Leitsatz (amtlich)
a) Ein Hersteller oder Importeur von Feuerwerkskörpern, deren Abgabe an Personen unter 18 Jahren öffentlich-rechtlich nicht verboten ist, hat die Verpackung solcher pyrotechnischen Gegenstände mit besonderen Warnhinweisen zu versehen, die erforderlich sind, um den von der Verwendung dieser Produkte für Kinder ausgehenden Gefahren wirksam zu begegnen.
b) Es sind insbesondere Hinweise geboten, die Endverkäufer veranlassen, diese Feuerwerkskörper nicht an Kinder im Grundschulalter abzugeben, wenn eine Verwendung unter Aufsicht von Erwachsenen nicht sichergestellt ist, und die darüber hinaus geeignet sind, solchen Kindern das Erfordernis einer Aufsicht vor Augen zu führen.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 16.06.1997) |
LG Dortmund (Urteil vom 24.05.1996) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten zu 3) – das Urteil des 32. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Juni 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 2) erkannt worden ist.
Die – gegen die Beklagte zu 2) gerichtete – Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 24. Mai 1996 wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszugs fallen der Klägerin 11/20, der Beklagten zu 3) 9/20 zur Last. Die Gerichtskosten des Berufungs- und des Revisionsrechtszugs haben die Klägerin und die Beklagte zu 3) je zur Hälfte zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten im ersten Rechtszug hat die Klägerin diejenigen der Beklagten zu 1) und 2) in vollem Umfang und ihre eigenen zu 11/20 zu tragen; die Beklagte zu 3) trägt 9/20 der Kosten der Klägerin und ihre eigenen voll.
Von den außergerichtlichen Kosten im Berufungs- und im Revisionsrechtszug fallen der Klägerin diejenigen der Beklagten zu 2) in vollem Umfang und ihre eigenen zur Hälfte zur Last; die Beklagte zu 3) hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die gesamten eigenen zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin macht als gesetzlicher Krankenversicherer aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Ersatz von Schäden geltend, die der am 6. September 1982 geborene Tobias B. am 24. September 1992 durch Einwirkung eines Feuerwerkskörpers erlitten hat.
Am Unfalltag kaufte Tobias B. bei der Beklagten zu 2), die in D. einen Kiosk betreibt, eine Packung der Kleinst-Feuerwerkskörper der Artikelbezeichnung „Feuer-Wirbel”, die von der Beklagten zu 3) nach Deutschland importiert und hier – u.a. auch an die Beklagte zu 2) – vertrieben wurden. Nach dem Zulassungsbescheid der Bundesanstalt für Materialprüfung aus dem Jahre 1986 waren diese pyrotechnischen Gegenstände sprengstoffrechtlich in die Klasse I eingeordnet, deren ganzjähriger Vertrieb und deren Abgabe an Personen unter 18 Jahren keinem Verbot unterliegen. Die Rückseite der Packung, in der 10 „Feuer-Wirbel” enthalten waren, wies folgende Aufschrift auf:
„Ganzjahresfeuerwerk Abgabe an Personen unter 18 Jahren erlaubt. Nur im Freien verwenden. Gebrauchsanweisung:
Kreisel auf den Boden legen. Am äußersten Ende der Zündschnur anzünden und sich rasch entfernen.”
Tobias B., der am Unfalltag zusammen mit zwei neun und elf Jahre alten Freunden spielte, steckte mehrere der Feuerwerkskörper in seine rechte Hosentasche; einen „Feuer-Wirbel” entzündete er. Auf nicht näher geklärte Weise kam es zur Entzündung auch der in der Hosentasche befindlichen Feuerwerkskörper, was bei Tobias B. zu erheblichen Verbrennungen am rechten Oberschenkel mit schweren gesundheitlichen Folgen führte. Die Klägerin, die Versicherungsleistungen in Höhe von 22.495,37 DM erbrachte, erachtet die Beklagten zu 2) und zu 3) als verantwortlich für das Unfallgeschehen, die Beklagte zu 3), weil sie auf der Packung der „Feuer-Wirbel” nicht ausreichend auf deren Gefahren hingewiesen habe, die Beklagte zu 2), weil sie die Feuerwerkskörper an Tobias B. verkauft habe, ohne daß eine entsprechende Aufsicht durch einen Erwachsenen sichergestellt gewesen sei. Die Klage gegen die zunächst ebenfalls – als Zwischenhändlerin – in Anspruch genommene Beklagte zu 1) hat die Klägerin im ersten Rechtszug zurückgenommen.
