Leitsatz (amtlich)
Wird in einem Ruhegehaltsvertrag die Höhe der Versorgung allgemein an ein Beamtengehalt angeknüpft, so gehört zu der hiermit vereinbarten Bemessungsgrundlage im Zweifel auch die jährliche Sonderzuwendung (13. Monatsgehalt).
Diese Auslegungsregel gilt auch für Verträge, die zu einer Zeit abgeschlossen worden sind, als das 13. Monatsgehalt schon regelmäßiger Bestandteil der Beamtenbesoldung war.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 611
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 19.07.1978) |
LG Stuttgart |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. Juli 1978 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf Feststellung abgewiesen worden ist, daß die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger einen nach Maßgabe des Ruhegehaltsvertrages vom 17. Juli 1969 zu berechnenden Anteil an den jährlichen Sonderzuwendungen ab 1974 für einen Bundesbeamten der Besoldungsgruppe B 10 zu gewähren.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Zwischen den Parteien besteht Streit über die Höhe des an den Kläger zu zahlenden Ruhegehalts. Der 1920 geborene Kläger war von 1960 an Vorstandsmitglied der verklagten Aktiengesellschaft. Sein Dienstverhältnis wurde einvernehmlich vorzeitig zum 1. Dezember 1969 beendet. Die Ausscheidensvereinbarung sah vor, daß der Kläger bis zum 31. Januar 1973 die nach dem Anstellungsvertrag geschuldeten Leistungen erhält und sich seine Bezüge ab 1. Februar 1973 nach dem Ruhegehaltsvertrag vom 17. Juli 1969 richten. Dieser an die Stelle früherer Vereinbarungen getretene Vertrag bestimmt in § 2:
„Das Ruhegehalt beträgt 90 % des Gehalts eines Bundesbeamten der Besoldungsgruppe 10 der Besoldungsordnung B (Anl. I) des Bundesbesoldungsgesetzes in dessen jeweiliger Fassung einschließlich Ortszuschlag in der Ortsklasse S Stufe 2.
Das Ruhegehalt wird in monatlichen Raten am Ende jeden Monats geschuldet, ausgezahlt jedoch in vierteljährlichen Teilbeträgen jeweils in der Mitte des Kalendervierteljahres für dieses, somit am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November eines Jahres.”
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger – entsprechend seinem vorzeitigen Ausscheiden – 72 % des auf das Alter 65 festgelegten Ruhegehalts zu beanspruchen hat. Die Beklagte hat Zahlungen nach dem Ruhegehaltsvertrag geleistet. Der Kläger meint jedoch, wie er in einem Schreiben an die Beklagte vom 15. September 1977 erstmals zum Ausdruck gebracht hat, als Bemessungsgrundlage seien nicht wie seither praktiziert nur das monatliche Grundgehalt und der Ortszuschlag, sondern auch die den Beamten jährlich gewährte Sonderzuwendung („13. Monatsgehalt”) zu berücksichtigen. Dasselbe gelte für das seit 1977 den Beamten zustehende Urlaubsgeld.
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung eines dem Prozentsatz der Pension entsprechenden Anteils des 13. Monatsgehalts für 1975 bis 1977 sowie des Urlaubsgelds für 1977 abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm einen nach Maßgabe des Ruhegehaltsvertrages vom 17. Juli 1969 zu berechnenden Anteil an den jährlichen Sonderzuwendungen ab 1974 und an dem jährlichen Urlaubsgeld ab 1977 für einen Bundesbeamten der Besoldungsgruppe B 10 zu gewähren. Das Oberlandesgericht hat seine Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er seine Klage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist begründet, soweit nach dem angefochtenen Urteil für das Ruhegehalt des Klägers die an Beamte gewährten jährlichen Sonderzuwendungen nicht zu berücksichtigen sein sollen.
