Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) eingetretenen Gesellschafters nach erfolgreicher Anfechtung des Eintritts wegen arglistiger Täuschung
Leitsatz (amtlich)
§ 130 HGB findet auch dann Anwendung, wenn ein Gesellschafter rechtlich fehlerhaft in eine voll wirksame offene Handelsgesellschaft eintritt.
Normenkette
HGB § 130
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Februar 1964 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden hat.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten als frühere Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft van D. aus einer Forderung von jetzt noch 36.757,36 DM nebst Zinsen in Anspruch, die der Klägerin schon vor dem Eintritt der Beklagten in die Gesellschaft am 24. November 1961 gegen die Gesellschaft zugestanden hatte. Sie hat einen entsprechenden Zahlungsantrag gestellt.
Die Beklagten sind durch Vertrag vom 27. Dezember 1961 wieder aus der Gesellschaft ausgeschieden und haben später ihren Beitritt wegen arglistiger Täuschung durch die Gesellschafter, Eheleute van D., angefochten, Sie sind der Meinung, aus diesem Grunde für die Forderung der Klägerin nicht persönlich zu haften. Des weiteren stützen sie ihren Klagabweisungsantrag auf die Behauptung, auch die Klägerin habe sie durch arglistige Täuschung zum Eintritt in die Gesellschaft bewogen und habe ihnen zugesagt, mit ihnen über ihre persönliche Haftung eine Sondervereinbarung zu treffen.
Das Landgericht hat den Anspruch gegen die Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte zu 1) bittet, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte zu 2) hat sich in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten lassen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagten hätten ihren Eintritt in die offene Handelsgesellschaft wegen arglistiger Täuschung durch die Eheleute van D. wirksam angefochten. Sie hafteten deshalb der Klägerin nicht aus § 130 Abs. 1 HGB, und zwar auch nicht nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft. Die Inanspruchnahme eines Gesellschafters, dessen Beitritt unwirksam sei, durch einen Altgläubiger setze voraus, daß sich der Gläubiger auf den durch den Beitritt erzeugten Rechtsschein verlassen, also sein späteres Verhalten entsprechend eingerichtet habe. Das habe die Klägerin jedoch nicht getan.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die Beklagten und die Eheleute van D. hatten vor der Anfechtung ihre Gesellschaft bereits nach außen in Vollzug gesetzt; denn die Gesellschaft ist unstreitig auch nach dem Eintritt der Beklagten werbend tätig geworden, und die Beklagten sind der Klägerin gegenüber bei Verhandlungen als Gesellschafter aufgetreten. Bei "dieser Sachlage war es den Beklagten nach den für die fehlerhafte Gesellschaft geltenden Rechtsgrundsätzen nicht mehr möglich, ihren Eintritt durch Anfechtung rückwirkend zu beseitigen (vgl. für das Innenverhältnis BGHZ 26, 334 f). Das hat nicht nur Folgen für das Innenverhältnis, für die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander, sondern ebenso auch für das Außenverhältnis, für die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu Dritten sowie für die Rechtsstellung der Gesellschafter gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger (Ermann, Personengesellschaften auf mangelhafter Vertragsgrundlage S. 18; Hueck, Recht der offenen Handelsgesellschaft 3. Aufl. § 7 II; Weipert, HGB-RGRK 2. Aufl. § 130 Anm. 18; jetzt auch - anders noch in der 3. Aufl. - Schlegelberger/Geßler, HGB 4. Aufl. § 130 Anm. 27; aA Baumbach/Duden, 16. Aufl. § 105 Anm. 8 A). Bei der fehlerhaften Gesellschaft ist die rückwirkende Nichtigkeitsfolge der Anfechtung (§ 142 BGB) beseitigt. Sie ist eine Gesamthandsgemeinschaft, die im Rechtsverkehr unter einer eigenen Firma auftritt, der im Prozeß aktive und passive Parteifähigkeit zukommt, auf die die Vorschriften über die Vertretung der offenen Handelsgesellschaft (Kommanditgesellschaft) Anwendung finden und bei der die Gesellschafter dem Gesellschaftsgläubiger gemäß §§ 128/29 HGB persönlich und unbeschränkt haften. Demgemäß muß auch die Vorschrift des § 130 HGB Anwendung finden, sei es, daß ein Gesellschafter rechtlich fehlerfrei in eine fehlerhafte offene Handelsgesellschaft oder rechtlich fehlerhaft in eine voll wirksame offene Handelsgesellschaft eintritt. In beiden Fällen haftet der neu eintretende Gesellschafter auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich und unbeschränkt. Einer Anwendung des Vertrauensgrundsatzes - wie etwa bei einem Auftreten im Verkehr als Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (vgl. BGHZ 17, 13) - bedarf es hier nicht, weil in diesem Fall die Haftung des neu eintretenden Gesellschafters schon nach § 130 HGB ohne Rücksicht auf ein schutzwertes Vertrauen des einzelnen Gesellschaftsgläubigers besteht.
Das Berufungsurteil kann somit mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem erkennenden Senat jedoch noch nicht möglich, weil noch zu prüfen ist, ob die Klägerin, wie die Beklagten einwenden, mit Rücksicht auf ihr früheres Verhalten arglistig handelt, wenn sie die Beklagten persönlich in Anspruch nimmt.
Das Berufungsurteil muß demzufolge aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, das dabei auch über die Kosten der Revision zu befinden hat.
Dieses Urteil richtet sich auch gegen den nicht erschienenen Beklagten zu 2). Gegen ihn ergeht es auf entsprechenden Antrag als Versäumnisurteil.
Unterschriften
Dr. Fischer
Liesecke
Dr. Schulze
Fleck
Stimpel
Fundstellen
BGHZ, 235 |
NJW 1966, 107 |
DNotZ 1966, 505 |