Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 06.06.1979) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Juni 1979 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war Geschäftsführer der im Jahre 1948 gegründeten S. & A. Kartonagenfabriken GmbH (nachstehend als S. & A. bezeichnet) sowie ihrer Tochtergesellschaften S. & Co. Kartonagenfabrik GmbH (nachfolgend S. & Co. genannt), H. W. GmbH und O. GmbH. Die S. & A. GmbH, die 1969 in C. U. GmbH umbenannt worden ist, hielt sämtliche Geschäftsanteile der anderen Gesellschaften. Die Muttergesellschaft erteilte dem Kläger am 10. Dezember 1959 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer von S. & Co. eine erste Versorgungszusage. In dem am 21. April 1961 mit S. & Co. geschlossenen Anstellungsvertrag und einem Änderungsvertrag vom 9. Januar 1969 wurde diese Ruhegehaltsregelung des Klägers verbessert. Danach sollte er nach Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei vorzeitig eintretender Dienstunfähigkeit 60 % des zuletzt bezogenen Festgehalts erhalten, auch wenn er schon früher aus den Diensten von S.& Co. oder der anderen Gesellschaften ausgeschieden sein würde, sofern er selbst dazu keinen Anlaß gesetzt hatte. Für die Verpflichtungen von S. & Co. aus dem Anstellungsvertrag übernahmen die anderen Gesellschaften die selbstschuldnerische Bürgschaft.
Seit dem Jahre 1960 hielten der Kläger und sein Mitgeschäftsführer Werner S. je 20 % (je DM 46.000) des Stammkapitals von S. & A. in Höhe von 230.000 DM; außerdem war eine BGB-Gesellschaft mit 60 % (= 138.000 DM) beteiligt. Deren Gesellschafter waren S. mit 69.000, die Ehefrau des Klägers mit 68.000 DM und der Kläger selbst mit 1.000 DM Anteil. Infolgedessen waren S. einerseits und der Kläger mit seiner Ehefrau andererseits mit jeweils 50 % kapitalmäßig an den Gesellschaften beteiligt.
Im Jahre 1971 übertrugen der Kläger und seine Ehefrau ihre Beteiligungen auf Simon. Der damals 53jährige Kläger schied als Geschäftsführer aller vier Gesellschaften aus.
In der Vereinbarung über die Auflösung des Dienstvertrages legten die Vertragsparteien unter Bezugnahme auf die Verträge von 1961 und 1969 fest, daß die Ansprüche des Klägers auf Betriebsrente im Hinblick auf seine in der Vergangenheit geleisteten Dienste ohne Rücksicht auf sein vorzeitiges Ausscheiden erhalten bleiben sollten. Die Berechnungsgrundlage für das Ruhegehalt wurde jedoch auf die Hälfte herabgesetzt.
Im März 1973 wurden S. & Co. und die H. W. GmbH auf die C. U. GmbH umgewandelt. Mit Schreiben vom 13. Juli 1973 erklärte die C. U. GmbH, daß sie ihre Bürgschaftsverpflichtungen für die Ruhegehaltsansprüche des Klägers bestätige und zugleich „in die … Verpflichtungen der früheren Firma S. & Co. K. GmbH vorbehaltlos” eintrete.
Der Kläger ist seit 1. März 1976 arbeitsunfähig. Seitdem erhielt er bis August 1977 von der C. U. GmbH die vereinbarte Pension. Nach gescheitertem Vergleichsantrag fiel die C. U. GmbH Ende 1977 in Konkurs. Versorgungsansprüche des Klägers sind nicht durchsetzbar.
Der Kläger hat den Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung nach § 7 BetrAVG zunächst auf Zahlung der Ruhegehälter für September und Oktober 1977, hilfsweise für die Monate Dezember 1977 und Januar 1978, in Anspruch genommen. Im Berufungsrechtszuge hat er die Klage erhöht; er verlangt nunmehr Leistung für die Monate Dezember 1977 bis Januar 1979 (14 × 3.314,58 DM). Der Beklagte verneint seine Eintrittspflicht, weil der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes falle. Außerdem müsse sich der Kläger zunächst an die O. GmbH als Bürgin halten.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, da noch weitere Feststellungen zu treffen sind.
I. Das Berufungsgericht lehnt die Insolvenzsicherung für Versorgungsansprüche des Klägers aus den Zusagen von 1959 und 1961 (mit der im Jahre 1969 erfolgten Änderung) ab, weil die darin aufgestellten Voraussetzungen für den Eintritt des Versorgungsfalls nicht erfüllt seien. Der Kläger habe nämlich erst durch die im Jahre 1971 abgeschlossene Vereinbarung ein Anrecht auf Rentenzahlungen im Versorgungsfall trotz vorzeitigen, freiwilligen Ausscheidens aus den Diensten des Unternehmens erworben. Auch diese sei nicht insolvenzgeschützt, weil er bei ihrem Abschluß nicht zu dem nach § 17 Abs. 1 BetrAVG gesicherten Personenkreis gehört habe.
