Leitsatz (amtlich)
Bei einer aufgeschobenen Rentenversicherung verspricht der Versicherer mit einer Klausel „Bei Tod des Versicherten vor Rentenbeginn werden die Beiträge zurückgewährt” eine Versicherungsleistung.
Normenkette
vor VVG § 159
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.03.1995) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 27.01.1994) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. März 1995 aufgehoben und das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Januar 1994 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückgewähr von Beiträgen zu einer Rentenversicherung in Höhe eines Gesamtbetrages von 18.696,60 DM in Anspruch.
Der Vater des Klägers schloß als Maßnahme der betrieblichen Altersversorgung im Dezember 1984 bei der Beklagten eine „aufgeschobene Rentenversicherung” zugunsten der bei ihm beschäftigten Frau H. B. ab. Nach Maßgabe des Versicherungsscheins vom 14. Januar 1985 hatte der Vater des Klägers als Versicherungsnehmer monatliche Beiträge in Höhe von 198,90 DM zu leisten; der Ablauf der Beitragszahlung und der Beginn der Rentenzahlung waren auf den 1. Dezember 1993 bestimmt, den Beginn des Monats, in dem die versicherte Frau B. das 65. Lebensjahr vollenden sollte. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung” der Beklagten zugrunde. Eine im Versicherungsschein enthaltene „Tarifbeschreibung” lautet wie folgt:
„Aufgeschobene Rentenversicherung mit laufender Beitragszahlung und Kapitalwahlrecht. Die Versicherungsleistung wird fällig, wenn der Versicherte den Beginn der Rentenzahlung erlebt. Die Rente wird bis zum Tode des Versicherten, mindestens jedoch für 5 Jahre (Rentengarantie) gezahlt. Bei Tod des Versicherten vor Rentenbeginn werden die Beiträge zurückgewährt.”
Nach Maßgabe einer vom Versicherungsnehmer und der Versicherten unterzeichneten Zusatzerklärung zum Antrag auf Abschluß der Versicherung vom 19. Dezember 1984, auf die im Versicherungsvertrag Bezug genommen wird, wurde die Versicherte – unter näher beschriebenen Vorbehalten – als aus der auf ihr Leben genommenen Versicherung sowohl für den Todes – als auch für den Erlebensfall unwiderruflich bezugsberechtigt erklärt. Die Versicherte verpflichtete sich, das Bezugsrecht nicht zu übertragen und zu beleihen.
Der zwischenzeitlich verstorbene Versicherungsnehmer ist vom Kläger beerbt worden. Die Versicherte starb am 18. September 1992; sie ist von ihrem Sohn beerbt worden.
Die Beklagte zahlte nach dem Tod der Versicherten die vereinnahmten Beiträge und Überschußanteile an deren Sohn aus.
Der Kläger meint, der Anspruch auf Rückgewähr der Beiträge stehe dem Versicherungsnehmer, mithin ihm als dessen Erben zu. Der Versicherungsfall sei nicht eingetreten, weil die Versicherte den Beginn der Rentenzahlung nicht erlebt habe. Nach Maßgabe der im Versicherungsvertrag wiedergegebenen Tarifbeschreibung sei die Beklagte daher verpflichtet, die geleisteten Beiträge an den Versicherungsnehmer zurückzugewähren. Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, die versprochene Beitragsrückgewähr für den Fall des Todes des Versicherten vor Rentenbeginn stelle eine Todesfalleistung des Versicherers dar. Sie stehe demgemäß der Bezugsberechtigten bzw. dem für deren Tod Benannten, hier dem Sohn der Versicherten als deren Erben zu.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel der Beklagten hat Erfolg. Es führt zur Abweisung der Klage.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte sei verpflichtet, die bis zum Tode der Versicherten geleisteten Beiträge an den Kläger zurückzuzahlen. Das folge aus der Regelung im Versicherungsvertrag, wonach bei Tod des Versicherten vor Rentenbeginn die Beiträge „zurückzugewähren” seien. Ein bei der Beklagten möglicherweise vorhandener Wille, die Beitragsrückgewähr als Todesfalleistung im Rahmen einer mit der Leibrentenversicherung verbundenen Risiko-Todesfallversicherung zu konstruieren, habe in den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen keinen ausreichenden Niederschlag gefunden. Die Tarifbeschreibung sei so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer verstehen müsse. Diesem erscheine die Zusage der Beitragsrückgewähr aber als Rückabwicklung des Versicherungsverhältnisses für den Fall, daß der Zweck der Versicherung – Altersversorgung des Arbeitnehmers – wegen dessen vorzeitigen Todes nicht mehr erreicht werden könne. Der Versicherungsfall sei in der Tarifbeschreibung dahin definiert, daß der Versicherte den Beginn der Rentenzahlung erlebe. Daß es daneben noch einen weiteren Versicherungsfall geben solle, sei Wortlaut und Sinnzusammenhang nicht zu entnehmen. Diesem Verständnis der Tarifbeschreibung stehe auch nicht entgegen, daß die vom Arbeitgeber aufgebrachten Versicherungsbeiträge als Bestandteile des Lohnes des versicherten Arbeitnehmers anzusehen seien.
