Verfahrensgang
LG Memmingen (Urteil vom 23.07.2001) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 23. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Hehlerei zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit der zum Nachteil des Angeklagten eingelegten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, daß dieser nicht – statt dessen – wegen Mittäterschaft am (schweren) Raub, der Vortat, verurteilt wurde. Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, gemeinsam mit anderen unbekannten Tätern am späten Abend des 22. März 2000 den Mineralienhändler Vo. Z. in dessen Anwesen in Zi.-U. um Gegenstände im Wert von 200.000,– DM beraubt und diese zum großen Teil anschließend in seine Wohnung in Hamburg verbracht zu haben. Die Strafkammer konnte Zweifel an der Beteiligung des Angeklagten am Raub nicht überwinden und hat ihn wegen Hehlerei verurteilt. Dies beanstandet die Staatsanwaltschaft; die Strafkammer habe überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung wegen Raubes erforderliche Gewißheit gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Strafkammer hat festgestellt:
a) Der Angeklagte ist von Beruf Hotelkaufmann. Von 1996 bis September 2000 war er arbeitslos und lebte vorwiegend von Sozialhilfe. Anschließend nahm er „seiner unwiderlegten Einlassung zufolge eine Tätigkeit bei einer Telefonmarketingfirma auf mit einem angeblichen Monatseinkommen von ca. 15.000,– DM netto”.
Seit seinem sechsten Lebensjahr sammelt der Angeklagte Mineralien, vor allem Bergkristalle.
Im Rahmen eines bei der Staatsanwaltschaft Kiel anhängigen – anderen – Ermittlungsverfahrens wird der Angeklagte beschuldigt, am 19. April 2000 in K. in die ihm aus Besuchen bekannte Wohnung eines anderen Mineralien- und Bergkristallsammlers eingebrochen zu sein und zahlreiche Gegenstände, insbesondere „Edelsteine” entwendet zu haben, die sich später in der Wohnung des Angeklagten wiederfanden. Seine Beteiligung an jener Tat räumte der Angeklagte während der Hauptverhandlung in dieser Sache ein.
b) V. Z. handelt mit Mineralien und Edelsteinen. Seit 1995 war der Angeklagte dessen Kunde auf den jährlich stattfindenden „Hamburger Mineralientagen”.
Im Februar 2000 erwarb V. Z. in Brasilien ca. 1050 kg Bergkristalle, darunter besonders große und seltene Exemplare mit bis zu 185 kg Gewicht. Seine Neuerwerbungen bot V. Z. seinen Kunden, darunter auch dem Angeklagten, schriftlich an. Am 9. März 2000 erschien dieser bei V. Z. in U. zur Besichtigung der Steine. Begleitet war er von einem etwa zwanzig- bis fünfundzwanzigjährigen Mann mit nordafrikanischem Aussehen, der als „Ib. A.” vorgestellt wurde, sowie dessen angeblicher Freundin, einer ca. siebzehn- bis zwanzigjährigen Frau, die unter dem Vornamen „I.” auftrat. V. Z. führte seine Besucher im Laufe der mehrstündigen Besichtigung durch sein gesamtes Anwesen mit dem von ihm und seiner Lebensgefährtin bewohnten Einfamilienhaus und dem in einem Nachbargebäude untergebrachten Lager an Bergkristallen. Dort ließ sich der Angeklagte nahezu jedes größere Bergkristallstück zeigen, den Preis nennen und von verschiedenen Stücken den Fundort sowie die genaue Bezeichnung auf einen Zettel schreiben. Eingehend musterte er auch den übrigen Warenbestand sowie die Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Der Angeklagte und seine Begleiter übernachteten in U.. Am Morgen des 10. März 2000 kaufte der Angeklagte vor der Abreise bei V. Z. noch Smaragde und einen Citrinlaser für insgesamt 900,– DM. V. Z. schenkte dem Angeklagten eine kleine Mangrovenwurzel. Vier Morganite, die der Angeklagte bestellt hatte, wurden ihm am 14. März 2000 übersandt. Die Rechnung über 860,– DM blieb unbezahlt. „Ib.” wurde am 14. März 2000 in U. nochmals gesehen.
