Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 19. Februar 2001 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von einer den Betrag von 2.760 DM übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen wurde.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vierzehn Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem hat das Landgericht den Verfall von 2.760 DM angeordnet. Mit der zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision erhebt die Staatsanwaltschaft eine Verfahrensrüge und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Die umfassend eingelegte Revision wird vom Generalbundesanwalt nur insoweit vertreten, als das Landgericht von einer weitergehenden Verfallsanordnung abgesehen hat. In diesem Unfang hat das Rechtsmittel auch Erfolg.
I.
Der zur Tatzeit 24 Jahre alte Angeklagte ist nicht vorbestraft. Mit Betäubungsmitteln hatte er bis zu den Vorfällen, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, nichts zu tun.
Handelspartner des Angeklagten war der damals 17 Jahre alte Zeuge L., genannt „B.”, dessen jugendliches Alter der Angeklagte nicht kannte. Der Zeuge L. betätigte sich bereits seit drei bis vier Jahren in der Betäubungsmittelszene. Mit Urteil vom 23. Juni 2000 wurde er wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln – rechtskräftig – zu sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Anfang September 2000 fragte der Zeuge L. den Angeklagten, ob er Heroin besorgen könne. Auf Drängen des Zeugen hörte sich der Angeklagte im Rahmen seiner Kontakte als Gastwirt um und tat eine Quelle auf. Von dieser erwarb der Angeklagte dann – immer entsprechend vorheriger Bestellungen des Zeugen L. – während der Monate September und Oktober 2000 in vierzehn Fällen Heroin und verkaufte es mit einem geringen Preisaufschlag an den Zeugen, und zwar zehnmal 5 Gramm zu jeweils 800 DM, zweimal 6 Gramm für 120 und 150 DM pro Gramm und weitere zweimal 15 Gramm zu jeweils 1.800 DM, insgesamt somit 92 Gramm für mindestens 13.040 DM. Der Wirkstoffgehalt betrug mindestens 9 % HHC. Der Zeuge L. veräußerte das Rauschgift mit einem Gewinnaufschlag weiter.
Ausgehend vom Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG hat das Landgericht gegen den Angeklagten Einzelstrafen in Höhe von zehn Monaten bis zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gebildet, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Weiter hat das Landgericht gemäß § 73a StGB den Verfall von 2.760 DM angeordnet. Bei der Festsetzung dieses Betrags orientierte sich die Kammer ausgehend von der Gesamtsumme der für den Verkauf des Heroins vereinnahmten 13.040 DM (Bruttoprinzip) „unter Berücksichtigung der Härtevorschrift des § 73c StGB” am Gewinnanteil des Angeklagten.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat nur hinsichtlich der Verfallsanordnung Erfolg.
1. Die Verfahrensrüge (Aufklärungsrüge) greift, wie der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, nicht durch.
2. Die Sachrüge greift nur durch, soweit eine den Betrag von 2.760 DM übersteigende Verfallsanordnung unterblieben ist. Im übrigen ist sie unbegründet.
a) Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts – insbesondere zur fehlenden Kenntnis des Angeklagten von der Minderjährigkeit des Zeugen L. – ist weder lückenhaft noch widersprüchlich noch verstößt sie gegen Denkgesetze. Der Versuch der Beschwerdeführerin, die rechtsfehlerfrei getroffene Beweiswürdigung des Landgerichts durch eine eigene zu ersetzen, bleibt erfolglos. Ob auch eine andere Würdigung der Beweise, ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre, ist revisionsrechtlich unerheblich.
b) Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Prüfung stand.
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn der Tatrichter fehlerhafte Erwägungen anstellt oder wenn erforderliche Erwägungen oder Wertungen unterblieben sind und das Urteil auf dem Mangel beruhen kann, oder wenn sich die Strafe nicht im Rahmen des Schuldangemessenen hält. Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 359).
Auch die von der Beschwerdeführein beanstandete Gesamtstrafenbildung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die nach § 54 StPO gebotene Erhöhung der höchsten Einzelstrafe um sechs Monate ist zwar gering. Im Vordergrund steht jedoch nicht die Summe der Einzelstrafen, sondern die Gesamtwürdigung der Person des Täters und seiner Taten (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 10). Jeder Schematismus ist verfehlt (BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3; BGH NStZ 2001, 365, 366; BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 11; BGH NStZ 2001, 365, 366). Hinzu treten das Verhältnis der einzelnen Straftaten zueinander sowie die Frage, ob die Straftaten einem kriminellen Hang entspringen oder ob es sich um Gelegenheitsdelikte handelte (vgl. BGHSt 24, 268, 269 f.). Wie bei den Einzelstrafen braucht der Tatrichter auch bei der Gesamtstrafe nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen (BGH aaO 271). Dies hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei getan.
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB hat die Strafkammer mit tragfähigen Gründen bejaht. § 56 Abs. 3 StGB steht der Strafaussetzung zur Bewährung hier nicht entgegen.
3. Dagegen hält die Entscheidung zur Verfallsanordnung, soweit gemäß § 73 c StGB von der Anordnung des Verfalls abgesehen wurde, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Strafkammer teilt schon nicht mit, ob sie dem teilweisen Verzicht auf die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes § 73c StGB Satz 1 oder Satz 2 zugrundegelegt hat. Hinsichtlich beider Alternativen lassen die Ausführungen und Feststellungen der Strafkammer nicht erkennen, ob sie deren Voraussetzungen rechtsfehlerfrei bejaht hat.
a) Zu den Vermögensverhältnissen des Angeklagten hat die Strafkammer folgendes festgestellt: Seit etwa zwei Jahren hat der Angeklagte in St. ein Speiselokal als „verantwortlicher Wirt mit Konzessionsbesitz” betrieben. Durch die Untersuchungshaft erlitt er nicht unbeträchtliche Vermögenseinbußen. Er war gezwungen, seine Gaststätte zu verkaufen. Jedoch ist der Angeklagte noch Teilhaber und kann jederzeit wieder seine Tätigkeit in dem Betrieb aufnehmen. Der – inhaftierte – Angeklagte hat derzeit kein Einkommen, jedoch keine Schulden.
