Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Leitsatz (amtlich)
Die Schuldfrage betreffende Wahrnehmungen des beauftragten Richters dürfen nicht im Wege der dienstlichen Erklärung in die Hauptverhandlung eingeführt werden.
Normenkette
StPO §§ 223, 251 Abs. 1, § 261
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 12. Februar 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die das Verfahren beanstanden und die Verletzung materiellen Rechts rügen.
Die Revisionen der Angeklagten haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Zwar liegt der geltend gemachte absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 5 StPO nicht vor. Das Urteil beruht aber auf einer von den Revisionsführern ebenfalls beanstandeten Verletzung des § 261 StPO.
I.
Von maßgeblicher Bedeutung für die Überführung der Angeklagten war ein Vormerkkalender, in dem der Angeklagte C. B. Geschäftseinnahmen vermerkt hatte, die deutlich über den im „offiziellen” Kassenbuch eingetragenen Einnahmen lagen. Nach der Einlassung des Angeklagten C. B. fehlte diesen Angaben jeder reale Hintergrund. Sie hätten dazu gedient, dem am Kauf von Geschäftsanteilen interessierten Zeugen J. höhere Umsätze vorzutäuschen und seien J. zu diesem Zweck vorgelegt worden.
Auf entsprechende Beweisanträge der Verteidigung beschloß das Landgericht, den in New York lebenden Zeugen J., der aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Hauptverhandlung erscheinen konnte, konsularisch vernehmen und den Berichterstatter an der Vernehmung teilnehmen zu lassen. In seiner konsularischen Vernehmung, bei der neben dem Berichterstatter auch der Angeklagte C. B., sein Verteidiger, der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und zwei dem Konsulat zugewiesene Rechtsreferendare anwesend waren, bestätigte der Zeuge die in sein Wissen gestellten, die Angeklagten entlastenden Tatsachen nicht.
Die Niederschrift über die Vernehmung wurde gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Im Anschluß daran schilderte der Berichterstatter – zum Teil unter Bezugnahme auf Äußerungen des Zeugen, die keinen Eingang in die Vernehmungsniederschrift gefunden hatten (die Schmuckbranche sei ein „Haifischbecken”) – seinen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Das Landgericht erachtete den Zeugen J., „wovon sich die Kammer über den in der Hauptverhandlung berichteten Eindruck des beauftragten Richters mittelbar ein Bild machen konnte”, im wesentlichen für glaubwürdig. Unter anderem aufgrund der Aussage des Zeugen hielt es die Angeklagten für überführt, die ihnen zur Last gelegten Straftaten begangen zu haben.
II.
Der von den Revisionen geltend gemachte absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 5 StPO liegt nicht vor, da der mit der Teilnahme an der konsularischen Vernehmung des Zeugen J. beauftragte Berichterstatter nicht förmlich als Zeuge gehört worden ist.
Zwar kann über den Wortlaut des § 22 Nr. 5 StPO hinaus in der mündlichen oder schriftlichen Äußerung eines erkennenden Richters auch ohne förmliche Vernehmung eine Zeugenaussage liegen (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 2 – Ausschluß 1). Die Entscheidung hierüber im Einzelfall richtet sich aber stets nach dem mit § 22 Nr. 5 StPO verfolgten Gesetzeszweck. Dieser besteht darin, das Gericht von Richtern freizuhalten, die dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt und den daran Beteiligten nicht mit der erforderlichen Distanz des unbeteiligten Dritten gegenüberstehen (vgl. BVerfGE 46, 34, 37). Erscheint danach bereits zweifelhaft, ob einem erkennenden Richter, der sich dienstlich über Vorgänge äußert, die den Gegenstand des bei ihm anhängigen Verfahrens betreffen und die er im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit in dieser Sache wahrgenommen hat, die dem Gesetzgeber vor Augen stehende kritische Distanz eines unbeteiligten Dritten fehlt (vgl. BGHSt 39, 239 m. Anm. Bottke NStZ 1994, 81; BGHSt 44, 4; Schmid GA 1980, 285, 292 ff.), so ist dies jedenfalls für den beauftragten Richter in der Regel auszuschließen. Da die Aufgabe des beauftragten Richters gerade darin besteht, daß er Wahrnehmungen im Zusammenhang mit einer kommissarischen Zeugenvernehmung schriftlich niederlegt (oder niederlegen läßt) und diese nach Verlesung der Vernehmungsniederschrift in der Hauptverhandlung würdigt, hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des Rechtsinstituts des beauftragten Richters zu erkennen gegeben, daß er gegen diese Form eingeschränkter Distanz keine Bedenken hegt.
