Entscheidungsstichwort (Thema)
Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung
Leitsatz (amtlich)
Andere Straftat i.S. des §306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist auch die Straftat einer anderen Person.
Normenkette
StGB § 306b Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 04.01.2000; Aktenzeichen 10 KLs 7 Js 47699/98) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 4. Januar 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der Beschwerdeführer erhebt eine Aufklärungsrüge und macht mit der Sachrüge geltend, daß es sich bei der in § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB genannten Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen, um ein persönliches Merkmal handle, das nur beim Angestifteten, nicht aber beim Angeklagten vorgelegen habe. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte den Zeugen R., den Pächter einer Bar, der ihm von seinen erheblichen finanziellen Problemen berichtet hatte, dazu angestiftet, das gepachtete Lokal „abzufackeln”, um aus der Versicherungssumme seine finanziellen Probleme zu lösen. Der Zeuge R. hat das Gebäude, in dem sich auch Wohnungen befinden, in Brand gesetzt und weitgehend zerstört. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 i.V. mit § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt, weil der Zeuge R. „in der Absicht handeln sollte, eine andere Straftat, nämlich einen Versicherungsbetrug, zu begehen”.
I. Die Aufklärungsrüge erweist sich als nicht begründet. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Haupttäter R. hat in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren in einer Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter am 22. Dezember 1998 in Anwesenheit von Oberstaatsanwalt M. erklärt, daß der Angeklagte ihn nicht nur zur Tat bestimmt, sondern ihm auch den verwendeten Brandbeschleuniger übergeben habe. In der gegen ihn durchgeführten Hauptverhandlung hat R. dagegen nach einem von Oberstaatsanwalt M. als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gefertigten Aktenvermerk bestritten, daß er den Brandbeschleuniger von dem Angeklagten erhalten hatte und in einem Nachsatz hinzugefügt: „… meine Erinnerungen verschwimmen …”. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten, bei der Oberstaatsanwalt M. wieder Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war, hat er nach den Urteilsfeststellungen – in Übereinstimmung mit seiner ersten Darstellung vor dem Ermittlungsrichter am 22. Dezember 1998 – nunmehr als Zeuge bestätigt, den Brandbeschleuniger vom Angeklagten bekommen zu haben.
Der Beschwerdeführer macht mit der Aufklärungsrüge geltend, daß Oberstaatsanwalt M. über das Aussageverhalten hätte vernommen oder wenigstens der von ihm über die Angaben des R. in der gegen diesen gerichteten Hauptverhandlung gefertigte Aktenvermerk verlesen werden müssen, da die Strafkammer bei der Beweiswürdigung davon ausgegangen ist, daß sich die Aussage des Zeugen mit seinen früheren Angaben decken würde.
Das Landgericht mußte sich zu der vermißten Beweiserhebung nicht gedrängt sehen. Entgegen der Auffassung des Revisionsführers kann nicht ausgeschlossen werden, daß der aufgezeigte Widerspruch in der Hauptverhandlung eine das Gericht und die Verfahrensbeteiligten befriedigende Erklärung gefunden haben kann. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Oberstaatsanwalt M., der bereits bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 22. Dezember 1998 anwesend gewesen war, in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten wiederum als Sitzungsvertreter fungierte und somit in persönlicher Kenntnis der früheren Aussagen des Zeugen seine erneuten Angaben verfolgen konnte. Bei dieser Sachlage erscheint es bereits in hohem Maße unwahrscheinlich, daß weder er, noch ein anderer Beteiligter den Widerspruch aufgegriffen und einer Erörterung zugeführt haben soll; jedenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, daß entweder der Zeuge R. für seine abweichenden Angaben in seiner eigenen Hauptverhandlung eine Erklärung gegeben hat, die die Glaubhaftigkeit seiner sonstigen Angaben nicht in Frage gestellt hat, oder daß Oberstaatsanwalt M. bei Erörterung der Diskrepanz seinen nachträglich und aus dem Gedächtnis gefertigten Vermerk („die Notizen geben die Aussage weder vollständig noch wörtlich wieder”) insoweit abschwächen mußte.
