Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung eines Grundstücks unter Nießbrauchvorbehalt
Leitsatz (amtlich)
- Zur Beweislast beim Pflichtteils- und beim Pflichtteilsergänzungsanspruch.
- Nur auf den begründeten Verdacht hin, der Erblasser habe einen bestimmten Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 weggeschenkt, kann dem Pflichtteilsberechtigten außer dem Auskunftsanspruch gegen den Erben und den Beschenkten nicht auch noch ein Wertermittlungsanspruch zugebilligt werden. Ist dagegen bewiesen, daß es sich um eine ergänzungspflichtige Schenkung handelt, muß der Erbe deren Wert auf Verlangen ermitteln lassen.
Normenkette
BGB §§ 286, 2303, 2314, 2325, 2329
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Juli 1982 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Aufgrund notariellen Testaments vom 16. März 1978 wurde der am 26. August 1978 ohne Abkömmlinge verstorbene Rentner Josef K. (Erblasser) von dem früheren Mitbeklagten zu 2) allein beerbt. An diesen und dessen Ehefrau hatte der Erblasser bereits durch notariellen Vertrag vom 6. April 1972 ein Hausgrundstück in Mü.-O. unter Nießbrauchsvorbehalt veräußert; der vereinbarte Kaufpreis von 100.000,- DM sollte erst fällig werden, wenn der Erblasser ihn zur Zahlung kündigte.
Die Ehefrau des Erblassers, mit der dieser in Gütertrennung gelebt hatte, hat ihren Pflichtteilsanspruch einschließlich Pflichtteilsergänzung eingeklagt und hat von dem Alleinerben und dessen Ehefrau im Wege der Stufenklage Auskünfte und Zahlung verlangt. Der Alleinerbe ist im Laufe des Rechtsstreits verstorben und von seiner jetzt nur noch beklagten Ehefrau allein beerbt worden. Inzwischen ist auch die Ehefrau des Erblassers verstorben; deren Erben führen den Rechtsstreit an ihrer Stelle weiter.
Die Kläger halten die Grundstücksübertragung für eine gemischte Schenkung. Die Beklagte tritt dem entgegen.
Das Landgericht hat dem Auskunftsverlangen durch Teilurteil stattgegeben und hat u.a. dazu verurteilt, über den Verkehrswert des Grundstücks am Tage der Umschreibung im Grundbuch "Auskunft zu erteilen ... durch Einholung des Gutachtens" eines bestimmten Sachverständigen. Das Berufungsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Kläger.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, die Beklagte brauche für die Kläger kein Gutachten über den Wert des Grundstücks einzuholen. Es unterscheidet zwischen dem Auskunftsanspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben und dessen Anspruch auf Wertermittlung. Der Erbe müsse zwar über den Wortlaut von § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB hinaus Auskunft auch über gemischte Schenkungen des Erblassers und sogar über solche Vorgänge erteilen, bei denen der Verdacht für auch nur teilweise Unentgeltlichkeit der betreffenden Verfügung begründet sei. Dagegen lasse § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Anwendung auf die Fälle des sogenannten fiktiven Nachlasses nicht zu. Eine dahingehende Ausdehnung sei schon deshalb problematisch, weil diese Vorschrift ersichtlich auf den tatsächlichen Nachlaß zugeschnitten sei. Noch schwerer wiege, daß die Ermittlung des Wertes der Zuwendung für deren Qualifizierung und damit für die Annahme eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs dem Grunde nach entscheidend sei. Hier müsse aber der Pflichtteilsberechtigte die volle Darlegungs- und Beweislast tragen. Diese Lasten mit Hilfe von § 2314 BGB zu erleichtern, entspreche nicht dem Zweck der Vorschrift oder deren Ausweitung durch die Rechtsprechung. Auch aus § 242 BGB lasse sich ein entsprechender Anspruch auf Wertermittlung nicht herleiten.
Der erkennende Senat folgt dem angefochtenen Urteil weithin; lediglich in einem Punkt vertritt er eine andere Auffassung.
1.
