Leitsatz (amtlich)
Die Rüge unzulässiger Verwertung von Durchsuchungsfunden erfordert einen Widerspruch in der Hauptverhandlung.
Normenkette
StPO § 105
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 09.10.2017) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2017 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit einer Verfahrensrüge und der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hat ihre auf die Nichtanordnung einer Einziehung beschränkte Revision im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 10. April 2018 (5 StR 611/17) vor der Hauptverhandlung zurückgenommen. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bewohnte der Angeklagte unangemeldet eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg. Diese diente als Lagerstätte und Umschlagplatz für umfangreichen Drogenhandel. Nach Bestellung von Betäubungsmitteln wie Marihuana, Haschisch, MDMA, Amphetamin und Kokain im „Darknet” portionierte der Angeklagte gemäß einer ihm von einem unbekannten Mittäter verschlüsselt überlassenen Liste die Drogen aus dem in der Wohnung vorgehaltenen Vorrat, verpackte sie luftdicht und machte sie versandfertig. Hierfür erhielt er eine Entlohnung in unbekannter Höhe. Bei einer Durchsuchung wurden in der Wohnung ca. 3,7 kg Marihuana (365,3 g THC), ca. 266 g Haschisch (35,21 g THC), ca. 1,8 kg MDMA (1,151 kg MDMA-Base), ca. 8,4 kg Amphetamine (794 g Amphetamin-Base) und ca. 3 g Kokain gefunden. An der Wohnungstür im Flur stand ein Schuhschrank, auf dem sich in einer Schale offen sichtbar eine Dose Pfefferspray befand. Dieses diente – wie der Angeklagte wusste – der Sicherung der illegal gelagerten Betäubungsmittel.
Rz. 3
2. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
Rz. 4
a) Die auf ein Beweisverwertungsverbot gerichtete Verfahrensrüge ist unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Danach muss der Revisionsführer sämtliche Tatsachen unterbreiten, die das Revisionsgericht für die Prüfung benötigt, ob – den Vortrag als zutreffend unterstellt – die erhobene Rüge Erfolg haben kann; zudem muss die Angriffsrichtung der Rüge klar sein (st. Rspr., vgl. nur Cirener/Herb, NStZ-RR 2018, 97 mwN).
Rz. 5
aa) Vorliegend rügt die Revision die Verwertung von in der Wohnung gefundenen Betäubungsmitteln vor folgendem Hintergrund: Die Wohnungsdurchsuchung erfolgte zunächst aufgrund eines gegen den gemeldeten Wohnungsinhaber F. wegen Betrugsvorwürfen richterlich angeordneten Durchsuchungsbeschlusses. Nachdem die Polizei durch eine offenstehende Tür die Wohnung betreten, niemanden angetroffen, aber zufällig Rauschgift gefunden und teilweise sichergestellt hatte, wechselte sie das Schloss aus und wartete. Als der Angeklagte die Wohnung betreten wollte, wurde er festgenommen. Am nächsten Tag setzten die Polizeibeamten die Durchsuchung fort und stellten weitere Betäubungsmittel sicher. Der Verwertung der an diesem Tag sichergestellten Beweismittel hatte der Verteidiger in der Hauptverhandlung widersprochen; nur insoweit rügt die Revision einen Verstoß gegen ein Beweisverwertungsverbot.
Rz. 6
bb) Der Vortrag zum Widerspruch ist unvollständig. Hängt die Beachtung eines Beweisverwertungsverbots in der Revisionsinstanz von der Erhebung eines Widerspruchs in der Hauptverhandlung ab, muss der Revisionsführer hierzu vollständig vortragen (vgl. Cirener/Herb, aaO, S. 99 mwN).