Im übrigen hat das Landgericht die Anwendung des § 73c StGB auf folgende Erwägungen gestützt: Dem Angeklagten ist im Rahmen des Bewährungsbeschlusses auferlegt worden, 10.000 DM an eine gemeinnützige Einrichtung zu bezahlen, ohne daß ihm zur Zeit geregelte Einkünfte zur Verfügung stehen. Die nahezu dreimonatige Untersuchungshaft hatte für den strafunerfahrenen Angeklagten auch persönlich tiefgreifende Einschnitte zur Folge. Es ist eine Freiheitsstrafe verhängt worden, deren Vollstreckung habe zur Bewährung ausgesetzt werden können. Da der Angeklagte nur einen geringfügigen Aufschlag auf den von ihm gezahlten Heroinpreis vorgenommen habe, habe das Gericht „somit” lediglich eine im Wege der Schätzung gemäß § 73b StGB bestimmte Gewinnabschöpfung in Höhe von 2.760 DM ausgesprochen. „Dabei wurde”, so die Strafkammer, „durchaus berücksichtigt, daß allein der mutmaßliche Verbrauch des Drogengeldes (etwa zum Erwerb der Droge) keine unbillige Härte im Sinne des § 73c StGB darstellt; die Kammer räumte den oben genannten Erwägungen jedoch hervorragendes Gewicht bei.”
b) Falls das Landgericht § 73c Abs. 1 Satz 2 erste Alt. StGB anwenden wollte, hätte es zunächst feststellen müssen, ob das Erlangte im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden war. Die wenig konkreten Hinweise auf den „mutmaßlichen Verbrauch des Drogengeldes (etwa zum Erwerb der Droge)” und die „nicht unbeträchtlichen Vermögenseinbußen” durch die erlittene Untersuchungshaft genügen hierzu nicht. Der Angeklagte ist nach wie vor „Teilhaber” an einer Gaststätte. Der Wert dieses Anteils wird jedoch ebenso wenig mitgeteilt, wie der Erlös aus dem Verkauf der übrigen Anteile an der Gaststätte und dessen Verbleib, sowie der Wert möglicher sonstiger Vermögensreste. Es ist deshalb offen und revisionsrechtlich nicht überprüfbar, ob und in welchem Unfang noch Vermögenswerte vorhanden sind, in denen sich das aus den Taten Erlangte widerfindet. Denn eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 erste Alt. StGB scheidet schon dann aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallbetrag zurückbleibt. In diesen Fällen liegt es nahe, daß der Wert des Erlangten im Vermögen noch vorhanden ist. Der Verfall hängt nicht davon ab, ob die vorhandenen Vermögenswerte unmittelbar mit Drogengeldern erworben wurden oder ob mit Drogengeldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet oder dessen Verbrauch vermieden wurde (vgl. BGH NStZ 2000, 480, 481).
Wollte sich das Landgericht auf § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB („unbillige Härte”) stützen, so sind auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht dargetan. Da § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB auch dann gilt, wenn der Wert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden ist, müssen an dessen Voraussetzungen hohe Anforderungen gestellt werden. Die Situation muß so sein, daß die Verfallserklärung „ungerecht” wäre, daß sie das Übermaßverbot verletzen würde. Entscheidend ist, wie sich die Verfallsanordnung konkret auf das Vermögen auswirkt (BGH NStZ-RR 2000, 365). Schon hierzu fehlt es an den erforderlichen Feststellungen.
Die Erwägungen des Landgerichts sind auch im übrigen weder geeignet, eine unbillige Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB noch eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB tragfähig zu begründen. Die Strafkammer stellt im Kern darauf ab, die Resozialisierung des Angeklagten nicht durch zu hohe finanzielle Belastungen zu gefährden. Dies ist zwar auch beim Verfall eine im Grundsatz zulässige Erwägung, jedenfalls soweit es sich um den Gewinn überschreitende Beträge handelt.
Einer – fakultativen – Bewährungsauflage gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB (Zahlung eines Geldbetrags zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse) kann bei der Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB keine entscheidende Bedeutung zukommen. Vielmehr ist die Zumutbarkeit einer derartigen Auflage an der Leistungsfähigkeit eines Angeklagten unter Berücksichtigung auch der aus einem Urteil unmittelbar folgenden, grundsätzlich unabdingbaren und deshalb vorrangigen Zahlungspflichten, wie etwa einer zusätzlichen Geldstrafe (§§ 41, 53 Abs. 2 Satz 2 StGB), einer Vermögensstrafe (§ 43a StGB) oder – wie hier – einer auf einen Geldbetrag lautenden Verfallsanordnung (§ 73a StGB) zu messen.
Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts und des Verteidigers konnte der Senat zur Verfallsanordnung in der Sache nicht selbst entscheiden, da die Anwendung des § 73c StGB in erster Linie Sache des Tatrichters ist und im übrigen tragfähige Feststellungen hierzu bislang fehlen.
Unterschriften
Schäfer, Wahl, Boetticher, Schluckebier, Hebenstreit
Fundstellen
Haufe-Index 634721 |
NStZ-RR 2002, 7 |