III.
Die Verwertung des persönlichen Eindrucks des Berichterstatters von der Glaubwürdigkeit des Zeugen J., die lediglich durch einen mündlichen Bericht in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, verstieß aber gegen § 261 StPO.
1. Eine nach § 223 Abs. 1 StPO angeordnete konsularische Zeugenvernehmung, die gemäß § 15 KonsularG im Wege der inländischen Rechtshilfe vorgenommen wird, ist nicht Teil der Hauptverhandlung (BGH NStZ 1989, 382, 383). Dies ergibt sich schon daraus, daß sie nicht durch das Gericht selbst erfolgt, sondern auf Ersuchen des Gerichts durch einen Konsularbeamten. Zudem haben hier nicht sämtliche Verfahrensbeteiligten an ihr teilgenommen. Voraussetzung für die Verwertung von Inhalt und Umständen einer solchen Vernehmung (wie auch einer von einem beauftragten Richter selbst vorgenommenen Vernehmung) ist daher, daß diese Umstände in die Hauptverhandlung eingeführt werden.
Geschieht dies im Wege der Beweiserhebung, so können Tatsachen, die dem Freibeweis unterliegen, auch durch die dienstliche Erklärung eines Richters in zulässiger Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden. Dies ist beispielsweise möglich, wenn im Blick auf Verfahrenshindernisse oder Verwertungsverbote allein die äußeren Umstände des Zustandekommens einer Zeugenaussage von Bedeutung sind, ohne daß diese Umstände Auswirkungen auf die Beurteilung des Inhalts der Aussage haben (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1976 – 3 StR 363/76 –; Urteil vom 9. Mai 1978 – 1 StR 93/78 –). Gleiches gilt, wenn die in Form einer dienstlichen Äußerung erfolgende Information dazu dient, den Verfahrensbeteiligten Umstände bekanntzugeben, die für den Fortgang des Verfahrens von Bedeutung sind (vgl. BGHSt 44, 4, 12).
Um solche Mitteilungen handelt es sich im vorliegenden Fall jedoch nicht. Vielmehr kann der Eindruck, den ein möglicher Entlastungszeuge bei seiner Vernehmung – verbal durch seine Aussage und nonverbal durch sein Auftreten – vermittelt, für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage und damit mittelbar für die Beurteilung der Schuldfrage von Bedeutung sein. Die Feststellung schuldrelevanter Tatsachen ist dem Freibeweis jedoch nicht zugänglich, sondern unterliegt den in §§ 244 bis 256 StPO festgelegten Regeln des Strengbeweises. Diese sehen ausschließlich eine Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, Verlesung von Urkunden oder Einnahme eines Augenscheins (vgl. auch § 255a StPO) vor (vgl. Danckert NStZ 1985, 469; vgl. auch BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 – Ungeeignetheit 20). Dienstliche Äußerungen scheiden im Bereich des Strengbeweises als zulässige Beweismittel aus (vgl. Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 13 m.w.N.).
2. Entgegen der von Foth (MDR 1983, 716, 718) und Itzel (NStZ 1989, 383) vertretenen Auffassung handelt es sich bei dem persönlichen Eindruck, den ein beauftragter Richter bei einer kommissarischen Zeugenvernehmung von dem Zeugen gewinnt, auch nicht um eine gerichtsbekannte Tatsache, die einer förmlichen Beweiserhebung in der Hauptverhandlung nicht mehr bedürfte, sondern den Prozeßbeteiligten – zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfGE 10, 177) – in der Hauptverhandlung lediglich mitgeteilt werden müßte.
a) Nach der im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. nur RGSt 31, 185) vom Bundesgerichtshof entwickelten Definition ist gerichtskundig, was der Richter im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit zuverlässig in Erfahrung gebracht hat (BGHSt 6, 292, 293). Da mit der Annahme von Gerichtskundigkeit als Unterfall der Offenkundigkeit der Unmittelbarkeitsgrundsatz eingeschränkt wird, bedarf es innerhalb dieser weiten Definition jedoch weiterer Differenzierung. So soll einerseits vermieden werden, daß das Verfahren durch Beweiserhebungen über gerichtsbekannte Tatsachen in überflüssigen Formalismus ausartet. Von daher ist Gerichtskundigkeit unbedenklich auf Gebieten anzunehmen, die im Hintergrund des Geschehens stehen und gleichsam den Boden für die Verübung einer größeren Zahl gleichartiger Straftaten abgeben. Tatsachen von allgemein kennzeichnender Bedeutung, die in einer wesentlich unveränderten Weise immer wieder mit strafrechtlich zu beurteilenden Vorgängen verknüpft sind, brauchen nicht jeweils erneut durch eine Beweisaufnahme ermittelt zu werden (BGH aaO S. 295; vgl. weitere Nachweise bei Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß 5. Aufl. S. 550 Fußn. 150).