a) Das Berufungsgericht verneint zu Unrecht die Auslegungsfähigkeit von § 2 Abs. 1 Ruhegehaltsvertrag. Zwar verkennt es nicht, daß die Anknüpfung an „90 % des Gehalts eines Bundesbeamten der Besoldungsgruppe 10 der Besoldungsordnung B (Anl. I) des Bundesbesoldungsgesetzes in dessen jeweiliger Fassung” dem Wortlaut nach auch die jährliche Sonderzuwendung einschließen kann, die diesen Vergleichsbeamten gewährt wird. Es meint jedoch, durch den in Klammern gesetzten Zusatz „Anlage I” sei die Formulierung unmißverständlich auf den besoldungsrechts-technischen Begriff des Grundgehalts festgelegt worden. Die in bezug genommene Anlage I enthalte nämlich die in § 5 Bundesbesoldungsgesetz vorgesehene Zuordnung der Ämter zu den einzelnen Besoldungsgruppen mit den jeweils gleichen Grundgehältern und bestimmten Ortszuschlägen innerhalb der beiden Besoldungsordnungen A und B. § 5 wiederum sei die Eingangsbestimmung des mit den Worten „Das Grundgehalt” überschriebenen ersten Titels des die Dienstbezüge der Beamten regelnden Zweiten Abschnitts des Gesetzes.
Dieser Begründung des Berufungsgerichts kann nicht gefolgt werden. Denn der Prozeßstoff enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß der systematische Aufbau des Bundesbesoldungsgesetzes die Vorstellungen der Parteien in irgendeiner Weise beeinflußt hat und sie dem Hinweis auf die Anlage I eine Bedeutung beigelegt haben, die über die genaue Bezeichnung der zum Vergleichsmaßstab genommenen Besoldungsgruppe hinausging. Demgegenüber kommt es auch nicht mehr darauf an, daß die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Systematik bereits durch das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz vom 14. Mai 1969 (BGBl I S. 365) überholt ist; § 5 Abs. 1 geht nach dieser Neuregelung statt vom Grundgehalt von der Zuordnung der Ämter zu den Besoldungsgruppen der Besoldungsordnungen aus.
b) Da der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Ruhegehaltsvertrag entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht eindeutig ist, hätte es die Vereinbarung auslegen müssen. Das hat es nicht getan, so daß sie der Senat selbst auslegen kann.
Der Bundesgerichtshof hat schon mehrfach entschieden, daß mit Versorgungsvereinbarungen, die an Beamtengehälter anknüpfen, auch die Weihnachtszuwendung in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird, die inzwischen den Charakter eines 13. Monatsgehalts angenommen hat (vgl. die in WM 1968, 830; 1971, 507 = LM BGB § 133 A Nr. 13 abgedr. SenUrt. v. 1.4.68 – II ZR 123/66 u.v. 21.1.71 – II ZR 153/68; ferner BGH, Urt. v. 11.11.74 – VIII ZR 106/73, LM WährG § 3 Nr. 27 unter III 3 = WM 1974, 1221). Sinn und Zweck der Bezugnahme auf die Beamtenbesoldung sind so typisch auf den Gleichlauf mit deren allgemeinem Zuschnitt (und nicht nur auf die Anpassung an geänderte Grundgehälter) gerichtet, daß eine entsprechende Auslegungsregel anzunehmen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Auslegung durch den Bundesgerichtshof bereits als Teil der Verkehrsauffassung bezeichnet (Urt. v. 10.1.75 – 3 AZR 70/74, AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt Beamtenversorgung unter III 3 mit Anm. Herschel = DB 1975, 1368; v. 16.10.75 – 3 AZR 373/74, wie vor Nr. 4 mit Anm. Schröder = DB 1976, 199; v. 20.10.75 – 3 AZR 555/74, DB 1976, 200 f unter 3.). In seiner Entscheidung 3 AZR 417/75 vom 16. Oktober 1975 (DB 1976, 199 unter II) hat das Bundesarbeitsgericht allerdings die Rechtsläge für eine Spannungsklausel aus dem Jahr 1970 (als die jährliche Sonderzuwendung längst zum besoldungsrechtlichen Instrumentarium gehörte) anders beurteilt. Jedoch steht diese Entscheidung der vom erkennenden Senat zugrunde gelegten Auslegungsregel schon deshalb nicht entgegen, weil die Parteien in jenem Fall auf das Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 13 verwiesen „und darüber hinaus sogar den allein maßgebenden Betrag beziffert (haben)”.
