Leitsatz (amtlich)
Die in einem formularmäßigen„Anschließungsvertrag für Breitbandkabelanschlüsse” an das Rundfunk- und Fernsehnetz enthaltene Klausel
„dieser Vertrag wird über eine Mindestdauer von 144 Monaten abgeschlossen” benachteiligt den Anschlußnehmer nicht unangemessen im Sinne von § 9 AGBG.
Normenkette
AGBG §§ 9, 13
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. Februar 1991 teilweise aufgehoben und das Teilanerkenntnis- und Schlußurteil des Landgerichtes Mainz vom 25. Februar 1988 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung – teilweise abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen, soweit sie
- die Klausel unter Ziffer I Nr. 5 (Laufzeitklausel) des Entscheidungsausspruchs des landgerichtlichen Urteils und
- die Klausel unter Ziffer I Nr. 1 (Widerrufsklausel) für die Fälle betrifft, die nicht unter das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften fallen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden der Beklagten zu 13/20 und dem Kläger zu 7/20, die der Berufung der Beklagten zu 3/5 und dem Kläger zu 2/5 und die der Revision der Beklagten zu 3/8 und dem Kläger zu 5/8 auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, der nach seiner Satzung Verbraucherinteressen wahrnimmt und gegen unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgeht.
Die Beklagte wurde im Rahmen eines Modellversuchs aufgrund eines „Kooperationsvertrages” von der Deutschen Bundespost beim Errichten und Betreiben von Breitbandverteilanlagen für das Rundfunk- und Fernsehkabelnetz beteiligt und erhielt auf die Dauer von zunächst 12 Jahren des ausschließliche Recht übertragen, im Raum Mainz Anschlüsse an das Netz zu vermarkten und die Anschlüsse Interessenten gegen Entgelt zu überlassen. Bei ihren Vertragsabschlüssen mit Anschlußinteressenten, die sie teilweise bei Haustürgeschäften gewann, verwandte die Beklagte einen formularmäßigen „Anschließungsantrag für Breitbandkabelanschlüsse”, der mehrere Klauseln enthält, die der Kläger beanstandete.
Nachdem die Beklagte es abgelehnt hatte, eine ihr von dem Kläger übersandte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, nahm sie dieser auf Unterlassung in Anspruch, sechs der beanstandeten Klauseln oder solche inhaltsgleicher Art zu verwenden oder sich bei der Abwicklung von Vertragsverhältnissen auf sie zu berufen.
Sie lauteten – soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse – unter anderem:
Nr. 1 des Klageantrags: „Der Antragsteller ist darüber unterrichtet worden, daß er diesen Vertrag innerhalb einer Woche vom Datum der Unterschriftsleistung an schriftlich bei der S. AG …widerrufen kann. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.”
Nr. 5 des Klageantrags:„Dieser Vertrag wird über eine Mindestdauer von 144 Monaten abgeschlossen.”
Die übrigen Klauseln betrafen: Kosten unbegründeter Inanspruchnahme (Nr. 2 des Antrags), Kosten für Beseitigung von Störungen (Nr. 3 des Antrags), Gebühren für Erweiterung des Leistungsangebots (Nr. 4 des Antrags) und Datenschutz (Nr. 6 des Antrags).
Zur Klausel Nr. 5 enthielten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite folgende weitere Regelung:
„Der Anschlußnehmer kann das Vertragsverhältnis jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende kündigen, erstmals jedoch nach Ablauf von 12 Monaten.
Zur Abdeckung der durch die S. AG finanzierten Postanschlußgebühr, Vorlaufkosten und Installationskosten ist bei vorzeitiger Kündigung des Vertragsverhältnisses für jedes nicht voll in Anspruch genommene Jahr der Mindestüberlassungsdauer eine Abstandszahlung von vier Monatsgebühren fällig. Bei Übernahme des Vertrages durch eine dritte Person entfällt die Abstandszahlung. „
Die Beklagte erkannte den Klageanspruch bezüglich der Klausel Nr. 3 an.
