Entscheidungsstichwort (Thema)
Baustellenverbot nach Bauvertragskündigung als Annahmeverzug des Auftraggebers. Ende des Annahmeverzugs durch Betreten der Baustelle zur Mängelbeseitigung
Leitsatz (amtlich)
a) Ein nach einer Kündigung des Bauvertrages ausgesprochenes Baustellenverbot begründet allein keine Verwirkung des Nachbesserungsanspruchs, sondern allenfalls einen Annahmeverzug des Auftraggebers.
b) Der Annahmeverzug ist beendet, wenn der Auftraggeber sich im Prozess wegen der Mängel auf sein Leistungsverweigerungsrecht beruft und dadurch zu erkennen gibt, dass er zum Zwecke der Mängelbeseitigung das Betreten der Baustelle zulässt.
Normenkette
BGB §§ 294, 320
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 06.08.2002; Aktenzeichen 28 U 5767/01) |
LG Ingolstadt |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 28. Zivilsenats des OLG München v. 6.8.2002 im Kostenpunkt, im Zinsausspruch und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten wegen folgender, im Gutachten des Sachverständigen Räsch bezeichneter Mängel
4.2.2.4 Fehlende Bewegungsfuge
4.2.2.7 Betonfehlstelle
4.2.2.10 Unterzug und Fugenausbildung
4.2.2.11 Riss in der TG-Wand
4.3.1 Risse am Müllhäuschen
4.3.2 Wasserandrang in der Tiefgarage
4.3.3. Wasserandrang in der Schleuse zum Altbau
4.3.4 Unebener Tiefgaragenboden
4.4.3 Riss in der Bodenplatte im Fahrradkeller
zum Nachteil des Beklagten entschieden hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin fordert Restwerklohn.
Die Parteien schlossen im April 1995 einen Bauvertrag über Rohbauarbeiten für eine Wohnanlage; die VOB/B wurde vereinbart. Nachdem die Klägerin während ihres Betriebsurlaubs im Januar 1996 die vom Beklagten geforderte Fortführung der Bauarbeiten verweigert hatte, kündigte der Beklagte am 16.1.1996 den Bauvertrag und verbot der Klägerin zugleich, die Baustelle zu betreten. Am 15.2.1996 forderte er die Klägerin zur Erstellung einer Schlussrechnung und zur unverzüglichen Räumung der Baustelle auf.
Die Klägerin hat nach Erstellung der Schlussrechnung im Juli 1996 370.306,57 DM gefordert. Der Beklagte hat mit Mehrkosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens aufgerechnet und wegen Mängeln ein Leistungsverweigerungsrecht im Umfang von knapp 114.000 DM geltend gemacht. Das LG hat der Klage i.H.v. 275.294,54 DM Zug um Zug gegen Beseitigung näher bezeichneter Mängel stattgegeben. Auf die Berufung beider Parteien hat das Berufungsgericht den Beklagten uneingeschränkt zur Zahlung von 123.791,94 EUR und Zinsen verurteilt; die weiter gehenden Rechtsmittel hat es zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision des Beklagten hinsichtlich des Zinsausspruchs sowie der im Tenor aufgeführten Mängel zugelassen. In diesem Umfang verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, dem Beklagten stehe ein Leistungsverweigerungsrecht wegen der im Tenor genannten Mängel nicht zu, da er zur Mängelbeseitigung keine Fristen nach § 4 Nr. 7 S. 3 bzw. § 13 Nr. 5 S. 1 VOB/B gesetzt habe. Hinzu komme, dass der Beklagte der Klägerin verboten habe, das Grundstück zu betreten. Die Klägerin habe demnach die Mängel nicht beseitigen können, da der Beklagte dies nicht zugelassen habe. Das Angebot der Klägerin zur Mängelbeseitigung im Schreiben v. 7.2.2002 sei vom Beklagten nicht angenommen worden. Folglich schulde die Klägerin keine Nachbesserung.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Im Revisionsverfahren ist zu Gunsten des Beklagten davon auszugehen, dass die im Tenor bezeichneten Mängel vorhanden sind und deren Mängelbeseitigung 45.044,81 EUR kostet. Unter dieser Voraussetzung hat der Beklagte zu Recht im zweiten Rechtszug nur eine eingeschränkte Verurteilung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung mit der Folge beantragt, dass die Klägerin keine Zinsen fordern kann.