Das Landgericht hat der auf Zahlung und Feststellung gerichteten Klage nur gegenüber der Beklagten zu 3) stattgegeben, sie gegenüber der Beklagten zu 2) abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zu 3) zurückgewiesen und auf die Berufung der Klägerin hin auch die Beklagte zu 2) antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer (zugelassenen) Revision verfolgen beide Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte zu 3) habe dadurch schuldhaft ihre Verkehrssicherungspflicht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB verletzt, daß sie Feuerwerkskörper vertrieben habe, ohne ausreichend dafür Sorge zu tragen, daß Kinder beim Spielen mit diesen nicht zu Schaden kommen. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit, die auch Feuerwerkskörpern einfachster Art wie den streitgegenständlichen „Feuer-Wirbeln” innewohne, müsse die Beklagte zu 3) durch deutliche und verständliche Warnhinweise auf den Verpackungen für die Verkäufer, die Eltern und die Kinder selbst klarstellen, daß beim Umgang mit derartigen Feuerwerkskörpern eine Beaufsichtigung der Kinder notwendig sei. Diesen Anforderungen werde der hier auf den Verpackungen verwendete Text nicht gerecht. Der Hinweis „Abgabe an Jugendliche unter 18 Jahren erlaubt” lenke im Gegenteil eher von der Gefährlichkeit ab.
Es sei anzunehmen, daß bei einem ausreichenden Hinweis die Beklagte zu 2) die Feuerwerkskörper nicht an Tobias B. verkauft hätte und daß die Kinder bei einer für sie verständlichen Warnung mit den „Feuer-Wirbeln” nur unter Aufsicht und vorsichtiger umgegangen wären. Auch wenn offenbleibe, wie es im einzelnen zur Entzündung der Feuerwerkskörper in der Hosentasche des Tobias B. gekommen sei, sei hier jedenfalls der Verstoß der Beklagten zu 3) gegen ihre Hinweispflichten für das Unfallgeschehen ursächlich geworden. Die Beklagte zu 3) habe auch fahrlässig gehandelt, da sie die Gefahren, die von den „Feuer-Wirbeln” ausgehen können, und die Neigung von Kindern zum Zündeln und zu „Knallereien” habe kennen müssen. Auf die sprengstoffrechtliche Zulassung der Produkte auch zum Vertrieb an Personen unter 18 Jahren könne sich die Beklagte zu 3) nicht berufen. Die behördliche Zulassung bestimme nicht abschließend den Schutz von Kindern im Umgang mit derartigen Feuerwerkskörpern und bedeute keinen Verzicht der Rechtsordnung auf weitere notwendige Schutzvorkehrungen für Kinder gegen Feuer- und Mißbrauchsgefahr.
Auch die Beklagte zu 2) schulde Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB. Sie habe pflichtwidrig gehandelt, indem sie die Feuerwerkskörper an Tobias B. verkauft habe, ohne in irgendeiner Weise sicherzustellen, daß er sie nach der Gebrauchsanweisung und vorsichtig verwenden werde. Auch für sie gelte, daß Feuerwerkskörper grundsätzlich nicht in die Hand von Kindern gehörten. Sie habe gewußt, welche Gefahren mit dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern verbunden seien, und sich pflichtwidrig nicht vergewissert, daß die Kinder von einem Erwachsenen beaufsichtigt würden. Auch die Beklagte zu 2) werde nicht durch die sprengstoffrechtliche Zulassung der „Feuer-Wirbel” entlastet.
II.