An der Auslegungsregel hat sich nichts dadurch geändert, daß die – nunmehr auch im Bundesbesoldungsgesetz (§ 67) berücksichtigten – jährlichen Sonderzuwendungen zum regelmäßigen Bestandteil der Beamtenbesoldung geworden sind. Vielmehr legt diese Verfestigung erst recht nahe, daß die Parteien bei Bezugnahme auf ein Beamtengehalt die Sonderzuwendung einschließen wollen, sofern sie nichts Abweichendes vereinbaren.
Für letzteres ist im konkreten Fall weder aus der besonderen Erwähnung des Ortszuschlags in § 2 Abs. 1 Ruhegehaltsvertrag noch aus der allgemeinen Erwägung des Berufungsgerichts etwas herzuleiten, die im Ruhegehaltsvertrag getroffene Regelung habe im Interesse einer leichten Handhabung von der gesetzlichen Regelung der Versorgungsbezüge der Bundesbeamten nur diejenigen Berechnungsfaktoren übernommen, die bei jedem Beamten zur Anwendung kommen, nicht aber die von Fall zu Fall zu berücksichtigenden Zuschläge bzw. Zulagen. Die Erwähnung des Ortszuschlags im Ruhegehaltsvertrag war geboten, da er nach Ortsklasse und Stufe konkretisiert werden mußte; ein Gegenschluß darauf, daß nicht besonders angeführte Besoldungsteile unberücksichtigt bleiben sollten, ergibt sich hieraus nicht. Die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts gehen für die jährliche Sonderzuwendung ins Leere, da diese unabhängig von persönlichen und dienstlichen Besonderheiten allen Beamten gleichermaßen zusteht (vgl. schon Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 16.10.1975 a.a.O. unter II 1). Daran ändert auch nichts, daß die Sonderzuwendung ihrerseits eine schwierige Berechnung erfordern kann, weil sie auf die „Bezüge” abstellt, die alle möglichen Besoldungselemente einschließen (vgl. § 6 Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung v. 23.5.75 – BGBl I S. 1173, 1238, 1240); dies ist schon deshalb ohne Belang, weil für den Kläger hiervon nur Grundgehalt und Ortszuschlag in Betracht kommen. Schließlich könnten die in § 2 Abs. 2 Ruhegehaltsvertrag geregelten Zahlungsmodalitäten allenfalls in Zusammenhang mit anderen, bisher nicht ersichtlichen Umständen für den Willen der Parteien sprechen, bei der Bemessung des Ruhegehalts ein den Beamten gewährtes „13. Monatsgehalt” außer Ansatz zu lassen.
c) Wegen der von Rechtsfehlern beeinflußten Auslegung des Ruhegehaltsvertrags muß das Berufungsurteil aufgehoben werden. Der Rechtsstreit ist aber noch nicht zur abschließenden Entscheidung reif, denn die Beklagte hat vom Kläger bestrittene Umstände vorgetragen, die – ihre Richtigkeit unterstellt – einen von der Auslegungsregel abweichenden und dieser vorgehenden Parteiwillen erkennen lassen, der mit dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Ruhegehaltsvertrag auch vereinbar wäre. Zu diesen Umständen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen; damit sie nachgeholt werden können, ist die Sache zurückzuverweisen:
Die Beklagte hat (unter Beweisantritt) behauptet, daß bei ihr die Frage, ob Sonderzuwendungen für die Bemessung der Ruhegehälter berücksichtigt werden müssen, schon 1965 erörtert worden sei. Der Kläger habe die Ansicht seiner damaligen Vorstandskollegen Dr. Michel und Hähl über die Nichtberücksichtigung geteilt (Schrifts. v. 19.6.78, S. 12 f). Auch bei der Umstellung des Ruhegehaltsvertrags im Juli 1969 seien Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten der Auffassung gewesen, daß Sonderzuwendungen weiterhin nicht zur Bemessungsgrundlage gehörten. Die behaupteten Tatsachen sprechen dafür, daß die Parteien beim Abschluß des den Kläger betreffenden Ruhegehaltsvertrags darin übereingestimmt haben, es seien nur Grundgehalt und Ortszuschlag in die Bemessung des Ruhegehalts einzubeziehen.
