Leitsatz (amtlich)
Gewährt ein Dritter dem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, unterfällt die Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des Dritten nicht dem Bargeschäftsprivileg.
Normenkette
InsO §§ 134, 142 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Entscheidung vom 22.12.2020; Aktenzeichen 4 S 200/20) |
AG Westerstede (Entscheidung vom 09.06.2020; Aktenzeichen 27 C 539/19) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 22. Dezember 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 18. Dezember 2018 am 12. Februar 2019 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung im Drei-Personen-Verhältnis nimmt er den Beklagten auf Rückgewähr einer Zahlung in Anspruch, die dieser zur Vergütung seiner Arbeitstätigkeit erhalten hat.
Rz. 2
Der Beklagte war Arbeitnehmer der E. -H. G. GmbH (nachfolgend: Arbeitgeberin), einer Schwestergesellschaft der Schuldnerin. Beide Gesellschaften gehörten zur E. -Gruppe, hinter der J. K. stand. Für seine Arbeitsleistungen im Oktober 2018 erhielt der Beklagte am 16. November 2018 per Überweisung vom Vortag eine Zahlung in Höhe von 1.430 €. Der entsprechende Kontoauszug weist neben dem Zahlungszweck "Lohn Okt 2018" als Zahlende eine "E. GmbH" aus. Hinter dieser Bezeichnung stand die Schuldnerin, welche die Überweisung bewirkt hatte. Die Zahlung erfolgte vom Geschäftskonto der Schuldnerin.
Rz. 3
Der Beklagte hatte in der Vergangenheit mehrfach Überweisungen von der "E. GmbH" zur Vergütung seiner Arbeitstätigkeit erhalten, aber auch von einer E. -F. -B. GmbH und von der Arbeitgeberin selbst. Seine Kontoauszüge wiesen die verschiedenen Zahler aus.
Rz. 4
Das Amtsgericht hat die auf Rückgewähr der Zahlung vom 16. November 2018 gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die zulässige Revision hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein Rückgewähranspruch des Klägers gegen den Beklagten aus § 134, § 143 InsO sei gemäß § 142 InsO ausgeschlossen. Das Amtsgericht habe einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung des Beklagten und der Zahlung der Schuldnerin in Anwendung von § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO fehlerfrei festgestellt. Auch die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO lägen vor. Die Zahlung der Schuldnerin sei für den Beklagten nicht als Drittleistung erkennbar gewesen. Aufgrund der in der Vergangenheit geübten Praxis sei es der Beklagte gewohnt gewesen, seinen Lohn von verschiedenen Unternehmen der E. -Gruppe zu erhalten. Abgestellt auf einen objektiven Dritten stelle die Zahlung der Schuldnerin eine Lohnzahlung der Arbeitgeberin dar. Für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer sei es unerheblich, von wem letztlich der Arbeitslohn gezahlt werde, so dass nicht bereits mit der Angabe der Insolvenzschuldnerin auf dem Überweisungsträger die Drittzahlung erkennbar werde. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO sei auch in der Insolvenz des Dritten anwendbar. Dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Dritten könne daher der Bargeschäftseinwand entgegengehalten werden. Sonst würde der Wille des Gesetzgebers, das Arbeitsentgelt vor Anfechtungen zu schützen, konterkariert.
II.
Rz. 7
Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 8
1. Der Senat ist zur Entscheidung über die Revision unabhängig davon zuständig, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Überdies ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, weil hier ein Dritter das dem Beklagten zustehende Arbeitsentgelt gezahlt hat und die erhobene Klage deshalb nicht die Rückforderung von Arbeitsentgelt in der Beziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - IX ZB 27/12, NZI 2013, 33 Rn. 6 ff).
Rz. 9
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht erkannt, dass die streitgegenständliche Zahlung der Schuldnerin an den Beklagten nach § 134 InsO anfechtbar sein kann.
Rz. 10
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob eine Leistung des Schuldners unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO erfolgte, zwischen Zwei-Personen-Verhältnissen und Drei-Personen-Verhältnissen zu unterscheiden. Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Leistung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll. Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Bezahlt der Leistende die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen Gegenleistung in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert. Ist hingegen die Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. In solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. Der Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Leistenden nicht schutzwürdig; denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können (etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13, NZI 2013, 1017 Rn. 6; vom 29. Oktober 2015 - IX ZR 123/13, ZInsO 2016, 36 Rn. 6).
