Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugewinnausgleich; Auskunftsanspruch eines Ehegatten über illoyale Vermögensminderungen des anderen Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Zum Recht eines Ehegatten auf Auskunft über illoyale Vermögensminderungen des anderen Ehegatten i.S.d. § 1375 Abs. 2 BGB.
Normenkette
BGB §§ 242, 1375 Abs. 2 Nr. 3, § 1379 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Karlsruhe v. 27.3.2002 aufgehoben.
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Teilurteil des AG - FamG - Rastatt v. 27.9.2000 wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Ehegatten und leben seit 1996 getrennt. In dem seit dem 4.2.1997 rechtshängigen Scheidungsverfahren streiten sie u.a. - im Wege wechselseitiger Stufenklagen - um Zugewinnausgleich.
Die Ehefrau (Antragsgegnerin) hatte vorprozessual ein Verzeichnis übermittelt, nach dem ihr Endvermögen aus dem hälftigen Miteigentum am Hausgrundstück der Parteien, einem Pkw und einem Guthaben von 3.813,37 DM auf dem Girokonto Nr. 5... bei der Sparkasse G. (im Folgenden "Sparkasse G.") bestand. Nachdem der Ehefrau bereits mit Teilurteil v. 14.10.1998 eine ergänzende Auskunft über ihr Endvermögen aufgegeben worden war, hatte das AG sie mit Teilurteil v. 26.1.2000 verurteilt, dem Ehemann (Antragsteller) Auskunft "über die Verwendung des durch monatliche Einzahlungen von 1.200 DM aufgelaufenen Sparguthabens bei der Sparkasse G., Konto Nr. 3..." zu erteilen. Dabei ist das AG vom Vortrag des Ehemannes ausgegangen, dass von November 1987 bis September 1995 von seinem Girokonto, auf das die monatlichen Gehälter der Parteien überwiesen worden seien, monatlich 1.200 DM auf das vorgenannte Sparkonto der Ehefrau überwiesen worden seien. Da das Guthaben auf diesem Konto im Dezember 1995 - unstreitig - nur noch knapp 30.000 DM betragen habe, müsse die Ehefrau einen Teil dieses Guthabens "zur Seite geschafft" haben.
Die Ehefrau erteilte dahin Auskunft, dass das Sparguthaben am 1.9.1995 29.134,14 DM betragen habe und von ihr auf den gemeinsamen Sohn der Parteien übertragen worden sei. Eine weiter gehende, auf den Verbleib der überwiesenen, aber nicht mehr vorhandenen Beträge bezogene Auskunft lehnte die Ehefrau ab, da das Teilurteil v. 26.1.2000 sie zur Auskunft nur über das "aufgelaufene" Sparguthaben verpflichte.
Auf einen erneuten Auskunftsantrag des Ehemannes hat das AG mit Teilurteil v. 27.9.2000 die Ehefrau verurteilt, dem Ehemann "Auskunft über die Verwendung der von November 1987 bis September 1995 auf das Konto bei der Sparkasse G., Konto 3..., monatlich eingezahlten 1.200 DM zu erteilen". Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Ehefrau hat das OLG den Antrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Ehemann sein Auskunftsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach Auffassung des OLG ist die Berufung zulässig, da der Ehefrau durch die Erfüllung des titulierten Auskunftsanspruchs Aufwendungen entstünden, deren Höhe die Berufungssumme übersteige. Die Ehefrau sei nicht mehr im Besitz des Sparbuchs. Die Rekonstruktion allein der Überweisungen erfordere deshalb nach Schätzung der Sparkasse G. einen Kostenaufwand von 1.800 bis 2.000 DM, wenn vier bis sechs Überweisungen monatlich zu Grunde gelegt würden. Zwar habe sich die Ehefrau zur Angabe der Zahl der Abbuchungen außerstande erklärt. Zusätzlicher Aufwand entstehe ihr jedoch durch die Angabe des Verwendungszwecks der Abhebungen; dieser Aufwand sei schon deshalb erheblich, weil er Überlegungen und Nachforschungen zu Vorgängen erfordere, die sich über acht Jahre erstreckten und zudem bis zu vierzehn Jahre zurücklägen. Diese auf § 3 ZPO gestützten Überlegungen lassen revisionsrechtlich bedeutsame Ermessensfehler (BGH, Beschl. v. 24.7.2002 - XII ZB 31/02, FamRZ 2003, 597) nicht erkennen; sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.
2. Die Berufung hat nach Ansicht des OLG allerdings nicht schon deshalb Erfolg, weil das AG über denselben Streitgegenstand schon einmal rechtskräftig entschieden habe. Das Teilurteil v. 26.1.2000 habe durch den Bezug auf das "aufgelaufene Sparguthaben" nur die Verwendung des zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Guthabens erfasst; für eine Verurteilung zur Auskunft über einen längeren, bis 1987 zurückreichenden Zeitraum fänden sich weder in den Entscheidungsgründen noch in der Antragsbegründung Anhaltspunkte. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum; auch die Revision erinnert gegen sie nichts.
