Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, welche tarifrechtlichen Feststellungen zu treffen sind, wenn das Gericht aus der Zahlungsunfähigkeit auf die Zahlungsunwilligkeit des Angeklagten schließen will.

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Entscheidung vom 02.03.1990)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. März 1990 mit den Feststellungen aufgehoben,

    • a)

      soweit der Angeklagte im Fall II 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

    • b)

      im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

  • 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  • 3.

    Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in vier Fällen unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision, mit der er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts rügt, hat teilweise Erfolg. Die Aufklärungsrügen sind unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechen.

Die Sachrüge führt dagegen zur Aufhebung des Urteils im Fall II 1 der Urteilsgründe. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen Betruges zum Nachteil der Firma E. nicht.

Das Landgericht hat die Zahlungsunwilligkeit des Angeklagten bei der Bestellung des Büromaterials ersichtlich aus dessen Zahlungsunfähigkeit hergeleitet. In diesem Zusammenhang ist den Feststellungen zu entnehmen, daß der Angeklagte Anfang Dezember 1986 nicht in der Lage war, seine bestehenden Verbindlichkeiten in vollem Umfang zu begleichen, sondern liquide Mittel immer nur zur Tilgung der jeweils ältesten und aus seiner Sicht dringlichsten Forderungen verwendete. Die vorhandenen Anschlußaufträge reichten nicht aus, um aus den daraus zu erzielenden Gewinnen sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen (UA S. 7). Die Höhe dieser Verbindlichkeiten und den Zeitpunkt ihrer Entstehung sowie den Auftragsbestand teilt das Landgericht nicht mit. Dem Senat ist damit eine Überprüfung verwehrt, ob das Landgericht aus dem allgemeinen Zahlungssystem zu Recht den Schluß gezogen hat, der Angeklagte habe bei der Bestellung billigend in Kauf genommen, daß die Firma E. mit ihrer Forderung ausfalle. Der Angeklagte hat sich unwiderlegt dahin eingelassen, seine Auftragslage sei damals so gut gewesen, daß er über Weihnachten sogar Drucker gesucht habe (UA S. 8). Für die Erheblichkeit dieser Einlassung kommt es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf an, ob infolge der vorhandenen Aufträge eine "grundlegende Wende der Situation" für den Angeklagten zu erwarten war oder ob "allenfalls ein Zeitgewinn von einigen Wochen" erreicht werden konnte (UA S. 9). Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Angeklagte die gegen ihn bestehenden Forderungen aus "Gewinnen" hätte bezahlen können. Vielmehr hätte sich das Landgericht damit befassen müssen, in welchem Umfang tatsächlich Aufträge vorlagen und ob die daraus zu erwartenden Einnahmen - unter Berücksichtigung der Altverbindlichkeiten - zum Zeitpunkt der Bestellung die Annahme des Angeklagten rechtfertigten, er könne an die Firma E. in handelsüblicher Frist Zahlungen leisten.

Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II 1 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe; die übrigen Einzelstrafen können bestehen bleiben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018889

wistra 1991, 218

StV 1991, 419

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