Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 27.09.1996) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 12. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. September 1996 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die am 22. Dezember 1960 geborene Antragstellerin und der am 7. November 1960 geborene Antragsgegner heirateten am 19. März 1985. Aus der Ehe ist das am 26. August 1986 geborene Kind Sandy Janine hervorgegangen. Die Antragstellerin, die das Kind betreut und versorgt, bezieht wegen der Folgen eines im Jahre 1975 erlittenen Verkehrsunfalls aufgrund eines Urteils des Landgerichts D. vom 2. Dezember 1986 eine bis zum 22. Dezember 2025 befristete Schadensersatzrente in monatlicher Höhe von 1.205,50 DM. Während des ehelichen Zusammenlebens hat die Antragstellerin im Schreibwarengeschäft ihrer Mutter mitgearbeitet. Der Antragsgegner ist als Bergmann erwerbstätig. Die Eheleute trennten sich am 18. Juni 1990.
Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden, die elterliche Sorge für das Kind auf die Antragstellerin übertragen, den Versorgungsausgleich geregelt und den Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt in Höhe von monatlich 344 DM ab Rechtskraft der Scheidung, die am 29. Juni 1995 eingetreten ist, verurteilt.
Mit ihrer Berufung hat die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 940 DM weiterverfolgt und erklärt, daß sich der Betrag in der sich aus der Berufungsbegründung ergebenden Weise auf Elementarunterhalt und auf Vorsorgeunterhalt für den Fall der Krankheit und des Alters verteilen solle.
Das Oberlandesgericht hat den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin wie folgt monatlichen Unterhalt zu zahlen:
vom 29. Juni bis Dezember 1995:
Elementarunterhalt von 378,08 DM, Krankenvorsorgeunterhalt von 203,36 DM, Altersvorsorgeunterhalt von 89,03 DM;
ab Januar 1996:
Elementarunterhalt von 352,92 DM, Krankenvorsorgeunterhalt von 200,04 DM, Altersvorsorgeunterhalt von 38,41 DM.
Dagegen richtet sich die – zugelassene – Revision des Antragsgegners, mit der er die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat dargelegt, daß der Antragstellerin Unterhalt nach den §§ 1570, 1572 BGB zustehe, weil sie für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung wegen der Betreuung des Kindes allenfalls teilweise auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden könne und sie insoweit aus gesundheitlichen Gründen keine Erwerbsobliegenheit treffe. Zur Bedürftigkeit der Antragstellerin hat es ausgeführt: Außer der Unfallrente von monatlich 1.205,50 DM, von der auf monatlich 50 DM geschätzter krankheitsbedingter Mehraufwand sowie die auf eine Lebensversicherung erbrachten Zahlungen von monatlich 19,94 DM abzusetzen seien, könnten der Antragstellerin keine Einkünfte angerechnet werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß sie wegen ihres verschlechterten Gesundheitszustandes ab Rechtskraft der Scheidung nennenswerte Arbeitsleistungen im Geschäft ihrer Mutter, die ihr vergütet würden oder für die sie sich eine Vergütung zurechnen lassen müsse, nicht mehr erbringe. Ob von der Antragstellerin erwartet werden könne, daß sie sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt um eine Aushilfstätigkeit – eine weitergehende Erwerbsobliegenheit träfe sie im Hinblick auf die Belange des Kindes, das noch die Grundschule besuche, nicht – bemühe, um einen Beitrag zur Deckung ihres Bedarfs zu leisten, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Denn wegen ihrer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen könne die Antragstellerin keine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden. Sie sei nämlich nicht in der Lage, nach Maßgabe der Anforderungen des jeweiligen Arbeitgebers entweder regelmäßig oder „auf Abruf” eine Arbeitstätigkeit auszuüben. Aufgrund ihrer Erkrankungen müsse sie nicht nur fünfmal täglich zur Blasenentleerung einen Katheter einführen, sondern auch wiederholt Ärzte und andere Heilanwender aufsuchen, um eine Stabilisierung ihres Gesundheitszustandes zu erreichen, insbesondere ein Fortschreiten der Lähmungserscheinungen zu verhindern. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der außerordentlich angespannten Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt bestehe für die Antragstellerin keine reale Chance, auch nur eine Aushilfsbeschäftigung zu erhalten. Ihr sei ferner kein Entgelt für haushälterische Versorgungsleistungen anzurechnen, da nach den getroffenen Feststellungen weder davon ausgegangen werden könne, daß sie mit ihrem neuen Partner zusammenlebe, noch daß sie diesen sonst in nennenswertem Umfang versorge. Auch ein fiktiver Anspruch auf eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente könne der Antragstellerin nicht zugerechnet werden, da die Voraussetzungen der §§ 43 Abs. 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt seien.