Durch Teilanerkenntnis- und Schlußurteil gab das Landgericht dem Klagebegehren – ausgenommen die Verwendung der streitigen Klauseln gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes – antragsgemäß statt. Die Beklagte griff das Urteil an, soweit ihr die Verwendung der Klauseln unter Nr. 1, Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6 untersagt wurde. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision hat die Beklagte ihr zweitinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Der Senat hat die Revision angenommen, soweit die Berufung gegen Ziffer I Nr. 5 des Entscheidungssatzes des landgerichtlichen Urteils (Klausel Nr. 5) in vollem Umfang und gegen Ziffer I Nr. 1 des Entscheidungssatzes (Klausel Nr. 1) insoweit zurückgewiesen wurde, als die Verurteilung auch nicht unter das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HTürGG) fallende Geschäfte betrifft. Im übrigen hat der Senat die Annahme der Revision abgelehnt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Umfang ihrer Annahme durch den Senat Erfolg.
Die Klagebefugnis des Klägers nach § 13 Abs., 2 Nr. 1, Abs. 3 AGBG sowie die Wiederholungsgefahr (vgl. Wolf/Horn/Lindacher AGBG 2. Aufl. § 13 Rdn. 38f.) stehen ebensowenig in Frage wie die Tatsache, daß es sich bei den von der Beklagten verwendeten Klauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG handelt, die in den Schranken des § 8 AGBG der – auch abstrakten (vgl. § 13 AGBG) – Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG unterliegen.
Das Berufungsgericht hat die beanstandeten Klauseln insgesamt für unwirksam erklärt. Dagegen erhebt die Revision, soweit die Klauseln unter Nr. 1 und Nr. 5 betroffen sind, zu Recht Bedenken.
I. Klausel Nr. 1/Widerrufsklausel:
1. Zur Begründung seiner Entscheidung über diese Klausel hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Klausel falle unter die Unwirksamkeitsregelung nach § 11 Ziff, 15 Buchst. b AGBG, nach der Klauseln unwirksam seien, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändere, insbesondere indem er diesen bestimmte Tatsachen bestätigen lasse. Mit der beanstandeten Klausel versuche die Beklagte, die Beweislastregel nach § 2 Abs. 2 HTürGG für die im sogenannten Haustürgeschäft gewonnenen Anschlußkunden zu ändern. Derartige Geschäfte würden gemäß § 1 HTürGG erst wirksam, wenn der Kunde sie nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerrufe, wobei der Lauf der Frist gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes erst nach Aushändigung einer schriftlichen Belehrung über das Recht zum Widerruf beginne. Bei Streit darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt die Belehrung ausgehändigt worden sei, treffe die Beweislast gemäß § 2 Abs. 2 HTürGG die andere Partei. Hier lasse sich die Beklagte von ihren Anschlußinteressenten bestätigen, daß sie über ihr Widerrufsrecht belehrt worden seien. Das führe zur Unwirksamkeit der Klausel. Denn schon in dem Versuch des Verwenders, die Beweisposition des Kunden zu verschlechtern, indem er – wie hier – durch eine von dem Kunden „gegen sich selbst” ausgestellte Bestätigung seiner Beweislast zu genügen trachte, liege anerkanntermaßen eine Änderung der Beweislast. Dabei sei für die zu treffende Entscheidung unbeachtlich, daß die Beklagte in ihrem angeblich seit Januar 1987 ausschließlich verwendeten Formular die drucktechnische Anordnung der Klausel geändert habe, und ob diese neu gestaltete Klausel den Anforderungen des § 2 Abs. 1 HTürGG genüge. Auch mit der neu gestalteten, sonst inhaltsgleichen Klausel versuche die Beklagte nämlich, ihre gesetzliche Beweisposition gemäß § 2 Abs. 2 HTürGG zu Lasten des Anschlußkunden zu ändern.
Demgegenüber sei der Einwand der Beklagten unbeachtlich, daß das ihren Kunden eingeräumte Widerrufsrecht eine freiwillig zugestandene Vergünstigung darstelle. Da die Beklagte zugestandenermaßen Anschlußkunden auch im Haustürgeschäft gewinne und die Klausel auch diesen Kunden gegenüber verwende, sei unerheblich, ob sie anderen, nicht im Haustürgeschäft gewonnenen Kunden freiwillig ein Widerrufsrecht einräume.