3. Die Berufung ist nach Auffassung des OLG jedoch begründet, weil die Ehefrau dem Ehemann nicht zu der begehrten Auskunft verpflichtet sei. Der Einrichtung und Unterhaltung des Sparkontos der Ehefrau liege keine Ehegatteninnengesellschaft zu Grunde, da die Ehegatten mit dem Konto keinen über die eheliche Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgt hätten. Auch sei insoweit zwischen den Ehegatten kein Auftragsverhältnis begründet worden. Die Ehefrau sei zwar als Kontoinhaberin über das Konto verfügungsberechtigt, aber keinen Weisungen des Ehemannes in Bezug auf die Verwendung des Guthabens unterworfen gewesen. Soweit die monatliche Überweisung von 1.200 DM auf das Sparkonto aus dem Einkommen des Ehemannes gestammt und die Ehefrau damit auch dessen Vermögen verwaltet habe, liege darin kein Auftrag, sondern eine Regelung der Aufgabenbereiche innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft.
Ein Anspruch auf Auskunft über die Verwendung der auf das Sparguthaben überwiesenen Gelder ergebe sich auch nicht aus § 242 i.V.m. § 1375 BGB, da der Ehemann keine illoyale Vermögensverfügung durch die Ehefrau behaupte. Sein Vortrag beschränke sich darauf, die Ehefrau habe einen Teil des Sparguthabens "beiseite geschafft"; damit werde die von § 1375 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Vermögensverfügung aber gerade verneint. Eine Pflicht zur Erteilung der begehrten Auskunft folge auch nicht aus § 1353 BGB. Zwar sei diese Vorschrift Grundlage eines Anspruchs auf Unterrichtung über die Vermögensbewegungen während der Ehe "in großen Zügen"; auch werde aus ihr eine Obliegenheit der Ehegatten zur wechselseitigen Unterrichtung über die Verwendung des Familieneinkommens "in groben Zügen" hergeleitet. Eine solche Verpflichtung oder Obliegenheit sei hier jedoch ausgeschlossen, weil die Ehe der Parteien gescheitert sei. Dies folge aus § 1353 Abs. 2 Alt. 2 BGB sowie aus dem Zweck der sich aus § 1353 BGB ergebenden Unterrichtungsansprüche: Diese seien Ausfluss der sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Rechtspflicht, auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten aufeinander Rücksicht zu nehmen. Blieben diese Ansprüche auch nach dem Scheitern der Ehe bestehen, würden sie nicht mehr der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern - zweckwidrig - der Kontrolle der vermögensmäßigen Aktivitäten des anderen Ehegatten und der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen diesen dienen. Im gesetzlichen Güterstand würde die Zubilligung eines solchen Unterrichtungsanspruchs zudem die Systematik der Auskunftspflichten sprengen.
4. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Dem OLG ist allerdings darin zu folgen, dass sich das Auskunftsverlangen des Ehemannes weder aus § 713 BGB noch aus § 666 BGB rechtfertigt. Zwischen den Parteien bestand keine über den Zweck der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehende Ehegatteninnengesellschaft. Auch kann aus den vom OLG genannten Gründen nicht von einem Auftragsverhältnis zwischen den Parteien (zu den Anforderungen BGH, Urt. v. 5.7.2000 - XII ZR 26/98, MDR 2000, 1435 = FamRZ 2001, 23 [24]; Urt. v. 29.1.1986 - IVb ZR 11/85, MDR 1986, 480 = FamRZ 1986, 558 [559]) ausgegangen werden.
b) Richtig ist auch, dass sich das Verlangen des Ehemannes auf Auskunft über Verbleib und Verwendung der in der Zeit von November 1987 bis September 1995 auf das Sparkonto der Ehefrau überwiesenen Beträge nicht auf § 1379 Abs. 1 BGB stützen lässt. Der Anspruch aus § 1379 Abs. 1 BGB ist auf Auskunft über das Endvermögen zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1375 Abs. 1, § 1384 BGB) gerichtet; er erstreckt sich, wie der BGH mehrfach entschieden hat, nicht auf illoyale Vermögensminderungen, die nach § 1375 Abs. 2 BGB dem Endvermögen hinzuzurechnen sind (BGH v. 29.10.1981 - IX ZR 92/80, BGHZ 82, 132 [138] = MDR 1982, 225 = FamRZ 1982, 27; Urt. v. 19.4.2000 - XII ZR 62/98, FamRZ 2000, 948 [950]; Urt. v. 26.3.1997 - XII ZR 250/95, MDR 1997, 745 = FamRZ 1997, 800 [803]).