Am 22. März 2000 war V. Z. allein zu Hause. Seine Lebensgefährtin arbeitete – wie auch der Angeklagte seit seinem Besuch am 9. März wußte – abends als Kellnerin in einem anderen Ort. Gegen 21.15 Uhr läutete die Hausglocke. V. Z. öffnete und sah sich zwei ihm unbekannten mit Pudelmützen maskierten Männern gegenüber, einem etwa 1,70 m großen Schwarzafrikaner und einem deutsch sprechenden Weißen mit einer Körperlänge von etwa 1,85 m, der sofort eine Faustfeuerwaffe gegen den Kopf von V. Z. richtete. Sie fesselten ihn an Händen und Füßen, verschlossen seinen Mund mit Klebeband und sperrten ihn in den Kellerabgang mit der Drohung, ihn zu erschießen, wenn er sich entferne. Noch während der Fesselung fuhr ein Fahrzeug mit schwerem Dieselmotor auf das Grundstück. Während der folgenden zweieinhalb Stunden durchsuchten die Täter das gesamte Anwesen und transportierten Gegenstände im Gesamtwert von mindestens 200.000,– DM ab. Die Beute bestand unter anderem aus einer zwei Meter großen Mangrovenwurzel, einer Kamera, einem Handy, Geräte der Unterhaltungselektronik, 30 brasilianische Musik-CDs, Textilien, Teppichen, kunstgewerblichen Artikeln insbesondere aus Afrika, Schmuckstücken, 4 Ablagen aus einem Ausstellungskoffer mit Edelsteinen im Wert von 25.000,– DM und ca. 1 Tonne Bergkristalle im Wert von 100.000,– DM, darunter die von V. Z. soeben erst beschafften großen und seltenen Einzelstücke.
Ein Teil der Beute fand sich später beim Angeklagten. Im April 2000 wurde er beobachtet, als er drei jeweils 40 bis 80 kg schwere Bergkristallnaturspitzen und Bergkristallstufen und ein anderes Mal – zusammen mit zwei Begleitern, einer von ihnen etwa 1,80 m groß – die etwa 185 kg schwere Bergkristallgruppe jeweils aus einem Klein-LKW in seine Wohnung in Hamburg brachte. Bei einer Durchsuchung am 4. Dezember 2000 fanden sich dann in der Wohnung des Angeklagten V. Z. gehörende Gegenstände in einem Gesamtwert von mindestens 40.000,– DM, insbesondere Bergkristalle, darunter die seltenen schweren, aber auch kunsthandwerkliche Gegenstände, die 30 brasilianischen Musik-CDs, Textilien, Teppiche, Schmuck sowie die große Mangrovenwurzel. Der Rest der Beute blieb verschwunden.
c) Der Angeklagte hat jede Verstrickung in die Tat, sei es als Beteiligter am Raub, sei es als Hehler, bestritten. Er erklärte, erst einen Tag nach der Tat vom Raub erfahren zu haben. Er gab jedoch zu, einen großen Teil der bei ihm am 4. Dezember 2000 sichergestellten Gegenstände aus dem Besitz des V. Z. bei seinem Besuch am 9. März 2000 bei diesem noch gesehen zu haben.
Zu deren Erwerb machte der Angeklagte während des Verfahrens unterschiedliche, teilweise widersprüchliche Angaben. Er habe zu verschiedenen Zeiten alles „gutgläubig” erworben oder geschenkt bekommen, mal zum überwiegenden Teil von V. Z. und dessen Lebensgefährtin, mal von Dritten. Die entwendete und bei ihm sichergestellte Bettwäsche des V. Z. habe dieser zur Verpackung der Bergkristalle benutzt. In der Hauptverhandlung behauptete der Angeklagte schließlich, während seines Besuchs bei V. Z. am 9. März 2000 die Bergkristalle gekauft und – neben einer früheren Anzahlung über 10.000,– DM – mit zu Hause im Laufe der Zeit mittels Abhebungen vom überzogenen Konto angesparten 30.000,– DM bar bezahlt zu haben. Sie seien dann nach dem 22. März 2000 mit einem Kleintransporter zu ihm nach Hamburg gebracht worden. Als Überbringerin nannte er zunächst eine gewisse „S.”, dann – nach Vorhalt des Widerspruchs – die beiden Männer, die die schwere Bergkristallgruppe überbrachten. Dem Raub seien die Steine entgangen, da sie bereits verladen gewesen wären, wie V. Z. ihm am 23. März 2000 erklärt habe. Der Erwerb der Steine durch Kauf bei V. Z. ist durch dessen Angaben und die seiner Lebensgefährtin widerlegt.
