Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob sich aus einer Versorgungszusage durch ergänzende Vertragsauslegung die Verpflichtung ergibt, für die Zeit ab Ende des Dienstverhältnisses bis zum Eintritt des Versorgungsfalls die Anwartschaft zu dynamisieren, wenn diese aufgrund des Betriebsrentengesetzes unverfallbar geworden ist.
Normenkette
BetrAVG § 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 14.04.1988) |
LG Duisburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. April 1988 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Betriebsrente.
Der am 15. April 1930 geborene Kläger war vom 1. April 1944 bis 30. Juni 1975 bei der R. T.-Gesellschaft mbH beschäftigt; ab 1969 war er deren Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft. Als er infolge Kündigung unter Zahlung einer Abfindung von 125.000 DM ausschied, betrug, wovon die Parteien nunmehr übereinstimmend ausgehen, sein Gehalt aus beiden Gesellschaften monatlich insgesamt 5.833,33 DM. Die Beklagte ist seit dem 1. Juli 1975 die Rechtsnachfolgerin der R. GmbH.
Am 31. Dezember 1965 erhielt der Kläger von dieser die folgende Versorgungszusage:
„Wenn Sie aus dem Dienst unserer Gesellschaft ausscheiden
wegen Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeit infolge dauernder Krankheit oder Invalidität
oder
wegen Erreichens der Altersgrenze bei Vollendung des 65. Lebensjahres
erhalten Sie nach Beendigung der Gehaltszahlung eine lebenslängliche Altersrente.
- Die Alterstrente beträgt 1 % des zuletzt bezogenen Monatsgehaltes mal Anzahl der Beschäftigungsjahre in unserer Firma.”
Am 15. Juli 1971 wurde die Versorgungszusage vom 31. Dezember 1965 wie folgt ergänzt:
„Die Festsetzung der Rente erfolgt unter Zugrundelegung der zur Zeit des Beginns der Rentenzahlung bestehenden Einkommensverhältnisse. In demselben Umfang, in dem sich diese danach erhöhen oder ermäßigen unterliegt auch die Rente entsprechenden Änderungen. Maßgebend hierfür ist die allgemeine Rentenbemessungsgrundlage nach dem Angestelltenversicherungsgesetz. Um denselben Prozentsatz, um den sich die bei Beginn der Rentenzahlung gültige Rentenbemessungsgrundlage später ändert, wird auch die nach dieser Zusage zu leistende Rente erhöht oder ermäßigt.”
Seit dem 1. Dezember 1980 ist der Kläger berufsunfähig. Die Beklagte zahlte als Versorgungsrente für Dezember 1980 1.320,35 DM, für die Zeit ab 1. Januar 1981 monatlich 1.373,17 DM und ab 1. Januar 1982 monatlich 1.452,27 DM. Nach Meinung des Klägers hätte die Rente, die ihm ab 1. Dezember 1980 geschuldet wurde, so berechnet werden müssen, als wenn der Versorgungsfall am 30. Juni 1975, als er ausschied, eingetreten wäre (Dynamisierung, aber keine Quotierung der unverfallbaren Anwartschaft). Der Kläger macht mit der Klage für 1982 einen Mehrbetrag in Höhe von 14.484,96 DM (12 × 1.207,08 DM) geltend.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts besaß der Kläger aufgrund von § 1 Abs. 1 BetrAVG eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft, als die GmbH zum 30. Juni 1975 das Dienstverhältnis mit ihm beendete. In diesem Zeitpunkt hatte er dem Betrieb seit dem 1. April 1944, also mindestens 12 Jahre angehört, und seine Versorgungszusage bestand seit dem 31. Dezember 1965 und damit mindestens drei Jahre. Aufgrund dieser Anwartschaft erhält der Kläger, nachdem der Versorgungsfall eingetreten ist, seit dem 1. Dezember 1980 eine Rente, die gemäß der ergänzenden Zusage vom 15. Juli 1971 in demselben Verhältnis anzupassen ist, in dem sich die bei Beginn der Rentenzahlungen gültigen Rentenbemessungsgrundlagen der Angestelltenversicherung später ändern.
