Leitsatz (amtlich)
›Zum Anspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten, der dem begrenzten Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugestimmt hat, auf Erstattung der ihm dadurch erwachsenen Steuern.‹
A. Die Unterhaltsverpflichtung ist grundsätzlich darauf gerichtet, die Mittel für den laufenden Lebensbedarf des Berechtigten zur Verfügung zu stellen. Mit der Vorschrift des § 1585b Abs. 2 und 3 BGB soll der Schuldner vor Härten geschützt werden, die sich aus der Inanspruchnahme für eine Zeit ergeben, in der er sich auf eine Unterhaltsverpflichtung nicht einzurichten brauchte.
B. § 1585b Abs. 3 BGB ist auf den Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Ausgleich der steuerlichen Nachteile des Realsplittings nicht anwendbar.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Ehe der Parteien ist am 17. März 1981 geschieden worden. Bereits im April 1980 hatten sie durch Anwälte über die Zustimmung der unterhaltsberechtigten Klägerin zum sogenannten begrenzten Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG verhandelt. Die Klägerin hat sodann am 15. April 1980, 4. November 1980 und 10. November 1981 jeweils eine "Anlage U" zur Einkommensteuererklärung unterzeichnet, um dem Beklagten den steuerlichen Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben zu ermöglichen. Der Beklagte hat für die Jahre 1981 und 1982 entsprechende Freibeträge auf seiner Lohnsteuerkarte eintragen lassen. Da die Klägerin aufgrund ihrer Zustimmung zum begrenzten Realsplitting die Unterhaltsleistungen des Beklagten als Einkommen versteuern mußte, hat sich ihre Steuerschuld für das Jahr 1981 um 1. 866 DM und für das Jahr 1982 um 857 DM erhöht. Die entsprechenden Steuerbescheide sind für das Jahr 1981 im Juni 1982, für das Jahr 1982 im Mai 1983 ergangen. Mit der im Dezember 1983 erhobenen Klage hat die Klägerin vom Beklagten die Erstattung von (1.757, 20 + 857 =) 2. 614, 20 DM nebst gestaffelten Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
In der Revisionsverhandlung ist unstreitig geworden, daß der Beklagte sich im Ehescheidungsverfahren durch Prozeßvergleich vom 17. März 1981 verpflichtet hat, an die Klägerin ab 1. April 1981 monatlich 1. 080 DM Unterhalt zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 23. März 1983 - IVb ZR 369/81 - FamRZ 1983, 576 = NJW 1983, 1545 und vom 26. September 1984 - IVb ZR 30/83 - FamRZ 1984, 1211 = NJW 1985, 195) kann der unterhaltsverpflichtete Ehegatte die Zustimmung des anderen zum sogenannten begrenzten Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG regelmäßig nur Zug um Zug gegen eine bindende Erklärung verlangen, durch die er sich zur Freistellung des unterhaltsberechtigten Ehegatten von der Steuerschuld verpflichtet, die diesem als Folge der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltszahlungen erwächst. Die diesbezüglichen Verpflichtungen beider Seiten sind Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses. Die bindende Erklärung des Unterhaltsverpflichteten begründet aber seine Freistellungsverpflichtung nicht erst, sondern sichert sie lediglich. Wenn der Beklagte daher im vorliegenden Fall derartige Erklärungen nicht abgegeben hat, weil die Klägerin auch ohne sie dem begrenzten Realsplitting für die Jahre 1981 und 1982 zugestimmt hat, ändert dies nichts an seiner Verpflichtung, die der Klägerin aufgrund ihrer Zustimmung erwachsenden steuerlichen Nachteile auszugleichen. Davon ist das Oberlandesgericht zutreffend ausgegangen.
2. Der Beklagte hat geltend gemacht, daß die Klägerin gemäß § 1585 b Abs. 3 BGB den Ersatz der Steuerschuld für 1981 schon deswegen nicht verlangen könne, weil der diesbezügliche Steuerbescheid im Juni 1982 und damit mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit der Klage ergangen ist. Dem ist das Oberlandesgericht nicht gefolgt, weil § 1585 Abs. 3 BGB nur auf eigentliche Unterhaltsansprüche anwendbar sei, zu denen der Ersatzanspruch der Klägerin nicht gehöre. Die Revision hält dem entgegen, auch dieser Anspruch basiere im Unterhaltsrecht; außerdem erfasse die Vorschrift auch Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung. Damit kann sie nicht durchdringen.