1. Auch nach einer Kündigung des Bauvertrages ist der Auftragnehmer grundsätzlich verpflichtet, Mängel an dem von ihm bis zur Kündigung erstellten Werk zu beseitigen (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1987 - VII ZR 251/86, MDR 1988, 44 = BauR 1987, 689 [690] = ZfBR 1987, 271; Urt. v. 21.12.2000 - VII ZR 488/99, BGHReport 2001, 188 = MDR 2001, 385 = BauR 2001, 667 = NZBau 2001, 211 = ZfBR 2001, 177). Gegenüber dem Werklohnverlangen des Auftragnehmers kann der Auftraggeber das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 Abs. 1 BGB jedenfalls in Höhe des mindestens Dreifachen der Mängelbeseitigungskosten geltend machen. Eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ist nicht Voraussetzung für die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts ist objektiv willkürlich.
2. Die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts tragen den Ausschluss des Leistungsverweigerungsrechts nicht.
a) Das Berufungsgericht enthält keine tragfähigen Feststellungen dazu, dass der Beklagte die Mängelbeseitigung unmittelbar im Anschluss an die Kündigung nicht zugelassen hätte. Allein der Umstand, dass ein Baustellenverbot ausgesprochen und die Räumung der Baustelle verlangt worden ist, besagt dazu nichts. Es ist nicht festgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Mängelbeseitigung verlangt worden ist.
Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte durch eine etwa zunächst erfolgte Zurückweisung eines Mängelbeseitigungsangebotes seinen Anspruch auf Nachbesserung verwirkt hätte. In Betracht wäre ein Annahmeverzug des Beklagten gekommen, der jedenfalls beendet gewesen wäre, als sich der Beklagte im zweiten Rechtszug auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen und damit zu erkennen gegeben hat, dass er zum Zweck der Mängelbeseitigung das Betreten der Baustelle zulässt (vgl. BGH, Urt. v. 24.7.2003 - VII ZR 79/02, BGHReport 2003, 1323 = MDR 2003, 1413 = BauR 2003, 1892 [1898] = ZfBR 2004, 37 [41]).
b) Ebensowenig kann der Verlust des Mängelbeseitigungsanspruchs daraus hergeleitet werden, dass die Klägerin mit Schreiben v. 7.2.2002 angeboten hat, Mängel zu beseitigen. Der Beklagte hat durch die Weigerung, dieses Angebot anzunehmen, nicht seinen Mängelbeseitigungsanspruch verwirkt. Vielmehr war er berechtigt, dieses Angebot zurückzuweisen, weil es nur einen sehr geringen Teil der vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellten Mängel betraf (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.2002 - VII ZR 479/00, BGHReport 2002, 1029 = MDR 2002, 1188 = BauR 2002, 1399 [1400] = NJW 2002, 3019 = ZfBR 2002, 676). Das Angebot der Klägerin betraf Mängelbeseitigungskosten von 4.700 DM gegenüber den vom Sachverständigen geschätzten Kosten von 88.100 DM.
3. Der Beklagte ist berechtigt, die Zahlung von 123.791,94 EUR zu verweigern, da das mindestens Dreifache der Mängelbeseitigungskosten (135.134,44 EUR) diesen Betrag übersteigt. Folglich ist die Forderung nicht fällig, so dass der Beklagte weder Verzugszinsen (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.1999 - VII ZR 180/98, MDR 1999, 922 = BauR 1999, 1025 = NJW 1999, 2110 = ZfBR 1999, 313) noch Rechtshängigkeitszinsen, vgl. § 291 S. 1 BGB, schuldet.
III.
Danach kann das Berufungsurteil im von der Revision noch angefochtenen Umfang nicht bestehen bleiben. Es ist insoweit aufzuheben. Das Berufungsgericht wird, ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien, Grund und Höhe des Leistungsverweigerungsrechts des Beklagten festzustellen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1207600 |
DB 2004, 2369 |
BGHR 2004, 1545 |
BauR 2004, 1500 |
BauR 2004, 1616 |
NJW-RR 2004, 1461 |
IBR 2004, 494 |
JurBüro 2005, 166 |
ZfIR 2004, 1034 |
MDR 2004, 1410 |
MDR 2007, 255 |
ZfBR 2005, 49 |
BTR 2004, 233 |
BauSV 2005, 54 |
BrBp 2005, 27 |
NJW-Spezial 2004, 311 |
NZBau 2004, 611 |
BauRB 2005, 1 |
IWR 2004, 67 |
JbBauR 2006, 347 |