Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Klagen gegen ausländische Broker. Beihilfe zu einer im Inland begangenen unerlaubten Handlung. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Kapitalanleger. Inländische Terminoptionsvermittler. Zugang zu ausländischen Börsen. Schiedsvereinbarung. Subjektive Schiedsfähigkeit. Hochspekulative Börsentermingeschäfte. Online-Brokerhaus. Rahmenverträge. Deutsche Vermittlerfirmen. Verlustrisiko. Aufklärungs-, Leistungs- und Einstandspflichten gegenüber Anlegern. Deutsches Deliktsrecht
Leitsatz (amtlich)
a) Deutsche Gerichte sind international zuständig für Klagen gegen ausländische Broker, die Beihilfe zu einer im Inland begangenen unerlaubten Handlung leisten.
b) Ein ausländischer Broker beteiligt sich bedingt vorsätzlich an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung von Kapitalanlegern durch einen inländischen Terminoptionsvermittler, wenn er diesem ohne Überprüfung seines Geschäftsmodells bewusst und offenkundig den unkontrollierten Zugang zu ausländischen Börsen eröffnet.
Normenkette
ZPO § 32; BGB § 826; EGBGB Art. 40-41
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 9.3.2009 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, eine Deutsche mit Wohnsitz in Deutschland, verlangt von der Beklagten, einem Brokerhaus mit Sitz im US-Bundesstaat N., Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Termin- bzw. Optionsgeschäften.
Rz. 2
Die der New Yorker Börsenaufsicht unterliegende Beklagte arbeitet weltweit mit Vermittlern zusammen, denen sie über eine Online-Plattform den Zugang zur Ausführung von Wertpapiergeschäften an Börsen in den USA ermöglicht, den diese mangels einer dortigen Zulassung sonst nicht hätten. Die Vermittler können die Kauf- und Verkaufsorders ihrer Kunden sowie ihre eigenen anfallenden Provisionen und Gebühren in das Online-System der Beklagten eingeben, wo sie vollautomatisch bearbeitet und verbucht werden.
Rz. 3
Einer dieser Vermittler war S. e.K. (im Folgenden: S.) mit Sitz in D., der bis zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit im November 2005 über eine deutsche aufsichtsrechtliche Erlaubnis als selbständiger Finanzdienstleister verfügte. Der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und S. lag ein am 21.8.2003 geschlossenes Verrechnungsabkommen ("Fully disclosed clearing agreement") zugrunde. Vor dessen Zustandekommen hatte die Beklagte geprüft, ob S. über eine aufsichtsrechtliche Erlaubnis verfügte und ob gegen ihn aufsichtsrechtliche Verfahren in Deutschland anhängig waren. Nach Ziff. 2.0 und 12.1 des Verrechnungsabkommens war die Beklagte u.a. verpflichtet, für die von S. geworbenen Kunden Einzelkonten einzurichten und hierüber die in Auftrag gegebenen Transaktionen abzuwickeln. In Ziff. 6 des Abkommens wurden S. umfassend alle aufsichts- und privatrechtlichen Pflichten zur Information der Kunden übertragen. Dort heißt es u.a.:
"6.1. ... P. ist nicht verpflichtet, Erkundigungen bezüglich der Tatsachen anzustellen, die mit einer von P. für den Korrespondenten [S.] oder für einen Kunden des Korrespondenten vorgenommenen Ausführung oder Verrechnung verbunden sind. ... 6.3. ... Der Korrespondent ... sagt weiterhin die Einhaltung ... sonstiger Gesetze, Verordnungen oder Bestimmungen zu, die maßgeblich für die Art und Weise und die Umstände sind, die für Konteneinrichtungen oder die Genehmigung von Transaktionen gelten."
Rz. 4
Nach Ziff. 18 des Verrechnungsabkommens sollte die Beklagte den Kunden die von S. angewiesenen Provisionen auf deren Konten belasten und von diesen Beträgen ihre eigene Vergütung abziehen.
Rz. 5
Die Klägerin schloss Ende des Jahres 2003 mit S. einen formularmäßigen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Durchführung von Börsentermin- und Optionsgeschäften, in dem sich S. u.a. auch zur Vermittlung eines Brokereinzelkontos und zur Information über Märkte, Marktsituationen und Handelsempfehlungen des Brokers verpflichtete. Nach einem "Preisaushang", der diesem Vertrag beigefügt war, hatte die Klägerin an S. für jeden Einschuss eine Dienstleistungsgebühr i.H.v. 6 % sowie bei Options- und Futuregeschäften eine Gewinnbeteiligung i.H.v. 10 % der realisierten Quartalsgewinne zu zahlen. Ferner hatte sie an "Brokergebühren" eine "Halfturn-Commission" von 50 USD bei Kauf und eine "Halfturn-Commission" von 50 USD bei Verkauf einer Option bzw. eines Futures zu zahlen, wovon jeweils ca. 40 USD als "Rebate-Payment" dem S. rückvergütet wurden.