2. Hiermit hat das Berufungsgericht die Unwirksamkeit der Klausel rechtsfehlerhaft auch auf solche Verträge erstreckt, die nicht unter das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften fallen.
a) Liegen die Voraussetzungen des § 13 AGBG nur für eine bestimmte ausgliederbare Gruppe von Rechtsgeschäften vor, so ist das Klauselverbot gemäß § 17 Nr. 2 AGBG entsprechend zu beschränken (BGHZ 95, 350, 356 m.w.N.; vgl. auch Wolf/Horn/Lindacher a.a.O. § 17 Rdn. 5). Das ist hier der Fall. Da die von dem Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften erfaßten Rechtsgeschäfte in § 1 Abs. 1 des Gesetzes im einzelnen beschrieben sind, lassen sie sich – ohne Schwierigkeit – aus der Gesamtheit der von der Beklagten abgeschlossenen Geschäfte ausgliedern.
b) Soweit Verträge, die die Beklagte mit Anschlußinteressenten abschließt, nicht unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HTürGG zustande kommen, enthält die auch in diesen Fällen vereinbarte Widerrufsregelung keine unwirksame Klausel im Sinne des AGBG – auch das Berufungsgericht nimmt das nicht an. Der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG – mit der Möglichkeit einer sich danach ergebenden Unwirksamkeit – unterliegen gemäß § 8 AGBG (nur) – konstitutive – Vertragsregelungen, die den Vertragspartner des Verwenders benachteiligen (BGHZ 91, 55, 61; 95, 350, 353; 100, 157, 178; 105, 160, 167), wobei diejenigen Vereinbarungen konstitutiv wirken, in denen die Klauseln nach ihrem Wortlaut und Textzusammenhang inhaltlich von der gesetzlichen Regelung abweichen (BGHZ 95 a.a.O.). Steht einem Vertragspartner der Beklagten aber kraft Gesetzes – an sich – kein Recht zum Widerruf seiner Vertragserklärung zu, so ist der Regelungscharakter der Klausel Nr. 1 für diese Fälle – im Sinne einer konstitutiven Vertragserklärung – darin zu sehen, daß sie dem Kunden gleichwohl ein einwöchiges Widerrufsrecht einräumt. Damit wird der Kunde durch die Klausel nicht benachteiligt, sondern im Gegenteil begünstigt.
Ein Verstoß gegen das AGBG liegt mithin insoweit nicht vor.
II. Klausel Nr. 5/Laufzeitklausel:
1. Die Unwirksamkeit dieser Klausel hat das Oberlandesgericht aus folgenden Erwägungen hergeleitet: Die Klausel beeinträchtige den Anschlußkunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei daher gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
Zwar falle ein Dauerschuldverhältnis mit mietvertraglichem Charakter, wie es hier vorliege, weil der von der Beklagten hergestellte Hausanschluß in deren Eigentum verbleibe, aufgrund seines Leistungsinhalts nicht unter die Regelung des § 11 Nr. 12 Buchst. a AGBG, nach der Laufzeitklauseln mit mehr als zweijähriger Bindung unwirksam seien. Daher werde ein Anschlußkunde der Beklagten allein durch die für das Vertragsverhältnis festgelegte Mindestdauer von 144 Monaten (12 Jahren) nicht unangemessen benachteiligt. Die Klausel über die Mindestdauer könne aber nicht isoliert von der weiteren Bestimmung gesehen werden, daß der Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende, erstmals nach Ablauf von 12 Monaten, vorzeitig kündbar sei, wobei der Anschlußnehmer für jedes nicht in Anspruch genommene Jahr der Mindestüberlassungsdauer eine Abstandszahlung in Höhe von vier Monatsgebühren leisten müsse. Hierdurch werde der Kunde bei vorzeitiger Kündigung mit der Verpflichtung zu einer nicht unerheblichen Abstandszahlung belastet, obwohl das Vertragsverhältnis nicht mehr bestehe und er die Anlage nicht mehr nutze. Das führe in zweifacher Hinsicht zu einer unangemessenen, den Geboten von Treu und Glauben widersprechenden