Denn er sei weder als Arbeitnehmer noch in einer annähernd vergleichbaren Stellung tätig gewesen. Die ihm erteilten Ruhegeldzusagen beruhten vielmehr sämtlich auf dem Einfluß, der ihm als Gesellschafter und Geschäftsführer des Unternehmens zugefallen sei, wobei auch die Beteiligung seiner Ehefrau unterstützend mitgewirkt habe.
II. Dieser Beurteilung ist nur teilweise zu folgen.
1. Wie der Senat in seinen Urteilen vom 28. April 1980 (BGHZ 77, 94) und vom 9. Juni 1980 (BGHZ 77, 233) näher dargelegt hat, kommt es für die Abgrenzung insolvenzgesicherter von den nicht insolvenzgesicherten, weil in einer Unternehmerstellung verdienten Ruhegehaltsansprüchen nicht auf die von dem Berufungsgericht für maßgeblich erachteten Gesichtspunkte an. Vom Schutzbereich des Betriebsrentengesetzes sind nur solche Personen auszuschließen, die nach der Stärke ihrer kapital- und einflußmäßigen Bindung an das Unternehmen, aus dem sie eine Versorgung erhalten sollen, als Unternehmer anzusehen sind. Darunter fallen bei einer GmbH in aller Regel geschäftsführende Gesellschafter mit einer nicht unbedeutenden Beteiligung, sofern sie entweder allein oder zusammen mit anderen Geschäftsführern über die Mehrheit verfügen.
2. Dies traf auf den Kläger im Zeitraum von 1960–1971 zu, so daß er insoweit keinen Insolvenzschutz verlangen kann. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war er in dieser Zeit Geschäftsführer und außerdem Gesellschafter mit ca. 20 % der Geschäftsanteile. Sein Mitgeschäftsführer Werner S. hielt (einschließlich der mittelbaren Beteiligung über die BGB-Gesellschaft) einen Anteil von 50 %. Die beiden Geschäftsführer verfügten daher – mit nicht nur unbedeutenden Anteilen – zusammen über die Mehrheit in der Gesellschaft.
3. Die Revision vertritt demgegenüber die Auffassung, eine Zusammenrechnung der Anteile dürfe jedenfalls dann nicht erfolgen, wenn die Beteiligungen der Gesellschafter-Geschäftsführer – wie hier – sehr unterschiedlich seien. Bei dieser Ausgangslage sei der Gesellschafter mit dem geringeren Anteil von dem kapital- und einflußmäßig stärker beteiligten anderen Gesellschafter abhängig und nur der letztere sei dann Unternehmer. Einem solchen allgemeinen Grundsatz vermag der Senat nicht zuzustimmen.
Es mag zutreffen, daß sich als Folge der unterschiedlichen Beteiligungsquoten im Verhältnis der Gesellschafter zueinander ein abgestufter Einfluß im Unternehmen ergeben kann. Das hat aber kein entscheidendes Gewicht für die Stellung als (Mit-)Unternehmer. Diese wird vielmehr im wesentlichen von der Tatsache geprägt, daß ein Gesellschafter bei genügend hohem Kapitaleinsatz in der Lage ist, als Organ Leitungsmacht im Unternehmen auszuüben (BGHZ 77, 94, 101 f). Der Senat hat diese Merkmale nicht nur bei Mehrheitsgesellschaftern, sondern auch bei solchen Gesellschaftern bejaht, die nur zusammengerechnet über die Mehrheit verfügen, weil sie dadurch gemeinsam der Gesellschaft ihren Willen aufzwingen können und vielfach auch müssen, wenn notwendige Entscheidungen anstehen (BGHZ 77, 233, 243). Aus dieser Konstellation erwächst auch für den geringer Beteiligten eine starke unternehmerische Position, die nur bei ganz unbedeutender Beteiligung vernachlässigt werden könnte. Diese Grenze ist hier aber eindeutig überschritten.
Ob die Unternehmerstellung des Klägers bei eindeutiger Mehrheitsbeteiligung seines Mitgeschäftsführers in Frage gestellt sein könnte, kann offen bleiben, da dieser Fall nicht gegeben ist. Zudem war der Kläger nach dem Anstellungsvertrag von 1961 seinem Mitgeschäftsführer rechtlich ausdrücklich gleichgestellt und tatsächlich der Hauptgeschäftsleiter (Nr. 2 Abs. 3, Nr. 6 Abs. 2).
Damit steht fest, daß der Versorgungsanspruch des Klägers jedenfalls zu einem erheblichen Teil nicht insovenzgesichert ist.