Rz. 6
Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages legte S. der Klägerin zwecks Eröffnung eines Kontos bei der Beklagten ein Formular der Beklagten ("Option agreement and approval form") vor, das in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch eine Schiedsklausel enthält und das die Klägerin am 17.11.2003 unterzeichnete. Im Anschluss daran eröffnete die Beklagte für die Klägerin ein Transaktionskonto, auf das die Klägerin im Dezember 2003 einen Betrag von 6.000 EUR einzahlte. Bei Beendigung der Geschäftsbeziehung zu Beginn des Jahres 2006 erhielt die Klägerin insgesamt 205,01 EUR zurück. Den Differenzbetrag von 5.794,99 EUR zum eingezahlten Kapital zzgl. Zinsen sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 313,65 EUR macht sie mit der Klage geltend, wobei sie ihr Zahlungsverlangen ausschließlich auf deliktische Schadensersatzansprüche u.a. wegen Beteiligung der Beklagten an einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung durch S. stützt. Die Beklagte ist dem in der Sache entgegengetreten und hat zudem die fehlende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gerügt sowie unter Berufung auf die Schiedsabrede die Unzulässigkeit der Klage geltend gemacht.
Rz. 7
Das LG hat die Klage abgewiesen und der Beklagten die im Wege der Hilfswiderklage geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren zugesprochen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben.
Rz. 8
Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision ist unbegründet.
I.
Rz. 10
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 11
Die Klage sei zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus § 32 ZPO, weil sich nach dem Klagevorbringen eine bedingt vorsätzliche Beteiligung der Beklagten an einer sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) der Klägerin durch den im Inland tätig gewordenen S. ergebe. Die Beklagte habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass S. die Klägerin ohne die erforderliche Aufklärung zur Durchführung hochriskanter Optionsgeschäfte veranlasst habe. Diese Tathandlungen müsse die Beklagte sich zurechnen lassen. Die Einrede der Schiedsvereinbarung greife nicht durch. Die Schiedsklausel sei unwirksam, da die Voraussetzungen des § 37h WpHG in der Person der Klägerin nicht erfüllt seien.
Rz. 12
Die Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen einer gemeinsam mit S. begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 826, 830 BGB).
Rz. 13
Die im Streitfall geltend gemachten Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterlägen deutschem Recht, da der Handlungsort i.S.d. Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in Deutschland liege. Zwar befinde sich der Handlungsort in Bezug auf die Beklagte in den USA, weil bei Mittätern grundsätzlich an das Recht des jeweiligen Handlungsortes anzuknüpfen sei. Jedoch bestehe nach Art. 41 Abs. 1 EGBGB eine gemeinsame wesentlich engere Verbindung mit dem deutschen Recht. In Deutschland habe nicht nur die ordnungsgemäße Aufklärung der Klägerin erfolgen müssen, sondern die Klägerin sei durch den als Haupttäter einzustufenden Vermittler vom Inland aus auch zu den Anlagegeschäften veranlasst worden. Im Übrigen sei der Anlagebetrag in Umsetzung des Anlageentschlusses von Deutschland aus überwiesen worden, so dass hier auch der schädigende Erfolg eingetreten sei (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).
Rz. 14
S. habe die nach ständiger Rechtsprechung des BGH für gewerbliche Vermittler von Terminoptionen bestehende Pflicht verletzt, Kunden vor Vertragsschluss schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Verringerung ihrer Gewinnchance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie richtig einzuschätzen. Dies stelle eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin durch S. dar.