Revision der Beklagten zu 3):
Die Revision der Beklagten zu 3) hat keinen Erfolg. Die Revisionsangriffe vermögen die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht des Tobias B. auf ein schuldhaftes deliktisches Verhalten der Beklagten zu 3) im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB stützen kann, nicht zu erschüttern.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Beklagten zu 3), der Importeurin und Vertreiberin der betreffenden Feuerwerkskörper in Deutschland, als schuldhafter Pflichtverstoß anzulasten ist, die Verpackungen der „Feuer-Wirbel” nicht mit den ausreichenden Warnhinweisen versehen zu haben, die erforderlich sind, um den mit dem Umgang mit diesen Produkten für Kinder verbundenen Gefahren wirksam zu begegnen. Es waren insbesondere Hinweise geboten, die Endverkäufer hätten veranlassen müssen, diese Feuerwerkskörper nicht an Kinder im Grundschulalter abzugeben, wenn eine Verwendung unter Aufsicht von Erwachsenen nicht sichergestellt ist, und darüber hinaus geeignet gewesen wären, solchen Kindern das Erfordernis einer Aufsicht vor Augen zu führen. Entgegen der Auffassung der Revision werden damit die Anforderungen an eine entsprechende Instruktionspflicht der Beklagten zu 3) als Ausdruck ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt.
a) Die Beklagte zu 3) kann sich nicht darauf berufen, weitergehende Hinweise zum Gebrauch, als sie auf der Verpackung der von Tobias B. erworbenen „Feuer-Wirbel” tatsächlich vorhanden gewesen seien, könnten schon von vornherein im Hinblick auf den Zulassungsbescheid der Bundesanstalt für Materialprüfung nicht verlangt werden.
aa) Allerdings stand dem Vertrieb der „Feuer-Wirbel” auch an Kinder im Grundschulalter kein gesetzliches Verbot aus dem Bereich des Sprengstoffrechts entgegen. Nach § 22 Abs. 3 Sprengstoffgesetz dürfen explosionsgefährliche Stoffe nicht an Personen unter 18 Jahren überlassen werden. Gemäß § 4 Abs. 3 der Ersten Sprengstoffverordnung findet dieses Verbot keine Anwendung auf den Vertrieb und die Überlassung von pyrotechnischen Gegenständen der Klasse I, in welche die „Feuer-Wirbel” nach dem hier maßgeblichen Zulassungsbescheid aus dem Jahre 1986 eingeordnet waren.
bb) Daß ein Produkt in dieser Weise öffentlich-rechtlich ohne weitergehende Auflagen und Beschränkungen zum Vertrieb zugelassen worden ist, schließt aber nicht aus, daß dem Hersteller zum Schutze der Rechtsgüter der Verwender zusätzliche Pflichten obliegen. Ebenso wie außerhalb der Herstellerhaftung gelegentlich ein Mehr an Sorgfalt zu verlangen ist, als dies Behörden vom Verkehrssicherungspflichtigen gefordert haben (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1965 – VI ZR 149/64 VersR 1966, 165, 166 und vom 23. Oktober 1984 – VI ZR 85/83 – VersR 1985, 64, 65; siehe hierzu auch die Überlegungen im Senatsurteil vom 26. Mai 1998 – VI ZR 183/97 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt – zu den Verkehrssicherungspflichten des Verkäufers im Hinblick auf die Abgabe von Feuerwerkskörpern an Kinder), können einem Hersteller auch zusätzliche Instruktionspflichten erwachsen (vgl. Senatsurteil vom 7. Oktober 1986 – VI ZR 187/85 – VersR 1987, 102, 103 m.w.N.). Der Schutz der Rechtsgüter Dritter kann es erfordern, daß der Hersteller sich nicht auf Hinweise beschränkt, die Gesetze oder Rechtsverordnungen und behördliche Zulassungen von ihm verlangen, sondern darüber hinaus dem Letztverkäufer oder dem Verwender alle weiteren Informationen und Hinweise gibt, die dieser benötigt, um die von dem Produkt ausgehenden Gefahren zu erkennen und sich demgemäß zu verhalten. Entsprechende Instruktionspflichten können auch dem Importeur und Vertreiber im Inland obliegen.