Bei der Berechnung der Höhe der Anwartschaft ist das Berufungsgericht nicht der Ansicht des Klägers gefolgt, wonach von einem Betrage auszugehen ist, der sich ergibt, wenn man das zuletzt bezogene Monatsgehalt (5.833,33 DM) mit der Anzahl der Jahre der Betriebszugehörigkeit (31,25) multipliziert und das Ergebnis durch 100 dividiert; es hat vielmehr im Verhältnis von erreichter zu erreichbarer Betriebszugehörigkeit die Leistung quotiert, die dem Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalls am 1. Dezember 1980 zugestanden hätte, wenn er nicht ausgeschieden wäre. Ferner hat das Berufungsgericht eine Dynamisierung der Versorgungsanwartschaft für die Zeit zwischen Ausscheiden des Klägers aus dem Dienst und Eintritt des Versorgungsfalls abgelehnt, weil sie im Vertrage nicht vorgesehen sei und sich aus diesem auch nicht durch ergänzende Auslegung ergebe. Abgesehen davon, daß der Vertrag keine ausfüllungsbedürftige Lücke enthalte, dürfe eine ergänzende Auslegung nicht die Pflichten eines Beteiligten so wesentlich erweitern, wie das der Fall wäre, wenn die Anwartschaft in der Zeit nach Ausscheiden des Klägers dynamisiert würde. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht hat die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft – rechtlich zutreffend – nach den Grundsätzen des § 2 BetrAVG berechnet. Diese Bestimmung regelt die Berechnung insofern zwingend, als vertragliche Regelungen sie zwar verbessern, nicht aber verschlechtern können. Die Versorgungszusage, die dem Kläger erteilt worden ist, gibt nichts her für die Frage, wie die Anwartschaften zu berechnen sind, die aufgrund der Rechtsprechung und des Betriebsrentengesetzes unverfallbar geworden sind; denn nach ihr sollte – weil aus einer Zeit stammend, in der das noch rechtlich möglich war – die Versorgungsanwartschaft verfallen, falls der Kläger vor Eintritt des Versorgungsfalls – aus welchem Grunde auch immer – ausschied.
Die Versorgungszusage vom 31. Dezember 1965 machte die Versorgung von der aufschiebenden Bedingung abhängig, daß der Kläger in dem Zeitpunkt, in dem der Versorgungsfall krankheits- oder altersbedingt eintrat, noch im Dienste der Gesellschaft stand. An dieser bedingten Rechtsposition hat die Zusatzvereinbarung vom 15. Juli 1971 nichts geändert. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen haben die Vertragspartner an ein vorzeitiges Ausscheiden des Klägers nicht gedacht, als sie am 15. Juli 1971 die Versorgungszusage ergänzten. Diese Zusatzvereinbarung hatte demnach – entsprechend ihrem Wortlaut – allein die Dynamisierung der ab Eintritt des Versorgungsfalls zu zahlenden Rente zum Gegenstand; sie ergänzte die Versorgungszusage vom 31. Dezember 1965 nicht auch dahingehend, daß – anders als bisher – dem Kläger im Falle eines Ausscheidens vor Eintritt des Versorgungsfalls eine Anwartschaft verbleiben sollte, die nicht nur unverfallbar, vielmehr darüber hinaus so zu berechnen war, als sei der Versorgungsfall mit dem Ausscheiden eingetreten. Von einer dem Vertrage kraft Richterrechts immanenten Unverfallbarkeit der Anwartschaft sind die Vertragspartner, als sie die Versorgungsabrede trafen und ergänzten, – entgegen der Ansicht der Revision – ebenfalls nicht ausgegangen; denn das Bundesarbeitsgericht hat die Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft erstmals im Urteil vom 10. März 1972 (3 AZR 278/71; WM 1972, 1133) für Fälle angenommen, in denen das Dienstverhältnis nach diesem Zeitpunkt endete und bis dahin mehr als 20 Jahre bestanden hatte. War nach alledem gewollt, daß die Anwartschaft verfiel, falls der Kläger vor Eintritt des Versorgungsfalls ausschied, so kann dem Vertragswerk nichts zu der Frage entnommen werden, wie eine Versorgungsanwartschaft zu berechnen ist, die nach § 1 BetrAVG unverfallbar geworden ist.
