Leitsatz (amtlich)
Hat nach Kündigung des Auftraggebers gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B ein anderer Unternehmer das Werk fertiggestellt und ist dieses dann durch Benutzung (§ 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B) abgenommen worden, so bedarf es zur Erhaltung einer vom ersten Auftragnehmer geschuldeten Vertragsstrafe keines Vorbehalts gemäß § 11 Nr. 4 VOB/B bei dieser Abnahme. Ein Vorbehalt ist aber erforderlich bei einer vom Auftragnehmer nach § 8 Nr. 6 VOB/B erwirkten Abnahme.
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Entscheidung vom 21.04.1980) |
LG Regensburg |
Tenor
Auf die Revision der Widerklägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. April 1980 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Widerklage gegen den Widerbeklagten abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Widerklägerin betätigt sich als Bauträgerin, während der Widerbeklagte ein Bauunternehmen betreibt. Mit Vertrag vom 2. April 1976 beauftragte die Widerklägerin den Widerbeklagten, für sie ein Einfamilienhaus im Rohbau zu erstellen. Neben dem Bauvertrag, der die Geltung der VOB Teil B und C vorsieht, wurde ein Bauzeitenplan vereinbart. Nach dem Vertrag hatte der Widerbeklagte für jeden Tag, um den die im Bauzeitenplan festgelegten Ausführungsfristen überschritten werden, eine Vertragsstrafe von 500 DM an die Beklagte zu zahlen.
Da der Widerbeklagte die vereinbarten Arbeiten trotz Mahnung und Fristsetzung nicht vollständig ausgeführt hatte, kündigte die Widerklägerin den Vertrag mit Schreiben vom 16. Dezember 1976 und behielt sich dabei die Geltendmachung von Vertragsstrafe und Verzugsfolgekosten vor. Eine Abnahme des vom Widerbeklagten bis zur Kündigung hergestellten Werkes erfolgte nicht; sie wurde auch von keiner Vertragspartei gefordert. Die Beklagte ließ das Bauwerk von einem anderen Bauunternehmen fertigstellen. Der Erwerber nahm das Haus am 25. Mai 1977 ab und bezog es im Juni 1977.
Die Klage ist nicht mehr im Streit. Zu entscheiden ist nur noch über die Widerklage gegen den Widerbeklagten. Mit ihr fordert die Widerklägerin von ihm eine Vertragsstrafe von 5.000 DM nebst Zinsen.
Das Landgericht hat u.a. die Widerklage gegen den Widerbeklagten abgewiesen. Die Berufung der Widerklägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer - zugelassenen -Revision, um deren Zurückweisung der Widerbeklagte bittet, verfolgt die Widerklägerin ihren vorgenannten Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den Widerklageanspruch für unbegründet, da die Beklagte sich die Vertragsstrafe nicht innerhalb der Frist des § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B vorbehalten habe. Dabei könne offen bleiben, ob schon in der Übergabe des Bauwerkes an den Nachfolgeunternehmer zur Fertigstellung ein Beginn der Benutzung zu sehen sei. Jedenfalls sei das Gebäude - wie die Beklagte gewußt habe - mit dem Einzug des Erwerbers im Juni 1977 in Benutzung genommen worden, so daß sich die Beklagte gemäß § 12 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B innerhalb der Frist von 6 Werktagen die Geltendmachung der Vertragsstrafe hätte vorbehalten müssen. Der vor dieser Frist mit Schreiben vom 16. Dezember 1976 erklärte Vorbehalt sei wirkungslos.
Da der Auftragnehmer nach der hier anzuwendenden VOB/B (1973) einen Anspruch auf Aufmaß und Abnahme der von ihm ausgeführten Leistungen alsbald nach der Kündigung des Klägers habe, bestehe kein Grund, § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B im Kündigungsfall nicht anzuwenden. § 11 Nr. 4 und § 8 Nr. 6 VOB/B verfolgten den Zweck, möglichst bald Klarheit darüber zu schaffen, welche gegenseitigen Ansprüche zwischen den Parteien des Bauvertrages bestehen. Dazu gehöre auch, daß sich der Bauherr entweder bei der "erklärten" Abnahme oder aber innerhalb der in § 12 Nr. 5 VOB/B festgelegten Fristen die Geltendmachung einer vereinbarten Vertragsstrafe vorbehalte.
II.
Das hält der Nachprüfung nicht stand.
1.
Das Berufungsgericht hat der Beklagten wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Das ist unanfechtbar (§ 238 Abs. 3 ZPO).
2.
Das Berufungsgericht läßt die Widerklage daran scheitern, daß sich die Beklagte die Geltendmachung der Vertragsstrafe nicht vorbehalten habe. Das greift die Revision erfolgreich an.
a)
Ein Vorbehalt ist nur erforderlich, wenn der Auftraggeber die Leistung abnimmt (§ 11 Nr. 4 VOB/B; § 341 Abs. 3 BGB).
