Software für den prothetischen Bereich fertiggestellt ist, werden wir in Kürze mit entsprechenden Praxistests beginnen. Zu diesem Zwecke haben wir mehrere „Pilotpraxen” ausgewählt, in denen unter Anleitung und mit Unterstützung unserer EDV-Abteilung das neue Abrechnungsprogramm eingesetzt und einer strengen Überprüfung unterzogen wird.
Im letzten Quartal dieses Jahres ist geplant, die Abrechnungs-Software für alle interessierten Kollegen freizugeben. Schon jetzt ist es für uns von großem Interesse, ob Sie planen, die von uns zur Verfügung gestellte Abrechnungs-Software in Ihrer Praxis einzusetzen. Aus organisatorischen Gründen, z.B. zur Vorbereitung von Schulungsmaßnahmen usw., bitten wir Sie, uns dies bis spätestens 5. Juli 1988 auf der beigefügten Rückantwortkarte mitzuteilen. Von telefonischen Antragen in der Verwaltung der KZV bitten wir Abstand zu nehmen. Über Fragen zur Hardware-Ausstattung und zum Funktionsumfang unserer Abrechnungs-Software werden Sie zu gegebener Zeit informiert.
Über die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet werden wir Sie auf dem laufenden halten. …”
Die Klägerin, ein auf die Entwicklung und den Vertrieb von Zahnarzt-Software spezialisiertes Unternehmen, hat das Vorhaben der Beklagten als wettbewerbswidrig beanstandet. Diese betreibe durch die kostenlose Abgabe der Software unter Ausnutzung ihrer Stellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts einen unzulässigen Verdrängungswettbewerb. Nach dem Bekanntwerden des beanstandeten EDV-Projekts hätten die Zahnärzte im Bezirk der Beklagten jegliches Interesse an dem von der Klägerin zu einem marktüblichen Preis von 15.000,– DM angebotenen Software-Paket verloren, das im wesentlichen aus den im Klageantrag genannten Modulen bestehe, wie sie die Beklagte anbiete. Es sei auch zu befürchten, daß andere Kassenzahnärztliche Vereinigungen dem Beispiel der Beklagten folgten.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten,
ihren Mitgliedern ein Software-Paket bestehend aus
kostenlos zur Verfügung zu stellen, zu pflegen und zu warten.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Unzulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Zudem, so hat sie gemeint, sei das Klagebegehren unbegründet, da sie mit ihrem Verhalten keine Wettbewerbszwecke verfolge, jedenfalls nicht in Wettbewerbsabsicht handele. Sie verfolge mit dem beanstandeten Projekt lediglich die ihr als Körperschaft des öffentlichen Rechts obliegende gesetzliche Aufgabe, den Abrechnungsvorgang zwischen ihr und den Kassenzahnärzten als ihren Mitgliedern zu rationalisieren und damit zu verbilligen. Nur die wenigsten Zahnärzte seien bislang bereit gewesen, auf den EDV-Betrieb zur Erfassung und Weitergabe der Daten umzustellen. Mit ihrem Software-Angebot wolle sie die Zurückhaltung der Zahnärzte abbauen; sie nehme mit ihrem Angebot auch deren Sorge hinsichtlich der späteren Wartung und Pflege und der damit verbundenen Risiken und Folgekosten ab. Mögliche Auswirkungen ihres Vorgehens auf den Wettbewerb seien nicht gewollt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage abzuweisen, weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat den beschrittenen Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erachtet. Es fehle an einer ausdrücklichen gesetzlichen Rechtswegzuweisung für den Streitfall. Es sei deshalb entscheidend auf die rechtliche Natur des geltend gemachten Anspruchs abzustellen, woraus die Zuständigkeit der Zivilgerichte folge.