Rz. 11
b) Im Streitfall geht es um eine Leistung im Drei-Personen-Verhältnis. Die Schuldnerin hat die Forderung des Beklagten gegen die Arbeitgeberin beglichen. Ob die Forderung des Beklagten gegen die Arbeitgeberin werthaltig war oder nicht, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Rz. 12
3. Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, die angefochtene Zahlung falle unter das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO.
Rz. 13
a) Nach § 142 Abs. 1 InsO in der hier anwendbaren Fassung vom 5. April 2017 (vgl. Art. 103j EGInsO) ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO regelt auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Recht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rn. 15 mwN), wann der Austausch von Leistung und Gegenleistung als unmittelbar anzusehen ist.
Rz. 14
§ 142 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 InsO enthalten Sonderregelungen für die Gewährung von Arbeitsentgelt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist gemäß § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum alten Recht (BAG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 Rn. 15 ff). § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO ist eine im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzugekommene Vorschrift. Danach steht der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.
Rz. 15
b) Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung maßgeblich auf § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO gestützt. Die Vorschrift müsste deshalb im vorliegenden Fall einer Anfechtung nach § 134 InsO im Drei-Personen-Verhältnis anwendbar sein. Darüber hinaus müssten ihre Voraussetzungen vorliegen.
Rz. 16
aa) § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO ist nicht anwendbar, wenn eine Leistung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden Dritten nach § 134 InsO angefochten wird (Thole, ZIP 2017, 401, 409; Dahl/Schmitz, NJW 2017, 1505, 1511; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 142 Rn. 35c).
Rz. 17
(1) Die Bedeutung des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO erhellt sich nicht aus dem Gesetz selbst. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird die Gewährung des Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB der Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch den Schuldner gleichgestellt. Inwieweit die Gleichstellung erfolgt, sagt das Gesetz nicht. Da sonst nur § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Regelung zur Gewährung von Arbeitsentgelt trifft, scheint sich § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO nur auf § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beziehen. Dafür spricht auch die Regelungssystematik. Der Gesetzgeber hat § 142 Abs. 2 einen weiteren Satz angefügt und nicht einen weiteren Absatz, wie es im Falle einer eigenständigen, über § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinausgehenden Bedeutung zu erwarten gewesen wäre.
Rz. 18
Dieser Deutungsansatz ist allerdings verfehlt. Bezöge sich § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO nur auf § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO, erschöpfte sich die Gleichstellung mit der Gewährung von Arbeitsentgelt durch den Schuldner in der Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung. Das Problem der Drittleistung im Sinne des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO liegt jedoch vor allem in der Inkongruenz, welche die Annahme eines Bargeschäfts nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09, NZI 2010, 897 Rn. 26; vom 10. Juli 2014 - IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rn. 10; vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rn. 21).
Rz. 19
Erschöpfte sich die Bedeutung von § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO in der Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs, liefe die Regelung immer dann leer, wenn die Gewährung von Arbeitsentgelt durch einen Dritten inkongruent ist (vgl. Thole, ZIP 2017, 401, 408). Das hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO geht über eine Gleichstellung mit § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinaus.
Rz. 20
(2) Inwieweit § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO über eine Gleichstellung mit § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO hinausgeht, ergibt sich nicht aus den Gesetzentwürfen und den hierzu gefertigten Begründungen. Die Vorschrift beruht auf der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 18/11199, S. 5 f). Ausweislich der Beschlussempfehlung soll § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO der von Seiten der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung geäußerten Kritik Rechnung tragen, wonach für den Arbeitnehmer nicht erkennbare Drittzahlungen auf das Arbeitsentgelt im gleichen Umfang wie Zahlungen des Arbeitgebers selbst von der Anfechtung ausgenommen werden sollten. Die Vorschrift regele den Anfechtungsschutz im Rahmen derartiger Drittzahlungsvorgänge, die insbesondere bei der Beschäftigung in konzernverbundenen Unternehmen denkbar seien. Auch innerhalb dieser Gestaltungen sei der Schutz des Arbeitsentgelts vor Anfechtungen sachgerecht. Durch die Ergänzung von § 142 Abs. 2 InsO solle dieser Schutz sichergestellt werden (vgl. BT-Drucks. 18/11199, S. 11).
