Leitsatz (amtlich)
Zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung von Renovierungsverpflichtungen gem. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB durch einzelne Wohnungseigentümer.
Normenkette
BGB §§ 326, 631
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 08.04.1987; Aktenzeichen 12 U 229/86) |
LG Bochum (Urteil vom 10.07.1986; Aktenzeichen 3 O 629/85) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger zu 1 bis 4 wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. April 1987 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger zu 1-4 erwarben 1982/83 von der Eigentümerin eines mit einem Altbau bebauten Grundstücks, an dem diese Wohnungseigentum begründet hatte, jeweils eine Eigentumswohnung. Die Beklagte – eine Beteiligungsanlagen GmbH, die Miteigentümerin einer Garage auf dem Grundstück ist – bereitete die Veräußerung der Wohnungen vor und führte mit den Klägern zu 1-4 Verkaufsgespräche. Dabei wies sie – nach der Behauptung der Kläger zu 1-4 unter Bezugnahme auf ein Exposé vom 5. Mai 1983 – auf die von ihr beabsichtigte Renovierung und Ausstattung des Hauses, insbesondere auf die Erneuerung des Kellers, der Wohnungseingangstüren, des Treppenhauses und der Vorderfront hin. In einer den Klägern zu 1 und 2 übersandten „Bestätigung zum notariellen Kaufvertrag” erklärte sie, „unentgeltlich vereinbarungsgemäß … Arbeiten in der Wohnung, im Keller bzw. am Haus” durchzuführen. Auch verpflichtete sie sich in einer „Vereinbarung” vom 30. Dezember 1982 gegenüber der Eigentümergemeinschaft, Arbeiten im Treppenhaus, an den Wohnungsabschlußtüren und im Keller vorzunehmen.
Die Beklagte führte die Arbeiten nur teilweise durch. Die Kläger zu 1-4 und weitere Wohnungseigentümer forderten sie deshalb Ende 1983/Anfang 1984 unter Fristsetzung wiederholt zur Ausführung auf und wiesen darauf hin, daß sie nach Fristablauf die Arbeiten einem anderen Unternehmer übertragen würden. Die Beklagte erwiderte daraufhin, sie werde „alle … zugesagten Verbesserungsmaßnahmen durchführen”.
In einer Eigentümerversammlung vom 13. September 1985 beschlossen die Kläger zu 1-4 (gemeinsam mit dem am Verfahren nicht mehr beteiligten Kläger zu 5), wegen der noch ausstehenden Arbeiten am Hause „Schritte” zu unternehmen, mit der Durchführung dieser Angelegenheit einen Rechtsanwalt zu beauftragen und gegebenenfalls Klage zu erheben. Da die Beklagte auch weiterhin untätig blieb, verlangen sie mit der Klage Zahlung des zur Ausführung der Arbeiten durch Dritte erforderlichen Betrags von 23.300,05 DM nebst Zinsenzu Händen des Verwalters. Darüberhinaus begehren sie festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihnen den weiteren Schaden zu ersetzen, der ihnen aus der Nichterfüllung der Verpflichtung der Beklagten erwachsen ist oder noch erwachsen wird.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision, die die Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgen die Kläger zu 1-4 (künftig: die Kläger) den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht nimmt an, im Hinblick auf den am 13. September 1985 gefaßten Beschluß der Wohnungseigentümer fehle den Klägern die Befugnis zur klageweisen Geltendmachung der Ansprüche. Mit diesem Beschluß hätten die Wohnungseigentümer die Durchsetzung von ihnen zustehenden selbständigen Ansprüchen zur Gemeinschaftsaufgabe gemacht. Solange dieser Beschluß bestehe, sei es den Klägern verwehrt, die Ansprüche anstelle der Gemeinschaft oder neben ihr geltend zu machen. Dem Beschluß komme nicht nur Innen-, sondern auch Außenwirkung zu. Die Beklagte müßte davor geschützt werden, wegen derselben Forderung gleichzeitig von der Gemeinschaft und den einzelnen Wohnungseigentümern in Anspruch genommen zu werden. Auch müßten unterschiedliche Entscheidungen in der Sache vermieden werden. Die Ansprüche seien daher entweder von allen Miteigentümern oder von dem Verwalter geltend zu machen.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Kläger können etwaige ihnen zustehende Ansprüche gegen die Beklagte im Klageweg selbständig verfolgen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der einzelne Wohnungseigentümer die auf Erfüllung des Erwerbsvertrags zielenden Ansprüche ohne zuvor ergangenen Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft einklagen. Er kann daher selbständig Nachbesserung der Mängel am Gemeinschaftseigentum oder Zahlung eines dafür erforderlichen Vorschusses bzw. Erstattung der Mängelbeseitigungskosten verlangen (Senatsurteile BGHZ 74, 258, 262; 81, 35, 37/38, jeweils m.N.). Der einzelne Wohnungseigentümer ist daher auch befugt, die Erfüllung etwaiger bei Erwerb der Eigentumswohnung von dem Veräußerer oder von einem Dritten übernommenerRenovierungsverpflichtungen hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums geltend zu machen.