Zwar sieht die VOB auch im Falle einer Kündigung des Vertrages vor, daß der Auftragnehmer die Abnahme der von ihm ausgeführten Leistungen verlangen kann (§ 8 Nr. 6 VOB/B). Wie das Berufungsgericht aber zutreffend feststellt, hat der Widerbeklagte dieses Verlangen nicht gestellt. Auf diese Weise ist es also nicht zu einer Abnahmehandlung gekommen. Bei dieser Sachlage wäre für einen Vorbehalt nur Raum, wenn auch bei einem nach § 8 Nr. 3 VOB/B gekündigten Bauvertrag § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B anwendbar wäre. Das ist jedoch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht der Fall.
b)
§ 8 Nr. 6 VOB/B sieht eine Abnahme lediglich auf Verlangen des Auftragnehmers vor. Diese Bestimmung regelt die Abnahme für den Fall der Vertragskündigung. Deshalb hätte es einer ausdrücklichen Verweisung auf § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B bedurft, wenn die dort für den Fall der Fertigstellung des geschuldeten Werkes getroffene Regelung auch auf den Fall des § 8 Nr. 6 VOB/B hätte anwendbar sein sollen. Im Schrifttum wird denn auch durchweg die Anwendbarkeit des § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B auf diesen Fall verneint (Ingenstau/Korbion, VOB, 9. Aufl., B § 8 Rdn. 51; Heiermann/Riedl/Schwaab, VOB, 2. Aufl., Rdn. 35 und 35 a zu B § 86; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 3. Aufl., Rdn. 968).
c)
Das ist auch interessengerecht.
Wie der Senat bereits in BGHZ 72, 222, 227 dargelegt hat, wollte der Gesetzgeber durch die in § 341 Abs. 3 BGB getroffene Regelung Zweifel daran ausschalten, ob eine vorbehaltlose Annahme der Hauptleistung als Verzicht des Gläubigers auf die Vertragsstrafe anzusehen sei. Daran knüpft auch § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B an. Er läßt - über die Rechtskonstruktion einer unwiderlegbaren Vermutung - die Abnahmewirkung auch dann eintreten, wenn der Besteller die Leistung oder einen Teil der Leistung für die Dauer von 6 Werktagen in Benutzung genommen hat. Das gilt an sich auch für den Fall, daß der einzelne Auftragnehmer vertragsgemäß lediglich einen Teil des Gesamtwerkes herzustellen hat, wenn auch gemäß § 12 Nr. 5 Abs. 2 Satz 2 VOB/B die Benutzung von Teilen einer baulichen Anlage zur Weiterführung der Arbeiten nicht als Abnahme gilt. Vorausgesetzt wird dabei aber, daß der jeweils geschuldete Leistungsteil im wesentlichen fertiggestellt, also vertragsgerecht erbracht wurde. Nur dann kann die bloße Benutzung die unwiderlegbare Vermutung begründen, der Auftraggeber bekunde so seinen Abnahmewillen.
Anders liegen dagegen die Dinge, wenn - wie hier - der Auftraggeber den Vertrag vor der Fertigstellung des Werkes gemäß §§ 8 Nr. 3 Abs. 1, 5 Nr. 4 VOB/B wegen Verzugs gekündigt hat. Die in einer derartigen Auftragsentziehung liegende Mißbilligung der Leistungen des Auftragnehmers läßt grundsätzlich keinen Raum für die Vermutung, der Auftraggeber bringe durch die Benutzung des erst von einem Nachfolgeunternehmer fertiggestellten Werkes die grundsätzliche Billigung der von dem ersten Auftragnehmer erbrachten Leistung zum Ausdruck. Wer seinem Auftragnehmer wegen erheblicher Vertragsverletzungen nach § 8 Nr. 3 VOB/B gekündigt und ihm so den weiteren Auftrag entzogen hat, dem kann nicht unterstellt werden, er habe dennoch das unvollendet gebliebene Werk dieses Auftragnehmers ohne ausdrückliche Abnahmeerklärung allein aufgrund der Benutzung durch schlüssiges Verhalten als im wesentlichen vertragsgerecht hingenommen. Ob das auch gilt, wenn der Vertrag gemäß § 8 Nr. 1 VOB/B gekündigt wird, bedarf hier keiner Entscheidung.
III.
Nach alledem bedurfte es zur Erhaltung der Vertragsstrafenansprüche hier keines Vorbehalts. Das Berufungsurteil ist daher im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als es die Widerklage gegen den Widerbeklagten abgewiesen hat. Die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nun zu prüfen haben wird, ob der Widerklägerin die geltend gemachte Vertragsstrafe sachlich zusteht.
Fundstellen
Haufe-Index 3018802 |
BGHZ 80, 252 - 256 |
BGHZ, 252 |
NJW 1981, 1839 |
NJW 1981, 1839 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1981, 838-839 (Volltext mit amtl. LS) |