Rz. 21
Das lässt Deutungsspielräume offen. Die vom Rechtsausschuss in den Blick genommenen Drittzahlungsvorgänge können sowohl in der Insolvenz des Arbeitgebers (§§ 130, 131 InsO) als auch in der Insolvenz des Dritten anfechtbar sein (§ 134 InsO). Welchen Schutz § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO im Einzelnen gewährleisten soll, lässt sich der Beschlussempfehlung nicht entnehmen. Die Empfehlung verweist auf die von den Sachverständigen geäußerte Kritik und will dieser durch § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO Rechnung tragen. Die Sachverständigen haben vor allem die Anfechtbarkeit von Drittzahlungen in der Insolvenz des Arbeitgebers kritisiert. Lediglich die schriftliche Stellungnahme eines Sachverständigen verweist auf eine mögliche Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des Dritten und regt an, eine ergänzende Regelung zu erwägen (Prot. Nr. 18/92 des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, S. 130). Dass der Rechtsausschuss dieser Anregung nicht nur gefolgt ist, sondern § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO auch in der Insolvenz des Dritten angewendet wissen wollte, kann nicht angenommen werden. Dies gilt erst recht für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers.
Rz. 22
(3) Es gibt auch sonst keinen Grund, die Regelung des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO auf die Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden Dritten anzuwenden. Eine Gewährung des Bargeschäftsprivilegs kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO nicht Teil eines Bargeschäfts gemäß § 142 InsO sein kann (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 142 Rn. 36; BeckOK-InsR/Schoon, 2021, § 142 InsO Rn. 2; Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 19. Aufl., § 142 Rn. 8, 14). Das gilt sowohl im Zwei-Personen-Verhältnis als auch im hier interessierenden Drei-Personen-Verhältnis.
Rz. 23
Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Leistung des Schuldners unentgeltlich, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert zufließen soll (BGH, Urteil vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 49 mwN; st. Rspr.). § 142 Abs. 1 InsO macht es demgegenüber gerade zur Voraussetzung eines Bargeschäfts, dass eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmeregelung. Der entscheidende Grund für die Ausnahmeregelung ist der wirtschaftliche Gesichtspunkt, dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen (BT-Drucks. 12/2443, S. 167). Für unentgeltliche Leistungen bedarf es dieses Schutzes nicht. Die weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr erfordert nicht die Vornahme unentgeltlicher Leistungen.
Rz. 24
Im hier interessierenden Drei-Personen-Verhältnis beurteilt sich die Unentgeltlichkeit der (Dritt-)Leistung nicht danach, ob eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat, die in der Regel darin liegt, dass er eine werthaltige Forderung gegen den Forderungschuldner verliert (vgl. oben Rn. 10). Der Verlust einer werthaltigen Forderung begründet kein Bargeschäft im Verhältnis zum leistenden Dritten. In Austauschverhältnissen erbringt der Zuwendungsempfänger allerdings auch die im Verhältnis zum Forderungsschuldner geschuldete Leistung. Diese Leistung kann der Leistung des Dritten vorhergehen oder nachfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 - IX ZR 10/13, ZInsO 2013, 2265 Rn. 11 f). Ein Bargeschäft vermag die Leistung des Zuwendungsempfängers an den Forderungsschuldner unter Umständen im Verhältnis zu diesem zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rn. 20 f). Im Verhältnis zum unentgeltlich leistenden Dritten fehlt es an der von § 142 InsO vorausgesetzten (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 - IX ZR 104/07, ZInsO 2010, 673 Rn. 30; vom 17. Dezember 2015, aaO Rn. 21) rechtsgeschäftlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung (Thole, ZIP 2017, 401, 409).
