Leitsatz (amtlich)
›Lehnt das Amt für Verteidigungslasten einen Anspruch auf Ersatz von Stationierungsschäden schon dem Grunde nach ab, ohne zur Höhe des Schadens Stellung zu nehmen, so wird durch diese Entschließung die Klagefrist für die Geltendmachung des gesamten abgelehnten Anspruchs nach Grund und Höhe in Lauf gesetzt.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Bei einem Verkehrsunfall am 31. Oktober 1972 wurde der Versicherungsnehmer D der Klägerin erheblich verletzt. An dem Unfall war außerdem ein niederländisches Militärfahrzeug beteiligt.
Am 17. Februar 1976 beantragte D. bei der Klägerin Berufsförderung durch Umschulung. Die Klägerin meldete ihren Anspruch auf Erstattung der Kosten der Berufsförderung beim Amt für Verteidigungslasten (AVL) in Münster an. Die Anmeldung vom 15. April 1976 wurde am 20. April 1976 abgesandt. Mit Entschließung vom 14. August 1979, die bei der Klägerin am 22. August 1979 einging, lehnte das AVL Münster die Kostenerstattung ab, da die Umschulung nicht durch den Unfall verursacht sei.
Mit ihrer am 22. Oktober 1979 beim Landgericht Münster eingegangenen Klage beantragte die Klägerin,
1. die Beklagte zur Zahlung von 80.285,76 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu verurteilen,
2. die Ersatzpflicht der Beklagten für "alle ... künftig entstehenden übergangsfähigen Aufwendungen" für die Umschulung ihres Versicherungsnehmers festzustellen.
Das Landgericht wies die Klage ab, weil die Umschulung des Versicherungsnehmers nicht durch den Unfall verursacht sei. Die Klägerin legte Berufung ein und machte zur weiteren Begründung ihrer Klageforderung weitere, vor Klageerhebung entstandene Aufwendungen in Höhe von 5.427,10 DM geltend. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte die Beklagte entsprechend dem Zahlungsantrag; es stützte die Verurteilung in Höhe von 4.095 DM auf die von der Klägerin nachgeschobenen Aufwendungen. Ferner stellte es die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der der Klägerin nach dem 1. November 1979 entstandenen und entstehenden Aufwendungen fest. Das Urteil ist rechtskräftig.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin weitere vor Erhebung der ersten Klage entstandene Aufwendungen für die Umschulung ihres Versicherungsnehmers geltend, die nicht Gegenstand des Vorprozesses waren.
Mit Schreiben vom 27. Mai 1981 an das AVL Münster verlangte die Klägerin die Erstattung weiterer Aufwendungen aus der Zeit vom 1. Oktober 1978 bis zum 8. März 1979 in Höhe von insgesamt 30.936,46 DM. Das nunmehr zuständige AVL Soest lehnte durch Entschließung vom 21. April 1982 diese Ansprüche ab, weil die Forderungen verfristet seien.
Mit der am 21. Juni 1982 beim Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin - nachdem die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits 1.322,10 DM gezahlt hat - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 26.022,46 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung abzüglich am 16. August 1982 gezahlter 1.322,10 DM zu zahlen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision bleibt erfolglos.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt:
Die Klägerin habe zwar die Anmeldefrist nach Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen vom 18. August 1961 (BGBl. II S. 1183) - NTS-AG - gewahrt; denn ihre Anmeldung vom 15. April 1976 habe die gesamten Kosten der Umschulung ihres Versicherungsnehmers und damit auch die jetzt geltend gemachten Aufwendungen umfaßt.
Die Klägerin habe aber für diese Aufwendungen die Klagefrist nach Art. 12 Abs. 2 NTS-AG nicht gewahrt. Diese Frist sei bereits durch die Entschließung des AVL Münster vom 14. August 1979 in Lauf gesetzt worden. Obwohl das AVL Münster die Forderungen der Klägerin bereits dem Grunde nach abgelehnt und deshalb zur Höhe nicht mehr Stellung genommen habe, sei damit über die Ansprüche der Klägerin in vollem Umfang entschieden worden. Deshalb habe die Klägerin ihre gesamten Ansprüche zum Gegenstand der gegen die Entschließung erhobenen Klage machen müssen. Während des Prozesses habe sie ihre Klage erweitern können; nach Beendigung des Vorprozesses sei dies nicht mehr möglich.
II.