Andererseits darf aber der in § 261 StPO enthaltene Grundsatz, daß die Hauptverhandlung die alleinige Erkenntnisquelle des Tatrichters ist, nicht durch ein zu weitreichendes Verständnis der Gerichtskundigkeit in seinem Kern angetastet werden. Deswegen wird allgemein vertreten, daß alle unmittelbar erheblichen Tatsachen, die Einzelheiten der Tatausführung betreffen, stets in der Hauptverhandlung aufzuklären sind (BGHSt 6, 292, 295; 26, 56, 61; h. M.: vgl. nur Gollwitzer in Löwe-Rosenberg StPO 24. Aufl. § 244 Rdn. 231; Meyer-Goßner in Festschrift für Herbert Tröndle 1989 S. 551, 553; jeweils m.w.N.).
b) Auch für mittelbar erhebliche Tatsachen, die sich von unmittelbar erheblichen zudem nicht immer klar trennen lassen werden, darf aber nicht uneingeschränkt auf eine außerhalb der laufenden Hauptverhandlung durchgeführte Beweisaufnahme zurückgegriffen werden. Es kann dahinstehen, ob einzelfallbezogene Beweisergebnisse, die im anhängigen Verfahren von erkennenden Richtern außerhalb der Hauptverhandlung gewonnen worden sind, überhaupt als gerichtskundig behandelt werden dürfen (bejahend BGHSt 39, 239, 241 mit zust. Anm. Bottke NStZ 1994, 81; BGHSt 44, 4, 9; Foth aaO; a. A. für Beweisergebnisse aus einer früheren, ausgesetzten Hauptverhandlung Alsberg/Nüse/Meyer aaO S. 550 f.; Eisenberg, Beweisrecht der StPO 3. Aufl. Rdn. 28; Gollwitzer aaO Rdn. 230; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 52). Für knappe, leicht überschaubare Informationen, die einem Mitglied des erkennenden Gerichts in einem laufenden Verfahren „aufgedrängt” werden, bevor dieses das Gespräch abbrechen und den Informanten auf eine Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung verweisen kann (vgl. BGHSt 39, 239), mag dies zutreffen. Jedenfalls aber können Beweisergebnisse, die auf komplexen, ausschließlich auf den Einzelfall bezogenen Wahrnehmungen eines Richters beruhen und die für die Überführung des Angeklagten von wesentlicher Bedeutung sind, auch dann nicht als gerichtsbekannt behandelt werden, wenn sie „nur” mittelbar beweiserhebliche Indiztatsachen betreffen (vgl. Herdegen in KK aaO Rdn. 71; Eisenberg aaO Rdn. 27; Schlüchter in SK-StPO 9. Lfg. § 244 Rdn. 93). Solche Beweisergebnisse unterscheiden sich weder in ihrer Bedeutung für die Wahrheitsfindung noch in der Schwierigkeit ihrer Ermittlung grundlegend von Beweisergebnissen, die die Tatausführung selbst betreffen.
c) Dies gilt auch für Tatsachen, die einem beauftragten Richter anläßlich einer kommissarischen Zeugenvernehmung bekannt werden, und zwar gleichermaßen für Tatsachen, die sich auf den Inhalt der Zeugenaussage beziehen, wie für Tatsachen, die das Aussageverhalten des Zeugen und dessen Erscheinungsbild betreffen. Zwar läßt § 223 StPO eine Beweiserhebung außerhalb der Hauptverhandlung durch ein Mitglied des erkennenden Gerichts ausdrücklich zu. Sie dient jedoch zunächst ausschließlich der Beweissicherung. Der Urteilsfindung kann eine solche Vernehmung erst dann zugrunde gelegt werden, wenn sie in der verfahrensrechtlich gebotenen Weise in die Hauptverhandlung eingeführt wird.