Zur Begründetheit des Unterlassungsanspruchs hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Beklagte handele zu Wettbewerbszwecken, da die beanstandete kostenlose Abgabe von Software an die Zahnarztpraxen geeignet sei, den Absatz der Software-Häuser in diesem Bereich zu beeinträchtigen. Die dabei festzustellende Wettbewerbsabsicht trete nicht hinter die sonstigen Beweggründe der Beklagten zurück, das zahnärztliche Abrechnungssystem zu rationalisieren und zu verbilligen. Der Beklagten gehe es darum, ihre Mitglieder von den Vorteilen ihrer Abrechnungs-Software gegenüber der Software der gewerblichen Konkurrenz zu überzeugen; sie betone die größere Bedienungsfreundlichkeit und das fehlende Insolvenzrisiko. Die Überzeugungsarbeit der Beklagten sei damit notwendigerweise zugleich auch gegen die am Markt befindlichen Anbieter von Abrechnungs-Software für Zahnarztpraxen gerichtet.
Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen die guten Sitten im Wettbewerb, sie sei als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht von der Teilnahme am allgemeinen Wettbewerb ausgeschlossen; sie müsse dabei aber die für alle geltenden Wettbewerbsregeln beachten. Insbesondere sei es ihr verwehrt, durch Mißbrauch ihrer hoheitlichen Stellung einen Vorsprung vor privaten Wettbewerbern zu erlangen. Denn anders als private Unternehmen sei sie nicht auf Gewinnerzielung angewiesen, sondern finanziere sich aus den ihr zufließenden Mitgliedsbeiträgen, denen sie auch die Mittel für die Erstellung der hier streitigen Abrechnungs-Software entnehme. Ein unternehmerisches Risiko treffe sie nicht. Zudem könne sie mit dem Gewicht einer gesetzlichen Vertretungskörperschaft gegenüber ihren den Markt darstellenden Mitgliedern auftreten. Solche Umstände begünstigten die Beklagte gegenüber privaten Mitbewerbern und gefährdeten die Freiheit des Wettbewerbs. Im Streitfall bestehe die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs auf dem Gebiet der kassenzahnärztlichen Abrechnungs-Software, wenn die Beklagte, wie beabsichtigt, ihren Kammermitgliedern unentgeltliche eigene Abrechnungs-Software zur Verfügung stelle und warte. Erfahrungsgemäß müsse davon ausgegangen werden, daß kaum ein Mitglied der Beklagten bereit sein werde, anstelle der von dieser unentgeltlich bereitgestellten Abrechnungs-Software ein am freien Markt erhältliches Abrechnungsmodul zu einem Preis von etwa 15.000,– DM zu erstehen. Auch die angebotene unentgeltliche Wartung und Pflege stelle für die Kassenärzte einen besonderen Anreiz dar, sich dem Projekt der Beklagten zuzuwenden.
Die bei der Durchführung des Vorhabens der Beklagten zu befürchtende Verdrängung privater Software-Anbieter auf dem Markt des zahnärztlichen Abrechnungswesens sei nicht zu rechtfertigen. Es lägen keine zwingenden Gründe der Daseinsvorsorge vor. Das Vorhaben der Beklagten, mit ihrem Software-Projekt das Abrechnungswesen zu rationalisieren sei zwar billigenswert und folge auch dem Gebot, Verwaltungshandeln wirtschaftlich vernünftig zu gestalten, die wettbewerblichen Auswirkungen zu Lasten der freien Unternehmer seien damit aber nicht zu rechtfertigen. Die unentgeltliche Verteilung von Abrechnungs-Software diene nicht der Erfüllung der Aufgaben der Daseinsvorsorge. Der Hinweis, ihre Mitglieder vor dem Konkursrisiko privater Software-Anbieter zu schützen, rechtfertigten das massive wettbewerbswidrige Eingreifen der Beklagten ebensowenig wie die von ihr dargestellte geringe Bereitschaft ihrer Kassenzahnärzte deren Praxen EDV-gerecht auszustatten. Die Beklagte verstoße bei ihrem Vorgehen auch gegen die ihr obliegende Pflicht, das schonendste Mittel, d.h. dasjenige Mittel zu wählen, das einerseits den zu wahrenden öffentlichen Interessen genüge, andererseits aber die Belange der privaten Wirtschaft so wenig wie möglich beeinträchtige. Die Beklagte könne ihrem Anliegen, das zahnärztliche Abrechnungswesen EDV-mäßig zu stützen schon dadurch nachkommen, daß sie in Zusammenarbeit mit privaten Herstellern, den Krankenkassen und den Kassenzahnärzten sachdienliche Hinweise und konkrete Strukturvorgaben zum Abrechnungsvorgang gebe.