Ebenso kann er Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB jedenfalls dann fordern, wenn der Veräußerer oder der Dritte seiner Verpflichtung trotz einer mit Ablehnungsandrohung verbundenen Fristsetzung nicht nachgekommen ist und die von dem Wohnungseigentümer verlangte Summe – wie hier – gerade den zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands erforderlichen Betrag ausmacht, dessen zweckentsprechende Verwendung gesichert ist, weil die Zahlungzu Händen des Verwalters erstrebt wird. Dann ist es ähnlich wie bei Vorschußzahlungen gem. § 633 Abs. 3 BGB (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 68, 372, 377). Die Interessenlage ist in derartigen Fällen durchaus vergleichbar. Der Schadensersatzanspruch isthier letztlich auf das gleiche Ziel gerichtet wie die Mängelbeseitigung. Das zu verfolgen darf dem einzelnen Wohnungseigentümer auch im Rahmen des § 326 BGB nicht verwehrt werden. Auf den umständlichen Weg über das Erfüllungsverlangen i.V. mit der Ersatzvornahme nach § 887 Abs. 1 u. 2 ZPO braucht er nicht verwiesen zu werden. Ihm als Schadensersatz gem. § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB den zur Erfüllung erforderlichen Geldbetrag zu Händen des Verwalters und damit zur zweckentsprechenden Verwendung zuzusprechen, läuft auf dasselbe hinaus.
Die Kläger tragen vor, die Beklagte habe sich ihnen gegenüber zur Renovierung des Treppenhauses und der Vorderfront sowie zu Arbeiten in der Waschküche des Hauses verpflichtet, sie habe aber trotz Fristsetzung diese Verpflichtung nicht erfüllt. Trifft dieser Vortrag zu, haben die Kläger somit gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB jeweils einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte, den sie – auch ohne Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft – in der mit der Klage gewählten Form geltend machen können.
2. Ob diese Klagebefugnis der einzelnen Wohnungseigentümer dann entfällt, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft den Verwalter mit Beschluß zur gerichtlichen Geltendmachung der ihr zustehenden Ansprüche ermächtigt hat, kann dahingestellt bleiben. Im Streitfall liegt eine Ermächtigung des Verwalters, etwaige Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft in gewillkürter Prozeßstandschaft im eigenen Namen oder aufgrund einer Ermächtigung nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG im Namen aller Wohnungseigentümer einzuklagen, nicht vor. In der Versammlung der Wohnungseigentümer vom 13. September 1985 beschlossen die Wohnungseigentümer lediglich, wegen der noch ausstehenden Arbeiten am Haus „Schritte” zu unternehmen und – nach Beauftragung eines Rechtsanwalts – „gegebenenfalls” Klage zu erheben. Mit diesem Beschluß ermächtigten sie weder den Verwalter zur Geltendmachung von Ansprüchen im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft, noch erteilten sie ihm eine Ermächtigung für eine Klage in gewillkürter Prozeßstandschaft (vgl. dazu Senatsurteil vom 20. März 1986 – VII ZR 81/85 = ZfBR 1986, 171 = BauR 1986, 447 m.N.). Der Ansicht des Berufungsgerichts, im Hinblick auf den am 13. September 1985 gefaßten Beschluß seien nicht die Kläger, sondern der Verwalter (oder alle Miteigentümer) zur klageweisen Geltendmachung der Ansprüche befugt, kann daher nicht gefolgt werden.