Die beiden Personen, die ihn am 9. März 2000 bei seinem Besuch in U. begleiteten, identifizierte der Angeklagte nicht. Am Tag nach dem Überfall informierte ihn V. Z. – wie andere Kunden auch – gegen Mittag, also etwa zwölf Stunden nachdem die Täter V. Z. wieder verlassen hatten, telefonisch über den Raub und fragte den Angeklagten dabei auch, ob vielleicht „Ib.” etwas mit dem Überfall zu tun haben könnte. Der Angeklagte wies dies sofort entschieden zurück und beteuerte „für Ib. lege er seine Hand ins Feuer”. Bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 18. Dezember 2000 gab der Angeklagte an, die Anschrift des „Ib.” zu kennen und – nach Rücksprache mit seinem Verteidiger – „ggf.” auch nennen zu wollen. In der Hauptverhandlung erklärte er demgegenüber, von der ihm als „Ib. A.” bekannten Person, und von I., deren Nachnamen ihm unbekannt sei, wisse er weiter nichts. Beide habe er in einer Diskothek kennen gelernt, sympathisch gefunden und deshalb bei sich wohnen lassen. Eines Tages seien sie wieder verschwunden gewesen. Er wisse nicht woher sie kamen und wohin sie gingen.
2. Die Strafkammer hat eine Tatbeteiligung des Angeklagten am Raub als „nicht ausreichend erwiesen” angesehen.
Sie führt in ihrer Beweiswürdigung zwar zahlreiche Verdachtsmomente auf, wie die widersprüchlichen Einlassungen des Angeklagten zum Erwerb der bei V. Z. abhanden gekommenen Gegenstände, sein zeitnah zum Raub liegender Besuch mit Besichtigung des Anwesens des V. Z., die Kenntnis der Täter von den örtlichen Gegebenheiten und der erforderlichen Transportkapazität, die Zusammensetzung der Beute vor dem Hintergrund der Interessen des Angeklagten und seines Sammelgebietes, dem sehr kleinen Kreis potentieller Abnehmer großer Bergkristalle sowie die Tat des Angeklagten in Kiel. Dennoch sei – so die Strafkammer –, da der Angeklagte am Ort des Überfalls nicht beobachtet bzw. erkannt wurde, nicht auszuschließen, daß andere Kunden des V. Z. oder insbesondere „Ib.” den Raub – ohne Beteiligung des Angeklagten – planten, ausführten oder ausführen ließen.
Fest steht nach Meinung des Landgerichts nur, daß sich der Angeklagte die bei ihm sichergestellten und von V. Z. stammenden Gegenstände – bis auf wenige Ausnahmen – in Kenntnis des Raubes beschafft hat, um sich zu bereichern.
III.
Soweit das Landgericht eine Beteiligung des Angeklagten an der Raubtat vom 22. März 2000 nicht zweifelsfrei feststellen kann, ist die zugrunde liegende Beweiswürdigung nicht frei von Rechtsfehlern.
Zwar ist die Würdigung der Beweise dem Tatrichter vorbehalten. Kann er Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nicht überwinden, so ist dies in der Regel hinzunehmen. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Würdigung mit den Gesetzen der Logik, mit gesicherten Erfahrungssätzen des täglichen Lebens sowie den Erkenntnissen der Wissenschaften nicht übereinstimmt, widersprüchlich, unklar oder in entscheidenden Punkten lückenhaft ist. Rechtlich zu beanstanden sind Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, daß das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat, daß eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewißheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf theoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zuläßt (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16).
An diesen Maßstäben gemessen hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Ob die Strafkammer bei ihrer Beweiswürdigung bereits zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung stellte, kann dahinstehen. Die Beweiswürdigung ist jedenfalls nicht erschöpfend, da nach der Feststellung hoher Beteiligungswahrscheinlichkeit die Erörterung gewichtiger Verdachtsmomente unterblieben ist.