Diese Lücke durch ergänzende Auslegung der Versorgungszusage zu schließen, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler abgelehnt. Einer ergänzenden Auslegung stände allerdings nicht entgegen, daß die Lücke nicht von Anfang an bestanden, sondern sich erst nachträglich dadurch ergeben hat, daß aus der zunächst verfallbaren Anwartschaft aufgrund einer späteren, in das Vertragsverhältnis eingreifenden gesetzlichen Regelung eine unverfallbare geworden ist (vgl. BGHZ 84, 1, 7). Eine ergänzende Vertragsauslegung entfällt aber dann, wenn sie den Vertrag entgegen dem darin zum Ausdruck gekommenen tatsächlichen Parteiwillen inhaltlich abändern würde (vgl. BGHZ, 9, 273, 278 f; 40, 91, 103; 77, 301, 304; 90, 69, 77). Die vom Kläger erstrebte Dynamisierung der Anwartschaft hätte ebenso wie der Ausschluß der Quotierung eine solche ungewollte Vertragsänderung zur Folge; denn sie würden die Versorgungszusage nicht lediglich in einem nicht geregelten Punkt ergänzen, sondern die Lasten, die zunächst die Rechtsprechung und später das Betriebsrentengesetz dem Arbeitgeber auferlegten, noch vergrößern und damit eine zusätzliche Verpflichtung begründen, die nicht gewollt war. Denn nach der Versorgungszusage sollte – wie ausgeführt – im Falle eines Ausscheidens vor Eintritt des Versorgungsfalles die Anwartschaft verfallen, so daß es von vornherein nichts gab, was hätte dynamisiert oder ohne Quote aufrechterhalten werden können. Entsprach schon nicht die gesetzlich angeordnete Unverfallbarkeit der Anwartschaft dem Willen der Vertragspartner, so ist kein Platz für die Annahme, jene hätten, wenn ihnen die künftige Regelung des Betriebsrentengesetzes bekannt gewesen wäre, die Anwartschaft in einem weiteren Umfange aufrechterhalten, als das in § 2 BetrAVG mindestens vorgesehen ist. Es bleibt bei der Berechnung aufgrund dieser Mindestnormen.
Die Revision kommt nur deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil sie von Voraussetzungen ausgeht, die nicht zutreffen. Wie schon ausgeführt worden ist, war die Unverfallbarkeit weder dem Vertragsverhältnis immanent, als die Parteien es am 15. Juli 1971 ergänzten, noch war die Frage der Unverfallbarkeit ungeklärt. Die Zusage vom 31. Dezember 1965 ließ die Anwartschaft verfallen, falls der Kläger vor Eintritt des Versorgungsfalls ausschied, und hieran änderte die ergänzende Zusage vom 15. Juli 1971 nichts. Das Berufungsgericht brauchte auch der Behauptung des Klägers nicht nachzugehen, wonach die Gesellschafter sich im Juli 1971 mit einer unverfallbaren Anwartschaft und deren Dynamisierung einverstanden erklärt hätten, wenn der Kläger darauf bestanden hätte; denn auch in diesem Falle hätte es sich nicht um die Ausfüllung einer Lücke, sondern um die Änderung des Vertragsverhältnisses gehandelt; diese kann nicht dadurch nachgeholt werden, daß der Vertrag ergänzend ausgelegt wird.
Da nach alledem die Unverfallbarkeit der Anwartschaft und deren Höhe vertraglich nicht geregelt sind, regelt § 2 BetrAVG, in welcher Höhe die Anwartschaft aufrechtzuerhalten ist. Nach dessen Absatz 1 hat das mit einer bestimmten Quote zu geschehen; nach Absatz 5 entfällt eine Dynamisierung der Anwartschaft in der Zeit nach dem Ausscheiden.