3. Dem Berufungsgericht kann aber auch darin nicht zugestimmt werden, daß nach dem Beschluß der Wohnungseigentümer die Ansprüche – wenn nicht von dem Verwalter – nur vonallen Miteigentümern geltend gemacht werden können.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats können die Wohnungseigentümer dann, wenn sie den Nachbesserungsanspruch und das Recht, die Mängel selbst zu beseitigen, verloren haben, nur noch als Wohnungseigentümergemeinschaft beschließen, ob wegen der Mängel am Gemeinschaftseigentum vom Veräußerer Minderung oder Schadensersatz gefordert wird. Maßgebend hierfür ist, daß diese Gewährleistungsrechte lediglich einheitlich und damit gemeinschaftlich ausgeübt werden können. DieWahl, obMinderung oder Schadensersatz verlangt werden soll, kann daher nicht von jedem einzelnen Wohnungseigentümer für sich allein, sondern muß gemeinschaftlich für alle getroffen werden. Zum Schutze des Schuldners ist deshalb nur eine gemeinschaftliche Verfolgungdieser Rechte zulässig; einem entsprechenden Beschluß der Wohnungseigentümer kommt insoweit Außenwirkung zu (BGHZ 74, 258, 263 ff). Erheben einzelne Wohnungseigentümer nach einem solchen Beschluß dennoch Klage auf Nachbesserung, müßte sie erfolglos bleiben. Der Veräußerer soll nur auf eine Klage eingehen müssen, Überschneidungen bei der Prüfung der einzelnen Mängel sollen vermieden werden (BGHZ 81, 35, 39 f).
b) Diese Grundsätze sind im vorliegenden Fall, in dem es lediglich um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen angeblicher Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen der Beklagten geht, zumindest nicht uneingeschränkt anwendbar. Wie der Nachbesserungsanspruch und die damit zusammenhängenden Ansprüche auf Vorschuß oder Kostenerstattung können solche Ansprüche nur auf einzelvertraglichen Beziehungen der Kläger mit der Beklagten beruhen. Sie sind daher, auch wenn sie sich auf die Instandsetzung und Erneuerung gemeinschaftlichen Eigentums beziehen, von den einzelnen Wohnungseigentümern grundsätzlich ohne Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft einklagbar. EinWahlrecht ähnlich dem des § 634 Abs. 1 BGB zwischen Minderung und Schadensersatz gibt es dabei nicht. Hat – wie im Streitfall – die Mehrheit der Wohnungseigentümer nur ganz allgemein beschlossen, die Ansprüche weiter zu verfolgen und „gegebenenfalls” Klage zu erheben, werden die einzelnen Wohnungseigentümer dadurch noch nicht gebunden. Da der Beschluß nicht auf eine Geltendmachung der Ansprücheallein durch die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtet ist, kann es den Klägern nicht verwehrt werden, selbständig den Schadensersatzanspruch im Klageweg zu verfolgen und Zahlung jedenfallsan den Verwalter zu verlangen.
c) Interessen der an dem Beschluß vom 13. September 1985 nicht beteiligten Wohnungseigentümer oder der Beklagten stehen dem nicht entgegen. Die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche durch die Kläger widerspricht nicht dem Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie liegt auch im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer, weil ein von der Beklagten etwa geschuldeter Schadensersatz wegen unterlassener Erneuerung des Gemeinschaftseigentums bei zweckentsprechender Verwendung des eingeklagten Betrags auch ihnen zugute kommt. Interessen der Beklagten werden – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – durch die Klage ebenfalls nicht berührt. Den Klägern steht aufgrund der von ihnen erklärten Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ein etwaiger Erfüllungsanspruch gegen die Beklagte nicht mehr zu (§ 326 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BGB). Von der Beklagten kann also nicht teilweise Erfüllung und teilweise Schadensersatz verlangt werden. Auch die vom Berufungsgericht befürchtete zweimalige Inanspruchnahme der Beklagten wegen derselben Forderung scheidet aus. Der Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 13. September 1985 enthält keine Ermächtigung des Verwalters zur Klage in gewillkürter Prozeßstandschaft. Einer Klage aller Wohnungseigentümer (einschließlich der Kläger) gegen die Beklagte stünde die Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens insoweit entgegen, als auch die Kläger beteiligt wären. Im übrigen erscheint es nicht sachgerecht, nur wegen der Uneinigkeit der Wohnungseigentümer – zu denen auch die Beklagte gehört – die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Beklagte im Ergebnis zu vereiteln. Vielmehr erfordert das schutzwürdige Interesse der Kläger, bei einem begründeten Anspruch gegen die Beklagtezumindest Leistung an den Verwalter verlangen zu können.
4. Nach alledem ist davon auszugehen, daß die Kläger – anders als das Berufungsgericht annimmt – zur klageweisen Geltendmachung etwaiger Ansprüche befugt sind. Das Berufungsurteil kann somit nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Da das Berufungsgericht über die angeblichen Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte keine Feststellungen getroffen hat, ist der Senat nicht in der Lage, gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden. Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
G, B, O, W, Q
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.03.1988 durch Werner Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512612 |
NJW 1988, 1718 |
Nachschlagewerk BGH |