Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, urheberrechtlich geschützte Darstellungen aus seinem Arbeitsgebiet, die er vor Beginn des Arbeitsverhältnisses geschaffen hat, seinem Arbeitgeber unentgeltlich zu überlassen.
Normenkette
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 31 Abs. 5; BGB § 612 Abs. 1, § 632 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 28.04.1982) |
LG Mannheim |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. April 1982 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Alleinerbin ihres während des Rechtsstreits verstorbenen Ehemanns. Dieser war Fachmann auf dem Gebiet der Planung und Errichtung von Elektrodenfabriken. Im Jahre 1970 erstellte er Unterlagen zur Errichtung einer Schweißelektrodenfabrik mittlerer Größe (Anlage B 2). Diese umfaßten in Form von Zeichnungen, Plänen und unterschiedlich angeordneten Aufstellungen folgende Teile: Produktionsschema (allgemein), LAYOUT einer Elektrodenfabrik, Maschinenplan, Tabelle über Strombedarf einer Elektrodenfabrik, Produktionsschema bezogen auf das LAYOUT, Schema der Qualitätskontrolle.
Diese Unterlagen übersandte der Ehemann der Klägerin einem Dipl.Ing. S. mit der Erklärung, daß die Pläne interessierten Kreisen gezeigt werden dürften, wobei auf seine Urheberrechte hinzuweisen sei. Dipl.Ing. S. übersandte die Unterlagen der Beklagten; in seinem Begleitschreiben vom 11. September 1975 wies er auf die Urheberrechte des Ehemanns der Klägerin hin und bat um gelegentliche Rücksendung der Pläne.
Der Ehemann der Klägerin trat am 1. Januar 1977 in die Dienste der Beklagten; sein Monatsgehalt betrug 7.000,– DM. Er sollte vornehmlich beim Aufbau einer Fabrikationsstätte in den USA eingesetzt werden. Nach Kündigung durch die Beklagte endete das Arbeitsverhältnis aufgrund einer vergleichsweisen Regelung vor dem Arbeitsgericht zum 31. Oktober 1978. Von der Erledigungsklausel des arbeitsgerichtlichen Vergleichs wurden etwaige urheberrechtlichen Ansprüche des Ehemanns der Klägerin ausgenommen.
Am 27. April 1977 fand im Hause der Beklagten eine Besprechung mit Vertretern der jugoslawischen Firma U. über die gemeinsame Entwicklung einer Elektrodenfabrik in M. statt, zu der auch der Ehemann der Klägerin hinzugezogen wurde. Im Laufe des Gesprächs unterbreitete die Beklagte den jugoslawischen Gesprächspartnern, die keine Erfahrung mit der Elektrodenproduktion hatten, die Unterlagen des Ehemanns der Klägerin, die sie seinerzeit von Dipl.Ing. S. übersandt erhalten und nicht zurückgeschickt hatte. Da die Vertreter der Firma … an den Unterlagen Interesse fanden, wurden diese ihnen ausgehändigt. Der Ehemann der Klägerin übersandte der Beklagten mit Schreiben vom 3. Mai 1977 „verabredungsgemäß” neben Ergänzungsblättern zu einem Fragebogen auch „zwei komplette Sätze Zeichnungen für neue Fertigungsanlagen” entsprechend den den jugoslawischen Gesprächspartnern überlassenen Unterlagen. Im Jahre 1979 wurde unter Mitwirkung der Beklagten mit der Errichtung einer Produktionsstätte für Elektroden in M. begonnen; dabei wurden Pläne entsprechend Anlage B 5 zugrunde gelegt.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 80.000 DM für die Verwertung der Pläne ihres Ehemannes, die sie für urheberrechtlich geschützt ansieht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung war ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Unterlagen des Ehemanns der Klägerin seien ein urheberrechtsschutzfähiges Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG. Die Beklagte habe dieses Werk in urheberrechtlicher Weise verwertet; sie sei jedoch nicht zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet, da die Verwertung im Einverständnis mit dem Ehemann der Klägerin erfolgt sei, ohne daß eine Vergütung ausdrücklich vereinbart worden sei. Diese sei auch nicht stillschweigend vereinbart worden; denn es sei üblich und sachgerecht, die Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke eines Arbeitnehmers in seinem Arbeitsbereich durch den Arbeitgeber als mit der Gehaltszahlung abgegolten anzusehen.
II.