Der Wortlaut des § 2314 BGB hat sich in der Praxis in mehrfacher Hinsicht als zu eng erwiesen. Deshalb haben das Reichsgericht und ihm folgend der Bundesgerichtshof den Umfang der Auskunftspflichten gemäß § 2314 BGB, gestützt auf den Sinn und den Zweck der Vorschrift, über ihren Wortlaut hinaus ausgeweitet. Dementsprechend kann heute als geklärt angesehen werden, daß § 2314 BGB in gegenständlicher Hinsicht nicht nur Anspruch auf Auskunft über die tatsächlich vorhandenen Nachlaßgegenstände gibt, sondern auch über den sogenannten fiktiven Nachlaßbestand, also die ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers (BGHZ 33, 373 f; BGH, Urteil vom 18.10.1961 - V ZR 192/60 = LM BGB § 2314 Nr. 5; BGHZ 55, 378 f; BGH, Urteil vom 21.12.1964 - III ZR 226/62 - FamRZ 1965, 135; Senatsurteil vom 4.12.1980 - IVa ZR 46/80 = LM BGB § 2314 Nr. 11; Urteil vom 6.3.1952 - IV ZR 45/50 = LM BGB § 260 Nr. 1; gleiches Ergebnis, aber noch Analogie zu § 2057 BGB: RGZ 73, 372, 374 ff; RG WarnR 1912 Nr. 173, 1933 Nr. 64) und seine Schenkungen (BGHZ 61, 180, 183; 55, 378 f; 33, 373; LM BGB § 2314 Nr. 11; RGZ 73, 369), sowie über die Nachlaßverbindlichkeiten (BGHZ 33, 373 ff; BGH LM BGB § 2314 Nr. 5, 11; RGZ 129, 239, 242 f). Die Auskunft hat sich nach dieser Rechtsprechung auf Verlangen (RG WarnR 1913 Nr. 378) auch auf solche Schenkungen zu erstrecken, bei denen es sich um Pflicht- oder Anstandsschenkungen im Sinne von § 2330 BGB handelt (BGH LM BGB § 2314 Nr. 5), sowie auf eine solche Veräußerung, von der streitig und ungeklärt ist, ob sie eine Schenkung ist, sofern sie nur unter Umständen erfolgt ist, die die Annahme nahelegen, es handele sich in Wirklichkeit - wenigstens zum Teil - um eine Schenkung (BGH LM BGB § 2314 Nr. 5; RG WarnR 1933 Nr. 64; BGHZ 74, 379, 382; vgl. auch BGHZ 58, 237, 239; 61, 180, 185; außerhalb des Erbrechts ist das anders, vgl. z.B. BGHZ 74, 379). Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich des § 2314 BGB auch in persönlicher Hinsicht ausgedehnt worden: Als zur Auskunft verpflichtet wird heute nicht mehr nur der Erbe, sondern auch der beschenkte Dritte angesehen (BGHZ 55, 378 ff; LM BGB § 2314 Nr. 11). Im Schrifttum ist diese Entwicklung weithin auf Zustimmung gestoßen, teilweise wird sogar eine noch großzügigere entsprechende Anwendung der Vorschrift befürwortet (vgl. z.B. Gudian JZ 1967, 591 und Coing NJW 1970, 729).
2.
Dennoch steht den Klägern nach den bisherigen Feststellungen ein Anspruch auf Ermittlung des Wertes des an die Beklagte und ihren Ehemann veräußerten Grundstücks nicht zu.