2. Die Revision ist ferner unbegründet, soweit sie sich gegen die Höhe der Quote wendet, mit der die Beklagte die Anwartschaft aufrechterhalten hat. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG hat bei Eintritt des Versorgungsfalls wegen Erreichens der Altersgrenze und wegen Invalidität ein vorher ausgeschiedener Arbeitnehmer einen Anspruch mindestens in Höhe des Teiles der ihm ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der erreichten Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres entspricht. Das Berufungsgericht geht – allerdings ohne nähere Begründung – davon aus, daß der Kläger aufgrund dieser Quotierung für 1982 keine höhere Rente zu beanspruchen hatte als die von der Beklagten monatlich gezahlten 1.452,27 DM.
Die Berechnung dieses Betrages ergibt sich – wenn auch nur mittelbar – aus dem Urteil des Landgerichts. Er geht zurück auf die nach Eintritt des Versorgungsfalls am 1. Dezember 1980 erstmals fällige Rente in Höhe von 1.320,35 DM, die infolge der vereinbarten Dynamisierung bis 1982 auf 1.452,27 DM angewachsen ist. Die 1.320,35 DM stellen den Bruchteil der monatlichen Rentenleistung dar, die der Kläger bei Eintritt der Invalidität am 1. Dezember 1980 hätte beanspruchen können, wenn er nicht vorzeitig ausgeschieden wäre. Der Kläger hätte dann (vom 1. April 1944 – 30. November 1980) rd. 37 Jahre lang im Dienste der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin gestanden und folglich aufgrund der Versorgungszusage Anspruch auf 37 % seines letzten Monatsgehalts (5.833,33 DM), mithin auf 2.158,33 DM gehabt. Wegen des vorzeitigen Ausscheidens verringert sich dieser Betrag nach § 2 Abs. 1 BetrAVG in dem Maße, in dem die tatsächliche Dienstzeit des Klägers (1. April 1944–30. Juni 1975 = 375 Monate oder 31,25 Jahre) hinter der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs möglichen Dienstzeit (1. April 1944–30. April 1995 = 613 Monate oder 51,0833 Jahre) zurückbleibt. Dem Kläger standen danach am 1. Dezember 1980 375/613 (oder 61,175 %) des genannten Betrages, mithin nur die 1.320,35 DM zu, die er auch erhalten hat.
Die Revision kommt nur deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil sie bei ihrer Berechnung von der Anwartschaft auf das Altersruhegeld und nicht von der auf die Invaliditätsleistungen (also von 51,0833 % anstatt von 37 % des letzten Gehalts, mithin von mtl. 2.979,85 DM anstatt von 2.158,33 DM) ausgeht. Da jedoch der Versorgungsfall infolge Berufsunfähigkeit des Klägers schon am 1. Dezember 1980 eingetreten ist, ist für die Quotierung nicht auf die Leistung abzustellen, die der Kläger bei Erreichen der Altersgrenze erhalten würde, wenn er nicht vorzeitig ausgeschieden wäre; maßgebend ist vielmehr der Betrag, den der Kläger ohne sein Ausscheiden am 1. Dezember 1980 erhalten hätte. Den Anwartschaften auf Altersruhegeld und Invaliditätsleistungen gemeinsam ist lediglich der sich aus dem Verhältnis der erreichten zur möglichen Betriebszugehörigkeit ergebende Quotient, mit dem die Leistung aufrechtzuerhalten ist, die der Arbeitnehmer bei einer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls andauernden Betriebszugehörigkeit hätte beanspruchen können (vgl. Höhner in: Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 85; Höfer/Abt, Betriebsrentengesetz, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 8).
Unterschriften
Dr. Bauer, Brandes, Dr. Hesselberger, Röhricht, Stodolkowitz
Fundstellen
Haufe-Index 1237605 |
Nachschlagewerk BGH |