Benachteiligung des Anschlußnehmers: Zum einen wälze die Beklagte mit dieser Regelung das Risiko, daß sich die Kosten des Anschlusses nicht amortisierten, einseitig oder jedenfalls zu einem erheblichen Teil auf den Kunden ab, der auf diese Weise maßgeblich an dem typischen Investitionsrisiko des Unternehmers beteiligt werde. Zum anderen werde das Recht des Kunden, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen, durch die vor Ablauf von 12 Jahren zu zahlende Abstandssumme unangemessen erschwert. Dieses Recht werde zwar durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die nichts über ein außerordentliches Kündigungsrecht besagten, nicht ausgeschlossen. Die Bedingungen enthielten aber auch keinen Hinweis darauf, daß im Falle einer (berechtigten) außerordentlichen Kündigung des Vertrages durch den Kunden vor Ablauf von 12 Jahren die Regelung über die Abstandszahlungen nicht eingreife. Dadurch könne der Kunde davon abgehalten werden, von dem Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund Gebrauch zu machen, da er den Eindruck gewinnen könne, die Abstandszahlungen seien auch in diesem Fall zu leisten. Insoweit sei im Rahmen der abstrakten Prüfung der Wirksamkeit der Klausel gemäß § 13 AGBG von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen (BGHZ 95 a.a.O.). Auch unter diesem Gesichtspunkt würden die Interessen der Anschlußkunden der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt.
2. Hiergegen erhebt die Revision zu Recht Bedenken.
a) Das Klauselverbot des § 11 Nr. 12 Buchst. a AGBG steht, wie auch das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, wegen des mietvertraglichen Charakters der von der Beklagten geschlossenen Anschließungsverträge der Wirksamkeit der darin enthaltenen Laufzeitregelung über 144 Monate (12 Jahre) nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1985 – VIII ZR 154/84 = NJW 1985, 2328; BGHZ 90, 280, 283, 284; Wolf/Horn/Lindacher a.a.O. § 11 Nr. 12 Rdn. 8).
b) Auch wenn das Verbot des § 11 Nr. 12 Buchst. a AGBG nicht eingreift, ist die Laufzeitregelung gleichwohl an der Generalklausel des § 9 AGBG zu messen (BGHZ 90 a.a.O. m.w.N.).
Die 12jährige Vertragsbindung beeinträchtigt die Kunden der Beklagten indessen nicht unangemessen im Sinne dieser Vorschrift. Als unangemessen im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Klausel beurteilt, in der der Verwender mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; ein wesentliches Indiz dafür ist die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen, soweit sie dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleihen (BGHZ a.a.O.; BGH, Urteil vom 13. Februar 1985 a.a.O. S. 2328).
Gesetzliche Bestimmungen, die die Länge der Vertragsdauer beschränken, gibt es nicht. Miet- und mietähnliche Verträge sind zudem als typische Dauerschuldverhältnisse nach der Natur der Sache üblicherweise auf eine längere Vertragszeit angelegt (vgl. etwa § 567 Satz 1 BGB). Daher stellt sich eine mehrjährige Bindung in einem Vertrag mit mietrechtlichem Charakter – allein im Hinblick auf die langjährige Bindung des Vertragspartners – grundsätzlich nicht als unangemessene Benachteiligung des anderen Teils dar. Für die in ähnlicher Weise ebenfalls langfristig angelegten Verträge über die Belieferung mit Fernwärme hat der Bundesgerichtshof bereits eine fast 20jährige Mindestlaufzeit – auch gemessen an den Bestimmungen des Gesetzes Über Allgemeine Geschäftsbedingungen – für nicht unvertretbar gehalten (BGHZ 100, 1ff.; vgl. auch BGHZ 64, 288ff.). In dem bereits erwähnten Urteil vom 13. Februar 1985 über die Überlassung einer