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Mit der Zusatzerklärung vom 19. Dezember 1984, die sich auf den zwischen dem Vater des Klägers und der Beklagten geschlossenen Rentenversicherungsvertrag bezieht, hat der Vater des Klägers als Versicherungsnehmer wirksam die Versicherte als aus diesem Vertrag für den Todes- und Erlebensfall Bezugsberechtigte bezeichnet. Einen späteren Wegfall dieses Bezugsrechts der Versicherten aufgrund der in der Zusatzerklärung angeführten Vorbehalte hat der Kläger nicht geltend gemacht. Ist mit dem Rentenversicherungsvertrag eine Versicherungsleistung auch für den Fall des Todes des Versicherten vor Rentenbeginn versprochen worden, steht der Anspruch auf eine solche Todesfalleistung demgemäß unmittelbar dem Bezugsberechtigten oder dessen Erben, nicht aber dem Versicherungsnehmer zu (vgl. § 13 Nr. 1 der Bedingungen der Beklagten; § 166 Abs. 2 VVG). Davon ist im vorliegenden Falle entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auszugehen.
b) Ob die Beklagte auch für den Fall des Todes des Versicherten vor Rentenbeginn eine Versicherungsleistung versprochen hat, ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag und den diesem zugrundeliegenden Bedingungen. Maßgeblich ist hier vor allem die in den Versicherungsschein aufgenommene „Tarifbeschreibung” der Beklagten. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, diese „standardisierte” Tarifbeschreibung sei unter Berücksichtigung der Grundsätze auszulegen, die vom Senat für die Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen entwickelt worden seien. Es komme demgemäß darauf an, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen müsse. Dem ist im Ausgangspunkt und hinsichtlich des Auslegungsmaßstabes (BGHZ 123, 83, 85) zuzustimmen.
Die Tarifbeschreibung dient im vorliegenden Falle der Konkretisierung der Rechte und Pflichten der Parteien des Rentenversicherungsvertrages. Über eine bloße Tarifbezeichnung hinaus enthält sie dazu allgemein geltende, den Vertragsinhalt näher bestimmende Regelungen für jeden Vertrag, mit dem eine „aufgeschobene Rentenversicherung mit laufender Beitragszahlung und Kapitalwahlrecht” genommen wird. Das gilt sowohl für die Regelung der Fälligkeit der Versicherungsleistung, wenn der Versicherte den (zuvor festgelegten) Beginn der Rentenzahlung erlebt. Es gilt ebenso für die weiterhin geregelte Rentengarantie und schließlich auch für die Bestimmung, wonach bei Tod des Versicherten vor Rentenbeginn die Beiträge zurückgewährt werden (vgl. dazu auch die Tarifbeschreibung R 1 im Mustergeschäftsplan für die Rentenversicherung, VerBAV 1979, 84, 85). Neben den „Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung” der Beklagten ergänzen auch diese Regelungen jeden einzelnen Versicherungsvertrag, der eine Rentenversicherung der genannten Art, dieses Tarifs, zum Gegenstand hat. Demgemäß sind auch die in der Tarifbeschreibung enthaltenen Bestimmungen wie Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen (vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 1992 – IV ZR 213/91 – VersR 1992, 950 unter II, 2, a) und wie solche auszulegen.
c) Gegen die Auslegung der Tarifbeschreibung durch das Berufungsgericht wendet sich die Revision mit Recht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts macht deren Inhalt einem verständigen Versicherungsnehmer hinreichend deutlich, daß die Beitragsrückgewähr bei Tod des Versicherten in der Aufschubzeit eine vom Versicherer versprochene Todesfalleistung darstellt.
Auch bei Abschluß eines Vertrages über eine aufgeschobene Rentenversicherung geht der Versicherungsnehmer – wie regelmäßig bei einem Versicherungsvertrag – davon aus, daß er an den Versicherer Beiträge zu leisten hat, um als Gegenleistung bei Verwirklichung bestimmter Risiken Versicherungsschutz zu erlangen. Mit den Beiträgen der Versicherungsnehmer soll es dem Versicherer ermöglicht werden, finanzielle Mittel anzusammeln, um so die im Versicherungsfall erstrebten Leistungen, den versprochenen Versicherungsschutz, sicherzustellen. Mit einem Rückfluß der auch von ihm aufgebrachten, vom Versicherer angesammelten Mittel wird der Versicherungsnehmer in der Regel daher auch nur dann rechnen, wenn sich ein versichertes Risiko verwirklicht hat. Schon deshalb legt allein die Formulierung in der Tarifbeschreibung, wonach der Versicherer bei Tod des Versicherten vor Rentenbeginn die Beiträge „zurückgewährt”, auch nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers noch nicht nahe, daß unter der hier geregelten Voraussetzung eine Rückabwicklung des Versicherungsverhältnisses erfolgen soll. Vielmehr wird das Verständnis des Versicherungsnehmers eher – und in der Regel zutreffend – dadurch geprägt, daß er die von ihm erbrachten Beitragsleistungen als „verloren” betrachtet, wenn sich ein versichertes Risiko nicht mehr verwirklichen kann, so also auch dann, wenn im Rahmen einer aufgeschobenen Rentenversicherung der Versicherte den vereinbarten Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht erlebt. Schon vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer die zugesagte Beitragsrückgewähr „bei Tod des Versicherten vor Rentenbeginn” nicht als Folge einer Rückabwicklung des Versicherungsvertrages begreifen, sie wird sich ihm vielmehr als weitere Leistung des Versicherers neben der versprochenen Rente im Erlebensfall darstellen, wobei die Leistungspflicht des Versicherers hier an den Tod des Versicherten anknüpft. Ein solches Verständnis wird dadurch bestätigt, daß auch bei Tod des Versicherten vor Ablauf von fünf Jahren nach Rentenbeginn dessen Hinterbliebene begünstigt werden.