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
II. 1. Ohne Erfolg rügt die Revision die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs. Die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, da die geänderte Rechtswegvorschrift des § 17 a GVG auf den Streitfall, der in erster Instanz seinen Abschluß vor Inkrafttreten der genannten Vorschrift gefunden hat, nicht anzuwenden ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.1991 – III ZR 53/90, NJW 1991, 1686, 1687). Gegen die Zuständigkeit der Zivilgerichte zur Entscheidung über das Klagebegehren sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben.
An einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung fehlt es im Streitfall. § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG greift nicht ein. Voraussetzung für die Anwendung dieser Norm ist es, daß es sich um eine Streitigkeit in Angelegenheiten nach dem „Fünften Buch Sozialgesetzbuch” handelt. Dazu rechnet aber der Gegenstand des Streitfalls nicht, da die unentgeltliche Abgabe von Abrechnungs-Software durch die Kassenärztlichen Vereinigungen an ihre Mitglieder im Sozialgesetzbuch keine Regelung gefunden hat. § 295 Abs. 2 SGB V verpflichtet die Kassenärztlichen Vereinigungen lediglich dahingehend, den Krankenkassen quartalsweise – auf Verlangen auf Datenbändern oder anderen maschinell verwertbaren Datenträgern – die für die Berechnung der Gesamtvergütung nach § 85 Abs. 2 SGB V erforderlichen Angaben zu übermitteln. Diese Vorschrift berührt nicht das im Streitfall allein angesprochene Verhältnis zwischen den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und ihren Mitgliedern. Soweit § 295 Abs. 3 Nr. 1 und 3, Abs. 5 SGB V die Frage anspricht, in welcher Weise die Kassenärzte ihren Kassenärztlichen Vereinigungen die Leistungs- und Vergütungsdaten zur Überprüfung mitzuteilen haben, wird eine organisatorische Frage des internen Verhältnisses zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und ihren Mitgliedern angesprochen, die im Bundesmantelvertrag zu regeln ist. Die im Streitfall zur Entscheidung gestellte Frage, welche Hilfe die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zur Durchführung des Abrechnungsvorgangs anbieten dürfen, wird durch die angezogenen Vorschriften nicht angesprochen, weshalb die Rechtswegzuweisung des § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht greift.
Fehlt eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers, so ist nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zu entscheiden, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist (GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313, 314; GmS-OGB, BGHZ 102, 280, 283; GmS-OGB, BGHZ 108, 284, 286). Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist bürgerlich-rechtlicher Natur. Dies ergibt sich aus ihrem Klagevorbringen, auf welches maßgeblich abzustellen ist. Danach soll der Beklagten untersagt werden, mit der beanstandeten Abgabe der Abrechnungs-Software für Zahnärzte in Wettbewerb mit der Klägerin zu treten. Der Qualifizierung dieses Begehrens als privatrechtlich steht nicht entgegen, daß die Beklagte, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, bei der geplanten kostenlosen Abgabe von Software an ihre Mitglieder schlicht-hoheitlich handelt. Maßgeblich ist, daß dieses Verhalten im Verhältnis zur Klägerin und zu anderen Software-Herstellern wegen der beanstandeten wettbewerblichen Auswirkungen als bürgerlichrechtlich zu qualifizieren ist (vgl. BGHZ 82, 375, 383 – Brillen-Selbstabgabestellen). Soweit sich nämlich das öffentlich-rechtliche Handeln eines Trägers öffentlicher Gewalt gegenüber den ihm Unterworfenen nach außen hin privatrechtlich auswirkt und zu bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen Dritter führt, handelt es sich beim Streit über die Begründetheit dieser Ansprüche um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 13 GVG.
2. Auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, das beanstandete Verhalten der Beklagten sei als unzulässiger Verdrängungswettbewerb gemäß § 1 UWG zu beanstanden, erweist sich als rechtsfehlerfrei. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Verhalten der Beklagten einer wettbewerbsrechtlichen Beurteilung nicht entzogen. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe zu Wettbewerbszwecken und in Wettbewerbsabsicht gehandelt, ist unbegründet.
a) Ausgehend von dem Rechtsgrundsatz, daß ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs dann anzunehmen ist, wenn das von einer Wettbewerbsabsicht getragene Verhalten geeignet ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu beeinflussen, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, welche Auswirkungen das Verhalten der Beklagten auf die wettbewerbliche Situation von Software-Häusern hat, die sich mit Software für die Zahnarztpraxen befassen. Es hat hierzu von der Revision unbeanstandet festgestellt, daß das Verhalten der Beklagten objektiv geeignet ist, den Absatz anderer Hersteller und Vertreiber von Zahnarzt-Abrechnungs-Software – zum Vorteil des von ihr mit der Erstellung der streitigen Software beauftragten Unternehmens – zu beeinträchtigen. Als rechtsfehlerfrei erweist sich auch die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte bei dem kostenlosen Angebot der streitigen Software für Zahnarztpraxen auch in wettbewerblicher Absicht gehandelt hat. Die Feststellung einer dahingehenden Absicht ist nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, bei dem beanstandeten EDV-Projekt ausschließlich in Erfüllung der ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben zu handeln. Es ist zwar davon auszugehen, daß bei einem hoheitlichen Handeln mit privatrechtlichen Auswirkungen auf Mitbewerber nicht ohne weiteres vom Bestehen einer Wettbewerbsabsicht ausgegangen werden kann. Eine Wettbewerbsabsicht ist aber auch bei einem Tätigwerden der öffentlichen Hand dann anzunehmen, wenn die konkrete Zielsetzung ihres Handelns in einer Beteiligung am Wettbewerb besteht, ohne daß es auf eine Gewinnerzielungsabsicht ankäme (BGH,Urt. v. 26.4.1974 – I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 734 – Schilderverkauf; BGHZ 82, 375, 395 f. – Brillen-Selbstabgabestellen). Die maßgebliche Absicht der Beklagten, zu Wettbewerbszwecken zu handeln, folgt im Streitfall schon aus den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, die Beklagte verfolge das Ziel, daß sich ihre Mitglieder bei der Wahl eines Abrechnungsverfahrens speziell für die von ihr in Auftrag gegebene Software eines bestimmten Wettbewerbers entschieden. Die dabei zutage tretende Wettbewerbsförderungsabsicht ist erheblich, da es – wie die nachfolgenden Ausführungen ergeben – an einem sachlich rechtfertigenden Grund für das beanstandete Verhalten der Beklagten fehlt, der die wettbewerbliche Zielsetzung als nebensächlich erscheinen lassen könnte.
b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die von der Beklagten angekündigte unentgeltliche Abgabe der Abrechnungs-Software und deren unentgeltliche Wartung und Pflege sei als unlauterer Verdrängungswettbewerb zu verbieten.
Für die Beurteilung des Streitfalls ist von der von der Revision nicht beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts auszugehen, daß die angegriffene Abgabe der Abrechnungs-Software durch die Beklagte an ihre Mitglieder die Gefahr einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Verdrängung privater Anbieter von Zahnarzt-Abrechnungs-Software begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das beanstandete Verhalten der Beklagten gehe über den von ihr wahrzunehmenden gesetzlichen Aufgabenbereich hinaus und erweise sich deshalb als ein unlauteres Verhalten im Wettbewerb, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
aa) Maßnahmen der öffentlichen Hand mit wettbewerblichen Auswirkungen können unlauter im Sinne des § 1 UWG sein, wenn dadurch der Bestand oder die Grundlagen des Leistungswettbewerbs der privaten Anbieter gefährdet werden (vgl. BGHZ 82, 375, 390 – Brillen-Selbstabgabestellen; BGH, Urt. v. 19.6.1986 – I ZR 54/84, GRUR 1987, 116, 118 – Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Urt. v. 12.7.1990 – I ZR 62/89, GRUR 1991, 53, 55 f. – Kreishandwerkerschaft I). Ob dies der Fall ist, muß nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Soweit die öffentliche Hand bei ihrem Wettbewerbshandeln zugleich ihr von Gesetzes wegen obliegende Aufgaben wahrnimmt, kann das Unwerturteil wettbewerbswidrigen Verhaltens nicht allein damit begründet werden, daß sich das Verwaltungshandeln auf den Wettbewerb auswirkt.