Diese Ausführungen, die weitgehend auf tatrichterlicher Würdigung beruhen und von der Revision nicht angegriffen werden, sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Das Oberlandesgericht hat schließlich eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit der Antragstellerin verneint, die A.-Versicherung, von der sie aufgrund des Urteils des Landgerichts D. die Schadensersatzrente erhält, wegen der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Wege der Abänderungsklage auf eine höhere Rentenzahlung in Anspruch zu nehmen. Hierzu hat es ausgeführt: Die von der Antragstellerin beklagte Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die die im März 1994 durchgeführte Operation erforderlich gemacht habe, sei nach ihren Angaben gegenüber den Ärzten, die sie in einem gerichtlichen Verfahren darlegen müsse, jedenfalls auch darauf zurückzuführen, daß sie nach ihrer Behauptung am 17. Juni 1990 von dem Antragsgegner mißhandelt und sexuell genötigt worden sei. Zwar schließe das von dem Antragsgegner bestrittene Vorbringen der Antragstellerin eine adäquat kausale Schadensverursachung durch den Erstschädiger nicht aus. Der Zurechnung stehe jedoch entgegen, daß – nach dem Vorbringen der Antragstellerin – die Verschlechterung im wesentlichen auf einem vorsätzlichen Eingreifen ihres früheren Ehemannes beruhe, das in keinem inneren Zusammenhang mit der durch die Erstverletzung geschaffenen Lage stehe. Einen solchen Schaden dem Erstschädiger zuzurechnen, widerspreche dem Schutzzweck der von ihm verletzten Norm.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Dabei kann offenbleiben, ob mit dem Berufungsgericht davon auszugehen ist, daß eine Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Verkehrsunfall, bei dem die Antragstellerin verletzt worden ist, und der nach ihrem Vorbringen durch das Verhalten des Antragsgegners erlittenen weitergehenden gesundheitlichen Beschädigung nicht vorliegen würde (vgl. BGHZ 106, 313, 316; Erman/Kuckuk, BGB, 9. Aufl. Rdn. 66, 68 f. vor § 249).
Ebenfalls bedarf es keiner Prüfung, ob den Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es den Zurechnungszusammenhang zwischen den Unfallverletzungen der Antragstellerin und dem behaupteten schädigenden Verhalten des Antragsgegners verneint, zu folgen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1988 – VI ZR 37/88 – VersR 1988, 1273; vgl. auch Erman/Kuckuk aaO Rdn. 71 vor § 249).
b) Auch wenn eine Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs auszuschließen und ein Zurechnungszusammenhang zwischen den Unfallverletzungen der Antragstellerin und der behaupteten Zweitschädigung zu bejahen ist, ergibt sich indessen für die Antragstellerin keine aus § 1577 Abs. 1 BGB folgende Obliegenheit, im Wege der Abänderungsklage eine Erhöhung der Unfallrente geltend zu machen.
Nach der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts träfe sie unterhaltsrechtlich nur eine Obliegenheit zur Aufnahme einer Aushilfsbeschäftigung, durch die sie monatliche Einkünfte von 580 DM (1995) bzw. von 590 DM (1996) erzielen könnte. Diese Betrachtungsweise ist auch zur Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob es der Antragstellerin unterhaltsrechtlich oblegen hätte, einen weitergehenden Anspruch auf Verdienstausfall geltend zu machen. Die Frage ist deshalb zu verneinen. Daß die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen Erwerbseinkünfte von 580 DM bzw. 590 DM nicht erzielen kann, begründet keine Obliegenheit, gegen die A.-Versicherung, die bereits eine höhere Rente zahlt, eine Abänderungsklage zu erheben. Über die bezogene Rente hinaus ist der Antragstellerin somit kein weiteres Einkommen aus dem Gesichtspunkt des Verdienstausfalls anzurechnen.
3. Der Unterhaltsbemessung (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) hat das Oberlandesgericht ein um Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und berufsbedingte Aufwendungen bereinigtes Einkommen des Antragsgegners von 2.949,40 DM zugrunde gelegt. Hiervon hat es zunächst den jeweiligen Tabellenunterhalt für das Kind sowie – von dem verbleibenden Betrag – einen Erwerbstätigkeitsbonus von 1/7 abgezogen. Den (vorläufigen) Gesamtbedarf der Antragstellerin hat es unter Hinzurechnung ihrer als anrechenbar angesehenen Rente von 1.135,56 DM (1.205,50 DM abzüglich 50 DM abzüglich 19,94 DM) mit einer Quote von 1/2 des bereinigten Gesamteinkommens angesetzt und sodann durch Abzug des anrechenbaren Einkommens der Antragstellerin einen vorläufigen Anspruch auf Elementarunterhalt ermittelt.
Ausgehend von diesem Betrag hat das Berufungsgericht unter Hinzurechnung der (vollen) Renteneinkünfte der Antragstellerin den ihr zustehenden Krankenvorsorgeunterhalt mit dem von ihr zu entrichtenden Beitragssatz zur Krankenversicherung von 11,9 % errechnet. Das begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Da die Antragstellerin für ihre Krankenversicherung 11,9 % ihres – aus Unterhalt und Rente bestehenden – Einkommens aufwenden muß, ist die Einbeziehung der vollen Rente zur Ermittlung des Krankenvorsorgeunterhalts zutreffend.
Für die Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Krankenvorsorgeunterhalts erneut einen vorläufigen Elementarunterhalt – wie vorstehend im einzelnen ausgeführt – ermittelt, diesen – ohne Hinzurechnung der Rente – unter Heranziehung der Bremer Tabelle hochgerechnet und aus dem sich ergebenden fiktiven Bruttoentgelt den Betrag des Altersvorsorgeunterhalts errechnet. Diese Vorgehensweise hat zur Folge, daß bezüglich des Renteneinkommens der Antragstellerin kein anteiliger Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen ist, obwohl die Rente nach dem sogenannten Bruttolohnprinzip bemessen ist und deshalb einen der Altersversorgung dienenden Anteil enthält. Insoweit liegt indessen kein Rechtsfehler zum Nachteil des Antragsgegners vor. Das gilt gleichermaßen hinsichtlich der Differenz, die sich aus der – für die Zeit ab Januar 1996 zu einem Betrag von 86,07 DM führenden – Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts und dem insoweit ausgeurteilten Betrag von (nur) 38,41 DM ergibt. Der endgültig errechnete Elementarunterhalt berücksichtigt die für den Vorsorgeunterhalt ermittelten Beträge und ist deshalb ebenfalls nicht als dem Antragsgegner nachteilig zu beanstanden.
Unterschriften
Blumenröhr, Zysk, Hahne, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 1383895 |
NJWE-FER 1998, 241 |