aa) Hierfür sieht § 251 Abs. 1 StPO die Verlesung der über die Vernehmung gefertigten Niederschrift vor. Einer Anhörung des beauftragten Richters in der Hauptverhandlung bedarf es dagegen in aller Regel nicht. Beobachtungen des beauftragten Richters, die mit der kommissarischen Vernehmung in engem Zusammenhang stehen und die für die Beweiswürdigung, insbesondere die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen, von Bedeutung sein können, wie das Erscheinungsbild des Zeugen, Körpersprache, zögernde oder flüssige Aussage, oder erkennbare Emotionen des Zeugen sind Teil der prozessualen Vernehmung. Sie können in die Vernehmungsschrift aufgenommen und ohne Verstoß gegen § 250 StPO (vgl. nur RGSt 37, 213; zweifelnd Foth aaO) nach § 251 Abs. 1 StPO im Urkundenbeweis in die Hauptverhandlung eingeführt werden (BGHSt 2, 1, 3; BGH bei Holtz MDR 1977, 108; BGH NStZ 1983, 182; 1989, 382 mit krit. Anm. Itzel). Dies gilt auch für persönliche Eindrücke des beauftragten Richters, sofern die Anknüpfungstatsachen hierfür ebenfalls in die Niederschrift aufgenommen werden und dem erkennenden Gericht ermöglichen, insoweit etwa vorgenommene Wertungen einer eigenen Beurteilung zu unterziehen (vgl. Diemer in KK 4. Aufl § 251 Rdn. 20; Gollwitzer aaO § 223 Rdn. 34; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 223 Rdn. 24; Tolksdorf in KK 4. Aufl. § 223 Rdn. 22; a. A. Keller in AK-StPO § 223 Rdn. 17; Paulus in KMR 7. Aufl. § 223 Rdn. 37).
bb) Auch wenn der beauftragte Richter seine Beobachtungen nicht durch mündlichen Bericht als gerichtskundig in die Hauptverhandlung einbringen darf, sind daher gewichtige Aufklärungslücken durch sorgfältige Führung der Niederschrift über die kommissarische Vernehmung vielfach zu vermeiden (a. A. Itzel aaO). Findet – wie hier – im Ausland eine kommissarische Vernehmung statt, bei der ein Mitglied des erkennenden Gerichts anwesend ist, die Vernehmung aber nicht selbst führen darf, so hat dieser Richter zwar keinen unmittelbaren Einfluß auf den Inhalt der Vernehmungsniederschrift. In ähnlicher Weise, wie er durch Fragen, Vorhalte und Anregungen den protokollierten Aussageinhalt mitgestalten kann, wird es ihm jedoch regelmäßig auch möglich sein, den Konsularbeamten zur Protokollierung beweisrelevanten Aussageverhaltens des Zeugen zu veranlassen (vgl. Gollwitzer aaO § 223 Rdn. 40; von Weber in Festschrift für Helmut Mayer 1966 S. 525). Besteht eine solche Einflußmöglichkeit – etwa bei Vernehmungen durch den Hoheitsträger eines fremden Staates im Wege der ausländischen Rechtshilfe – nicht, so werden allerdings die einer kommissarischen Vernehmung als Erkenntnisquelle allgemein gesetzten Grenzen besonders deutlich. Sie ergeben sich zwangsläufig aus der Natur dieses Rechtsinstituts, das dadurch gekennzeichnet ist, daß die Vernehmung außerhalb der Hauptverhandlung und damit außerhalb der unmittelbaren Einflußnahme und Erkenntnismöglichkeit aller Prozeßbeteiligten durchgeführt wird. Daraus entstehende Defizite mögen verstärkt den nonverbalen Teil der Vernehmung betreffen, sind aber keineswegs auf diesen Bereich beschränkt. Sie in vollem Umfang auszugleichen, wäre selbst durch die protokollergänzende mündliche Erklärung eines Mitglieds des erkennenden Gerichts, das an der kommissarischen Vernehmung teilgenommen hat, nicht möglich. Eine solche mündliche Erklärung entgegen der Gesetzessystematik zuzulassen, besteht daher keine Veranlassung. Vielmehr ist dem eingeschränkten Erkenntniswert der kommissarischen Vernehmung bereits bei der Entscheidung über einen entsprechenden Beweisantrag Rechnung zu tragen; dieser kann – etwa bei der oben beschriebenen Situation – wegen Unerreichbarkeit und/oder Ungeeignetheit des Beweismittels abzulehnen sein (st. Rspr.; vgl. BGHSt 22, 118, 122; BGH StV 1981, 601; w.N. bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985, 14). Kommt dem Aussageverhalten des Zeugen eine vorhersehbar besondere Bedeutung zu, so kann das Gericht zudem in geeigneten Fällen anstelle der Beauftragung eines Mitglieds des erkennenden Gerichts mit der Teilnahme an der kommissarischen Vernehmung von der Möglichkeit einer audiovisuellen Zeugenvernehmung gemäß § 247a StPO Gebrauch machen (vgl. BGH StV 1999, 580 zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