Wegen der notwendigen Doppelnatur des Verhaltens der öffentlichen Hand in solchen Fällen, als hoheitlich – wie hier gegenüber den Mitgliedern der öffentlich-rechtlichen Körperschaft – und als privatrechtlich – gegenüber den Mitbewerbern – kann nicht allein aus den Auswirkungen des Verwaltungshandelns auf den Wettbewerb auf dessen Wettbewerbswidrigkeit geschlossen werden. Für die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit des Verwaltungshandelns der öffentlichen Hand mit wettbewerblichen Folgen ist es für sich allein auch keine zureichende Erwägung, danach zu fragen, ob das Verwaltungshandeln durch zwingende Gründe der Daseinsvorsorge veranlaßt ist. Soweit das Berufungsgericht hierauf abstellt, kann ihm nicht gefolgt werden, da dadurch das Verwaltungshandeln der öffentlichen Hand über die Regeln des Wettbewerbs in einem nicht zu rechtfertigenden Maß eingeschränkt würde. Der öffentlichen Hand ist es vielmehr unbenommen, auch ohne zwingende Gründe der Daseinsvorsorge ihr Verwaltungshandeln nach wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen zu gestalten. Sie darf dabei allerdings die sachlich berechtigten Interessen privater Wettbewerber nicht außer acht lassen (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1974 – I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 735 – Schilderverkauf). Denn es ist der öffentlichen Hand verwehrt, über das sachlich Gebotene und verfassungsrechtlich Zulässige hinaus, in den Bereich der privaten beruflichen Betätigung Dritter zu deren Nachteil einzugreifen (BGH – Brillen-Selbstabgabestellen a.a.O.). Eine Wettbewerbshandlung der öffentlichen Hand kann sonach gemäß § 1 UWG zu beanstanden sein, wenn sie zu einer Gefährdung des Wettbewerbsbestandes führt und über das Maß sachlich gebotenen Verwaltungshandelns hinausgeht.
Das Vorhaben der Beklagten, Abrechnungs-Software für Zahnärzte an ihre Mitglieder ohne gesonderte Berechnung abzugeben, beeinträchtigt in erheblichem Maße den Wettbewerb privater Anbieter im Bereich der Abrechnungssoftware für Zahnärzte und steht außer Verhältnis zu den Maßnahmen, welche zur Erfüllung der der Beklagten als öffentlich-rechtlicher Körperschaft obliegenden gesetzlichen Aufgaben erforderlich sind.
bb) Die der Beklagten durch Gesetz übertragene Aufgabe besteht vornehmlich in der Sicherstellung der kassen- bzw. vertragszahnärztlichen Versorgung (§§ 72, 73, 77 SGB V). Im Rahmen der Erfüllung dieser grundlegenden Aufgabe hat sie u.a. die Rechte der Kassenzahnärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen sowie die Erfüllung der den Kassenzahnärzten obliegenden Pflichten zu überwachen (§ 75 Abs. 2 SGB V). Hierbei hat sie die Abrechnungen ihrer Mitglieder auf deren Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen (§ 70 Abs. 1 Satz 2, § 83 Abs. 2 SGB V). Die für die Abrechnung der Vergütung erforderlichen und aus den Aufzeichnungen der Kassenzahnärzte ermittelten Angaben hat sie an die Krankenkassen zu übermitteln (§ 295 Abs. 2 SGB V).