Rz. 15
Hierzu habe die Beklagte objektiv einen Tatbeitrag geleistet, indem sie dem über keine Börsenzulassung für die USA verfügenden S. über ihr Online-System den Zugang zur New Yorker Börse ermöglicht habe. Dabei habe die Beklagte zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, denn sie habe billigend in Kauf genommen, dass Anleger ohne hinreichende Aufklärung zu hochspekulativen Börsentermingeschäften veranlasst wurden. Die Beklagte, die als international operierendes großes Online-Brokerhaus durch Rahmenverträge mit deutschen Vermittlerfirmen eine Verbindung zu Deutschland geknüpft habe, habe nämlich das aufsichtsrechtliche Erfordernis einer Genehmigung und die langjährig bestehende Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit der Tätigkeit sog. Terminoptionsvermittler ebenso in Grundzügen gekannt wie zurückliegende zahlreiche Fälle unzureichender Risikoaufklärung. Deshalb habe sie Veranlassung gehabt, Erkundigungen über die Seriosität des Vermittlers einzuholen. Die von der Beklagten vorgenommene Prüfung, ob eine Genehmigung nach dem Kreditwesengesetz (KWG) vorlag, sei ungenügend gewesen, weil sie keinen Aufschluss über die Erfüllung von Aufklärungspflichten des Vermittlers gebe. Gleiches gelte für eine bei dem Vermittler eingeholte Selbstauskunft und die öffentlich-rechtliche Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BAFin). Indem die Beklagte sich insb. nicht über die Höhe der anfallenden Gebühren informiert habe, habe sie bewusst die Augen vor dem drohenden Verlust der Kunden verschlossen. Damit habe sie die Verwirklichung der nahe liegenden Gefahr des Missbrauchs geschäftlicher Überlegenheit durch S. in Kauf genommen und zu dessen sittenwidrigem Handeln zumindest bedingt vorsätzlich Hilfe geleistet. Insofern könne die Beklagte sich auch nicht unter Hinweis auf die Gesichtspunkte des Massengeschäfts und des Online-Systems entlasten; ein Blick auf die Kontenbewegungen hätte das extreme Verlustrisiko offenbart.
II.
Rz. 16
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Rz. 17
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urt. v. 9.7.2009 - Xa ZR 19/08, WM 2009, 1947, Tz. 9, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach § 32 ZPO bejaht.
Rz. 18
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH regeln die Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO über die örtliche Zuständigkeit mittelbar auch die internationale Zuständigkeit. Diese Vorschriften werden im vorliegenden Streitverhältnis nicht durch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (ABl. Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1-23, im Folgenden: EuGVVO) verdrängt, weil die Beklagte ihren Sitz i.S.d. Art. 60 EuGVVO in den Vereinigten Staaten von Amerika, mithin nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates (vgl. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO) hat und sie sich auch nicht nach Art. 15 Abs. 2 EuGVVO so behandeln lassen muss, als habe sie ihren Sitz in Deutschland. Ist mithin ein deutsches Gericht örtlich zuständig, indiziert dies regelmäßig seine internationale Zuständigkeit (vgl. BGHZ 44, 46 ff.; BGH, Urt. v. 22.11.1994 - XI ZR 45/91, WM 1995, 100, 101).
Rz. 19
b) Nach dem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vortrag der Klägerin ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. § 32 ZPO gegeben. Die Klägerin hat eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 830 BGB substantiiert dargelegt. Nach ihrem Vortrag hat S. die Klägerin durch die Vermittlung chancenloser Optionsgeschäfte i.S.v. § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 22.11.2005 - XI ZR 76/05, WM 2006, 84, 86 f. m.w.N.). Die Beklagte hat sich nach dem Vorbringen der Klägerin an dieser in Deutschland begangenen unerlaubten Handlung des S. mit bedingtem Vorsatz zumindest als Gehilfin beteiligt (§ 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB), so dass auch für sie die deutsche internationale Zuständigkeit eröffnet ist, weil bei einer Beteiligung Mehrerer an einer unerlaubten Handlung jeder Beteiligte sich die von einem anderen Beteiligten erbrachten Tatbeiträge im Rahmen nicht nur des § 830 BGB, sondern auch des § 32 ZPO zurechnen lassen muss (vgl. jeweils für Mittäterschaft die BGH, Urt. v. 6.2.1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 463; v. 22.11.1994 - XI ZR 45/91, WM 1995, 100, 102; allgemein Ellenberger, WM 1999, Sonderbeilage Nr. 2, S. 22).
Rz. 20
c) Der Geltendmachung des Anspruchs aus unerlaubter Handlung vor einem deutschen Gericht steht die durch die Beklagte erhobene Einrede des Schiedsvertrages nicht entgegen. Die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsklausel, auf welche die Beklagte sich hierbei stützt, ist nicht nach § 37h WpHG verbindlich.