Rz. 7
(1) Die Erhebung eines Widerspruchs ist auch bei Beweisverwertungsverboten, die aus Fehlern bei einer Wohnungsdurchsuchung resultieren sollen, Voraussetzung einer entsprechenden Revisionsrüge. Soweit der 2. Strafsenat – in diesem Punkt nicht tragend – die gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 46/15, BGHSt 61, 266 = NStZ 2017, 367 m. Anm. Basdorf; offen gelassen von BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296 f.), vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Rz. 8
Beweisverwertungsverbote, die aus einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweisgewinnung abgeleitet werden, werden durch den jeweiligen Gesetzesverstoß begründet und sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016 – 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 mwN, und vom 22. Februar 2018 – StB 29/17, Rn. 24). Unterlässt es der verteidigte Angeklagte, in der Hauptverhandlung der Beweisverwertung zu widersprechen, führt dies für die Revision zur Rügepräklusion (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016 – 4 StR 263/16, und vom 9. November 2005 – 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272). Das Recht, sich auf das Verwertungsverbot zu berufen, geht verloren, wenn der verteidigte (oder entsprechend belehrte) Angeklagte in der tatrichterlichen Verhandlung der Verwertung und der ihr vorangehenden Beweiserhebung nicht widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 226 mwN).
Rz. 9
Sinn und Zweck der Widerspruchsobliegenheit ist es, auf den Einwand des Betroffenen hin dem Tatgericht in der Hauptverhandlung die Möglichkeit und Veranlassung zu geben, dem gerügten Verfahrensfehler freibeweislich im Einzelnen nachzugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 42 f.). Dem verteidigten Angeklagten (und den sonst von einem Beweisverwertungsverbot Betroffenen) wird im Interesse der Schonung von Justizressourcen – orientiert am Subsidiaritätsgedanken – die frühestmögliche zumutbare Geltendmachung einer Rechtsverletzung abverlangt, um in der Hauptverhandlung vor dem Tatgericht die Frage des Verwertungsverbots eingehend prüfen und gegebenenfalls Abhilfe schaffen zu können (vgl. ausführlich dazu Basdorf, StV 2010, 414, 416; Mosbacher, FS Rissing-van Saan, 2011, S. 357 ff. mwN). Dementsprechend folgt die Begründung des Widerspruchserfordernisses nicht aus der Dispositionsbefugnis des Angeklagten, sondern aus dem Gedanken subsidiären Rechtsschutzes. Eine Differenzierung des Widerspruchserfordernisses innerhalb unselbständiger Beweisverwertungsverbote überzeugt deshalb nicht (Basdorf, NStZ 2017, 370, 371).
Rz. 10
(2) Es fehlt am Vortrag, welche Betäubungsmittel konkret am 27. April und welche am 28. April 2017 sichergestellt worden sind. Dies hätte sich mutmaßlich – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift bemerkt – aus den von der Revisionsbegründung lediglich in Bezug genommenen Durchsuchungsberichten vom 28. April und 2. Mai 2017 ergeben, deren Inhalt nicht näher mitgeteilt wird. Damit bleibt letztlich unklar, gegen die Verwertung welcher Betäubungsmittelfunde sich der Widerspruch des Angeklagten in der Hauptverhandlung gerichtet hat und inwieweit die Beweisverwertung überhaupt gerügt wird.
Rz. 11
b) Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch (vgl. zur Tenorierung BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16 und Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14). Die Zumessung der Strafe ist angesichts der Rauschgiftmenge überaus milde.
Unterschriften
Sander, König, Berger, Mosbacher, Köhler
Fundstellen
Haufe-Index 11817988 |
NJW 2018, 10 |
NJW 2018, 2279 |
NStZ 2018, 6 |
NStZ 2018, 737 |
JA 2018, 711 |
JZ 2018, 592 |
NStZ-RR 2018, 5 |
NStZ-RR 2021, 132 |
Kriminalistik 2019, 36 |
NJW-Spezial 2018, 473 |
RÜ 2018, 648 |
StV 2018, 772 |
StraFo 2018, 385 |
Jura 2018, 1062 |
LL 2019, 107 |