Die Abrechnung der kassenzahnärztlichen Leistungen indes obliegt naturgemäß dem Kassenzahnarzt selbst. Ob und wie dieser seine Abrechnung vornimmt, unter Einsatz von elektronischen Datenträgern oder nicht, ist grundsätzlich diesem selbst überlassen. Setzt der Zahnarzt für die kassenzahnärztliche Abrechnung ein Datenverarbeitungssystem ein, so bedarf dessen Verwendung zwar der Genehmigung durch die zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung (Anlage 2 [V] zum Bundesmantelvertrag Zahnärzte – BMV-Z –); damit soll gewährleistet werden, daß die programmierten Abrechnungsregeln den jeweils gültigen Bestimmungen des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte entsprechen (Anlage 2 V a.a.O.; vgl. auch Jörg, Das neue Kassenarztrecht, 1993, Rdn. 335). Eine weiterreichende Einwirkungsmöglichkeit auf die organisatorische Struktur der Zahnarztpraxen steht der Kassenzahnärztlichen Vereinigung aber nicht zu.
Entgegen der Ansicht der Revision eröffnet auch nicht die der Beklagten gemäß § 106 Abs. 5 SGB V obliegende Wirtschaftlichkeitsprüfung eine weitergehende Einflußnahme auf den Einsatz von Datenverarbeitungssystemen in Zahnarztpraxen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist gemäß § 106 Abs. 2 SGB V eine artbezogene Prüfung zahnärztlicher oder zahnärztlich verordneter Leistungen (Schirmer in Hauck/Haines, SGB V K § 106 Rdn. 7 ff.), bezieht sich aber nicht auf die organisatorische Gestaltung der jedem einzelnen Zahnarzt eigenverantwortlich obliegenden Praxisverwaltung. Ein Bezug des Verwaltungshandelns der Beklagten zur Organisation der einzelnen Zahnarztpraxen ergibt sich – was das Berufungsgericht nicht verkannt hat – daraus, daß die Beklagte selbst gehalten ist, ihr Verwaltungsverfahren bei der Abrechnung der Leistungen ihrer Mitglieder gegenüber den Krankenkassen kostensparend zu gestalten. Das bedeutet, daß es für die Beklagte unter Wirtschaftlichkeitserwägungen vernünftig ist, auf die Verwendung von Datenträgern auch durch die Kassenzahnärzte hinzuwirken, weil sich auf diese Weise ihre gesetzliche Aufgabe wesentlich erleichtert. Zur Wahrnehmung dieser Interessen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung bedarf es indessen nicht der von der Beklagten vorgesehenen Maßnahme, von einem Softwarehersteller die Abrechnungs-Software für Zahnärzte im beanstandeten Umfang herstellen zu lassen und diese ihren Mitgliedern ohne gesonderte Berechnung zur Verfügung zu stellen und zu warten.
Zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten an einer Rationalisierung des Abrechnungsvorgangs, also an einem EDV-gestützten Abrechnungsverfahren, hätte es, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, genügt, daß die Beklagte in Zusammenarbeit mit den privaten Herstellern von Abrechnungs-Software und mit den Krankenkassen sachdienliche Hinweise und konkrete Strukturvorgaben für die Erstellung eines kassenzahnärztlichen Abrechnungsprogramms gibt. Zur Anpassung einer EDV-gestützten kassenzahnärztlichen Abrechnung mit einer Verwaltungssoftware der Beklagten ist es nicht zwingend erforderlich, daß die kassenzahnärztlichen Mitglieder der Beklagten über eine einheitliche Software eines bestimmten Herstellers verfügen. Da es technisch erfahrungsgemäß keine nicht behebbaren Schwierigkeiten bereitet, verschiedene Software interoperabel zu gestalten und das Dekompilieren eines Programms zu diesem Zweck rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. § 69 e UrhG), ist das Handeln der Beklagten, mit dem Angebot der nicht gesondert berechneten Abgabe und Wartung der Abrechnungs-Software eines bestimmten Herstellers ihre kassenzahnärztlichen Mitglieder zu veranlassen, sich für diese Software unter Ausschaltung des (entgeltlichen) Angebots sonstiger Anbieter zu entscheiden, nicht zu rechtfertigen.