cc) In der Regel besteht auch nicht die Gefahr, daß es in das Belieben der Prozeßbeteiligten gestellt wäre, den beauftragten Richter für Vorgänge im Rahmen der kommissarischen Vernehmung als Zeugen zu benennen, und ihn damit gemäß § 22 Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramts auszuschließen. Insoweit ist die Situation nicht anders als beispielsweise bei der Zeugenbenennung eines Mitglieds des erkennenden Gerichts, das an einer ausgesetzten Hauptverhandlung in gleicher Sache oder an einer gesondert geführten Verhandlung gegen andere Tatbeteiligte teilgenommen hat. Einem Mißbrauch des Beweisantragsrechts kann mit dem Instrumentarium des § 244 Abs. 3 StPO hinreichend begegnet werden, ohne daß es hierfür einer „besonderen Form der Gerichtskundigkeit” bedürfte. So besteht insbesondere die Möglichkeit, durch eine – in zulässiger Weise im Freibeweisverfahren eingeholte – dienstliche Äußerung des als Zeugen benannten Richters zu klären, ob mit dem Beweisantrag lediglich prozeßfremde Zwecke verfolgt werden und, wenn dies zutrifft, den Beweisantrag wegen Unzulässigkeit bzw. Prozeßverschleppung zurückzuweisen (vgl. BGHSt 7, 330, 331). Ergibt die dienstliche Äußerung, daß der Richter die in sein Wissen gestellten Tatsachen bestätigen könnte, so wird zu prüfen sein, ob nicht andere Personen, die ebenfalls an der kommissarischen Vernehmung teilgenommen haben, die behaupteten Tatsachen in gleicher Weise als Zeugen bekunden können. Erst wenn diese Möglichkeiten ausscheiden und wenn auch eine Wahrunterstellung nicht in Betracht kommt, kann es im Einzelfall erforderlich sein, den beauftragten Richter über eine streitige, beweiserhebliche Tatsache, über die sich die Vernehmungsniederschrift nicht verhält, förmlich als Zeugen zu hören mit der Folge, daß er in der Sache vom Richteramt ausgeschlossen wäre (vgl. hierzu Rissing-van-Saan MDR 1993, 310 ff.).
dd) Wollte das Landgericht – was sich nach den Urteilsgründen nicht unbedingt aufgedrängt hätte – in Ergänzung der Vernehmungsniederschrift Angaben über Auftreten und Aussageverhalten des Zeugen J. in die Hauptverhandlung einführen, so hätte dies hier beispielsweise durch eine zeugenschaftliche Vernehmung des Konsularbeamten oder der diesem zugewiesenen Rechtsreferendare erfolgen können. Die Entgegennahme einer entsprechenden mündlichen Erklärung des zum beauftragten Richter bestellten Berichterstatters verstieß dagegen gegen § 261 StPO. Auf dieser Rechtsverletzung beruht das Urteil auch, da das Landgericht die vom Berichterstatter geschilderten Eindrücke seiner Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen J. ausdrücklich zugrunde gelegt hat.
IV.
Der neue Tatrichter wird die vom Senat in Fall 1 der Urteilsgründe (Steuerhinterziehung für das Jahr 1987) im Hinblick auf die insoweit eingetretene Verjährung der Umsatzsteuerhinterziehung vorgenommene Beschränkung auf die tateinheitlichen Vorwürfe der Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuer zu beachten haben.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Nack, Tepperwien, Raum
Fundstellen
Haufe-Index 540994 |
BGHSt |
BGHSt, 354 |
NJW 2000, 1204 |
EBE/BGH 2000, 10 |
JR 2001, 120 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 279 |
wistra 2000, 148 |
wistra 2000, 231 |
JA 2000, 751 |
StV 2000, 121 |
StraFo 2000, 87 |