Im übrigen könnte auch ausgeschlossen werden, daß das Urteil auf der unterlassenen Aufklärung beruht. Die Aussage des Zeugen R. war in ihrem wesentlichen Kern, nämlich zu der Anstiftungshandlung selbst, durchgehend konstant und wurde insoweit durch den Zeugen K. bestätigt.
II. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg. Der Angeklagte hat nach den getroffenen Feststellungen den Zeugen R. angestiftet, ein Gebäude, das – auch – der Wohnung von Menschen dient, in Brand zu setzen und hat dabei in der Absicht gehandelt, daß dieser einen Versicherungsbetrug und damit eine andere Straftat begehen könne. Darin hat die Strafkammer im Ergebnis zu Recht eine Anstiftung zu einer besonders schweren Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 i.V. mit § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB gesehen.
a) Daß das Gebäude, in dem die von dem Zeugen R. gepachtete Bar untergebracht war, nur zum Teil Wohnzwecken diente, steht der Anwendung des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch nach neuem Recht nicht entgegen (BGH NStZ 2000, 197, 198; vgl. zum bisherigen Recht BGHSt 34, 115, 117 f.; BGH NStZ 1985, 455).
b) Das Ermöglichen einer anderen Straftat i.S. des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist auch dann erfüllt, wenn die schwere Brandstiftung zum Zweck eines Betrugs zum Nachteil der Versicherung begangen wird (BGH NJW 2000, 226 ff., zur Veröffentlichung in BGHSt unter 45, 211 bestimmt). Der 4. Strafsenat hat in dieser Entscheidung eingehend dargelegt, daß der gegenüber § 307 Nr. 2 StGB a.F. geänderte Wortlaut, die Reduzierung des Strafrahmens und die Gesetzgebungsgeschichte zur Neufassung des § 306 b StGB eine dem Wortlaut widersprechende Einschränkung, wonach die Ausnutzung der brandbedingten Gemeingefahr erforderlich sei, nicht mehr rechtfertigen kann. Der Senat hat sich dieser Auffassung zwischenzeitlich angeschlossen (BGH NStZ 2000, 197, 198; Beschl. vom 15. März 2000 – 3 StR 597/99).
c) Unter „andere Straftat” i.S. des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist nicht nur eine andere Straftat des Täters, sondern auch eine andere Straftat einer anderen Person zu verstehen. Dies ist für den Anwendungsbereich der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 211 Abs. 2 StGB anerkannt (BGHSt 9, 180, 182 m.w.Nachw.; Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 9; Horn in SK-StGB 50. Lfg. § 211 Rdn. 55; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 211 Rdn. 32; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 211 Rdn. 12). Zur Begründung wird angeführt, daß weder der Wortlaut noch der Sinn des Gesetzes eine einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs zulassen (BGH aaO S. 182). Für den Anwendungsbereich des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB, der vom Wortlaut mit der entsprechenden Mordqualifikation des § 211 Abs. 2 StGB und mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 b StGB (= § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB a.F.) völlig übereinstimmt, kann nichts anderes gelten. Für die Auslegung der Merkmale der Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht gelten nach bisheriger Auffassung dieselben Grundsätze (vgl. Horn in SK-StGB 49. Lfg. § 315 Rdn. 13 i.V. mit § 211 Rdn. 55; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 315 Rdn. 22 i.V. mit § 211 Rdn. 9; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 315 Rdn. 8 i.V. mit § 211 Rdn. 13). Wie sich aus der Begründung des Entwurfs des 6. StrRG vom 25. September 1997 ergibt, wurde bei der Qualifikation „eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken” an die entsprechende Vorschrift des § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB a.F. angeknüpft, ohne daß den Gesetzgebungsmaterialien irgendein Anhaltspunkt zu entnehmen ist, daß dieses wortgleich übernommene Qualifikationsmerkmal bei § 306 b StGB einen anderen Anwendungsbereich als bei § 315 Abs. 3 Nr. 1 b oder § 211 Abs. 2 StGB haben solle (BTDrucks. 13/8587 S. 49; vgl. zum Rückgriff auf die Auslegung zu diesen Vorschriften auch BGH NJW 2000, 226, 228).