Dem berechtigten Anliegen der Beklagten, das kassenzahnärztliche Abrechnungsverfahren zu vereinfachen und zu rationalisieren, genügte es, für die Software-Anbieter ein Pflichtenheft zu erstellen, welches eine ausführliche Beschreibung der Leistungen technischer oder organisatorischer Art enthält, die erforderlich sind, um die Ziele ihres Projekts zu erreichen (zur Definition des Pflichtenhefts vgl. DIN 69901; hierzu Schaub CR 1993, 329, 330). Die Erarbeitung der für die EDV-gestützte Abrechnung eines Kassenzahnarztes erforderlichen Vorgaben rechtlicher und wirtschaftlicher Art sowie des technischen Leistungsprofils des Abrechnungsprogramms im Zusammenwirken mit den privaten Software-Anbietern ist eine sachdienliche, aber auch ausreichende Maßnahme, um die EDV-gestützte Abrechnung des Kassenzahnarztes mit einer EDV-gestützten Rechnungsprüfung der Beklagten abzustimmen. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zudem zutreffend auf das Vorgehen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hingewiesen, welche den privaten Herstellern von kassenzahnärztlicher Abrechnungs-Software – zu einem Preis von 1.000,– DM – ein sogenanntes Prüfmodul zur Verfügung gestellt hat, das die Einhaltung der den Kassenzahnärzten vorgegebenen BEMA-Bewertungsregeln gewährleistet. Ein solches Vorgehen wahrt die berechtigten Interessen der Beklagten an der Vereinfachung ihres Verwaltungsvorgangs, ohne den Wettbewerb der privaten Anbieter zu beeinträchtigen. Im Vergleich dazu erweist sich das beanstandete Verhalten der Beklagten mit Blick auf die sachlich berechtigten Interessen privater Wettbewerber als unangemessen; es ist deshalb zu Recht vom Berufungsgericht als unlauteres Wettbewerbsverhalten beurteilt worden.
c) Nach dem Vorgesagten erübrigt sich eine weitere Stellungnahme dazu, ob das Wettbewerbsverhalten der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt sachwidriger Verwendung der Beiträge ihrer kassenzahnärztlichen Mitglieder beanstandet werden könnte (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.2.1982 – I ZR 175/79, GRUR 1982, 433, 436 – Kinderbeiträge; Urt. v. 8.10.1992 – I ZR 205/90, GRUR 1993, 125, 126 – EWG-Baumusterprüfung).
d) Ohne Erfolg bringt die Revision vor, das Berufungsgericht hätte den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen des Fehlens einer Erstbegehungsgefahr als unbegründet abweisen müssen. Das Berufungsgericht hat hierzu keine gesonderte Begründung gegeben. Eine solche erübrigte sich auch im Streitfall. Die Gefahr, die Beklagte werde sich entsprechend dem Vorbringen der Klägerin am Wettbewerb beteiligen, lag auf der Hand und wurde von der Beklagten selbst nie in Frage gestellt. Die zur Begründung der Erstbegehungsgefahr erforderliche und ausreichende ernste und greifbare Besorgnis einer künftigen Rechtsverletzung (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1992 – I ZR 62/90, GRUR 1992, 320, 321 – „R.S.A.”/„Cape”) ergibt sich schon aus dem Inhalt des Rundschreibens der Beklagten vom 22. Juni 1988. Sie hat darin nicht nur auf ein beabsichtigtes Pilotprojekt hingewiesen, sondern für das letzte Quartal 1988 auch angekündigt, daß mit der Abgabe der Abrechnungs-Software an die interessierten Zahnärzte begonnen werden solle.
III. Nach alledem ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Piper, Erdmann, Mees, Ullmann, Starck
Fundstellen
Haufe-Index 1679897 |
BGHZ |
BGHZ, 157 |
NJW 1993, 2680 |
GRUR 1993, 917 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1993, 1336 |
AfP 1994, 89 |
Jur-PC 1993, 2358 |