cc) Der sprengstoffrechtlichen Regelung als solcher kann nicht entnommen werden, daß die Abgabe der in Klasse I eingeordneten Feuerwerkskörper einschränkungslos auch an Kinder im Grundschulalter oder gar darunter als rechtlich zulässig angesehen werden soll. Die öffentlich-rechtliche Regelung stellt aufgrund einer abstrakten Gefahrprüfung nur vom generellen Verbot des Verkaufs an Personen unter 18 Jahren frei. Derartige Feuerwerkskörper stehen damit den Produkten aller Art gleich, für die der Gesetzgeber keine allgemeinen, auf ihrer Gefährlichkeit beruhenden und am Alter des Erwerbers ausgerichteten Beschränkungen für erforderlich erachtet hat. Damit gelten aber auch für solche Produkte diejenigen Grundsätze zur Instruktionspflicht, die auch im übrigen für generell frei verkäufliche Produkte jeweils im Hinblick auf konkret erkennbare Gefahrenlagen und die Notwendigkeit ihrer Vermeidung Geltung beanspruchen (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1998 – VI ZR 183/98).
dd) In diesem Zusammenhang ist ferner auf folgendes hinzuweisen: Aus der für das Inverkehrbringen von Spielzeug, also für alle Erzeugnisse, die zur Verwendung zum Spielen für Kinder im Alter bis zu 14 Jahren bestimmt sind, geltenden Regelung des § 1 der Zweiten Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz sind Feuerwerkskörper ausdrücklich ausgenommen (vgl. § 1 Abs. 2 dieser Verordnung in Verbindung mit Anhang I Nr. 10 der EG-Richtlinie vom 3. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Sicherheit von Spielzeug). Diese Regelung legt den Schluß nahe, daß auch der Gesetzgeber Feuerwerkskörper nicht als ein zum Spielen für Kinder geeignetes Produkt erachtet, zumal im Jahre 1990 der sprengstoffrechtliche Begriff „Feuerwerksspielwaren”, wie er noch im vorliegend maßgeblichen Zulassungsbescheid verwendet wurde, durch den Begriff „Kleinst-Feuerwerk” ersetzt wurde (vgl. § 6 Abs. 4 der Ersten Sprengstoffverordnung).
b) Die produkthaftungsrechtlichen Instruktionspflichten sind grundsätzlich darauf gerichtet, die Verbraucher vor denjenigen Gefahren zu warnen, die aus der Verwendung des Produkts entstehen können, soweit die Verwendung noch im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des Produkts liegt, wozu auch ein naheliegender Mißbrauch gehören kann (vgl. hierzu die Senatsurteile BGHZ 105, 346, 351; 106, 273, 283; 116, 60, 65; Senatsurteil vom 7. Oktober 1986 – VI ZR 187/85 – aaO). Entsprechende Warnpflichten können nur dann entfallen, wenn und soweit davon auszugehen ist, daß das Produkt nur in die Hand von Personen gelangt, die mit den Produktgefahren vertraut sind (vgl. Senatsurteil vom 4. Februar 1986 – VI ZR 179/84 – VersR 1986, 653, 654). Andererseits muß bei den Gebrauchshinweisen alles unterlassen werden, was geeignet ist, tatsächlich bestehende Gefahrenlagen zu verharmlosen und herunterzuspielen.
c) Auch Feuerwerkskörper sind Produkte, die in der Regel ein erhebliches Gefahrenpotential für die Rechtsgüter der Benutzer wie auch unbeteiligter Dritter aufweisen; dies gilt auch dann, wenn sie sich mit behördlicher Erlaubnis im Handel befinden und nach der ihnen beigefügten Anleitung des Herstellers benutzt werden (vgl. hierzu Senatsurteile vom 22. Februar 1966 – VI ZR 206/64 – VersR 1966, 524 und vom 9. Juli 1985 – VI ZR 71/84 – VersR 1985, 1093 f.). Gefahrbringend in diesem Sinne können auch solche Feuerwerkskörper sein, die sprengstoffrechtlich bei ihrer Zulassung in die Klasse I eingeordnet worden waren; dies zeigen nicht nur der vorliegende Fall, sondern darüber hinaus weitere Beispiele aus der Rechtsprechung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 26. Mai 1998 – VI ZR 183/97 – m.w.N.). Vor allem in der Hand von Kindern und Jugendlichen erhöht sich erfahrungsgemäß die Gefahrenlage; das gilt um so mehr, je jünger sie sind, zumal angesichts des bei diesem Benutzerkreis herabgesetzten Risikobewußtseins und im Hinblick auf den Spieltrieb eher mit unvorsichtiger und unsachgemäßer Handhabung zu rechnen ist.