Der besondere Unwert der schweren Brandstiftung, „um eine andere Straftat zu ermöglichen”, liegt darin, daß sie der Begehung kriminellen Unrechts dienen soll, wobei sich die erhöhte Verwerflichkeit aus der Bereitschaft, zur Durchsetzung krimineller Ziele ein abstrakt (§ 306 a Abs. 1 StGB) oder konkret (§ 306 a Abs. 2 StGB) gefährliches Brandstiftungsdelikt zu begehen, mithin aus der Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter ergibt (BGH NJW 2000, 226, 228). Unter diesen Gesichtspunkten rechtfertigt sich – ebenso wie bei § 211 Abs. 2 und § 315 Abs. 3 Nr. 1 b StGB – keine unterschiedliche Behandlung, gleich ob der Täter weiteres eigenes oder fremdes kriminelles Unrecht ermöglichen will. Auch die hohe Mindeststrafe des § 306 b Abs. 2 StGB mit fünf Jahren Freiheitsstrafe, für deren Anwendungsbereich zur Zeit ein minder schwerer Fall nicht zur Verfügung steht, gebietet eine unterschiedliche Auslegung nicht. Wie sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt, wurde die Herabsetzung der Untergrenze des Strafrahmens von zehn (§ 307 StGB a.F.) auf fünf Jahre (§ 306 b Abs. 2 StGB n.F.) damit begründet, daß die Qualifikationsmerkmale gegenüber der alten Fassung erweitert worden sind (BTDrucks. 13/8587 S. 49; vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte BGH NJW 2000, 226, 228).
d) Der Angeklagte hatte bei seiner Anstiftungshandlung auch die Absicht, den Haupttäter R. dazu zu bestimmen, daß dieser eine Brandstiftung begeht, um dadurch den Versicherungsbetrug zu ermöglichen. Allerdings hat die Strafkammer bei der rechtlichen Würdigung lediglich darauf abgestellt, daß nach dem Willen des Angeklagten R. in der Absicht handeln sollte, eine andere Straftat zu begehen. Damit hat sie einen falschen rechtlichen Maßstab zugrundegelegt, weil die in § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB geforderte Absicht ein täterbezogenes besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist, das für jeden Beteiligten vorliegen muß, gegen den die Strafschärfungsvorschrift angewandt werden soll (BGH NStZ 2000, 197, 198). Die Urteilsfeststellungen ergeben jedoch, daß diese Absicht auch beim Angeklagten selbst vorgelegen hat. So ergibt sich aus UA S. 5, daß der Angeklagte dem Zeugen R. deswegen den Vorschlag machte, die angepachtete Bar „abzufackeln”, damit er die Versicherung in Anspruch nehmen könne, denn „wenn es brennen würde, würde die Versicherung bezahlen, dann seien alle Probleme für ihn erledigt”. Auf UA S. 10 hat die Strafkammer bei der rechtlichen Würdigung trotz des rechtlich fehlerhaften Ausgangspunktes deutlich gemacht, daß nach dem Willen des Angeklagten der Zeuge R. den Brand nur deswegen legen sollte, damit er einen Versicherungsbetrug begehen könne.
Absicht bedeutet dabei nur zielgerichtetes Handeln, das heißt der Handlungswille des Täters muß gerade auf den vom Gesetz bezeichneten Handlungserfolg gerichtet sein (Cramer in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 15 Rdn. 66; vgl. auch Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 15 Rdn. 20), der hier in der Begehung der anderen Straftat, nämlich des Versicherungsbetrugs liegt. Da sich die Absicht nur auf die Ermöglichung der Begehung einer anderen Straftat, nicht aber auf die Erzielung der Früchte aus dieser Straftat beziehen muß, kommt es auch nicht darauf an, ob und auf welche Weise der Angeklagte durch die Anstiftungshandlung an der letztlich durch R. zu erzielenden Versicherungssumme finanziell partizipieren wollte oder aber ein sonstiges Eigeninteresse an dieser Tat hatte, da die Tatbestandsverwirklichung nur das Ziel, auf dessen Erreichung es dem Täter ankommt, nicht aber das Endziel, d.h. das Motiv sein muß (Lackner/Kühl a.a.O.).
Auch im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 512726 |
NJW 2000, 3581 |
JR 2001, 125 |
NStZ 2008, 203 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 1345 |
StV 2001, 15 |
JAR 2001, 26 |
LL 2001, 184 |