1. Rechtlich zutreffend, geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin die Anmeldefrist des Art. 6 Abs. 1 NTS-AG gewahrt hat.
a) Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Stationierungsschadens, der nach dem 30. Juni 1963 entstanden ist. Die rechtliche Beurteilung eines solchen Anspruchs richtet sich nach den Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1951 (BGBl. 1961 II S. 1190 - NTS), dem Zusatzabkommen hierzu vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1218 - ZA-NTS) und dem Gesetz zu diesen Vereinbarungen vom 18. August 1961. Nach Art. VIII Abs. 5 a NTS in Verb. mit Art. 41 Abs. 1 ZA-NTS sind Ansprüche, die sich daraus ergeben, daß durch Handlungen oder Unterlassungen von Mitgliedern einer Truppe in Ausübung des Dienstes in der Bundesrepublik ein Schaden zugefügt worden ist, nach denjenigen deutschen Gesetzen zu beurteilen, die insoweit für die Bundeswehr gelten. Ohne Rechtsirrtum geht das Berufungsgericht aufgrund dieser Bestimmungen davon aus, daß der bei dem Verkehrsunfall vom 31. Oktober 1972 verletzte Versicherungsnehmer der Klägerin gegen das Königreich der Niederlande als Halter des an dem Verkehrsunfall beteiligten Militärfahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StVG einen Anspruch auf Ersatz seines Unfallschadens erworben hat, der gegen die Beklagte geltend gemacht werden konnte (Art. 12 Abs. 1 und 2 NTS-AG). Dieser Anspruch ist in Höhe der eingeklagten Forderung nach § 1542 RVO auf die Klägerin, die dem bei ihr versicherten Verletzten infolge des Unfalls Leistungen zu erbringen hatte, im Augenblick des Unfalls kraft Gesetzes übergegangen.
b) Als Anspruch der in Art. VIII Abs. 5 NTS genannten Art mußte der Schadensersatzanspruch zur Vermeidung des Ausschlusses nach Art. 6 Abs. 1 NTS-AG bei dem zuständigen Amt für Verteidigungslasten innerhalb von drei Monaten angemeldet werden. Als Fristbeginn bestimmt Art. 6 Abs. 1 NTS-AG den Zeitpunkt, "in dem der Geschädigte von dem Schaden und von Umständen Kenntnis erlangt, aus denen sich ergibt, daß eine Truppe ... für den Schaden verantwortlich ist oder daß ein Mitglied oder ein Bediensteter einer Truppe ... den Schaden verursacht hat".
Dieser Zeitpunkt war hier der 17. Februar 1976, an dem D. bei der Klägerin Berufsförderung durch Umschulung beantragte. An diesem Tag erhielt die Klägerin Kenntnis von dem Umstand, daß aufgrund des Unfalls vom 31. Oktober 1972 Umschulungskosten entstehen wurden. Auf die Kenntnis der Klägerin von diesem Umstand kommt es allein an. Die Kenntnis des Geschädigten selbst ist bei nach § 1542 RVO auf einen Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüchen für den Beginn der Ausschlußfrist des Art. 6 Abs. 1 NTS-AG grundsätzlich unbeachtlich (Senatsurteil vom 26. Juli 1967 - III ZR 154/66 = VersR 1967, 1072).
Die durch den Antrag vom 17. Februar 1976 in Lauf gesetzte Anmeldefrist hat die Klägerin durch die Anmeldung vom 15. April 1976 gewahrt, da diese Anmeldung erkennen ließ, daß die Klägerin die Erstattung sämtlicher ihr durch die Umschulung entstehenden Kosten verlangte.
Dies wird von der Revision als ihr günstig auch nicht angegriffen.
2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist aber auch die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin hinsichtlich der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Kosten die Klagefrist des Art. 12 Abs. 3 NTS-AG nicht gewahrt hat.
a) Hat die zuständige Behörde einen nach Art. 6 Abs. 1 NTS-AG bei ihr geltend gemachten Anspruch der in Art. VIII Abs. 5 NTS genannten Art in ihrer Entschließung nach Art. 11 NTS-AG nicht oder nicht in vollem Umfang anerkannt, so kann der Antragsteller Klage vor den ordentlichen Gerichten gegen die Bundesrepublik Deutschland erheben (Art. 12 Abs. 1 NTS-AG). Die Klage ist innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung der Mitteilung über die Entschließung der Behörde zu erheben (Art. 12 Abs. 3 Satz 1 NTS-AG).
b) Diese Klagefrist ist durch die Entschließung des AVL Münster vom 14. August 1979 auch für die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche in Lauf gesetzt worden.
Das AVL Münster hat in dieser Entschließung die Erstattung von Umschulungskosten abgelehnt, weil es an einem Ursachenzusammenhang zwischen Unfall und Umschulung fehle. Zur Höhe des Anspruchs brauchte es deshalb nicht Stellung zu nehmen. Das bedeutete aber nicht, daß Gegenstand einer Klage nach Art. 12 Abs. 1 NTS-AG nur der Grund des Schadensersatzanspruches sein konnte. Mit rechtzeitiger Klageerhebung verliert die Entschließung nach Art. 11 NTS-AG im ganzen Umfang ihre Bedeutung. Nur die Vorschriften der Zivilprozeßordnung bestimmen, in welchem Umfang Ansprüche verfolgt werden können. Die danach gegebenen Möglichkeiten zur Veränderung des ursprünglichen Prozeßbegehrens sind für beide Parteien bis zur Beendigung des Prozesses nicht beschränkt, wenn die Klageerhebung den Rechtsweg eröffnet und das durch Versäumung der Klagefrist möglicherweise drohende Prozeßhindernis beseitigt hat (Senatsurteil vom 3. Juli 1972 - III ZR 84/69 = VersR 1973, 53).