Die genannte Vorschrift schränkt die Forderung von Unterhalt für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit sowie von entsprechenden Erfüllungssurrogaten ein, weil die Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich darauf gerichtet ist, die Mittel für den laufenden Lebensbedarf des Berechtigten zur Verfügung zu stellen. Auch soll der Schuldner vor Härten geschützt werden, die sich aus der Inanspruchnahme für eine Zeit ergeben, in der er sich auf eine Unterhaltsverpflichtung nicht einzurichten brauchte (vgl. dazu Göppinger/Häberle Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 352 m.w.N.). Der Ausgleichsanspruch nach Zustimmung zum begrenzten Realsplitting dient demgegenüber nicht der Befriedigung von Lebensbedürfnissen in einer bestimmten Zeit, sondern soll gewährleisten, daß dem unterhaltsberechtigten Ehegatten aus der ihm abverlangten Zustimmungserklärung keine Nachteile entstehen, wobei hierher auch Nachteile beim Bezug öffentlicher Transferleistungen gehören (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1983 aaO.). Es handelt sich um einen Anspruch eigener Art, der - anders als der Unterhaltsanspruch - nicht davon abhängig ist, daß die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und die Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten gegeben sind. Er beruht auch nicht darauf, daß der Schuldner früher seine Unterhaltsverpflichtung nicht oder nicht gehörig erfüllt hätte. Vielmehr ist er aus Billigkeitsgründen gewährt, damit die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting für den Berechtigten zumutbar ist. Der Unterhaltsverpflichtete, der das Realsplitting in Anspruch nimmt, kann und muß sich von vornherein auf den späteren Ausgleich der steuerlichen Nachteile des Berechtigten einstellen. § 1585 Abs. 3 BGB ist auf diesen Anspruch daher weder unmittelbar noch sinngemäß anzuwenden.
3. Im angefochtenen Urteil ist ausgeführt, der Beklagte habe bei seinen Unterhaltsleistungen an die Klägerin nicht bedacht, daß sein Vorteil aus dem begrenzten Realsplitting durch die Verpflichtung zum Ersatz der steuerlichen Nachteile der Klägerin gemindert werde. Möglicherweise habe er deswegen zuviel an Unterhalt bezahlt. Dies könne aber nicht berücksichtigt werden, weil er weder die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs dargetan noch mit ihm die Aufrechnung erklärt habe, obwohl er auf diese Problematik hingewiesen worden sei.
Die Revision rügt, daß der Beklagte entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Überzahlung von Unterhalt und damit einen Bereicherungsanspruch dargetan habe. Auch wenn eine Aufrechnung nicht erklärt worden sei, hätte das Oberlandesgericht den Rechtsgrundsatz beachten müssen, daß nichts gefordert werden könne, was alsbald zurückzuerstatten sei.
Diese Rüge greift im Ergebnis nicht durch. Wie der Senat in seinem Urteil vom 26. September 1984 (aaO.) dargelegt hat, hat der Unterhaltsberechtigte in Fällen der vorliegenden Art keinen Anspruch auf eine unmittelbare Beteiligung an den aus dem Realsplitting erwachsenden Steuerersparnissen des Unterhaltsschuldners, sondern diese sind, sobald sie sich realisiert haben, in die Berechnung des für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Nettoeinkommens einzubeziehen; nur so kann sich gegebenenfalls eine Erhöhung des Unterhaltsanspruchs ergeben, wobei auf der anderen Seite auch die Steuererstattungen an den Berechtigten zu berücksichtigen sind. Soweit die Parteien im vorliegenden Fall beim Vergleich vom 17. März 1981 das Nettoeinkommen des Beklagten zugrundegelegt haben, das die Steuervorteile aus dem begrenzten Realsplitting einschloß, hätte es nahegelegen, auch den Anspruch der Klägerin auf den Ausgleich ihrer durch das Realsplitting verursachten Steuerbelastung zu regeln. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, daß dies geschehen ist. Auch rügt die Revision nicht, daß es insoweit erheblichen Prozeßstoff übergangen habe. Tatsächlich hat der Beklagte auch nicht vorgetragen, daß die Parteien den Anspruch der Klägerin auf Ausgleich ihrer steuerlichen Mehrbelastung in dem Vergleich geregelt hätten. Er hat lediglich geltend gemacht, die Klägerin habe bereits vorher (durch den anwaltschaftlichen Schriftwechsel von April 1980) auf ihren Anspruch verzichtet, womit er - wie unter 4. noch auszuführen sein wird - nicht durchdringen kann. Bei dieser Sachlage muß der Senat nach § 561 ZPO davon ausgehen, daß der Anspruch der Klägerin durch den Vergleich unberührt geblieben ist. Sobald der Beklagte ihn erfüllt hat, mindert sich seine Leistungsfähigkeit entsprechend, was ggf. Anlaß für eine Abänderungsklage (§ 323 ZPO) sein kann. Den einzigen ihm möglicherweise eröffneten Weg, eine Überzahlung von Unterhalt in der Vergangenheit geltend zu machen, nämlich den der Aufrechnung, hat der Beklagte nicht beschritten, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.
4. Den anwaltschaftlichen Schriftwechsel im April 1980 hat das Oberlandesgericht dahin gewürdigt, daß ihm ein Verzicht der Klägerin auf den Ersatz ihrer Nachteile aus dem begrenzten Realsplitting nicht zu entnehmen sei. Sie habe lediglich nicht weiter auf einer Verpflichtung des Beklagten bestanden, die sie betreffenden Steuern voll zu übernehmen. Diese Auslegung des Tatrichters ist nach dem Wortlaut der Schreiben vom 3. und 15. April 1980 möglich und naheliegend.
Die Revision, die keine Verletzung von Auslegungsgrundsätzen aufzuzeigen vermag, ist daher auch in diesem Punkt nicht begründet, weil die tatrichterliche Auslegung für den Senat bindend ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2992814 |
NJW 1986, 254 |
NWB 1985, , 351 |
FamRZ 1985, 1232 |
EzFamR BGB § 1578 Nr. 12 |
MDR 1986, 213 |
LSK-FamR/Hülsmann, LS 1 |
LSK-FamR/Hülsmann, LS 29 |