Rz. 21
Nach dieser Vorschrift sind Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder Finanztermingeschäften nur verbindlich, wenn beide Vertragsteile Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht § 37h WpHG, der die subjektive Schiedsfähigkeit beschränkt (Assmann/Schneider/Sethe, WpHG, 5. Aufl., § 37h Rz. 11; Fuchs/Jung, WpHG, 1. Aufl., § 37h Rz. 1, 46; KK-WpHG/Hirte, 1. Aufl., § 37h Rz. 1; Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl., Rz. 6761; Reithmann/Martiny/Mankowski, a.a.O., Rz. 2541; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1029 Rz. 19; jeweils m.w.N.) und damit einen besonderen Ausschnitt der allgemeinen Geschäftsfähigkeit regelt (Fuchs/Jung, a.a.O., § 37h Rz. 46; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., Rz. 324 ff.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 4. Aufl., Rz. 83), vorliegend angewendet. Dabei kann dahinstehen, ob die subjektive Schiedsfähigkeit sich nach dem gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zu beurteilenden Personalstatut (so Berger, ZBB 2003, 77, 82; Czernich, New Yorker Schiedsübereinkommen, 1. Aufl., Art. II NYÜ Rz. 41, Art. V NYÜ Rz. 14; Fuchs/Jung, a.a.O., § 37h Rz. 46; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rz. 3815a f.; Huber, IPRax 2009, 134, 138; KK-WpHG/Hirte, a.a.O., § 37h Rz. 34; MünchKomm/ZPO/Adolphsen, 3. Aufl., § 1061 Anh. 1 UNÜ Art. II Rz. 30, Art. V Rz. 19; Münch in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 1029 Rz. 41 f., § 1059 Rz. 10; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Anhang § 1061 Rz. 44, 79 mit Fn. 355; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, S. 133 f.; Zöller/Geimer, a.a.O., § 1025 Rz. 15, § 1029 Rz. 19, 23; jeweils m.w.N.) oder nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Anlegers (so Samtleben, ZBB 2003, 69, 77; Schwark/Zimmer, KMRK, 3. Aufl., § 37h WpHG Rz. 3, 5; in der Tendenz auch Assmann/Schneider/Sethe, a.a.O., § 37h Rz. 12, 48 f.) bestimmt. Beides führt bei der Klägerin vorliegend zu deutschem Recht.
Rz. 22
Das Berufungsgericht hat auch zu Recht und von der Revision unangegriffen die Kaufmannseigenschaft der Klägerin verneint, weil die in der Einredesituation für das wirksame Zustandekommen der Schiedsvereinbarung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. Münch in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 1032 Rz. 6; Schlosser in Stein/Jonas, a.a.O., § 1032 Rz. 17; jeweils m.w.N.) keine die Kaufmannseigenschaft der Klägerin begründenden Umstände i.S.d. §§ 1 ff. HGB dargelegt hat.
Rz. 23
2. Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Beteiligung an einer durch S. begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 830, 826 BGB) der Klägerin bejaht.
Rz. 24
a) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ausgeführt, dass S. die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, indem er ihr von vornherein chancenlose Börsentermin- und Optionsgeschäfte vermittelte.
Rz. 25
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind außerhalb des banküblichen Effektenhandels tätige gewerbliche Vermittler von Terminoptionen verpflichtet, Kaufinteressenten vor Vertragsschluss schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Verringerung ihrer Gewinnchance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie richtig einzuschätzen (vgl. BGHZ 80, 80 ff.; BGHZ 105, 108, 110 f.; BGH BGHZ 124, 151, 154 ff.; BGH, Urt. v. 13.10.1992 - XI ZR 30/92, WM 1992, 1935 ff.; v. 1.2.1994 - XI ZR 125/93, WM 1994, 453 f.; v. 17.5.1994 - XI ZR 144/93, WM 1994, 1746, 1747; v. 2.2.1999 - XI ZR 381/97, WM 1999, 540, 541; v. 16.10.2001 - XI ZR 25/01, WM 2001, 2313, 2314; v. 28.5.2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1446; v. 1.4.2003 - XI ZR 385/02, WM 2003, 975, 976 f.; v. 21.10.2003 - XI ZR 453/02, ZIP 2003, 2242, 2243; v. 26.10.2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27; v. 26.10.2004 - XI ZR 279/03, WM 2005, 28, 29; v. 22.11.2005 - XI ZR 76/05, WM 2006, 84, 86).
Rz. 26
Darauf kommt es vorliegend entgegen den missverständlichen Formulierungen des Berufungsgerichts allerdings nicht entscheidend an. Denn neben der - hier nicht maßgeblichen - Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet der Vermittler auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB, wenn sein Geschäftsmodell darauf angelegt ist, für den Anleger chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln. Einem solchen Vermittler geht es allein darum, hohe Gewinne zu erzielen, indem er möglichst viele Geschäfte realisiert, die für den Anleger aufgrund überhöhter Gebühren und Aufschläge chancenlos sind. Sein Geschäftsmodell zielt damit von vornherein ganz bewusst darauf ab, uninformierte, leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2005 - XI ZR 76/05, WM 2006, 84, 87; v. 2.2.1999 - XI ZR 381/97, WM 1999, 540, 541).