Die hiergegen gerichtete Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß die vom Ehemann der Klägerin im Jahre 1970 erstellten Unterlagen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG urheberrechtsschutzfähig sind. Nach dieser Vorschrift sind unter anderem Darstellungen technischer Art urheberrechtsschutzfähig, wenn ihre Formgestaltung als persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG anzusehen ist; der technische Inhalt als solcher braucht dagegen keine persönliche geistige Schöpfung zu sein (vgl. BGHZ 73, 288, 299 – Flughafenpläne). In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht auf die Form der Darstellung, nicht aber auf den Inhalt der Unterlagen abgestellt. Es hat hierzu ausgeführt, daß die Zeichnungen und die schematische Darstellung des Aufbaus einer Elektrodenfabrik in der Art eines Datenflußplanes sowie die übersichtliche Auflistung technischer Daten, die eine rasche Information gewährleiste, der äußeren Formgebung nach eine persönliche geistige Schöpfung seien. Diese im wesentlichen tatrichterliche Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Insbesondere läßt sich aus den bei den Akten befindlichen Unterlagen nichts Gegenteiliges entnehmen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß es in Fachkreisen bereits bekannt gewesen wäre, den betreffenden technischen Inhalt in der hier vorliegenden, zumeist zeichnerischen Weise darzustellen. Für eine eigenschöpferische Darstellung spricht auch das Begleitschreiben des Dipl.Ing. S. mit dem er die Unterlagen der Beklagten übersandte. Darin wird der Entwurf des Ehemanns der Klägerin in Gegensatz zu sonstigen immer gleichen, stereotypen Vorschlägen gestellt, und es wird als vorteilhaft hervorgehoben, daß man mit diesen Plänen etwas „bildlich” in der Hand habe.
2. Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die Beklagte die geschützten Unterlagen des Ehemanns der Klägerin in urheberrechtlich relevanter Weise verwertet hat. Die Weitergabe des betreffenden Exemplars an die Vertreter der jugoslawischen Firma zum Zwecke der Auftragserlangung ist ein Verbreiten in der Form des Inverkehrbringens im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG. Dem steht nicht entgegen, daß die Weitergabe der Zeichnungen nur im Rahmen einer einzelnen Geschäftsbeziehung erfolgte; denn auch dies war bereits ein Verbreiten in der Öffentlichkeit im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG. Die jugoslawischen Verhandlungspartner waren nämlich mit der Beklagten nicht persönlich verbunden, sondern gehörten zu dem unbestimmten Kreis der potentiellen Auftraggeber. Die Verbreitung an diesen Kreis konnte wegen der besonderen Art des Werkes nicht in allgemeiner Form erfolgen, sondern sinnvollerweise nur im Rahmen von Einzelkontakten. Wegen dieser besonderen Umstände liegt hier bereits ein öffentliches verbreiten vor; die Beklagte hat nämlich dadurch, daß sie ein Exemplar des Werkes einem der potentiellen Auftraggeber übergab, damit begonnen, dem in Betracht kommenden Teil der Öffentlichkeit das Werk in der hierfür geeigneten Weise zur Verfügung zu stellen.
3. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen, daß das Berufungsgericht ein Einverständnis des Ehernmannes der Klägerin mit dieser Verwertung der Zeichnungen angenommen hat. Doch ist – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – der Beklagten das Recht zu dieser Verwertung der Zeichnungen nicht unentgeltlich eingeräumt worden. Ein Entgelt ist vielmehr als stillschweigend vereinbart anzusehen.
Für die Frage, ob die Vertragsparteien für die Einräumung eines Nutzungsrechts gem. § 31 UrhG ein Entgelt vereinbart haben, ist der in den §§ 612 Abs. 1, 632 Abs. 1 BGB enthaltene allgemeine Rechtsgrundsatz heranzuziehen. Danach ist eine Vergütung als stillschweigend vereinbart anzusehen, wenn die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Solche Umstände sind nach den getroffenen tatsächlichen Feststellungen hier gegeben.
Der Ehemann der Klägerin hatte die Pläne im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Ingenieur zur entgeltlichen Verwertung angefertigt. Dieser Hintergrund ergab sich auch aus dem Begleitschreiben des Dipl.Ing. S. an die Beklagte. Dieses Schreiben machte durch den Hinweis auf die Urheberrechte des Ehemanns der Klägerin, die Mitteilung seiner Anschrift und die Bitte um Rücksendung des Entwurfs deutlich, daß die Pläne nicht zur freien Verwendung übersandt wurden, sondern daß die Beklagte bei Interesse von dem Ehemann der Klägerin das Recht zur Nutzung erwerben mußte, und zwar, wie im geschäftlichen Verkehr üblich, gegen Entgelt. Danach war bei Zustandekommen einer solchen Nutzungsvereinbarung auch ohne ausdrückliche Erwähnung eine Vergütung als stillschweigend vereinbart anzusehen.
