Leitsatz (amtlich)
Eine Holdinggesellschaft, die die Unternehmensbezeichnung einer Tochtergesellschaft mit deren Zustimmung als Domainname registrieren lässt, ist im Streit um den Domainnamen so zu behandeln, als sei sie selbst berechtigt, die fragliche Bezeichnung zu führen.
Normenkette
BGB § 12; MarkenG § 5 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 11.06.2001; Aktenzeichen 4 U 16/01) |
LG Würzburg (Entscheidung vom 19.12.2000; Aktenzeichen 64 O 1084/00) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Bamberg v. 11.6.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die am Main südöstlich von Würzburg gelegene Gemeinde Segnitz, ein im Jahre 1142 erstmals urkundlich erwähnter Ort mit etwa 900 Einwohnern. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte den Domainnamen "segnitz.de" hat registrieren lassen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, zu ihrer Unternehmensgruppe gehöre die A. Segnitz GmbH & Co. (im Folgenden Segnitz & Co.) in Bremen. Dabei handelt es sich um eines der ältesten deutschen Weinhandelshäuser, das 1859 gegründet worden ist. Die Beklagte hat behauptet, "Segnitz" sei in Deutschland mit Priorität v. 18.8.1954 als Wortmarke für Waren der Klassen 32 und 33 (alkoholische und nichtalkoholische Getränke) für Segnitz & Co. eingetragen. Die Beklagte habe darüber hinaus im Jahre 2000 "Segnitz" als Gemeinschaftsmarke angemeldet.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die von der Beklagten veranlasste Registrierung ihres Gemeindenamens als Domainname stelle eine Namensverletzung dar.
Sie hat beantragt, es der Beklagten zu untersagen, den Domainnamen "segnitz.de" zu belegen, zu nutzen oder an Dritte zu übertragen, und sie zu verurteilen, den Domainnamen freizugeben.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich darauf gestützt, dass Segnitz der Name des Firmengründers gewesen sei und das Unternehmen bis noch vor wenigen Jahren von der Familie Segnitz geführt worden sei. Im Laufe der 140-jährigen Unternehmensgeschichte habe sich "Segnitz" als Kurzbezeichnung durchgesetzt.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsurteil ist auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge aufzuheben, weil es keinen Tatbestand enthält und sich der Sach- und Streitstand auch aus den Entscheidungsgründen nicht in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt.
1. Das Berufungsverfahren unterlag dem vor dem 1.1.2002 geltenden Recht (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zum alten Recht ist ein Berufungsurteil grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält (BGH v. 30.1.1979 - VI ZR 154/78, BGHZ 73, 248 [250 f.]; Urt. v. 1.2.1999 - II ZR 176/97, NJW 1999, 1720). Ein solches Urteil kann in der Revisionsinstanz im Allgemeinen nicht überprüft werden, weil ihm nicht entnommen werden kann, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Eine solche Entscheidung ist auch dann aufzuheben, wenn ein Urteilstatbestand aus der Sicht des Berufungsgerichts entbehrlich erschien, weil es das Urteil mangels Überschreitens des Wertes der Beschwer für nicht revisibel hielt. Ausnahmsweise kann dann von einer Aufhebung abgesehen werden, wenn sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in hinreichendem Umfang ergibt (BGH, Urt. v. 25.4.1991 - I ZR 232/89, MDR 1992, 188 = NJW 1991, 3038 [3039]; Urt. v. 6.7.1995 - I ZR 20/93, MDR 1996, 269 = NJW 1995, 3120 [3121], jeweils m.w.N.; Urt. v. 25.5.2004 - X ZR 258/01, NJW-RR 2004, 1576).
2. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils lässt sich kein ausreichendes Bild von dem Sach- und Streitstand gewinnen, den das Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Dem Berufungsurteil kann auch nicht entnommen werden, dass es auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes ergangen ist, der dem landgerichtlichen Urteil zu Grunde liegt. Denn der dort als unstreitig dargestellte Umstand, dass es sich bei Segnitz & Co. um eine Tochtergesellschaft der Beklagten handelt, ist - offenbar auf Grund des Vorbringens der Klägerin in der Berufungserwiderung - in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils als streitig dargestellt ("... ihres behaupteten Tochterunternehmens ..."). Auch dazu, dass Segnitz & Co. über eine Wortmarke "Segnitz" und über ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen verfügt, lassen sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils keine Feststellungen entnehmen. Unter diesen Umständen ist eine revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils nicht möglich.
II. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht Folgendes zu beachten haben:
1. Das Vorbringen der Beklagten ist erheblich. Erweist sich der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt als zutreffend, muss die Klage abgewiesen werden.
a) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin an der Bezeichnung "Segnitz" ein Namensrecht nach § 12 BGB zusteht. Auf Grund dieses Namensrechts könnte sie gegen einen nichtberechtigten Dritten vorgehen, der sich diesen Namen als Domainnamen "segnitz.de" hat registrieren lassen (BGH v. 22.11.2001 - I ZR 138/99, BGHZ 149, 191 [198 f.] = BGHReport 2002, 509 m. Anm. Härting = MDR 2002, 835 = CR 2002, 525 - shell.de; v. 26.6.2003 - I ZR 296/00, BGHZ 155, 273 [275 f.] = BGHReport 2003, 1292 = CR 2003, 845 = MDR 2004, 347 - maxem.de; Urt. v. 9.9.2004 - I ZR 65/02, BGHReport 2005, 660 m. Anm. Mulch = MDR 2005, 765 = CR 2005, 359 m. Anm. Junker = GRUR 2005, 430 = WRP 2005, 488 - mho.de). Dieser Anspruch scheitert indessen, wenn dem Dritten - oder ggf. demjenigen, der ihn mit der Registrierung beauftragt hat (dazu sogleich unter II.1.d) - an der Bezeichnung "Segnitz" ein eigenes Kennzeichen- oder Namensrecht zusteht, das dem Namensrecht der Klägerin nicht weichen muss. Im Fall der Gleichnamigen steht der Domainname demjenigen zu, der den Namen als Erster für sich hat registrieren lassen (BGH v. 22.11.2001 - I ZR 138/99, BGHZ 149, 191 [200] = BGHReport 2002, 509 m. Anm. Härting = MDR 2002, 835 = CR 2002, 525 - shell.de; Urt. v. 21.2.2002 - I ZR 230/99, BGHReport 2002, 937 = GRUR 2002, 898 [900] = WRP 2002, 1066 - defacto; v. 9.9.2004 - I ZR 65/02, BGHReport 2005, 660 m. Anm. Mulch = MDR 2005, 765 = CR 2005, 359 m. Anm. Junker = GRUR 2005, 430 - mho.de). Es gilt insoweit das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität der Registrierung (BGH v. 17.5.2001 - I ZR 216/99, BGHZ 148, 1 [10] = BGHReport 2001, 838 m. Anm. Härting = CR 2001, 777 m. Anm. Jaeger-Lenz - Mitwohnzentrale.de), das nur unter besonderen, hier nicht in Betracht kommenden Umständen zurücktritt (BGH v. 22.11.2001 - I ZR 138/99, BGHZ 149, 191 [201 f.] = BGHReport 2002, 509 m. Anm. Härting = MDR 2002, 835 = CR 2002, 525 - shell.de).
b) Nach dem Vortrag der Beklagten steht Segnitz & Co. neben der Marke ein Unternehmenskennzeichen an dem Firmenbestandteil "Segnitz" zu. Dass der Verkehr - wie von der Beklagten behauptet - die Firma "A. Segnitz & Co." zu "Segnitz" verkürzt, liegt auf der Hand und wird durch die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen belegt.