Wenn das AVL in seiner Entschließung nach Art. 11 NTS-AG einen Antrag schon dem Grunde nach abgelehnt und deshalb zur Höhe nicht Stellung genommen hat, kann und muß in dem nach Art. 12 NTS-AG anhängig gemachten Prozeß nicht nur über den Grund, sondern auch über die Höhe des Anspruchs entschieden werden, wenn das Gericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt hält. Eine Beschränkung der gerichtlichen Entscheidung auf den Grund des Anspruchs oder gar eine "Zurückverweisung" an das AVL ist nicht zulässig.
Der Hinweis der Revision auf § 304 ZPO geht fehl. Eine Anwendung des § 304 ZPO kommt im Zivilprozeß nur in Betracht, wenn ein Gericht einen nach Grund und Betrag streitigen Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt hält. Hält es einen nach Grund und Höhe streitigen Anspruch schon dem Grunde nach für ungerechtfertigt, so entscheidet es damit nicht nur über den Grund, sondern zugleich abschließend über die Höhe des Anspruchs. Durch die Berufung gegen ein solches Urteils erwächst auch der Streit über die Höhe in die Berufungsinstanz. Allein die besondere Vorschrift des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eröffnet dem Berufungsgericht in einem solchen Falle die Möglichkeit, die Sache zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das Gericht, zurückzuverweisen. Eine entsprechende Regelung im Verhältnis des nach Art. 12 NTS-AG angerufenen Gerichts zu der nach Art. 9 NTS-AG zuständigen Behörde gibt es nicht. Deshalb ist im Verfahren nach Art. 12 NTS-AG eine Beschränkung der abschließenden gerichtlichen Entscheidung auf den Grund des Schadensersatzanspruchs weder notwendig noch zulässig.
Auch die Klägerin selbst hat im Vorprozeß nicht nur eine gerichtliche Entscheidung über den Grund ihrer Ansprüche begehrt, sondern die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines bestimmten Betrages und die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für "alle ... künftig entstehenden übergangsfähigen Aufwendungen. Für die Zulässigkeit dieses Antrages bedurfte es keines Rückgriffs auf Art. 12 Abs. 4 Satz 1 NTS-AG, und die Klägerin hat sich auf diese Vorschrift auch nicht berufen.
c) Durch die am 22. Oktober 1979 beim Landgericht Münster erhobene Klage ist die Frist des Art. 12 Abs. Satz 1 NTS-AG hinsichtlich der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Aufwendungen nicht gewahrt worden. Denn der mit dem Zahlungsantrag der Klage vom 22. Oktober 1979 in Anspruch genommene Betrag bezieht sich auf andere Aufwendungen; der Feststellungsantrag umfaßt nur Aufwendungen, die nach Klagerhebung entstanden sind oder entstehen werden.
Die Klägerin hätte ihre rechtzeitig erhobene Klage vom 22. Oktober 1979 allerdings auch nach Ablauf der Zweimonatsfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 NTS-AG noch auf weitere Aufwendungen ausdehnen können (Senatsurteil vom 9. Juli 1964 - III ZR 189/63 = VersR 1964, 1087). Sie hat von dieser Möglichkeit auch insoweit Gebrauch gemacht, als sie - allerdings nur zur zusätzlichen Begründung ihres ursprünglichen Antrages - im Berufungsrechtszug Aufwendungen in Höhe von 5.427,10 DM geltend gemacht hat. Von einer Einbeziehung der im vorliegenden Prozeß geltend gemachten Aufwendungen hat sie indes - aus welchen Gründen auch immer - abgesehen.
Nach rechtskräftigem Abschluß des Vorprozesses ist der Klägerin die Möglichkeit zur Erweiterung des geltend gemachten Anspruchs auf weitere Umschulungskosten verschlossen (Senatsurteil vom 9. Juli 1964 aaO; vgl. auch BGHZ 34, 337, 341). Sie kann sich daher auch nicht darauf berufen, durch den früheren Rechtsstreit für diese Kosten die Klagefrist gewahrt zu haben (Senatsurteil vom 3. Juli 1972 - III ZR 106/69 = VersR 1972, 1068).
3. Durch die Entschließung des AVL Soest vom 21. April 1982 ist keine neue Klagefrist in Lauf gesetzt worden. Es bedarf keiner Entscheidung der Frage, ob eine neue Entschließung nach § 11 NTS-AG die Klagefrist nach § 12 Abs. 3 Satz 1 NTS-AG erneut in Lauf setzt, wenn sie den angemeldeten Anspruch wiederum aus materiellen Gründen ablehnt. Denn das AVL Soest hat seine Ablehnung darauf gestützt, daß die vor dem 1. November 1979 entstandenen Ansprüche der Klägerin verfristet seien. Durch eine solche, auf verfahrensrechtliche Gesichtspunkte gestützte Entscheidung wird keine neue Klagefrist eröffnet.
Fundstellen
Haufe-Index 2992749 |
NJW 1985, 1081 |
DAR 1985, 57 |
MDR 1985, 471 |
VRS 68, 196 |
VersR 1985, 88 |
ZfS 1985, 71 |