Rz. 25
(4) Es gibt auch kein unabweisbares Bedürfnis, den Arbeitnehmer vor einer Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden Dritten zu schützen. Zwar veranschaulicht der Streitfall, dass sich der Arbeitnehmer gerade in den vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Konzernsachverhalten einer Schenkungsanfechtung des Verwalters über das Vermögen des konzernverbundenen Dritten nach § 134 InsO ausgesetzt sehen kann. Der Arbeitnehmer ist aber nicht gleichermaßen schutzwürdig. Im Gegensatz zur Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO schuldet er die Rückgewähr unentgeltlicher Leistungen im Grundsatz nur, soweit er durch diese bereichert ist (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO). Einer fortbestehenden Bereicherung kann entgegenstehen, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt für den allgemeinen Lebensunterhalt verwendet hat und er den Unterhalt nicht durch Einsatz anderweitiger Mittel hätte bestreiten können (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 1984 - IVb ZR 7/83, NJW 1984, 2095, 2096; vom 19. Dezember 1984 - IVb ZR 51/83, BGHZ 93, 183, 190 f; vom 17. Juni 1992 - XII ZR 119/91, BGHZ 118, 383, 386; jeweils für rechtgrundlose Unterhaltszahlungen).
Rz. 26
bb) Es würde auch an den Voraussetzungen für ein Eingreifen des Anfechtungsschutzes nach § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO fehlen. Dass die streitgegenständliche Zahlung an den Beklagten zur Vergütung seiner Arbeitsleistung im Oktober 2018 durch einen Dritten vorgenommen worden ist, war für den Beklagten erkennbar.
Rz. 27
(1) § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO schützt die Gewährung von Arbeitsentgelt durch einen Dritten nach § 267 BGB. Gegenüber dem leistenden Dritten darf daher kein eigenes Forderungsrecht des Arbeitnehmers bestanden haben. Der Dritte muss mit dem Willen geleistet haben, mit einer eigenen Leistung eine fremde Schuld zu tilgen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 2018 - VIII ZR 39/17, NJW 2018, 1079 Rn. 26). Das ist nicht der Fall, wenn ein Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Forderungsschuldners leistet. Eine Leistung nach § 267 BGB soll aber auch dann nicht anzunehmen sein, wenn der Dritte auf Anweisung des Forderungsschuldners leistet (BeckOK-BGB/Lorenz, 2021, § 267 Rn. 5; Staudinger/Bittner/Kolbe, BGB, 2019, § 267 Rn. 36; MünchKomm-BGB/Krüger, 8. Aufl., § 267 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. März 2001 - IX ZR 157/00, BGHZ 147, 145, 149). Das ist richtig, wenn man annimmt, dass der Angewiesene nur seine Schuld gegenüber dem Anweisenden tilgen will und nicht die Schuld des Anweisenden gegenüber dem Forderungsgläubiger (vgl. Staudinger/Bittner/Kolbe, aaO). Ein derartiges Verständnis der von § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO erfassten Drittleistung nähme die Anweisungsfälle vom Anwendungsbereich der Vorschrift aus. Ob der Gesetzgeber sich diesen Umstand bewusstgemacht hat, ist nicht ersichtlich. Der Senat muss die von § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO erfassten Drittleistungen nicht näher bestimmen.
Rz. 28
(2) Für den Beklagten war erkennbar, dass mit der Schuldnerin ein Dritter geleistet hat.
Rz. 29
(a) § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO setzt voraus, dass für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat. Das ist ein objektiver Maßstab. Entscheidend ist demnach nicht, ob der konkrete Arbeitnehmer die Drittleistung erkannt hat oder nicht. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein objektiver Betrachter aus der Sicht des Arbeitnehmers erkennen konnte, dass ein Dritter leistet. Entscheidend ist die Erkennbarkeit der Drittleistung an sich. Der Dritte muss nicht identifizierbar sein. Es reicht aus, dass erkennbar ist, dass es sich nicht um eine Leistung des Schuldners handelt, sondern um die eines Dritten.
Rz. 30
Grundlage für die Beurteilung sind die dem Arbeitnehmer zur Kenntnis gelangten objektiven Umstände. Eine (hypothetische) Erkundigungs- oder Nachforschungsobliegenheit des Arbeitnehmers besteht nicht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt. Die Anforderungen an die Erkennbarkeit dürfen daher nicht zu hoch angesetzt werden.