Fernsprechnebenstellenanlage, die wie der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Vertrag als Mietverhältnis behandelt wurde, ist eine 10jährige Bindung des Kunden nicht als unangemessene Benachteiligung angesehen worden. Dabei handelte es sich zwar um den kaufmännischen Verkehr. Im nicht-kaufmännischen Verkehr muß jedoch wegen der Parallelität der Interessenlage das gleiche gelten (vgl. Löwe – von Westphalen – Trinkner, AGB Bd. III 2. Aufl. 5.41.2-8 Rdn. 10). Der Bundesgerichtshof hat in jenem Urteil ausgeführt, daß die „Länge der Vertragslaufzeit den anerkennenswerten Interessen des Vermieters” entspreche, der hohe Entwicklungs- und Vorhaltekosten aufwenden müsse, die sich nur bei längerer Vertragsdauer amortisierten. Ähnlich liegen die Verhältnisse auch hier. Die Klägerin hebt zwar in der Revisionserwiderung die mit den technischen Besonderheiten einer Fernsprechnebenstellenanlage einerseits und eines Breitband-Kabelanschlusses für den Rundfunk- und Fernsehempfang andererseits verbundene unterschiedliche Kostensituation der jeweiligen „Anbieter” hervor und macht dazu geltend, im privatwirtschaftlichen Bereich der Breitbandverkabelung gebiete es die Wahrung der Interessen des Anbieters (als Klauselverwender) nicht zwingend, Verträge mit 12jähriger Vertragsdauer abzuschließen. Das begründet jedoch nicht eine Unangemessenheit der hier betroffenen Laufzeitklausel. Auch wenn die Interessen der Beklagten nicht „zwingend” eine 12jährige Vertragsbindung ihrer Anschlußnehmer „gebieten” sollten, ließe dies (noch) nicht auf eine mißbräuchlich einseitige Durchsetzung eigener Interessen der Beklagten schließen. Diese hat bei Abschluß eines Teilnehmervertrages mit einem Kunden die Anschlußgebühr an die Post zu zahlen; außerdem muß sie den Anschluß selbst oder durch Fachfirmen auf ihre Kosten erstellen (lassen) und die zu errichtenden Kabelanlagen vorfinanzieren und vorhalten sowie schließlich für die Dauer der Laufzeit die Fernmeldegebühren an die Post abführen. Dies verursacht erhebliche Investitionskosten, die sich erst nach entsprechend langer Vertragsdauer amortisieren. Den Interessen des Anschlußkunden der Beklagten kommt diese Art der Vertragsgestaltung insofern entgegen, als er insbesondere weder die Einmalanschlußgebühr an die Post entrichten noch bei Einrichtung des Anschlusses die hierfür erforderlichen nicht unerheblichen Kosten zu tragen hat. Auch auf diesem Hintergrund erscheint die 12jährige vertragliche Bindung des Anschlußkunden nicht als unangemessen.
Die Laufzeitklausel verstößt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb gegen § 9 AGBG, weil sie nicht ausdrücklich die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses vorsieht. Zwar kann das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses durch AGB grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden (BGH, Urteil vom 26. Mai 1986 – VIII ZR 218/85 = NJW 1986, 3134 m.w.N.). Auch ist, wie vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt, im Verfahren nach § 13 AGBG von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen, um dem Verwender jede Möglichkeit zu nehmen, sich etwa außerprozessual gegenüber seinem Vertragspartner mit Erfolg auf eine mögliche und nach §§ 9ff. AGBG unwirksame Klauseldeutung zu berufen (BGHZ 95 a.a.O.; 105, 160, 167). Gleichwohl rechtfertigen völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs ernstlich nicht zu befürchten ist, auch im Verfahren nach § 13 AGBG kein Klauselverbot (BGHZ 91, 55, 61; BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 – XI ZR 72/90 = BGHR AGBG § 13 Abs. 1 Auslegung 2).