d) Eine derartige Gefahrenlage für (möglicherweise auch unvorsichtige) Kinder bei Feuerwerkskörpern, auch solchen wie den hier streitgegenständlichen „Feuer-Wirbeln”, hat der Hersteller durch entsprechende Instruktionen und Hinweise nicht nur an den Endverbraucher, sondern auch an den Letztverkäufer soweit wie möglich zu verringern; eine solche Pflicht trifft auch denjenigen, der – wie hier die Beklagte zu 3) – die pyrotechnischen Produkte einführt und im Inland vertreibt. Er kann sich nicht darauf verlassen, daß Erwerbern jeden Alters und denjenigen, welche die Produkte an die Letztverbraucher verkaufen, ohne weiteres die auch bei freiverkäuflichen Feuerwerkskörpern der Art, um die es vorliegend geht, bestehenden Risiken für Leben und Gesundheit gegenwärtig sind. Vielmehr müssen die Hinweise auf den Verpackungen so gehalten sein, daß nicht nur die Verwender deutlich vor den Gefahren gewarnt werden, die sich aus dem Umgang mit diesen Produkten ergeben, sondern daß auch den Letztverkäufern klar vor Augen geführt wird, daß es hier nicht um ungefährliches Spielzeug für Kinder geht, sondern um durchaus risikobehaftete Gegenstände.
Die erforderlichen Hinweise müssen dem Letztverkäufer, der häufig nicht über Fachkenntnisse im Umgang mit pyrotechnischen Produkten verfügen wird, verdeutlichen, daß eine Abgabe an Kinder nur in Frage kommt, wenn zusätzliche Sicherheitsanforderungen erfüllt sind. Dies wird bei Kindern im Grundschulalter, von denen noch nicht in jeder Hinsicht die nötige Gefahreneinsicht erwartet werden kann, grundsätzlich bedeuten, daß ihnen Feuerwerkskörper dieser Art in der Regel nur ausgehändigt werden dürfen, wenn konkret davon ausgegangen werden kann, daß sie sie nur unter der Aufsicht Erwachsener verwenden. Ob in Anlehnung an die Regelung des § 1 der Zweiten Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz entsprechende Anforderungen auch bei älteren Kindern (etwa bis zu 14 Jahren) zu stellen sind, braucht hier nicht entschieden zu werden. Daß im übrigen ein Verkauf derartiger Feuerwerkskörper an Kinder im Vorschulalter (oder auch im ersten Grundschuljahr) generell nicht in Betracht kommt, kann schon deshalb keinem Zweifel unterliegen, weil es hier schon am Grunderfordernis, nämlich dem sicheren Lesen und Verstehen der Gebrauchsanleitung, fehlt.
e) Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen genügten die Hinweise, welche die Beklagte zu 3) auf den Verpackungen der „Feuer-Wirbel” angebracht hatte, nicht den an die Erfüllung der Instruktionspflicht zu stellenden Anforderungen.
aa) Der Beklagten zu 3), die für den Import dieser Feuerwerkskörper und für ihren Vertrieb in Deutschland verantwortlich war, mußte die Gefahr, die sich – jedenfalls bei nicht in jeder Beziehung der Gebrauchsanleitung entsprechender Benutzung – aus diesen Feuerwerkskörpern ergeben konnte, bewußt sein. Nach den auf den Bekundungen des Sachverständigen beruhenden Feststellungen im Berufungsurteil erhitzte sich das Schwarzpulver nach dem Anzünden auf etwa 2.200° C; die Gefährlichkeit des Produkts lag insbesondere in dieser enormen Hitzeentwicklung, die zur Entzündung anderer Gegenstände führen konnte. Diese Gefahr erschloß sich weder dem Endverbraucher noch dem Letztverkäufer in hinreichender Weise aus der Gebrauchsanweisung. Vielmehr ist dem Berufungsgericht in der Beurteilung zuzustimmen, daß der – sprengstoffrechtlich zutreffende – Satz: „Abgabe an Personen unter 18 Jahren erlaubt” eher geeignet war, von der Gefährlichkeit des Produkts abzulenken. Insbesondere wurde dem Letztverkäufer hierdurch in keiner Weise klargemacht, daß er bei einem Verkauf der Gegenstände an Kinder, jedenfalls an solche bis zum Ende des Grundschulalters, angesichts der aus der tatsächlich vorhandenen „Feuerkraft” resultierenden, den Umgang mit derartigen Feuerwerkskörpern anhaftenden Risiken besondere Vorsicht walten lassen muß (vgl. hierzu auch Kramer, VersR 1996, 1378, 1379).
