Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 14.07.2014) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 14. Juli 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Das Rechtsmittel des Angeklagten, mit dem er die Verletzung materiellen Rechts rügt und eine Verfahrensrüge erhebt, bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrüge erweist sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen als nicht zulässig erhoben.
Rz. 3
2. Auch die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils zeigt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere wird der Schuldspruch wegen versuchten Mordes von der Beweiswürdigung getragen.
Rz. 4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts bezichtigte die Ehefrau des Angeklagten am Tatabend diesem gegenüber ihren Stiefvater, mit dem das Ehepaar seit längerem im Streit lag, sie vor ihrer Heirat jahrelang missbraucht zu haben. Der Angeklagte geriet darüber in Wut und wollte die Angelegenheit mit dem Nebenkläger „klären”. Nachdem er zunächst größere Mengen Alkohol zu sich genommen hatte, kündigte er dem Geschädigten telefonisch sein Kommen an, steckte ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 cm ein und ließ sich mit einem Taxi zu dessen Wohnung bringen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nicht vor, den Nebenkläger zu töten. Er traf mit dem Geschädigten vor der Toreinfahrt zu dessen Anwesen zusammen, wo sich alsbald ein Streitgespräch entspann. Als der Nebenkläger sich in dessen Verlauf eine Zigarette anzündete und sich hierbei zur Wand der Einfahrt abwandte, beschloss der Angeklagte, ihn mit dem Messer zu verletzen, um ihn abzustrafen. Dabei nahm er zumindest billigend in Kauf, dass der Nebenkläger dadurch auch sterben könnte. Unter bewusster Ausnutzung des Umstandes, dass der Geschädigte nicht mit einem Angriff rechnete und deshalb wehrlos war, zog er das Messer mit der rechten Hand und stach zweimal in dessen Oberkörper unterhalb der linken Achsel, wobei er den Dickdarm verletzte. Trotz eines Abwehrversuches des Nebenklägers gelang es dem Angeklagten, diesem weitere Stiche und Schnitte zu versetzen, so einen Stich oberhalb des Schlüsselbeins, der bis zum Kehlkopf reichte. Im darauf folgenden Gerangel gingen beide Männer zu Boden, wobei der Angeklagte dem Geschädigten noch zwei Stiche in den linken Oberschenkel beibrachte. Nachdem beide wieder auf die Beine gekommen waren, flüchtete der Angeklagte, der davon ausging, dass die Stichwunden, die er dem Nebenkläger beigebracht hatte, zu dessen Tod führen könnten. Der Geschädigte erlitt neben zahlreichen Stich- und Schnittverletzungen einen Pneumothorax, der ebenso wie die Dickdarmverletzung lebensbedrohlich war. Der Angeklagte war infolge seiner Alkoholisierung – Blutalkoholkonzentration von maximal 2,93 Promille – sowie seiner starken Erregung zur Steuerung seines Tuns nur eingeschränkt in der Lage.
Rz. 5
b) Die Feststellungen des Landgerichts, der Angeklagte habe bei dem von ihm geführten Angriff mit bedingtem Tötungsvorsatz sowie heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt und er sei bei Verlassen des Tatorts davon ausgegangen, der Nebenkläger könne an den ihm zugefügten Verletzungen versterben, finden in der Beweiswürdigung eine noch ausreichende Stütze.
Rz. 6
Das Landgericht hat aus der Gefährlichkeit der gegen den Brustkorb und insbesondere auch oberhalb des Schlüsselbeins gesetzten Stiche auf den zumindest bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten geschlossen. Mit dem Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter erheblichem, seine Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss stand, hat es sich dabei nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Hierzu besteht zwar grundsätzlich Anlass, denn es versteht sich im Allgemeinen nicht von selbst, dass ein Täter, der in einem seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Maße alkoholisiert ist, noch erkennt, dass seine Gewalthandlung zum Tode des Opfers führen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51, 52; vom 27. Oktober 2011 – 3 StR 351/11, NStZ 2012, 151). Indes begründet dies hier keinen durchgreifenden Rechtsmangel der Beweiswürdigung. Denn die Alkoholisierung des Angeklagten findet in der sich unmittelbar an die Erwägungen zum Tötungsvorsatz anschließenden Erörterung der Frage Berücksichtigung, ob er bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten ausgenutzt hat. Die Strafkammer hat dieses Ausnutzungsbewusstsein dem Umstand entnommen, dass der Angeklagte für den Nebenkläger überraschend das bis dahin verborgen gehaltene mitgeführte Messer zog. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Angeklagte trotz seiner Alkoholisierung in der Lage war, die Arglosigkeit des Verletzten zu erkennen und auszunutzen. Danach kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes – ebenso wie bei den folgenden Erwägungen zum Rücktrittshorizont, bei denen der psychische Zustand des Angeklagten ebenfalls keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat – die Alkoholisierung des Angeklagten und seine hierdurch mitbedingte verminderte Steuerungsfähigkeit unbeachtet gelassen hat.
Unterschriften
Becker, Hubert, Mayer, RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker, Spaniol
Fundstellen