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem hier geltend gemachten Anspruch auf Ermittlung des Wertes der Nachlaßgegenstände zu unterscheiden (vgl. Coing NJW 1983, 1298 f). Bei der Auskunft gemäß Satz 1 geht es um die Weitergabe von Wissen, das der Verpflichtete hat oder sich verschaffen muß, an den Pflichtteilsberechtigten. Demgegenüber ist die Wertermittlung gemäß Satz 2 nicht etwa auf eine Äußerung des Verpflichteten über den Wert gerichtet; sie ist von dem Wissen und den Vorstellungen, die der Verpflichtete von diesem Wert hat, gänzlich unabhängig (Senatsurteil LM BGB § 2314 Nr. 11). Dieser Unterschied wird in der Praxis vielfach nicht klar erkannt. Das zeigt sich auch im vorliegenden Fall daran, daß die Klage dem Wortlaut (aber nicht dem Sinne) nach auf "Auskunftserteilung" "durch Einholung eines Sachverständigengutachtens" gerichtet ist, und damit einen scheinbar widersprüchlichen Antrag verfolgt. Demgegenüber sind der Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB und der Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes deutlich auseinandergehalten und einander gelegentlich sogar als etwas Verschiedenes gegenübergestellt worden (z.B. in WarnR 1933 Nr. 64 und LM BGB § 260 Nr. 1; vgl. auch Urteil vom 30.10.1974 - IV ZR 41/73 = LM BGB § 2314 Nr. 9). Bei Auswertung der oben dargelegten Entwicklung der Rechtsprechung zu § 2314 BGB und dessen Ausweitung ergibt sich, daß diese ausschließlich Fälle betrifft, in denen es um die Reichweite des Auskunftsanspruchs und nicht auch des Wertermittlungsanspruchs gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB ging. Das hängt damit zusammen, daß ein schützenswertes Interesse für eine Ausweitung des § 2314 BGB in der Rechtsprechung bisher nur dort hervorgetreten ist, wo es darum ging, den Pflichtteilsberechtigten mit Hilfe von genügend umfassenden Auskünften - seien es nun solche des Erben oder des Beschenkten - in die Lage zu versetzen, seine - möglichen - Pflichtteilsansprüche aufzudecken und durchzusetzen (BGHZ 61, 180, 183; 33, 373 f). Ein gleichgerichtetes und in gleicher Weise schutzwürdiges Interesse des Pflichtteilsberechtigten kann sich aber auch da ergeben, wo dieser seinen (ergänzten) Pflichtteilsanspruch nicht berechnen kann, weil er sich aufgrund der ihm zugänglichen Tatsachen noch kein ausreichendes Bild über den Wert bestimmter, vom Erblasser weggeschenkter Gegenstände machen kann; auch hier liegt es nahe, den Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten über den Kreis der tatsächlichen (realen) Nachlaßgegenstände hinaus auch auf den sogenannten fiktiven Nachlaß zu beziehen (vgl. dazu unten Abschnitt 4). Indessen geht das Begehren des Klägers hier noch einen beträchtlichen Schritt weiter. Er verlangt Wertermittlung für ein Grundstück, das nicht zum tatsächlichen Nachlaß gehört und von dem nicht einmal feststeht, ob es dem Nachlaß gemäß § 2325 BGB zur Berechnung eines möglichen Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß §§ 2325, 2329 BGB hinzuzurechnen ist oder nicht. So weit reicht § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB aber nicht. Nur auf den begründeten Verdacht hin, der Erblasser habe einen bestimmten Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 BGB weggeschenkt, kann dem Pflichtteilsberechtigten außer dem Auskunftsanspruch gegen den Erben und gegen den Beschenkten nicht auch noch ein Wertermittlungsanspruch zugebilligt werden.
Ist streitig, ob ein bestimmter Gegenstand zum tatsächlichen Nachlaß gehört, oder ob er nicht vom Erblasser stammt, dann muß der Pflichtteilsberechtigte, der seinen Pflichtteil fordert und den betreffenden Gegenstand bei der Berechnung seines Pflichtteils dem Nachlaß hinzurechnet, nach allgemeinen Grundsätzen die Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich die Zugehörigkeit zum Nachlaß ergibt (BGHZ 7, 134, 136; vgl. auch Senatsurteil vom 29.6.1983 - IVa ZR 57/82 = WM 1983, 1011). Dementsprechend kann er auch Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB nur dann verlangen, wenn er die Zugehörigkeit des betreffenden Gegenstandes zum Nachlaß darlegt und beweist.