Rz. 27
bb) So liegt der Fall gemäß den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch hier. Die von S. verlangten Gebühren brachten das Chancen-Risiko-Verhältnis aus dem Gleichgewicht. Die dadurch verminderte Gewinnchance musste mit zunehmender Anzahl der Optionsgeschäfte, die S. nach seinem Belieben steigern konnte, weiter abnehmen. Sowohl die an die einzelnen Optionskontrakte anknüpfende "Halfturn-Commission" von jeweils 50 USD für den Kauf und für den Verkauf als auch die pauschale Dienstleistungsgebühr von 6 % für jeden Einschuss und die darüber hinaus gehende 10 %ige Gewinnbeteiligung an einem anfallenden etwaigen Quartalsgewinn machten selbst für den Fall, dass einzelne Geschäfte Gewinn abwarfen, für die Gesamtinvestition jede Chance auf positive Ergebnisse äußerst unwahrscheinlich und ließen den weitgehenden Verlust der eingesetzten Mittel - wie geschehen - so gut wie sicher erscheinen. Damit haftet S. aus § 826 BGB, weil sein Geschäftsmodell von vornherein darauf angelegt war, uninformierte, leichtgläubige Menschen - wie hier die Klägerin - unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern.
Rz. 28
b) Entgegen der Ansicht der Revision hat die Beklagte zumindest bedingt vorsätzlich Beihilfe zu der unerlaubten Handlung des S. geleistet (§ 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB).
Rz. 29
aa) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch insoweit deutsches Deliktsrecht auf den Streitfall angewendet.
Rz. 30
(1) Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, der im Streitfall von der in zeitlicher Hinsicht noch nicht geltenden Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II", ABl. EU Nr. L 199, 40-49 vom 31.7.2007) nicht verdrängt wird, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht lediglich in den USA gehandelt, sondern die entscheidenden Teilnahmehandlungen in Deutschland vorgenommen. In den USA fanden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich automatisierte Abläufe des Online-Systems statt. Demgegenüber ist die Beklagte in Deutschland aktiv geworden, indem sie hier ihr Kontoeröffnungsformular über S. der Klägerin hat vorlegen und es sich hier von der Klägerin hat unterschreiben lassen. Hierbei handelte es sich nicht lediglich um eine Vorbereitungshandlung, sondern um einen unverzichtbaren Tatbeitrag, ohne den die Klägerin ihren Anlagebetrag nicht aus dem Inland auf das bei der Beklagten eröffnete Konto überwiesen hätte.
Rz. 31
(2) Darüber hinaus ist in Fällen der vorliegenden Art, in denen mehrere Beteiligte eine unerlaubte Handlung begehen, nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats für alle Teilnehmer das Recht des Ortes maßgeblich, an dem der Haupttäter - hier S. - gehandelt hat, auch wenn der Teilnehmer an diesem Ort nicht selbst tätig geworden ist (vgl. BGH, Urt. v. 6.2.1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 463; auch MünchKommEGBGB/Kreuzer, Band 10, 3. Aufl., Art. 38 Rz. 54, 97: einheitliche Beurteilung nach eindeutig feststellbarem Haupttäterstatut; nach Teilnahmeform differenzierend: von Hein, Das Günstigkeitsprinzip im Internationalen Deliktsrecht, S. 278 ff.: bei Mittäterschaft gesonderte Anknüpfung [a.a.O. S. 281 f.], bei Anstiftung und Beihilfe einheitliche Anknüpfung an das für den Haupttäter maßgebliche Deliktsstatut [a.a.O. S. 282 ff.]).
Rz. 32
Nach der im Schrifttum vorherrschenden Ansicht ist zwar bei Tatbeteiligung Mehrerer, die in unterschiedlichen Staaten gehandelt haben, zunächst von unterschiedlichen Handlungsorten auszugehen (vgl. Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., EGBGB Art. 40 Rz. 62; Huber, IPRax 2009, 134, 139; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., § 53 IV 3d; MünchKommEGBGB/Junker, 4. Aufl., Art. 40 Rz. 49; PWW/Schaub, BGB, 4. Aufl., EGBGB Art. 40 Rz. 10; Palandt/Thorn, BGB, 69. Aufl., EGBGB Art. 40 Rz. 4; Staudinger/von Hoffmann, IPR/EGBGB (2001), Art. 40 Rz. 40; Weller, IPRax 2000, 202, 206; Wilhelmi, IPRax 2005, 236, 237). Aber auch nach dieser Ansicht ist in Fällen der vorliegenden Art nach Art. 41 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht anzuwenden, weil die den Sachverhalt wesentlich prägende Handlung in Deutschland stattgefunden hat. Überantwortet ein ausländisches Brokerunternehmen durch die von ihm selbst im Wesentlichen vorgegebene vertragliche Konstruktion die Aufklärungs-, Leistungs- und Einstandspflichten gegenüber Anlegern weitgehend auf ein selbständiges Finanzdienstleistungsunternehmen, das seinen Sitz in einem anderen Staat hat als das Brokerunternehmen, befindet sich der Ort der den Sachverhalt wesentlich prägenden Ausführungshandlungen und damit auch der für das Brokerunternehmen kollisionsrechtlich maßgebliche Handlungsort grundsätzlich in dem Staat, in dem das ggü. den Anlegern handelnde Finanzdienstleistungsunternehmen seinen Sitz hat. Dieser befand sich im Streitfall in Deutschland.