Rz. 31
(b) Die dem Beklagten zur Kenntnis gelangten Umstände ließen danach die Drittleistung erkennen. Aus den vom Beklagten vorgelegten Kontoauszügen sind acht Überweisungen von drei unterschiedlichen Zahlern ersichtlich. Neben der genau bezeichneten Arbeitgeberin haben eine E. -F. -B. GmbH und die E. GmbH gezahlt. Daraus war erkennbar, dass die streitgegenständliche Zahlung nicht von der Arbeitgeberin stammte, sondern von der E. GmbH. Unerheblich ist, dass die E. GmbH mangels genauer Bezeichnung nicht als die Schuldnerin identifizierbar gewesen sein mag. Aus dem Abgleich der den Kontoauszügen zu entnehmenden verschiedenen Zahler war jedenfalls ersichtlich, dass es sich nicht um die Arbeitgeberin handelte. Erhält der Arbeitnehmer eine Zahlung per Überweisung und ergibt sich aus dem entsprechenden Kontoauszug, dass die Zahlung von einem Zahler stammt, dessen Bezeichnung nicht mit der von seinem Arbeitgeber verwendeten identisch ist, wird regelmäßig eine darin liegende Drittleistung erkennbar. Dass es im Streitfall zu mehreren Drittzahlungen gekommen ist und diese für den Beklagten gewohnt gewesen sein mögen, ändert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts daran, dass es sich um Drittzahlungen handelt. Gleiches gilt für den Umstand, dass es für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer unerheblich sein mag, von wem das Arbeitsentgelt letztlich gezahlt wird. Maßgebend ist die Erkennbarkeit der Drittleistung aus objektiver Sicht. Ohne Bedeutung ist auch, ob sich der Arbeitnehmer dafür interessiert, wer zahlt.
Rz. 32
(3) Der für die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO darlegungs- und beweisbelastete (Thole, ZIP 2017, 401, 409; Ganter, ZIP 2019, 1141, 1143) Beklagte hat auch gar nicht geltend gemacht, dass die Drittzahlung für ihn nicht erkennbar war. Berufungserwidernd hat er sich vielmehr auf eine stillschweigend zustande gekommene dreiseitige Kongruenzvereinbarung (vgl. BAG, Urteil vom 21. November 2013 - 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rn. 14 ff) berufen. Eine solche Vereinbarung setzt denklogisch voraus, dass (auch) der Forderungsgläubiger den abweichenden Leistungsweg erkennt, mit dem er sich anderenfalls nicht (stillschweigend) einverstanden erklären kann. Wenn aber der Beklagte Drittleistungen erkannt haben will (und muss), um eine stillschweigend zustande gekommene dreiseitige Vereinbarung zu begründen, muss für ihn auch erkennbar gewesen sein, dass es sich bei der streitgegenständlichen Zahlung um eine Drittleistung handelte. Die dem entsprechenden Kontoauszug zu entnehmende Bezeichnung des Zahlers entsprach denen vorhergehender Drittleistungen.
III.
Rz. 33
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Rz. 34
Das Berufungsgericht wird sich mit dem eigentlichen Verteidigungsvorbringen des Beklagten - einer stillschweigend zustande gekommenen dreiseitigen Vereinbarung - zu beschäftigen haben. Allerdings kommt es für die in Betracht kommende Schenkungsanfechtung im Verhältnis zur Schuldnerin nicht entscheidend darauf an, ob die Drittzahlung im Verhältnis zwischen der Arbeitgeberin und dem Beklagten kongruent war. Die geltend gemachte Anfechtung nach § 134 InsO wäre ausgeschlossen, wenn durch die behauptete Vereinbarung eine wirksame schuldrechtliche Verpflichtung der Schuldnerin zur Begleichung der konkreten Forderung begründet worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2005 - IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 282). In Betracht kommt etwa ein Schuldbeitritt.
Rz. 35
Lässt sich die Schenkungsanfechtung weiterhin nicht ausschließen, werden nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand Feststellungen dazu zu treffen sein, ob die Arbeitgeberin im Zeitpunkt der Zahlung durch die Schuldnerin zahlungsunfähig war.
Grupp |
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Lohmann |
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Schultz |
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Selbmann |
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Harms |
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Fundstellen
Haufe-Index 15100705 |
DB 2022, 1059 |
DStR 2022, 12 |
DStR 2022, 1216 |