bb) Dieser Verstoß gegen die Instruktionspflicht ist der Beklagten zu 3) im Berufungsurteil zu Recht als fahrlässiges Verhalten angelastet worden. Angesichts der festgestellten Gefährlichkeit auch dieses Feuerwerkskörpers und im Hinblick darauf, daß der Spieltrieb, das mangelnde Risikobewußtsein und eine naheliegende Unachtsamkeit von Kindern allgemein bekannt sind, durfte die Beklagte zu 3) nicht durch die gewählte Gestaltung der Hinweise auf den Verpackungen unter Verzicht auf die erforderlichen Warnungen geradezu darauf hinwirken, daß diese Produkte einschränkungslos auch an Kinder in einem Alter abgegeben werden, in dem diese ohne entsprechende Aufsicht nicht hinnehmbaren Gefahren ausgesetzt sind.
2. Entgegen der Auffassung der Revision konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler die Kausalität des Verstoßes der Beklagten zu 3) gegen die Instruktionspflicht für die hier geltend gemachten Schäden des Tobias B. bejahen. Zwar blieb der genaue Unfallhergang ungeklärt. Im Berufungsurteil ist jedoch beanstandungsfrei festgestellt, daß die Verletzungen des Kindes durch Entzündung der in seiner Hosentasche befindlichen Packungen der „Feuer-Wirbel” herbeigeführt wurden, die von der Beklagten zu 3) importiert und im Inland, ohne mit den dargestellten gebotenen Warnhinweisen versehen zu sein, vertrieben und von der Beklagten zu 2) als Letztverkäuferin an Tobias B. abgegeben wurden. Zum Schadensereignis wäre es nicht gekommen, hätte Tobias B. die Feuerwerkskörper nicht erhalten.
Es läßt keinen Rechtsfehler erkennen, wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, daß die Beklagte zu 2) die „Feuer-Wirbel” unter den hier gegebenen Umständen nicht an Tobias B. verkauft hätte, wäre sie durch der Instruktionspflicht der Beklagten zu 3) genügende Hinweise auf der Verpackung auf die Gefahrenlage angemessen aufmerksam gemacht und vor einer Abgabe an Kinder im Grundschulalter ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen, etwa ohne Gewährleistung der Verwendung nur unter Aufsicht Erwachsener, gewarnt worden. Es spricht nichts dafür, daß sich die Beklagte zu 2) über eine solche Warnung hinweggesetzt und sich damit der Gefahr ausgesetzt hätte, für etwa entstehende Schäden verantwortlich gemacht zu werden. Tobias B. war wenige Wochen vor dem Unfalltag 10 Jahre alt geworden und befand sich damit noch im Grundschulalter; es ist den getroffenen Feststellungen nichts dafür zu entnehmen, daß die Beklagte zu 2) ihn für älter hätte halten können und deshalb einem entsprechenden Warnhinweis keine hinreichende Beachtung geschenkt hätte.
Angesichts dieser Umstände, die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten zu 3) und der Schadensentstehung begründen, fehlt es auch nicht ausnahmsweise deshalb an einem haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang, weil möglicherweise ein – im einzelnen nicht feststellbares – eigenes unachtsames und unsachgemäßes Verhalten der Kinder zum Unfall beigetragen hat. Es ist gerade auch der Sinn der hier auferlegten Instruktionspflicht, vor kindlich bedingtem Fehlverhalten zu schützen.