Rz. 33
bb) Das Berufungsgericht hat auch die Teilnahme der Beklagten an der unerlaubten Handlung des S. im Ergebnis zu Recht bejaht.
Rz. 34
(1) Die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer unerlaubten Handlung i.S.v. § 830 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Demgemäß verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. In objektiver Hinsicht muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (vgl. BGHZ 137, 89, 102 f.; BGH, Urt. v. 13.7.2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768, 1771).
Rz. 35
Da sich in Fällen der vorliegenden Art nur ausnahmsweise eine ausdrückliche Vereinbarung der Beteiligten zur Vornahme sittenwidriger Handlungen oder eine ausdrückliche Zusage eines Beteiligten zur Hilfeleistung wird feststellen lassen, ergibt sich die Notwendigkeit, die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles, die möglicherweise auch Grundzüge bestimmter zu missbilligender branchentypischer Handlungsweisen aufzeigen, daraufhin zu untersuchen, ob sich ausreichende Anhaltspunkte für die Beteiligung an einem sittenwidrigen Verhalten ergeben (BGH, Urt. v. 13.7.2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768, 1771). Ist - wie hier - ein sittenwidriges Verhalten festgestellt, unterliegt die tatrichterliche Würdigung, ein Dritter habe daran mitgewirkt, nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Sie kann lediglich darauf überprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Teilnahme verkannt und ob bei der Würdigung der Tatumstände der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768, 1771; BGH, Urt. v. 26.10.2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27).
Rz. 36
(2) Das Berufungsgericht hat danach ohne Rechtsfehler sowohl die objektiven als auch die subjektiven Merkmale einer nach § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB haftungsrelevanten Teilnahmehandlung bejaht.
Rz. 37
(a) Die objektiven Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Revision als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung hingenommenen Feststellungen hat die Beklagte über ihr Online-System S. den Zugang zur New Yorker Börse eröffnet, für die Klägerin ein Transaktionskonto eröffnet und die Einzahlung der Klägerin darauf gebucht sowie die von S. berechneten überhöhten Provisionen und Gebühren von diesem Konto an S. abgeführt und damit am Gesamtvorgang fördernd mitgewirkt.
Rz. 38
(b) Auch die tatrichterliche Bejahung der subjektiven Voraussetzungen für eine haftungsbegründende Teilnahme der Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Rz. 39
(aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH haftet gem. § 826 BGB nicht nur, wer die die Sittenwidrigkeit seines Handelns begründenden Umstände positiv kennt, sondern auch, wer sich dieser Kenntnis bewusst verschließt (BGHZ 129, 136, 175 f.; 176, 281, Tz. 46; BGH, Urt. v. 28.2.1989 - XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1048 f.; v. 27.1.1994 - I ZR 326/91, ZIP 1994, 789, 792) und etwa seine Berufspflichten in solchem Maße leichtfertig verletzt, dass sein Verhalten als bedenken- und gewissenlos zu bezeichnen ist (BGHZ 176, 281, Tz. 46; BGH, Urt. v. 5.3.1975 - VIII ZR 230/73, WM 1975, 559, 560; v. 24.9.1991 - VI ZR 293/90, WM 1991, 2034, 2035; v. 14.5.1992 - II ZR 299/90, WM 1992, 1184, 1187). Aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist (BGHZ 129, 136, 177; 176, 281, Tz. 46). Von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen, wenn der Schädiger so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss (BGHZ 176, 281, Tz. 46; BGH, Urt. v. 14.4.1986 - II ZR 123/85, WM 1986, 904, 906; v. 28.2.1989 - XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1049; v. 24.9.1991 - VI ZR 293/90, WM 1991, 2034, 2035).
