Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsberatung. Telefonisch. Rechtsanwalt. Vergütung. Gebührenrecht. Mindestbetrag. Gebührenrahmen. Untergrenze. Mindestsatz. Gebührenvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Rechtsanwalt, der im Rahmen eines telefonischen Beratungsdienstes Rechtsberatung leistet und diese zeitabhängig abrechnet, verstößt nicht gegen die preisrechtlichen Bestimmungen des RVG. Bei der Mindestgebühr des § 13 Abs. 2 RVG handelt es sich ebenso wie bei der Untergrenze der Rahmengebühren um Mindestsätze für die gesetzlichen Gebühren. Dies bedeutet, dass auch Bruchteile der vollen Gebühren den Mindestbetrg von 10 EUR nicht unterschreiten dürfen. § 11 Abs. 2 RVG enthält dagegen keine Mindestsätze für den Fall der Gebührenvereinbarung.
Normenkette
RVG §§ 2, 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 11.12.2001; Aktenzeichen 5 U 5934/00) |
LG Berlin (Entscheidung vom 14.06.2000) |
Tenor
Das Versäumnisurteil v. 30.9.2004 bleibt aufrechterhalten.
Die Kläger tragen auch die Kosten des weiteren Verfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte wirbt für einen Beratungsdienst, mit dessen Hilfe Interessenten eine telefonische Rechtsberatung durch einen Anwalt erhalten können. Sie unterhält zu diesem Zweck Telefonanschlüsse mit 0190er-Rufnummern. Anrufe, die über diese Nummern bei ihr eingehen, leitet sie unmittelbar an mit ihr vertraglich verbundene Rechtsanwälte weiter. Die Deutsche Telekom stellt dem Inhaber des Anschlusses, von dem aus der Anruf erfolgt, mit der Telefonrechnung den Preis von 3,63 DM pro Minute in Rechnung. Hiervon zahlt die Deutsche Telekom 2,48 DM an die Beklagte aus. Die Beklagte leitet diese Beträge je nach Gesprächsaufkommen an die beteiligten Rechtsanwälte weiter, von denen sie ihrerseits eine pauschale monatliche Teilnahmegebühr sowie eine zeitabhängige Nutzungsgebühr erhält.
Die Kläger sind in Berlin ansässige Rechtsanwälte. Sie haben die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie sind der Ansicht, die Beklagte biete eine unzulässige Rechtsberatung an. Darüber hinaus verstoße das System der allein zeitabhängigen Vergütung gegen zwingendes Gebührenrecht und sei daher wettbewerbswidrig.
Die Kläger haben zuletzt beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsgeld zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für rechtsanwaltliche Beratung zu einem Preis von 3,63 DM pro Minute unter einer "0190..." Telefonnummer zu werben.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Senat hat das angefochtene Urteil mit Versäumnisurteil v. 30.9.2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit dem rechtzeitig eingelegten Einspruch beantragen die Kläger, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Einwände, die die Kläger gegen das Versäumnisurteil des Senats vorbringen, sind unbegründet.
1. Der Umstand, dass die Kläger ihren Einspruch nicht in der Einspruchsfrist oder in verlängerter Frist begründet haben (vgl. § 340 Abs. 3 S. 1 und 2 ZPO), ist in der Revisionsinstanz ohne Bedeutung. Wird der Einspruch innerhalb dieser Frist nicht begründet, wird er nicht unzulässig (BGH, Urt. v. 7.4.1992 - XI ZR 71/91, NJW-RR 1992, 957, m.w.N.). Die Folge ist lediglich, dass in den Tatsacheninstanzen Angriffs- oder Verteidigungsmittel als verspätet zurückgewiesen werden können, wenn sie erst nach Ablauf der Frist zur Begründung des Einspruchs vorgebracht werden. In der Revisionsinstanz bleiben auch Gegenrügen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig (Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 557 Rz. 12).
2. Der sachlich-rechtliche Einwand, den die Kläger mit dem Einspruch vorgebracht haben, ist unbegründet. Sie gehen davon aus, dass es sich bei den Mindestbeträgen, die sich aus § 13 Abs. 2 RVG (früher § 11 Abs. 2 BRAGO) und aus dem Gebührenrahmen des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 RVG (Beratungsgebühr: VV 2101) ergeben, um absolute Mindestbeträge handelt, die auch im Rahmen einer Gebührenvereinbarung nicht unterschritten werden dürfen. Dies trifft nicht zu. Bei der Mindestgebühr des § 13 Abs. 2 RVG handelt es sich ebenso wie bei der Untergrenze der Rahmengebühren um Mindestsätze für die gesetzlichen Gebühren. Dies bedeutet, dass auch Bruchteile der vollen Gebühren den Mindestbetrag von 10 EUR nicht unterschreiten dürfen (so ausdrücklich Madert in Gerold/Schmidt, RVG, 16. Aufl., § 13 Rz. 12; vgl. ferner Fraunholz in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 11 Rz. 15; Römermann in Hartung/Römermann, RVG, § 13 Rz. 17 f.). § 11 Abs. 2 RVG enthält dagegen keine Mindestsätze für den Fall der Gebührenvereinbarung. Für die Parallelbestimmung des § 13 S. 2 StBGebV hat der Senat dies in dem Urteil "Steuerberater-Hotline" bereits entschieden (BGH, Urt. v. 30.9.2004 - I ZR 89/02, BGHReport 2005, 856 = CR 2005, 442 = MDR 2005, 1020 = GRUR 2005, 436 [437 f.] = WRP 2005, 602).
Fundstellen
Haufe-Index 1452130 |
NJW 2006, 780 |
BGHR 2006, 181 |
NJW-RR 2006, 215 |
CR 2006, 254 |
GRUR 2006, 169 |
RVG-Letter 2005, 137 |