Auch die Gründe eines freisprechenden Urteils können und müssen zwar nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und damit von den Umständen des Einzelfalls ab. Dieser kann so beschaffen sein, daß sich die Erörterung einzelner Beweisumstände erübrigt. Hier hat das Landgericht den Angeklagten nicht wegen Beteiligung am Raub – als Tatbeitrag kommt auch eine Vorbereitungshandlung in Betracht – verurteilt, obgleich eine Vielzahl von Belastungsindizien vorlag, während die den Zweifel der Strafkammer begründenden Aspekte von eher theoretischer Natur sind. Bei dieser Sachlage müssen in die Beweiswürdigung und deren Darlegung alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbezogen werden, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch7; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11 und Beweiswürdigung, unzureichende 1). Dem wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.
Das Landgericht hat folgende zwei für die Beteiligung des Angeklagten an der Tat vom 22. März 2000 sprechende Gesichtspunkte im Rahmen der Beweiswürdigung nicht erörtert.
Die Strafkammer hat zum einen nicht erwogen, daß der Angeklagte nicht in der Lage war, den Erwerb von Hehlerware in der bei ihm festgestellten Größenordnung zu finanzieren. Daß dem Angeklagten ein großer Teil der bei V. Z. geraubten Gegenstände ohne Gegenleistung überlassen wurden, kann ausgeschlossen werden, zumal der Handelswert der Bergkristalle in Deutschland weit über der von der Strafkammer festgestellten, am Einkaufspreis orientierten Schadenssumme liegt. So hatte V. Z. den Verkaufspreis allein schon der 185 kg schweren Bergkristallgruppe auf 30.000,– DM angesetzt. Der Angeklagte war seit 1996 arbeitslos und lebte während dieser Zeit von Sozialhilfe, sein Konto war überzogen. Die Rechnung über 860,– DM für die am 14. März 2000 von V. Z. gelieferten Morganite blieb unbezahlt. Daß der Angeklagte „seiner unwiderlegten Einlassung zufolge” im September 2000 eine Tätigkeit bei einer „Telefonmarketingfirma” aufnahm mit einem angeblichen Monatsnettoeinkommen von 15.000,– DM ist schon deshalb unerheblich, da dies Monate später war. Vermögenswerten des Angeklagten, aus denen der Ankauf der Hehlerware hätte finanziert werden können, sind nicht vorhanden.
Weiter geht die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung nicht auf die auffällige Reaktion des Angeklagten am 23. März 2000 auf die Frage des V. Z. zu einer möglichen Täterschaft des „Ib. A.” ein. Der Angeklagte erweckte den Eindruck, daß er von einer derartigen Überlegung nicht überrascht war, aber jeden Gedanken in diese Richtung von vorneherein im Keim ersticken wollte, indem er sofort nachdrücklich beteuerte, für Ib. lege er seine Hand ins Feuer. Zwar wünscht auch ein Hehler keine Ermittlungen gegen seinen Lieferanten. Das Telefongespräch zwischen V. Z. und dem Angeklagten fand aber bereits am 23. März 2000 gegen Mittag statt, also nur 12 Stunden, nachdem die Räuber das Anwesen des V. Z. gegen Mitternacht am 22. März 2000 verlassen hatten. Daß die Täter – eventuell Ib. A. – ausgerechnet während dieser heißen Phase den Angeklagten als einen bis dahin hinsichtlich der Vortat ahnungslosen potentiellen Interessenten an Bergkristallen im entfernten Hamburg angingen, um ihm das Raubgut, dessen Herkunft er sofort erkannt hätte, anzubieten ist angesichts des damit verbundenen Entdeckungsrisikos – etwa falls dieser, statt sich als Hehler zu betätigen, V. Z. oder die Ermittlungsbehörden informiert – sehr unwahrscheinlich. Die Reaktion des Angeklagten deutet deshalb darauf hin, daß er vom Raub bei V. Z. schon vorher wußte.
Unterschriften
Schäfer, Wahl, Boetticher, Kolz, Hebenstret
Fundstellen