Rz. 40
Für den Gehilfenvorsatz ist ausreichend, wenn die Hilfeleistung nicht der eigentliche oder einzige Beweggrund für den Helfer ist. Beihilfe kann auch leisten, wer mit der Unterstützung des Täters andere Absichten und Ziele verfolgt, ja es innerlich ablehnt, dem Täter zu helfen (BGHZ 70, 277, 286; BGH, Urt. v. 13.7.2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768, 1771, jeweils m.w.N.). Nimmt er gleichwohl die Förderung der Tat bewusst in Kauf, dann deckt der so betätigte Ausführungswille diese (BGHZ 70, 277, 286). In Kauf nehmen liegt auch dann vor, wenn man sich mit dem Eintritt eines an sich unerwünschten Erfolges abfindet und es dem Zufall überlässt, ob er eintritt oder nicht (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2001 - VII ZR 305/99, WM 2002, 861, 862 m.w.N.).
Rz. 41
(bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht eine tragfähige Grundlage für eine haftungsrechtlich relevante Mitwirkungshandlung der Beklagten auch in subjektiver Hinsicht im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen.
42
(1) ach den unangegriffenen Feststellungen, die das Berufungsgericht als Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung getroffen hat, kannte die Beklagte bei Begründung ihrer Geschäftsbeziehung mit S. und der damit verbundenen Eröffnung des Zugangs zu ihrem vollautomatisch arbeitenden Online-System nicht nur das deutsche Recht und die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland, sondern hatte sie auch Kenntnis von den zurückliegenden zahlreichen Missbrauchsfällen. Damit wusste sie, dass für einen gewerblichen Terminoptionsvermittler wie S. aufgrund der hohen Gebühren ein großer Anreiz bestand, seine geschäftliche Überlegenheit zum Schaden der Anleger auszunutzen.
Rz. 43
Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte, indem sie S. den Zugang zu ihrem vollautomatischen Online-System von vornherein ohne geeignete Kontrollmaßnahmen eröffnete, eine als möglich vorgestellte vorsätzlich sittenwidrige Schädigung der Anleger durch S. billigend in Kauf genommen. Dass sie das Geschäftsmodell, das S. - hier mit der Klägerin - praktizierte, nicht positiv kannte, steht der Annahme eines bedingten Vorsatzes der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte hat zumindest so leichtfertig gehandelt, dass sie die als möglich erkannte Schädigung der Klägerin in Kauf genommen haben muss. Die Beklagte, die S. mit der Eröffnung des Zugangs zu ihrem automatischen Online-System die faktische Ausführung der Transaktionen mit Wirkung für die Anleger und deren Anlagegelder ermöglicht hat, hat trotz der ihr bekannten hohen Missbrauchsgefahr nach ihrem eigenen Vorbringen das Geschäftsmodell des S. nicht vorab anhand der von ihm nebst "Preisaushang" vorgehaltenen Vertragsformulare geprüft. Sie hat gegenüber S. im Verrechnungsabkommen deutlich zu erkennen gegeben, keine Kontrolle seines Geschäftsgebarens gegenüber seinen Kunden auszuüben (vgl. Ziff. 6.1 des Verrechnungsabkommens), ihn also nach Belieben "schalten und walten" zu lassen. Indem sie damit die Augen bewusst vor der sich aufdrängenden Erkenntnis einer Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells von S. verschloss und diesem gleichwohl ermöglichte, dieses Geschäftsmodell unkontrolliert zu betreiben, hat sie die Verwirklichung der erkannten Gefahr dem Zufall überlassen und zumindest bedingt vorsätzlich Beihilfe zu der unerlaubten Handlung des S. geleistet. Dies wird auch dadurch belegt, dass sie vertraglich jede Verantwortung für den Missbrauch ihres Online-Systems auf S. abgewälzt hat (vgl. Ziff. 6.3 des Verrechnungsabkommens).
Rz. 44
Entgegen der Auffassung der Revision musste das Berufungsgericht keine konkreten Ausführungen zum Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Beklagten machen, da sich dieses ohne Weiteres aus den vom Berufungsgericht gewürdigten Indizien - insb. auch aus den Regelungen in Ziff. 6 des Verrechnungsabkommens - ergibt.