Nicht anders verhält es sich bei einem Pflichtteilsberechtigten, der seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB oder § 2329 BGB auf die Behauptung stützt, der Erblasser habe einen Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB verschenkt: Auch in Fällen dieser Art muß der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich darlegen und beweisen, daß der betreffende Gegenstand zum (hier: fiktiven) Nachlaß gehört. Dementsprechend kann auch ein Anspruch auf Ermittlung des Wertes des fiktiven Nachlasses oder eines seiner Bestandteile nicht bejaht werden, wenn nicht die Voraussetzungen des § 2325 BGB erfüllt sind. Das ist schon aus ökonomischen Gründen geboten: die Wertermittlung könnte für die Berechnung der Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten - und das ist der Zweck der Wertermittlung - nicht helfen, wenn die Zugehörigkeit zum tatsächlichen oder fiktiven Nachlaß nicht nachgewiesen würde.
Dem steht nicht entgegen, daß eine Feststellung des Wertes des veräußerten Gegenstandes, je nach dem, welches Ergebnis sie hat, zum Nachweis einer (gemischten) Schenkung beitragen und dem Pflichtteilsberechtigten die ihm obliegende (Senatsurteil vom 27.5.1981 - IVa ZR 132/80 = LM ZPO § 282 Nr. 18) Beweisführung über die Zugehörigkeit eines Teilwertes des veräußerten Gegenstandes zum fiktiven Nachlaß zumindest teilweise abnehmen könnte. Denn nicht eine solche Erleichterung, sondern - wie bereits ausgeführt - eine Hilfe für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche bei feststehendem (realem und fiktivem) Nachlaß ist die dem Wertermittlungsanspruch zugedachte Funktion. Dieser vom Berufungsgericht mit Recht hervorgehobene Gesichtspunkt ist entscheidend. Die von dem Kläger gewünschte ausdehnende Anwendung von § 2314 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB in einer derartigen Lage wäre geeignet, die vom Oberlandesgericht zutreffend beurteilte Verteilung der Beweislast zwischen dem Pflichtteilsberechtigten einerseits sowie dem Erben und dem Beschenkten andererseits ohne rechtfertigenden Grund zugunsten des ersteren zu verschieben; sie würde zudem im Hinblick auf § 2314 Abs. 2 BGB zu einer unter diesem Gesichtspunkt nicht vertretbaren Schmälerung des Nachlasses führen. Entsprechende Überlegungen sind in BGHZ 61, 180, 184 und in dem Senatsurteil LM BGB § 2314 Nr. 11 auch schon in anderem Zusammenhang angestellt worden mit dem Ergebnis, daß dort ebenfalls eine noch weitergehende Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 2314 BGB abgelehnt wurde. Daß die Anwendungsbereiche von § 2314 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Fall 2 BGB sich demnach nicht decken, hängt mit deren oben näher dargelegter Verschiedenheit zusammen und ist hinzunehmen.
3.
Auch der gesetzlich nicht normierte "allgemeine" Auskunftsanspruch, der im Pflichtteilsrecht bereits wiederholt Anerkennung gefunden hat (BGHZ 61, 180, 184; Senatsurteil LM BGB § 2314 Nr. 11), kommt hier nicht in Betracht. Der Anspruch muß jedenfalls daran scheitern, daß die Kläger auf eine von der Beklagten veranlaßte Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses nicht angewiesen sind. Sie sind nicht gehindert, den Wert des Grundstücks auf eigene Kosten abschätzen zu lassen.
4.
Trotzdem muß der Rechtsstreit zu weiterer Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Wie oben bereits hervorgehoben ist, kann der Pflichtteilsberechtigte ein schutzwürdiges Interesse daran haben, daß der Wert eines vom Erblasser weggeschenkten Gegenstandes auf Kosten des Nachlasses (§ 2314 Abs. 2 BGB) ermittelt wird. So soll es nach dem Vortrag der Kläger hier sein. Das Berufungsgericht hat sich einer Prüfung insoweit bisher enthalten.