Um eine solche Konstellation handelt es sich hier: Die Annahme, daß durch die Regelung der Laufzeitklausel mit der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses zugleich das außerordentliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund geregelt werden sollte, und zwar, da es in der Klausel nicht erwähnt wird, in dem Sinn, daß es ausgeschlossen sein sollte, kommt ernstlich nicht in Betracht. Das Recht zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund folgt aus dem allgemeinen Prinzip von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 26. Mai 1986 a.a.O.) und greift als Ausfluß dieses Prinzips bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unabhängig davon ein, ob es in dem Vertrag ausdrücklich geregelt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1985 a.a.O. S. 2328, 2329). Es besteht daher grundsätzlich keine Veranlassung, das außerordentliche Kündigungsrecht gemäß § 242 BGB im Rahmen der Regelung der normalen Laufzeit eines Vertrages ausdrücklich aufzuführen, zumal auch das Bürgerliche Gesetzbuch selbst keine dahingehende spezielle Regelung enthält.
Das bedeutet für die hier beanstandete Klausel über die Laufzeit des Anschlußvertrages einschließlich der darin vorgesehenen ordentlichen Kündigungsmöglichkeit, daß sie nur die „normale” störungsfreie Vertragsdurchführung regeln soll und das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach der Natur der Sache unberührt läßt. In diesem Sinn macht auch die Revision zutreffend geltend, es sei „eine pure Selbstverständlichkeit”, daß die streitige Klausel für die berechtigte Kündigung aus wichtigem Grund nicht gelte und diese nicht ausschließe; der Fall der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund werde von der beanstandeten Regelung nicht umfaßt.
c) Das Berufungsgericht leitet die von ihm angenommene Unwirksamkeit der Laufzeitklausel maßgeblich aus einer Verknüpfung ihres Inhalts mit der Verpflichtung zur Abstandszahlung bei vorzeitiger Kündigung des Vertragsverhältnisses her.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß bei der Prüfung der Unwirksamkeit einer Klausel im Verfahren nach § 13 AGBG diese nicht isoliert, sondern vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrages zu interpretieren ist und insbesondere nicht aus einem ihre Beurteilung nach §§ 9ff. AGBG mit beeinflussenden Zusammenhang gerissen werden darf (BGHZ 106, 259, 263; BGH, Urteile vom 5. November 1991 – XI ZR 246/90 = WM 1991, 2055, 2056; vom 11. Februar 1992 – XI ZR 151/91 = BGHR AGBG § 13 Abs. 1 Auslegungsmaßstab 1, jeweils m.w.N.). Die mit der beanstandeten Klausel inhaltlich untrennbar in einer Einheit verbundenen Formularbedingungen müssen daher mitberücksichtigt werden.
Hingegen sind inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung zugänglich, und zwar auch dann, wenn sie in einem äußeren, sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Klauseln stehen (BGHZ 107, 185, 190/191 m.w.N.). Werden solche Klauseln von dem Klageantrag, der das Gericht gemäß § 308 Abs. 1 ZPO prozessual bindet, nicht umfaßt, so grenzt der Klageantrag damit den Umfang der jeweiligen abstrakten Inhaltskontrolle nach § 13 AGBG ein (vgl. Wolf/Horn/Lindacher a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen ist es bei der Prüfung der Wirksamkeit der Laufzeitklausel Nr. 5 nicht geboten, die Bestimmung über die Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung des Vertrages bei Verpflichtung zur Zahlung einer Abstandssumme mit zu berücksichtigen. Abgesehen davon, daß schon der Klageantrag die letztere Regelung nicht mit umfaßt (§ 308 Abs. 1 ZPO), bildet diese auch nicht eine inhaltlich untrennbare Einheit mit der Laufzeitklausel in dem Sinn, daß sie über die Verknüpfung der beiden Regelungen zur Unangemessenheit der ansonsten nicht zu beanstandenden (reinen) Laufzeitklausel führen würde. Die Laufzeitklausel hat einen eigenen in sich abgeschlossenen Regelungsgehalt, der, wie dargelegt, nicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG verstößt. Eine zulässige, den Anschlußkunden nicht unangemessen benachteiligende – 12jährige – Vertragsbindung kann aber nicht dadurch zu einer unangemessenen Regelung werden, daß der Kunde berechtigt wird, den Vertrag vorzeitig, wenn auch mit finanziell nachteiligen Auswirkungen, zu kündigen.
Fundstellen
Haufe-Index 609911 |
BB 1993, 1906 |
NJW 1993, 1133 |