Der Umstand, daß in der Tarifbeschreibung nur hinsichtlich der versprochenen Rentenleistung die Formulierung „Die Versicherungsleistung wird fällig …” gebraucht wird, muß dieses Verständnis nicht in Frage stellen. Bei einer Rentenversicherung geht es zunächst und in erster Linie um die auf Erbringung einer Rente gerichtete Leistungspflicht des Versicherers. Wenn deshalb nur in diesem Zusammenhang von einer „Versicherungsleistung” die Rede ist, kann dem noch nicht entnommen werden, daß der Versicherer deshalb an andere Voraussetzungen geknüpfte Versicherungsleistungen nicht versprechen will. Das gilt um so mehr, als es nur bei der angesprochenen Rentenleistungspflicht einer Bestimmung der Fälligkeit dieser Versicherungsleistung bedurfte, eine Leistungspflicht im Todesfall dagegen ohnehin durch den Tod des Versicherten ausgelöst wird. Die Tarifbeschreibung ermöglicht daher dem Versicherungsnehmer ein Verständnis der mit ihr getroffenen Regelungen dahin, daß auch für den Fall des Todes in der Aufschubzeit eine Versicherungsleistung in Höhe der bis dahin geleisteten Beiträge – also eine Todesfalleistung – versprochen wird.
Die Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung der Beklagten bestärken den Versicherungsnehmer darin. Sie enthalten Regelungen, die ihn darauf hinweisen, daß Gegenstand der Rentenversicherung auch Versicherungsleistungen für den Todesfall sein können. So wird unter § 9 der Bedingungen („Was ist zu beachten, wenn eine Versicherungsleistung verlangt wird?”) u.a. auch geregelt, welche Nachweise zu erbringen sind, wenn „für den Todesfall eine Leistung vereinbart” ist. Auch für den Fall der Kündigung, die nach § 4 Abs. 1 der Bedingungen nur vor dem vereinbarten Rentenbeginn zulässig ist, wird für danach verbleibende Ansprüche des kündigenden Versicherungsnehmers darauf abgestellt, ob für den Todesfall eine Leistung vereinbart ist oder nicht (§ 4 Abs. 3 und 5 der Bedingungen). Hat der Versicherungsnehmer aber damit zur Kenntnis genommen, daß auch das Versprechen von Todesfalleistungen Bestandteil der von ihm genommenen Rentenversicherung sein kann, wird er sich in der Annahme bestätigt sehen, daß die „für den Tod des Versicherten vor Rentenbeginn” zugesagte Leistung eine solche Todesfalleistung darstellt.
d) Daß die Beklagte mit der von ihr vorgegebenen Tarifbeschreibung eine Todesfalleistung versprechen wollte, verkennt auch das Berufungsgericht nicht. Die Tarifbeschreibung steht in Übereinstimmung mit dem Tarif R 1 des Mustergeschäftsplanes für die Rentenversicherung (VerBAV 1979, 84), der so angelegt ist, daß bei Tod des Versicherten während der Aufschubzeit eine Todesfalleistung in Höhe der eingezahlten Beiträge gezahlt wird (vgl. Braa, VerBAV 1979, 126). Der Versicherungsvertrag mit der Beklagten hat insoweit also (auch) eine mit der Leibrentenversicherung verbundene Todesfallversicherung mit steigender Versicherungssumme zum Inhalt (vgl. Eisenecker, Versorgungsausgleich und Privatversicherungsrecht, S. 25ff.; Brück/Möller/Winter, Lebensversicherung 8. Aufl. Anm. G 255ff.). Der daraus mit dem Tod der Versicherten entstandene Anspruch auf die Todesfalleistung steht nach der Zusatzerklärung vom 19. Dezember 1984 dem Bezugsberechtigten, nicht aber dem Versicherungsnehmer zu.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Dr. Zopfs, Dr. Ritter, Terno, Seiffert
Fundstellen
Haufe-Index 1683277 |
Nachschlagewerk BGH |