Rz. 45
(2) Entgegen der Ansicht der Revision sind die Entscheidungen des BGH vom 11.3.2004 (BGHZ 158, 236 - "Internet-Versteigerung") und vom 19.4.2007 (BGHZ 170, 119 - "Internet-Versteigerung II"), die sich mit der Haftung des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform für Markenrechtsverletzungen durch Anbieter befassen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wegen der nicht vergleichbaren Risiken und der unterschiedlich gelagerten Sachverhalte hier nicht einschlägig. Terminoptionsgeschäfte sind bereits ihrem Wesen nach in erheblichem Maße risikobehaftet, weshalb gewerbliche Vermittler von Terminoptionsgeschäften, wie dargelegt, nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht nur besonders strengen Aufklärungspflichten unterliegen, sondern bei Missbrauch ihrer geschäftlichen Möglichkeiten zum Nachteil der Kunden auch nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung haften. Zu diesem allgemeinen geschäftsimmanenten hohen Risiko, das nicht ohne Auswirkungen auf die Prüfpflichten eines Brokerhauses bleiben kann, das - wie die Beklagte - Vermittlern den Zugang zu seinem Online-System eröffnet, kommt hinzu, dass vorliegend S. über das automatisierte Online-System der Beklagten die Möglichkeit hatte, die Transaktions- und Gebührenanweisungen mit Wirkung für die Anleger und deren Transaktionskonto faktisch selbst durchzuführen; damit war S. anders als einem Anbieter auf einer Internet-Auktionsplattform der unmittelbare Zugriff auf die bereits auf das Transaktionskonto eingezahlten Anlagegelder der Anleger eröffnet.
Rz. 46
(3) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch die von der Beklagten zur Überprüfung der Seriosität von S. ergriffenen Maßnahmen als ungeeignet angesehen. Selbstverständlich muss ein ausländischer Broker - wie die Beklagte - vor Begründung einer Geschäftsbeziehung nach Deutschland zunächst den Inhalt des deutschen Rechts ermitteln und sich vergewissern, dass potentielle Geschäftspartner - wie S. - die Erlaubnis nach § 32 KWG tatsächlich besitzen und keine aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen sie geführt werden. Damit darf sich der Broker jedoch nicht begnügen; vielmehr muss er jedenfalls dann, wenn er - wie oben dargelegt die Beklagte - eine besondere Gefährdungslage schafft, auch prüfen, ob das Geschäftsmodell seines potentiellen Geschäftspartners zivilrechtlich sittenwidrig ist. Das ist nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil der Vermittler eine Erlaubnis gem. § 32 KWG hat und der Aufsicht der BAFin unterliegt (a.A. OLG Frankfurt ZIP 2006, 2385, 2387). Die Erteilung der Erlaubnis nach § 32 KWG beruht auf einer Beurteilung der BAFin, die diese anhand der in § 32 Abs. 1 KWG i.V.m. der Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Gesetz über das Kreditwesen (Anzeigenverordnung - AnzV, in der hier maßgeblichen Fassung vom 29.12.1997, BGBl. 1997 I, S. 3372) aufgeführten und durch den Antragsteller eingereichten Unterlagen vorgenommen hat. Die Erteilung der Erlaubnis, die damit nur prognostischen Charakter hat, beinhaltet insb. keine positive Feststellung der für die Seriosität eines Finanzdienstleistungsinstituts und seines Geschäftsgebarens bedeutsamen persönlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers bzw. Inhabers (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KWG); das Gesetz geht vielmehr - lediglich bezogen auf den Zeitpunkt der Erlaubniserteilung - vom Vorliegen der Zuverlässigkeit aus (vgl. Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 3. Aufl., § 33 Rz. 33; von Goldbeck in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, 1. Aufl., § 33 Rz. 21; Samm in Beck/Samm/Kockemoor, KWG - Band 2, Stand: 117. Aktualisierung Juni 2006, § 33 Rz. 40, 45; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, KWG, 1. Aufl., § 33 Rz. 34). Die zivilrechtliche Unbedenklichkeit des tatsächlichen Verhaltens des Erlaubnisinhabers gegenüber Kunden im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit kann weder der Erlaubnis noch dem Bestehen der Finanzmarktaufsicht entnommen werden.
Fundstellen
BGHZ 2010, 365 |
BB 2010, 1033 |
BB 2010, 645 |
DB 2010, 8 |
DB 2010, 894 |
DStR 2010, 13 |
DStR 2010, 17 |
NWB 2010, 808 |
EBE/BGH 2010 |
EWiR 2010, 529 |
NZG 2010, 5 |
NZG 2010, 550 |
WM 2010, 749 |
WuB 2010, 545 |
ZIP 2010, 786 |
JZ 2010, 345 |
JZ 2010, 346 |
MDR 2010, 8 |
MDR 2010, 807 |
RIW 2010, 391 |
VersR 2011, 750 |
GWR 2010, 218 |
MMR 2010, 582 |
NWB direkt 2010, 252 |
PA 2010, 109 |
ZBB 2010, 255 |
ZGS 2010, 246 |
AnwaltSpiegel 2010, 7 |