III. 1. Andererseits läßt sich aus dem Sachverhalt nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, wie vor 1960 die Gesellschaftsverhältnisse innerhalb des Unternehmens gewesen sind und seit wann und in welchen Funktionen der Kläger dort beschäftigt war. Der Senat vermag daher nicht auszuschließen, daß der Kläger früher für das Unternehmen tätig gewesen ist, ohne daß er auch für diese Zeit als Unternehmer von der Anwendung des § 7 BetrAVG auszunehmen wäre. Es käme dann die Anwendung des Gesetzes für den in Arbeitnehmer- oder arbeitnehmerähnlicher Stellung erdienten Teil des Rentenanspruchs in Betracht, da grundsätzlich nicht – wie das Berufungsgericht meint – auf den Zeitpunkt der Versorgungszusage, sondern darauf abzustellen ist, inwieweit das Ruhegeld durch eine Tätigkeit als Arbeitnehmer und inwieweit es durch eine solche als Unternehmer verdient worden ist (BGHZ 77, 233). Der insolvenzgesicherte Rentenanteil ergibt sich in solchen Fällen des Wechsels von der Arbeitnehmerstellung in diejenige des Unternehmers aus einer Gegenüberstellung des Zeitraums vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalls mit der Summe der Zeiten, in denen der Versorgungsberechtigte als Arbeitnehmer oder in ähnlicher Eigenschaft tätig gewesen ist. Der Vortrag der Parteien hierzu ist unvollständig, weil sie ebenso wie das Berufungsgericht die inzwischen ergangene Rechtsprechung des Senats noch nicht berücksichtigen konnten und daher von anderen als den danach wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen sind. Insbesondere fehlen nähere Angaben über die Dauer einer vor 1960 liegenden und nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG zu berücksichtigenden Betriebstätigkeit des Klägers, die es dem Senat erlauben würden, schon jetzt einen insolvenzgesicherten und einen nicht gesicherten Teil der ihm zustehenden Versorgung zahlenmäßig zu bestimmen.
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
a) Die Auffassung des Beklagten, der Schutz des Gesetzes sei nur für solche Zeiten zu gewähren, die von einer Versorgungszusage „begleitet” werden (also im Falle des Klägers frühestens ab Dezember 1959) ist unzutreffend. Sowohl der Anstellungsvertrag von 1961 (Nr. 6) als auch der Vertrag über die Auflösung des Dienstvertrages von 1971 (§§ 4, 5) nehmen ausdrücklich Bezug auf in der Vergangenheit geleistete Dienste des Klägers; so heißt es im Vertrag von 1961, er werde im Hinblick darauf, daß der Kläger „in den Gesellschaften und ihrer Rechtsvorgängerin bereits seit mehr als 15 Jahren tätig” sei, bis zum 65. Lebensjahr abgeschlossen. Das Ruhegeld stellt somit erklärtermaßen eine Gegenleistung auch für langjährige Dienste und die Betriebstreue des Klägers in der Zeit vor der ersten Pensionszusage dar, wie es verbreiteter Übung entspricht (vgl. BGHZ 77, 233, 249).
b) Maßgebend für den Klageanspruch ist die Vereinbarung aus dem Jahre 1971, da sie eindeutig auf den früheren Verträgen von 1959, 1961 und 1969 aufbaut und damit als Versorgungszusage im Sinne von § 7 BetrAVG anzusprechen ist. Es ist offensichtlich, daß die gesamte Dienstzeit des Klägers hierbei Berücksichtigung gefunden hat, so daß es auf die alten Verträge und die Einwendungen der Beklagten gegen deren Gültigkeit nicht ankommt. Aus diesem Grunde können auch die Erörterungen des Berufungsgerichts zu § 7 Abs. 2 BetrAVG dahingestellt bleiben, denn der Kläger war nach der maßgeblichen Versorgungszusage im Zeitpunkt des Sicherungsfalles Versorgungsempfänger im Sinne des § 7 Abs. 1 BetrAVG.
c) Unzutreffend ist auch der Einwand des Beklagten, der Kläger müsse sich zunächst an die Bürgin seines Rentenanspruchs, die O. GmbH, halten. Selbst wenn diese als Bürgin für den Rentenanspruch auch aus dem Vertrag von 1971 haften würde, könnte der Beklagte dies dem Kläger nicht entgegenhalten.
Nach § 9 Abs. 2 BetrAVG sind mit der Eröffnung des Vergleichsverfahrens die Ansprüche des Klägers gegen seinen früheren Dienstherrn auf den Beklagten übergegangen. Das hat gemäß §§ 412, 401 Abs. 1 BGB zur Folge, daß auch etwaige Rechte aus einer Bürgschaft dem Beklagten zugefallen sind, so daß nur er selbst – nicht aber der Kläger – diese in den Grenzen des § 9 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG geltend machen kann.
IV. Der Rechtsstreit ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses den Sachverhalt unter den vom Senat aufgezeigten, bisher nicht geprüften Gesichtspunkten mit den Parteien erörtern kann und diese Gelegenheit finden, ihren Tatsachenvortrag insoweit zu ergänzen.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Bundschuh, Brandes
Fundstellen