3. Der Revision ist zuzugeben, daß sich das Berufungsgericht weder mit der Frage eines Mitverschuldens des Tobias B. im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB noch mit der von der Beklagten zu 3) erhobenen Einrede der Verjährung auseinandergesetzt hat. Die in beiden Richtungen geführten Revisionsangriffe vermögen jedoch im Ergebnis nicht zum Erfolg zu führen.
a) Dem Geschädigten können nur festgestellte Umstände zum haftungsrechtlich relevanten Mitverschulden gereichen. Im Tatbestand des Berufungsurteils ist jedoch – verfahrensrechtlich beanstandungsfrei – ausgeführt, daß sich die in der Hosentasche des Tobias B. befindlichen Tüten der Feuerwerkskörper „auf nicht näher geklärte Weise entzündeten”. Das Berufungsgericht hat sich auch auf der Grundlage der im ersten und zweiten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme nicht von einem bestimmten Unfallhergang überzeugen können. Auch die Revision will nicht auf ein näher konkretisiertes Verhalten des Tobias B. abstellen, sondern ist der Auffassung, für ein gefährliches, irreguläres Hantieren des Kindes mit dem Feuerwerkskörper spreche der Beweis des ersten Anscheins. Dem kann indessen nicht gefolgt werden, da hier die erforderliche Typizität des Geschehensablaufs als Voraussetzung für die Heranziehung des Anscheinsbeweises nicht festgestellt ist.
Auch wenn, was naheliegt, davon auszugehen sein sollte, daß sich Tobias B. nicht in vollem Umfang an die auf der Verpackung aufgedruckte Gebrauchsanweisung gehalten hat, so begründet das unter den hier gegebenen Umständen kein rechtlich relevantes Mitverschulden des im Unfallzeitpunkt gerade 10 Jahre alten Kindes.
b) Zu der von der Beklagten zu 3) erhobenen Einrede der Verjährung geht auch die Revision nicht davon aus, die Klägerin habe zu einem mehr als drei Jahre vor Klageerhebung liegenden Zeitpunkt bereits positive Kenntnis von der Beklagten zu 3) als Ersatzpflichtiger gehabt. Sie macht lediglich geltend, es wäre der Klägerin bereits am 29. Oktober 1992 möglich gewesen, die Beklagte zu 3) als Importeurin zu ermitteln. Letzteres wäre aber bereits aus Rechtsgründen nicht ausreichend für die in § 852 Abs. 1 BGB geforderte Kenntnis (vgl. im einzelnen Senatsurteil BGHZ 133, 192, 198 f.).
4. Da sich die Klageforderung bereits aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Anspruchsgrundlage des § 823 Abs. 1 BGB in vollem Umfang als begründet erweist, bedarf es keiner weiteren Erörterung einer Haftung der Beklagten zu 3) nach dem Produkthaftungsgesetz.
III.
Revision der Beklagten zu 2):
Den Angriffen der Revision der Beklagten zu 2) hält das Berufungsurteil nicht stand. Gegenüber dieser Beklagten ist die Klage nicht begründet, da die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB nicht gegeben sind.
1. Der erkennende Senat hat zu den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht eines Letztverkäufers, der Feuerwerkskörper, die aufgrund behördlicher Zulassung an Personen unter 18 Jahren abgegeben werden dürfen, an Kinder veräußert, im Urteil vom 26. Mai 1998 (VI ZR 183/97), das einen vergleichbaren Sachverhalt betraf, folgendes ausgeführt:
Auch für den Letztverkäufer ergibt sich allein aus der sprengstoffrechtlichen Zulassung nichts Abschließendes zu der Frage, wie er sich zu verhalten hat, wenn Kinder im Grundschulalter Feuerwerkskörper, die in Klasse I eingeordnet wurden, zu erwerben wünschen. Vielmehr gilt auch hier, daß ein Verkäufer, auch ohne daß eine entsprechende Verhaltensregel ausdrücklich normiert ist, die Verantwortung dafür trägt, daß er kein Produkt in die Hände eines Erwerbers gibt, bei dem von vornherein eine typische und erhebliche Gefahrenlage zu erkennen ist; in einem solchen Fall muß der Verkäufer das seinerseits Erforderliche tun, um dieser Gefahrenquelle zu begegnen.
Wenn und soweit eine objektiv auch bei Feuerwerkskörpern der Klasse I mögliche Gefahrenlage für einen Verkäufer erkennbar ist, kann dieser daher unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht gehalten sein, von einer Abgabe dieser Produkte an Kinder, insbesondere solche, die sich erst im Grundschulalter befinden, abzusehen. Ob eine solche Erkennbarkeit bezüglich eines relevanten Risikos bei pyrotechnischen Gegenständen, die sprengstoffrechtlich unbeschränkt verkäuflich sind, gegeben ist, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalls ab.