c) Entgegen der im angefochtenen Urteil geäußerten Ansicht konnte das LG die rechtliche Prüfung nicht auf die "namensrechtliche Problematik" beschränken, da es für Kennzeichenstreitsachen nicht zuständig gewesen sei. Dabei kann offen bleiben, ob die Berufung der Beklagten auf ein Kennzeichenrecht ausreicht, um den Rechtsstreit zu einer Kennzeichenstreitsache i.S.v. § 140 Abs. 1 MarkenG zu machen (dazu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 140 Rz. 8; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 140 Rz. 6). Ist diese Frage zu verneinen, wäre das angerufene LG zur Entscheidung des gesamten Streitstoffs einschließlich der kennzeichenrechtlichen Einwände der Beklagten berufen. Ist dagegen von einer Kennzeichenstreitsache auszugehen, wäre nach der maßgeblichen landesrechtlichen Zuständigkeitsbestimmung (§ 23 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz [GZVJu] v. 2.2.1988, GVBl. 6; vgl. heute § 30 GZVJu v. 16.11.2004, GVBl. 471) an sich die Zuständigkeit des LG Nürnberg-Fürth begründet. Dies hätte indessen die Zuständigkeit des Berufungsgerichts nicht berührt, da auf der Ebene der OLG keine Konzentration der Zuständigkeit vorgesehen ist (§ 140 Abs. 2 MarkenG). Nach dem hier noch maßgeblichen Recht hätte die Nichtbeachtung der Zuständigkeitskonzentration zwar im Berufungsverfahren gerügt werden können. Voraussetzung wäre jedoch gewesen, dass auch in erster Instanz eine entsprechende Rüge erfolgt wäre (§ 529 Abs. 2 ZPO a.F.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1. Aufl., § 140 Rz. 38). Im Streitfall ist indessen die Unzuständigkeit des LG nicht gerügt worden.
d) Handelt es sich bei Segnitz & Co. um ein Tochterunternehmen der Beklagten, ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Domainnamen "segnitz.de" mit Zustimmung der Tochtergesellschaft Segnitz & Co. hat registrieren lassen. In diesem Fall handelt es sich bei der Beklagten nicht um eine Nichtberechtigte. Innerhalb eines Konzerns kann die Registrierung der Domainnamen für die Konzernunternehmen zentral durch eine Holding oder durch eine Verwaltungsgesellschaft erfolgen (vgl. auch § 26 Abs. 2 MarkenG). Das die Registrierung vornehmende Unternehmen ist in diesem Fall wie der Inhaber des Kennzeichenrechts zu behandeln. Ob dies für jede Gestattung gilt (verneinend OLG Celle v. 8.4.2004 - 13 U 213/03, OLGReport Celle 2004, 367 = CR 2004, 772 = MMR 2004, 486 f.; dazu Viefhues, MMR 2005, 76 ff.; Strömer, K&R 2004, 384 ff.; Möbius, JurPC Web-Dok. 231/2004; Stadler, JurPC Web-Dok. 232/2004; OLG Hamm, Urt. v. 19.6.2001 - 4 U 32/01, CR 2002, 217 = MMR 2001, 749), bedarf im Streitfall keiner Klärung.
2. Hält die Klägerin an ihrem Bestreiten fest, wird das Berufungsgericht in erster Linie klären müssen, ob es sich bei Segnitz & Co. - wie von der Beklagten behauptet - um ein zum Konzern der Beklagten gehörendes Unternehmen handelt. Zur Frage, ob Segnitz & Co. ein Unternehmenskennzeichen an der Kurzbezeichnung "Segnitz" zusteht, wird es dagegen im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten Kataloge und Abbildungen von Verkaufsveranstaltungen keiner Beweisaufnahme bedürfen. Denn diese Unterlagen belegen hinreichend, dass - was ohnehin nahe liegt - Segnitz & Co. die Bezeichnung "Segnitz" auch in Alleinstellung kennzeichenmäßig verwendet.
Fundstellen
Haufe-Index 1458898 |
DStZ 2006, 171 |
NJW 2006, 146 |
BGHR 2006, 249 |
CR 2006, 426 |
EWiR 2006, 225 |
GRUR 2006, 158 |
ZIP 2005, 2271 |
AfP 2006, 91 |
WRP 2006, 90 |
ZUM-RD 2006, 12 |
ITRB 2006, 54 |
K&R 2006, 37 |
MMR 2006, 104 |
MarkenR 2006, 24 |
Mitt. 2006, 88 |