Im übrigen kann eine weit zurückreichende beiderseitige Kenntnis von regelmäßigen jährlichen Sonderzuwendungen an die Beamten für die Frage erheblich sein, ob der Kläger seinen Anspruch auf Ruhegehalt unter Einbeziehung der Sonderzuwendungen in die Bemessungsgrundlage verwirkt hat. Er hat unstreitig für das an ihn geleistete Ruhegehalt die Berücksichtigung der Sonderzuwendung erstmals mit seinem Schreiben an die Beklagte vom 15. September 1977 aufgegriffen. Allein aus diesem Zeitablauf läßt sich eine Verwirkung nicht herleiten, zumal die Ruhegehaltszahlungen erst ab Februar 1973 eingesetzt haben. Hat andererseits der Kläger als Vorstandsmitglied der Beklagten verantwortlich an Erörterungen darüber teilgenommen, ob Sonderzuwendungen zu berücksichtigen seien, könnte die Geltendmachung des Anspruchs illoyal verspätet sein, wenn der Kläger in eigener Sache die weniger günstige Berechnung des Ruhegehalts mehrere Jahre lang widerspruchslos hinnahm und die Beklagte sich hierauf eingerichtet hatte. Daß letzteres der Fall war, ergibt sich allerdings aus dem bisherigen Vortrag der Beklagten nicht (vgl. ihren Schriftsatz v. 19.6.78, S. 19 f): Die „Unrichtigkeit” zurückliegender Jahresabschlüsse ist ebenso wie ein in die Jahresrechnung eingehender erhöhter Rückstellungsbedarf für Pensionsverpflichtungen bloße Folge der Inanspruchnahme der Beklagten und kein Umstand, der die Inanspruchnahme für sie unzumutbar macht. Vollends ist nicht zu erkennen, daß eine Verwirkung mehr als die bis 1977 entstandenen Einzelansprüche erfassen würde.
§ 3 WährG würde entgegen der Ansicht der Beklagten dem Klaganspruch nicht entgegenstehen, denn die Anknüpfung des Ruhegehalts an die Beamtenbesoldung hält sich im Rahmen einer genehmigungsfreien Spannungsklausel (vgl. SenUrt. v. 17.12.73 – II ZR 48/71, LM WährG § 3 Nr. 23 unter II = WM 1974, 71; s. auch Herschel a.a.O.).
2. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit die Klage auf Feststellung abgewiesen worden ist, daß die Beklagte verpflichtet sei, einen Anteil am jährlichen Urlaubsgeld zu gewähren. Das Urlaubsgeldgesetz vom 15. November 1977 (BGBl I S. 2117) gibt nach den in seinem § 2 geregelten Voraussetzungen nur den im aktiven Dienst stehenden Beamten einen Anspruch. Die Auslegung von § 2 Abs. 1 Ruhegehaltsvertrag durch das Berufungsgericht, die darin enthaltene Bezugnahme auf die Beamtenbesoldung umfasse jedenfalls nicht eine auf Beamte im aktiven Dienstverhältnis beschränkte Zuwendung, läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Kellermann, Dr. Skibbe
Fundstellen
Haufe-Index 1502377 |
NJW 1980, 1741 |
Nachschlagewerk BGH |