An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.
2. Unter deren Berücksichtigung kann der Beklagten zu 2) auf der Grundlage der vorliegend getroffenen tatsächlichen Feststellungen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angelastet werden, sie habe schuldhaft eine Tobias B. gegenüber bestehende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Denn die Gefahr, die von den „Feuer-Wirbeln” für das Kind tatsächlich ausging, war für die Beklagte zu 2), die nicht über besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Pyrotechnik verfügte, nicht hinreichend erkennbar.
a) Aus den – der Instruktionspflicht des Herstellers und des Importeurs solcher Gegenstände, wie oben ausgeführt, gerade nicht genügenden – Hinweisen auf der Verpackung ergab sich die angesichts der „Feuerkraft” und Hitzeentwicklung von diesen Feuerwerkskörpern ausgehende tatsächliche Gefahrenlage nicht in zureichendem Maße. Vielmehr konnte der einschränkungslos gegebene Hinweis „Ganzjahresfeuerwerk, Abgabe an Personen unter 18 Jahren erlaubt” eher den Schluß nahelegen, daß es hier um ein harmloses Produkt gehe; etwas anderes mußte die Beklagte zu 2) auch nicht der Gebrauchsanweisung entnehmen, den Gegenstand nur im Freien zu verwenden und sich nach dem Entzünden rasch zu entfernen.
b) Die Beklagte zu 2) hatte auch nicht aus anderen Gründen Anlaß zur Annahme, daß die „Feuer-Wirbel” ein allgemein für Kinder im Grundschulalter relevantes Gefahrenpotential aufweisen. Im Berufungsurteil ist nichts dafür festgestellt, daß sich die tatsächliche Gefährlichkeit des Produkts, insbesondere die außerordentliche Hitzeentwicklung, aus dem äußeren Anschein des Feuerwerkskörpers oder sonstigen Umständen erschließen ließ; es ist auch nichts dahin ersichtlich, daß der Beklagten zu 2) Erkenntnisse darüber zugänglich gewesen wären, daß sich die „Feuer-Wirbel” bei anderer Gelegenheit als gefährlich erwiesen hätten.
c) Die Beklagte zu 2) war ferner nicht im Hinblick auf Kenntnisse, die sie über Tobias B. hatte oder hätte haben müssen, gehalten, von einem Verkauf der Feuerwerkskörper an das Kind abzusehen.
aa) Tobias B. war zum Unfallzeitpunkt gerade 10 Jahre alt, befand sich also im fortgeschrittenen Grundschulalter. Die Beklagte zu 2) konnte daher davon ausgehen, daß das Kind die auf der Verpackung aufgedruckte Gebrauchsanweisung lesen und verstehen, sich also danach richten konnte.
bb) Den getroffenen Feststellungen sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß der Beklagten zu 2) eine besondere Neigung des Tobias B. zu unachtsamem oder aggressivem Verhalten oder zum Zündeln bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.
d) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr auf die von der Revision erhobene Rüge an, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht nicht mit dem Vortrag der Beklagten zu 2) auseinandergesetzt, Tobias B. habe die „Feuer-Wirbel” mit Billigung seiner Eltern erworben.
IV.
Die Revision der Beklagten zu 3) war daher zurückzuweisen. Auf die Revision der Beklagten zu 2) hat der Senat unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils unter Anwendung des § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr zu treffen waren. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 und 269 Abs. 3 ZPO.
Unterschriften
Bischoff, Dr. v. Gerlach, Groß, Dr. Greiner, Dr. Dressler
Fundstellen
Haufe-Index 1130420 |
BGHZ |
BGHZ, 79 |
DB 1998, 2058 |
NJW 1998, 2905 |
FamRZ 1998, 1166 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 1972 |
WuB 1998, 1163 |
ZAP 1998, 795 |
GewArch 1998, 435 |
JZ 1999, 50 |
MDR 1998, 1101 |
VersR 1998, 1031 |
ZfS 1998, 451 |