c) Hinsichtlich derartiger illoyaler Vermögensverfügungen kommt allerdings ein Recht auf Auskunft gem. § 242 BGB in Betracht, wenn und soweit der die Auskunft beanspruchende Ehegatte Auskunft über einzelne Vorgänge verlangt und konkrete Anhaltspunkte für ein Handeln i.S.d. § 1375 Abs. 2 BGB vorträgt (BGH v. 29.10.1981 - IX ZR 92/80, BGHZ 82, 132 [138] = MDR 1982, 225 = FamRZ 1982, 27; Urt. v. 19.4.2000 - XII ZR 62/98, FamRZ 2000, 948 [950]; Urt. v. 26.3.1997 - XII ZR 250/95, MDR 1997, 745 = FamRZ 1997, 800 [803]). An einem solchen Vortrag soll es hier nach Auffassung des OLG fehlen. Der Ehemann habe keine illoyalen Vermögensverfügungen der Ehefrau behauptet. Er habe - im Gegenteil - geltend gemacht, die Ehefrau habe einen Teil des Sparguthabens "beiseite geschafft"; damit werde die von § 1375 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Vermögensminderung aber gerade verneint. Mit diesen Erwägungen hat das OLG, wie die Revision zu Recht rügt, den Vortrag des Ehemannes indes unzutreffend gewürdigt (§ 286 ZPO).
Die Ehefrau hatte vorprozessual über den Bestand ihres Vermögens zum Ehezeitende Auskunft erteilt und dabei als Aktiva lediglich ihr hälftiges Miteigentum am Hausgrundstück der Parteien, einen Pkw und ein Guthaben von 3.813,37 DM auf ihrem Girokonto bei der Sparkasse G. benannt. In der ihr vom AG durch Teilurteil v. 26.1.2000 aufgegebenen ergänzenden, das Sparguthaben bei der Sparkasse G. betreffenden Auskunft hat sie mitgeteilt, dass dieses Guthaben am 1.9.1995 29.134,14 DM betragen habe und von ihr auf den gemeinsamen Sohn der Parteien übertragen worden sei. Aus dem Vortrag des Ehemannes in den Schriftsätzen v. 9.6.2000 in erster Instanz und v. 19.3.2001 in zweiter Instanz ergibt sich, dass sich der Ehemann die Darlegungen der Ehefrau über den Bestand ihres Endvermögens zum Stichtag zu Eigen gemacht hat. Denn er hat ihre Auskunft als solche nicht mehr bestritten und insb. nicht mehr beantragt, deren Richtigkeit an Eides statt zu versichern. Vielmehr hat er ihre Auskunft zum Anlass genommen, nunmehr Auskunft über die Verwendung der zum Stichtag nicht mehr vorhandenen Gelder zu verlangen. Seine Behauptung, die Ehefrau habe Gelder vom Sparkonto bei der Sparkasse G. "beiseite geschafft", bedeutet deshalb keineswegs, dass diese Beträge im Vermögen der Ehefrau noch vorhanden, die Auskunft der Ehefrau über ihr Endvermögen also unrichtig sei. Vielmehr ist der Vortrag des Ehemannes vor dem Hintergrund der Einlassung der Ehefrau, über kein weiteres als das von ihr angegebene Vermögen zu verfügen, dahin zu verstehen, dass die Ehefrau in Benachteiligungsabsicht Gelder von diesem Konto verlagert, ihr Vermögen mithin i.S.d. § 1375 Abs. 2 BGB "vermindert" habe. Mit dieser Behauptung hat der Kläger seiner Darlegungspflicht hinsichtlich der einen Auskunftsanspruch nach § 242 i.V.m. § 1375 Abs. 2 BGB begründenden Tatsachen genügt. Wie der Senat ausgeführt hat, dürfen an den Vortrag ausreichend konkreter Verdachtsgründe, aus denen sich die nahe liegende Möglichkeit unentgeltlicher Zuwendungen an Dritte, von Verschwendungen oder von in Benachteiligungsabsicht begangenen Handlungen, die das Endvermögen des Handelnden vermindert haben, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (BGH v. 29.10.1981 - IX ZR 92/80, BGHZ 82, 132 [138] = MDR 1982, 225 = FamRZ 1982, 27 [28]). Das wäre hier der Fall, wollte man von dem Kläger eine nähere Darlegung über die - letztlich von ihm nur zu vermutenden - vermögensmindernden Manipulationen der Ehefrau hinsichtlich ihres Sparkontos erwarten.
d) Erweist sich das Klagbegehren somit bereits aus § 242 i.V.m. § 1375 Abs. 2 BGB als begründet, kommt es auf die vom OLG erörterte (Zulassungs-)Frage, ob dem Ehemann ein Anspruch auf die begehrte Auskunft aus § 1353 BGB zuzuerkennen ist, nicht an.
3. Das Berufungsurteil kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat kann - mit Ausnahme der Kosten - in der Sache abschließend entscheiden. Die Klage auf Auskunftserteilung ist - wie dargelegt - begründet, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedarf. Die Berufung der Ehefrau gegen das Teilurteil des AG, das sie zur Auskunftserteilung verpflichtet hat, ist dementsprechend als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1332601 |
NJW 2005, 1492 |
BGHR 2005, 795 |
FamRZ 2005, 689 |
FuR 2005, 269 |
ZAP 2005, 703 |
FPR 2007, 214 |
MDR 2005, 872 |
FF 2005, 151 |
FamRB 2005, 161 |
NJW-Spezial 2005, 299 |
FK 2005, 88 |