Die Rechtsvorgängerin der Kläger hat vor dem Tatrichter behauptet, das Grundstück habe 1973 einen Wert von 475.000,- EM gehabt. Demgegenüber habe der Nießbrauch, den der Erblasser sich vorbehalten habe, im Hinblick auf dessen hohes Alter (geboren am 10. Januar 1893) nur einen geringen Wert gehabt. Dagegen hat die Beklagte unter Beweisantritt behauptet, das Grundstück habe 1972 einen Verkehrswert von 280.000,- DM gehabt. Der Erblasser habe aufgrund seines Nießbrauchs noch Nutzungen in Höhe von 68.400,- DM gezogen. Außerdem habe der Erblasser das Grundstück als Gegenleistung für Pflege und Wart durch die Beklagte und ihren Ehemann seit 1933 zu einem niedrigen Preis veräußert.
Bei dieser Sachlage ist näher zu prüfen, ob tatsächlich eine ergänzungspflichtige gemischte Schenkung vorliegt. Sollte dies der Fall sein, dann hätten die Kläger in der Tat einen Wertermittlungsanspruch gegen die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Erbeserbin. Jedenfalls der Erbe ist gemäß § 2314 BGB verpflichtet, den Wert eines innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB vom Erblasser verschenkten Gegenstandes auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten ermitteln zu lassen. Die Interessenlage ist bei einem Gegenstand des sog. fiktiven Nachlasses insoweit nicht anders, als wenn er zum tatsächlichen Nachlaß gehörte. Das gilt auch für die Kostenregelung des § 2314 Abs. 2 BGB. Die Gründe, die dazu geführt haben, die Kosten der Wertermittlung im Falle des § 2314 BGB dem Nachlaß aufzuerlegen, nämlich daß der auf den Pflichtteil gesetzte Angehörige in den vollen Genuß des Pflichtteils gelangen und nicht auch noch die Kosten der Feststellung dieses Pflichtteils und seines Betrages tragen soll (BGH LM BGB § 2314 Nr. 11), greifen auch insoweit ein.
Demgemäß wird das Berufungsgericht noch zu prüfen haben, ob es sich um eine (gemischte) Schenkung handelt. Die Beweislast für die Werte von Leistung und Gegenleistung tragen insoweit grundsätzlich die Kläger (BGH LM ZPO § 282 Nr. 18); ihnen kann dabei allerdings die in BGHZ 59, 132, 136 ausgesprochene Beweiserleichterung zugute kommen. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dem Erblasser seien außer der in dem Vertrag vom 6. April 1972 genannten Leistung auch noch andere Gegenleistungen erbracht worden, nämlich Pflege und Wart seit 1933, hat dagegen von vorneherein die Beklagte die Beweislast zu tragen (BGH LM ZPO § 282 Nr. 18).
Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß eine ergänzungspflichtige Schenkung vorliegt, wird die Beklagte deren Wert ermitteln lassen müssen. Gegenstand der geschuldeten Wertermittlung in einem derartigen Falle der gemischten Schenkung wäre der nach dem Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB) zu ermittelnde Überschuß des Wertes des Grundstücks (vermindert um den Wert des Nießbrauchs) über den Wert der (vertraglich vereinbarten oder abgegoltenen) Gegenleistungen (vgl. zu den Einzelheiten, auch zu § 2330 BGB: BGH LM ZPO § 282 Nr. 18). Soweit hierzu eine Bewertung von Pflegeleistungen erforderlich werden sollte, ginge der Wertermittlungsanspruch an sich auch auf diese. Indessen bestehen keine Bedenken, wenn die Kläger sich anstelle einer derart zusammengesetzten (vollständigen) Bewertung mit deren Hauptelement, nämlich mit der Bewertung des Grundstücks, vermindert um den Wert des Nießbrauchs, begnügen. Insoweit wird es spätestens nach Durchführung weiterer Beweisaufnahme noch einer Erörterung der Anträge mit den Parteien bedürfen.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Zopfs
Fundstellen
Haufe-Index 1456183 |
BGHZ, 24 |