Die Sachlage hat sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht dadurch entscheidend geändert, daß der Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt der Nutzungsvereinbarung Angestellter der Beklagten geworden war. Hieraus ergab sich, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, für ihn keine Verpflichtung, die lange vor Beginn des Arbeitsverhältnisses gefertigten Pläne der Beklagten unentgeltlich zu überlassen. Ein Einverständnis des Ehemanns der Klägerin zur unentgeltlichen Verwertung lag entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb nahe, weil er aufgrund des Arbeitsvertrages der Beklagten sein technisches Wissen zu vermitteln hatte; denn dies verpflichtete ihn nicht, ihr auch frühere, urheberrechtlich geschützte Werke, in denen er sein Wissen in einer eigenschöpferischen Darstellungsform verkörpert hatte, zur Verwertung zu überlassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Höhe seines Gehalts; selbst ein hohes Gehalt rechtfertigt grundsätzlich nicht die unentgeltliche Verwertung früherer Werke des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Daher brauchte der Ehemann der Klägerin zur Wahrung seines Vergütungsanspruchs keine ausdrückliche Honorarvereinbarung herbeizuführen.
Nach den festgestellten tatsächlichen Umständen war somit die Einräumung des Nutzungsrechts nur gegen eine Vergütung zu erwarten, so daß sie entsprechend den §§ 612 Abs. 1, 632 Abs. 1 BGB als stillschweigend vereinbart anzusehen ist.
4. Der Höhe nach ist entsprechend der Regelung der §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 derjenige Betrag geschuldet, der im Zeitpunkt der Nutzungseinräumung für die erfolgte Verwertung üblicherweise gezahlt wurde. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Zeichnungen des Ehemannes der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützt und im Wege der Verbreitung verwertet worden, nämlich dadurch, daß sie als Mustervorlage zur Darstellung des angebotenen Konzepts und Know-how im Rahmen von Vertragsverhandlungen weitergereicht worden sind. Welcher Betrag hierfür zu zahlen ist, bedarf noch der tatrichterlichen Feststellung.
5. Ob die Beklagte darüber hinaus auch deshalb vergütungspflichtig ist, weil sie, wie die Klägerin geltend macht, die streitigen Zeichnungen durch Nachbau, nämlich durch Errichtung einer entsprechenden Elektrodenfabrik, verwertet hat, läßt sich nach dem bisherigen Sachstand nicht abschließend klären.
a) Ein vertraglicher Vergütungsanspruch scheidet insoweit allerdings aus. Nach den getroffenen Feststellungen umfaßt die stillschweigend getroffene Nutzungsvereinbarung nicht den Nachbau der Zeichnungen, sondern bezweckte nur deren Verwertung als Angebotsunterlage zur Erlangung eines Auftrags. Die Verwertung der Zeichnungen durch Nachbau stand in dem damaligen Verhandlungsstadium noch nicht zur Diskussion, so daß es auch keiner dahingehenden Nutzungseinräumung bedurfte und eine solche auch nicht anzunehmen ist (§ 31 Abs. 5 UrhG).
b) Ein Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG wegen Nachbaus der Zeichnungen setzt zunächst voraus, daß sie urheberrechtlich auch gegen einen Nachbau geschützt sind. Der bisher festgestellte Urheberrechtsschutz als Darstellung technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG gewährt diesen Schutz nicht; denn er beruht auf der besonderen Darstellungsform und verbietet daher nur die darstellende Übernahme der Zeichnungen, nicht aber die Umsetzung in die praktische Wirklichkeit durch Nutzanwendung des dargestellten technischen Wissens (vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 140; v. Gamm, BauR 1982, 97, 100).
Ein Schutz gegen Nachbau ist allerdings dann gegeben, wenn die streitigen Zeichnungen auch als Entwurf eines Bauwerks i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt sind (§ 16 Abs. 1 UrhG; vgl. BGHZ 24, 55, 69 – Ledigenheim). In diesem Fall könnte die Beklagte schadensersatzpflichtig sein, wenn sie, wie die Klägerin behauptet, die Zeichnungen in unfreier Weise nachgebaut hat. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, bedarf noch der tatrichterlichen Klärung.
III.
Im Ergebnis war daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 749231 |
NJW 1986, 1045 |
GRUR 1985, 129 |
AfP 1985, 163 |
AfP 1986, 168 |